OGH 6Ob148/23t

OGH6Ob148/23t30.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin K* GmbH, *, vertreten durch Dr. Bernhard Tonninger und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin G* Limited, *, Irland, vertreten durch Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, wegen Auskunftserteilung nach § 18 Abs 4 ECG, über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 16. Dezember 2022, GZ 2 R 190/22m‑31, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 13. September 2022, GZ 6 Nc 5/21g‑22, und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00148.23T.0830.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Datenschutzrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Beiden Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragstellerin in der Sache aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin begehrte mit Antrag vom 15. 12. 2021 von der Antragsgegnerin, gestützt auf § 18 Abs 4 ECG, Auskunft über Namen, Adresse und Emailadresse des Nutzers, der auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Online‑Plattform eine rechtswidrige Rezession über die Geschäftstätigkeit der Antragstellerin abgegeben habe.

[2] Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrags wegen Unmöglichkeit der Auskunft und Fehlens eines schutzwürdigen Interesses der Antragstellerin.

[3] Das Erstgericht wies den Antrag ab.

[4] Das Rekursgericht hob aus Anlass des Rekurses der Antragstellerin den Beschluss des Erstgerichts und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den als Klage zu wertenden Antrag auf. Da das E‑Commerce‑Gesetz auf § 18 Abs 4 ECG gestützte Ansprüche auf Übermittlung von Namen und Adressen nicht in das außerstreitige Verfahren verweise, gehörten diese Auskunftsansprüche auf den streitigen Rechtsweg.

[5] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Zulässigkeit des (außer‑)streitigen Rechtswegs für Ansprüche auf Übermittlung von Namen und Adressen nach § 18 Abs 4 ECG fehle.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die dagegen gerichteten Revisionsrekurse der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sind zulässig, weil dem Rekursgericht eine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Sie sind auch berechtigt.

[7] 1. Zwar war vor der Verweisung des auf § 18 Abs 4 ECG gestützten Anspruchs in das Außerstreitverfahren durch § 18 Abs 4a ECG idF des HiNBG (dazu sogleich) dieser Anspruch im streitigen Verfahren geltend zu machen (6 Ob 180/21w [Rz 12]).

[8] 2. Gemäß § 18 Abs 4a ECG idF des HiNBG [BGBl I 2020/148]), der mit 1. 1. 2021 in Kraft trat und im vorliegenden Fall bereits anzuwenden war (§ 28 Abs 3 ECG idF Art 6 HiNBG [BGBl I 2020/148]), ist der Anspruch nach § 18 Abs 4 ECG aber nunmehr vor dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen berufenen Gerichtshof erster Instanz im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen (6 Ob 180/21w [Rz 10]).

[9] 3. Damit erweist sich der Ausspruch des Rekursgerichts gemäß § 40a JN über die anzuwendende Verfahrensart und die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses und des vorangegangen Verfahrens wegen Nichtigkeit als unzutreffend.

[10] 4. Da das Rekursgericht nicht meritorisch entschieden hat, kommt eine sofortige Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht in Frage (5 Ob 189/10w [ErwGr 3.2.]; 1 Ob 202/00p; vgl 6 Ob 99/14y; RS0065254). Das Rekursgericht wird im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über den Rekurs der Antragstellerin zu entscheiden haben.

[11] 5. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 78 AußStrG. Ein Zwischenstreit über die Rechtswegszulässigkeit lag mangels diesbezüglicher gegenläufiger Anträge nicht vor.

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