OGH 8Ob72/23f

OGH8Ob72/23f29.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart in der Rechtssache der klagenden Partei O*, vertreten durch Mag. Martina Hetzenauer, Rechtsanwältin in Kufstein, wider die beklagte Partei Mag. A*, vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter, Rechtsanwalt in St. Johann in Tirol, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision und den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 15. Juni 2023, GZ 5 R 213/22t‑82, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00072.23F.0829.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird einschließlich des darin enthaltenen Revisionsrekurses gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Das Erstgericht hat den Antrag des Beklagten auf Einvernahme weiterer Zeugen und Einsichtnahme in eine Videoaufzeichnung abgewiesen und der Räumungsklage stattgegeben. Nach § 291 Abs 1 ZPO ist gegen den Beschluss, mit welchem angebotene Beweise zurückgewiesen werden, kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig (RIS‑Justiz RS0040338). Wohl aber können die Parteien ihre Beschwerden gegen diesen Beschluss nach § 515 ZPO mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel zur Geltung bringen. Ob dies im Fall eines Urteils mit Rekurs oder im Rahmen der Berufung zu erfolgen hat, wurde bislang nicht einheitlich beantwortet (dazu Sloboda in Fasching/Konecny 3 § 515 ZPO Rz 11 ff).

[2] Das Berufungsgericht hat den Beklagten mit seinem Rekurs auf die Berufungsentscheidung verwiesen, mit welcher es einen diesbezüglichen Verfahrensmangel verneinte und das Urteil des Erstgerichts bestätigte. Die Zuordnung zur Berufung hat zumindest dann gute Gründe für sich, wenn der angefochtene Beschluss – wie hier – in untrennbarem Zusammenhang mit der Entscheidung in der Hauptsache steht und gleichzeitig mit dieser angefochten wird (4 Ob 50/06s). Dies entspricht auch der Praxis des Oberlandesgerichts Wien, das in einem solchen Fall von einem einheitlichen Rechtsmittel ausgeht, das nach § 462 Abs 2 ZPO der Kognition des Berufungsgerichts unterliegt (RW0000865; ebenso A. Kodek in Rechberger/Klicka 5 § 515 ZPO Rz 3).

[3] Demgegenüber vertritt der Beklagte die Rechtsansicht, dass das Berufungsgericht über seinen Rekurs in Beschlussform entscheiden hätte müssen. Dies muss hier aber gar nicht beantwortet werden, weil das Berufungsgericht die Berechtigung des Beweisantrags inhaltlich geprüft hat, sodass es auf die Rechtsmittelzulässigkeit keinen Einfluss hat, selbst wenn sich das Berufungsgericht in der Entscheidungsform vergriffen haben sollte (RS0036324; RS0041859). Da die Entscheidung sowohl als Konformatsbeschluss nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO als auch als verneinter Verfahrensmangel (RS0042963) einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist, hat die vom Beklagten als erheblich bezeichnete Rechtsfrage eines allfälligen Formverstoßes keine entscheidungswesentliche Bedeutung (7 Ob 96/05a mwN).

[4] Soweit der Beklagte geltend macht, dass in der Aufkündigung keine hinreichenden Kündigungsgründe angeführt worden seien und das Erstgericht diese schon im Hinblick auf den in der Vergangenheit liegenden Kündigungstermin zurückweisen hätte müssen, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Kläger sein Kündigungsbegehren nach Einlangen der Einwendungen unter den Voraussetzungen des § 235 Abs 3 ZPO auf Räumung wegen titelloser Benutzung umstellen durfte (RS0039937). Damit war nur mehr die Berechtigung des Räumungsbegehrens zu beurteilen.

[5] Schließlich richtet sich der Beklagte gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach der Beklagte nicht an der Räumung des Bestandobjekts gehindert gewesen sei, obwohl der Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichts das Schloss austauschen ließ und dem Beklagten die Herausgabe des Schlüssels und den Zutritt zum Bestandobjekt verweigerte, weil dem Beklagten dadurch zwar die Benutzung, nicht aber die Räumung des Bestandsobjekts verwehrt worden sei. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall wirft für sich genommen aber keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0118891).

[6] Die außerordentliche Revision des Beklagten war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

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