European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00178.23D.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Obersten Gerichtshof am 6. 9. 2023 zu 3 Ob 33/23h gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.
Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das
Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.
Begründung:
[1] Im vom Kläger bei einer Dritten erworbenen Kraftfahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor des Typs EA 288 verbaut; für das Fahrzeug ist die Abgasnorm Euro 6 maßgebend.
[2] Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadenersatz aufgrund der Implementierung unzulässiger Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung (unter anderem auch wegen einer Fahrkurvenerkennung [„Precon“]), wegen arglistiger Täuschung nach § 874 ABGB, des Vorwurfs des Betrugs und einer Schutzgesetzverletzung in Anspruch.
Rechtliche Beurteilung
[3] Im Verfahren zu 3 Ob 33/23h hat der Oberste Gerichtshof dem EuGH gemäß Art 267 AEUV zu der in dieser Motortype (EA 288) implementierten „Precon“ (Vorkonditionierung) mit Fahrkurvenerkennung folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO 692/2008/EG (iVm Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG ) dahin auszulegen, dass eine emissionsmindernde Einrichtung (Steuerprogramm zur Regenerierung des Speicherkatalysators im Vorbereitungszyklus), die als kontinuierlich arbeitendes Regenerationssystem gilt, weil eine Regeneration (Reinigungsvorgang) mindestens einmal während einer Prüfung Typ I erfolgt, nachdem sie bereits mindestens einmal während des Zyklus zur Vorbereitung des Fahrzeugs stattgefunden hat (Precon bzw Vorkonditionierung), eine Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG ?
2. a) Ist Art 5 Abs 2 lit c VO 715/2007/EG (iVm Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG sowie Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO 692/2008/EG ) dahin auszulegen, dass (gegebenenfalls) eine solche Abschalteinrichtung zulässig ist, weil die Bedingungen im maßgebenden Verfahren zur Prüfung der Emissionen im Wesentlichen eingehalten sind?
b) Ist Art 5 Abs 1 VO 715/2007/EG (iVm Art 3 Nr 10 VO 715/2007/EG sowie Art 2 Nr 6 und Anhang III Abs 3.13.4. Durchführungs-VO 692/2008/EG ) dahin auszulegen, dass (gegebenenfalls) eine solche Abschalteinrichtung zulässig ist, wenn die emissionsrelevante Wirkungsweise, die sie im Prüfverfahren (Zulassungstest) aufweist, in 80 % der Fälle auch unter normalen Betriebsbedingungen (im Realbetrieb) gegeben ist?
3. Ist Abs 2.20 und Anhang 13 Abs 3 UNECE (iVm Anhang III Abs 3.13.1. und Art 2 Nr 6 Durchführungs-VO 692/2008/EG ) dahin auszulegen, dass die in Anhang 13 Abs 3 Satz 2 UNECE normierte Anordnung, wonach der Schalter (zur Verhinderung oder Ermöglichung des Regenerierungsvorgangs) während der Vorkonditionierungszyklen nur betätigt werden darf, um die Regenerierung zu verhindern, nur für das besondere Prüfverfahren nach Anhang 13 UNECE und damit für die Emissionsprüfung bei einem Fahrzeug mit einem periodischen Regenerierungssystem, nicht aber auch für ein Fahrzeug mit einem kontinuierlichen Regenerationssystem maßgebend ist?
[4] Die Beantwortung dieser Fragen ist auch im vorliegenden Fall relevant.
[5] Nach Ansicht des Berufungsgerichts „dürfte“ unstrittig sein, dass die Beklagte (nur) Herstellerin des Motors ist. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits zu 3 Ob 40/23p und 6 Ob 161/22b ausgesprochen, dass (bei unzulässiger Abschalteinrichtung) eine (unmittelbare) Haftung der Herstellerin des Motors nach § 1295 Abs 2 und § 875 ABGB denkbar ist.
[6] Es ist im vorliegenden Fall dieselbe Motortype (EA 288) zu beurteilen und – wie im Verfahren zu 3 Ob 33/23h – (unter anderem) strittig, ob es sich bei der Fahrkurvenerkennung um eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Art 3 Nr 10 iVm Art 5 VO 715/2007/EG handelt.
[7] Der Oberste Gerichtshof hat von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen und diese auch für andere als den unmittelbaren Anlassfall anzuwenden. Es ist daher zweckmäßig und geboten, mit der Entscheidung über den gegen die Beklagte geltend gemachten Schadenersatzanspruch bis zur Entscheidung des EuGH über das bereits gestellte Vorabentscheidungsersuchen zuzuwarten und das gegenständliche Revisionsverfahren zu unterbrechen (RS0110583).
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