OGH 5Ob105/23m

OGH5Ob105/23m4.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers M*, vertreten durch Mag. Stefan Schmidbauer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Antragsgegner 1. I* GmbH, *, 2. I* GmbH, *, 3. P* GmbH & Co KG, ebenda, alle vertreten durch Neubauer Fähnrich Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 MRG, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsgegnerinnen gegen den (Sach‑)Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 3. Mai 2023, GZ 5 R 4/23b‑16, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 11. Dezember 2022, GZ 255 Msch 2/22k‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00105.23M.0704.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Der Antragsteller ist Hauptmieter einer Wohnung im Haus der Drittantragsgegnerin. In einem 2007 mit einem ihrer Rechtsvorgänger abgeschlossenen schriftlichen Mietvertrag wurde ein Pauschalmietzins von 365 EUR monatlich vereinbart. Strittig ist im Revisionsrekursverfahren die Frage nach der wirksamen Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel in diesem Mietvertrag.

[2] Der Antragsteller begehrte vor der Schlichtungsstelle die Überprüfung der zu hoch indexierten Miete für die der Kategorie C zuzurechnende Wohnung.

[3] Die Schlichtungsstelle stellte fest, der für das Bestandobjekt zulässige Pauschalmietzins betrage 365 EUR inklusive USt, eine Wertsicherung sei nicht zulässig. Die Einwendungen der Antragsgegnerinnen, die Wertsicherung sei wirksam vereinbart und die Wohnung jedenfalls der Kategorie B zuzurechnen, wies es ab.

[4] Die Antragsgegnerinnen riefen dagegen das Gericht an, wobei sie einerseits eine Entscheidung über die richtige Festsetzung des zulässigen Mietzinses beantragten, andererseits aber auch weitere Anträge – so die Aufhebung der Entscheidung der Schlichtungsstelle, die Feststellung des gültigen Abschlusses einer Wertsicherung der Pauschalmiete und der Zulässigkeit der Indexierung des Pauschalmietzinses in näher definiertem Umfang – stellten. In eventu beantragten sie die ersatzlose Aufhebung der Entscheidung der Schlichtungsstelle.

[5] Das Erstgericht entschied nur über diese Anträge der Antragsgegnerinnen im abweisenden Sinn. Eine ausdrückliche Entscheidung über den Hauptfeststellungsantrag des Antragstellers unterblieb.

[6] Das Rekursgericht gab dem nur gegen die Abweisung ihrer Anträge gerichteten Rekurs der Antragsgegnerinnen nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, eine Wertsicherung sei zwischen dem Antragsteller und dem Rechtsvorgänger der Drittantragsgegnerin nicht vereinbart worden.

[7] Den Entscheidungsgegenstand bewertete es mit 10.000 EUR nicht übersteigend. Dies begründete es damit, dass nicht der vereinbarte Mietzins, sondern nur die Wertsicherungsklausel zu überprüfen gewesen sei. Den Revisionsrekurs ließ es nicht zu.

[8] Dagegen erhoben die Antragsgegnerinnen primär außerordentlichen Revisionsrekurs, indem sie eine krasse, den Obersten Gerichtshof nicht bindende Unterbewertung des Rekursgerichts monieren. Die Wertsicherungsklausel wirke sich wesentlich auf die Höhe des vereinbarten Mietzinses aus, wobei die Differenz zwischen dem nicht wertgesicherten Betrag von 365 EUR zu dem am 1. 3. 2022 vorgeschriebenen Betrag von 486,68 EUR monatlich 121,68 EUR betrage, was für das Jahr 2022 allein schon eine Differenz von 1.500 EUR ergebe, die jährlich steige. Bei „Ausnützung der immer geringer werdenden Miete über 30 Jahre“ ergebe sich ein Betrag von weit über 50.000 EUR.

[9] Hilfsweise erhoben die Antragsgegnerinnen auch eine Zulassungsvorstellung verbunden mit ordentlichem Revisionsrekurs.

Rechtliche Beurteilung

[10] Das Erstgericht legte den außerordentlichen Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof vor. Dieser ist derzeit noch nicht zur Entscheidung in der Sache berufen.

