OGH 2Ob133/23g

OGH2Ob133/23g19.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach H* H*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Tochter K* H*, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Sankt Pölten als Rekursgericht vom 24. Mai 2023, GZ 23 R 202/23p‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00133.23G.0919.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

1. Der Antrag, beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, wird zurückgewiesen.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Zu 1.:

Rechtliche Beurteilung

[1] Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Verfahrenspartei keinen Anspruch, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Ein darauf gerichteter Antrag ist zurückzuweisen (RS0056514; RS0058452).

[2] Der erkennende Senat teilt die Bedenken der Rechtsmittelwerberin, § 812 ABGB idF des ErbRÄG 2015 könnte wegen eines Eingriffs in das Recht auf Eigentum (des Verlassenschaftsgläubigers) verfassungswidrig sein, nicht.

Zu 2.:

2.1. Absonderung

[3] 2.1.1. Ob für die Nachlassabsonderung nach § 812 ABGB (idF des ErbRÄG 2015) im jeweils zu beurteilenden Fall konkrete Umstände behauptet wurden, die eine objektive Gefährdung der Forderung des Gläubigers begründen können, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Ihrer Beurteilung kommt daher keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (2 Ob174/19f Punkt 1.2 mwN).

[4] 2.1.2. Wie schon das Rekursgericht ausführte, hat die Revisionsrekurswerberin ihren Separationsantrag mit der Ankündigung der Testamentserbin begründet, die nachlasszugehörige Liegenschaft verkaufen zu wollen bzw zu müssen, um den Pflichtteilsanspruch der Revisionsrekurswerberin begleichen zu können. Damit behauptet sie aber keine Gefährdung ihres Pflichtteilsanspruchs. Dazu hätte es vielmehr weitergehender Behauptungen bedurft, etwa dahingehend, die Testamentserbin beabsichtige, den Erlös aus dem Verkauf der Liegenschaft für andere Zwecke als zur Befriedigung der Pflichtteilsforderung zu verwenden. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die Behauptungen der Antragstellerin reichten für eine Nachlassabsonderung nicht aus, ist somit nicht korrekturbedürftig, weshalb insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorliegt.

[5] 2.1.3. Aus der Entscheidung 1 Ob 586/92 ist für die Revisionsrekurswerberin nichts zu gewinnen. Diese noch zur alten Rechtslage (§ 812 ABGB aF, wonach die subjektive Besorgnis des Erbschaftsgläubigers ausreichte, vgl RS0013068, RS0013069) ergangene Entscheidung bejahte im Einzelfall die (bloß) subjektive Besorgnis der Pflichtteilsberechtigten, die aber nach dem hier anzuwendenden § 812 ABGB idF des ErbRÄG 2015für die Nachlassabsonderung nicht mehr ausreicht (2 Ob 174/19f Punkt 1.1.; Schweda in Klang³ § 812 ABGB Rz 26). Eine Veräußerungsabsicht zu anderen Zwecken als der Pflichtteilsbefriedigung steht hier nicht fest und wurde auch nicht behauptet.

[6] 2.1.4. Auf die Rüge sekundärer Feststellungsmängel zur objektiven Gefährdung muss nicht eingegangen werden, weil es schon an hinreichenden Behauptungen mangelt (vgl 2.1.2.).

[7] 2.1.5. Auch die Behauptung der Rechtsmittelwerberin, die Erbin habe in der von ihr angebotenen Frist die Zahlung des (halben) Pflichtteilsanspruchs nicht geleistet, begründet nicht zwingend eine objektive Gefährdung, kann sich doch der geplante Verkauf der Liegenschaft und somit die für die Leistung des Pflichtteilsanspruchs notwendige Erlangung des Kaufpreises aus verschiedenen Gründen verzögert haben.

2.2. Ausscheidung einer Forderung aus dem Inventar

[8] Kann der Gerichtskommissär Rechtsgrund, Höhe und Fälligkeit einer Forderung unschwer feststellen, hat er diese in das Inventar als Passivum aufzunehmen. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichtskommissärs, sich über Einwendungen eines Beteiligten für an sich unbedenklich erachtete Forderungsanmeldungen weitere Beweise vorlegen zu lassen, zumal dies in der Regel ohne weitläufige Erhebungen nicht möglich ist. Auch eine bestrittene Forderung kann in das Inventar aufgenommen werden, wenn sie ausreichend bescheinigt ist (Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² § 167 Rz 12).

[9] Wenn hier der Gerichtskommissär eine (relativ geringfügige) Forderung aufgrund einer Forderungsanmeldung als Passivum in das Inventar aufnimmt, bestehen dagegen im vorliegenden Einzelfall keine Bedenken.

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