[11] 1.1. Gegenstand dieses Verfahrens ist ein Antrag auf Überprüfung der vorgeschriebenen Wertsicherung eines Pauschalmietzinses nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG, woran der Umstand nichts ändert, dass die Antragsgegnerinnen eigene, auf die Feststellung der Zulässigkeit der Vorschreibung abzielende Anträge bei Gericht erhoben und – ungeachtet des in § 40 Abs 1 MRG ohnedies angeordneten Außerkrafttretens der Entscheidung der Schlichtungsstelle durch die fristgerechte Anrufung des Gerichts – die Aufhebung ihrer Entscheidung beantragt haben.

[12] 1.2. Gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG sind die dort genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur. Gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 59 Abs 2 AußStrG hat das Rekursgericht bei seinem Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei, im Fall eines Entscheidungsgegenstands rein vermögensrechtlicher Natur, der nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 10.000 EUR übersteigt oder nicht. Eine Begründung für die Bewertung mag im Einzelfall zur Vermeidung eines Verdachts auf einen Ermessensexzess angezeigt sein, ist aber – anders als nach § 59 Abs 3 dritter Satz AußStrG für den Ausspruch nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG – nicht zwingend vorgesehen (5 Ob 205/18k; RIS‑Justiz RS0042515 [T17]).

[13] 1.3. Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist – auch im Verfahren Außerstreitsachen – unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn nicht zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden, eine offenkundige Unter‑ oder Überbewertung vorliegt oder ein Bewertungsausspruch überhaupt hätte unterbleiben müssen (RS0042410 [T28]; RS0042415 [T11]; RS0109332 [T1]; 5 Ob 205/18k). Das Rekursgericht darf daher den Wert des Entscheidungsgegenstands – bezogen auf den objektiven Wert der Streitsache – weder übermäßig hoch noch übermäßig niedrig ansetzen, an eine offenkundige Fehlbewertung wäre der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (RS0118748, RS0109332). Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor.

[14] 2.1. Der erkennende Senat judiziert zu Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG in ständiger Rechtsprechung, das für einen Entscheidungsgegenstand, der nicht aus einem Geldbetrag besteht, sondern primär aus einem Feststellungsbegehren, die Höhe des (etwa nach § 37 Abs 4 MRG zurückgeforderten) Mietzinses keine bindende Richtlinie für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands bildet. Da zwingende Bewertungsvorschriften und starre Berechnungsmethoden nicht vorgegeben sind, bewertet das Rekursgericht in Ausnützung eines für den Obersten Gerichtshofs nicht überprüfbaren Ermessensspielraums (RS0110735; 5 Ob 205/18k). Dies muss umso mehr für den hier zu beurteilenden Fall gelten, wenn – worauf das Rekursgericht in seiner Begründung des Bewertungsausspruchs ohnedies zutreffend hinwies – nur die Zulässigkeit der von der Drittantragsgegnerin vorgeschriebenen Wertsicherungsbeträge noch Gegenstand des Rekursverfahrens war.

[15] 2.2. Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 5 Ob 91/08f ist nicht einschlägig. Dort ging der Fachsenat nur deshalb von einer offenkundigen Unterbewertung aus, weil im Mietzinsüberprüfungsverfahren das Feststellungsinteresse der antragstellenden Mieterin hinsichtlich des zulässigerweise für das Geschäftslokal vorgeschriebenen Hauptmietzinses bereits in einem einzigen Monat 10.000 EUR überstieg. Davon kann hier keine Rede sein, zumal ein Weiterbestand des Mietverhältnisses über 30 Jahre – wie im Revisionsrekurs ins Treffen geführt wird – reine Spekulation wäre. Eine dem zu 5 Ob 91/08f beurteilten Sachverhalt vergleichbare Konstellation liegt nicht vor. Der Oberste Gerichtshof ist an die Bewertung des Rekursgerichts daher gebunden.

[16] 3. Da das Rekursgericht aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 10.000 EUR nicht übersteigt und den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zuließ, ist der Revisionsrekurs ohne Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG jedenfalls unzulässig. Erhebt eine Partei dennoch ein Rechtsmittel, ist dieses – auch wenn es als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Der Oberste Gerichtshof darf darüber nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz nach § 63 Abs 3 AußStrG ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RS0109623).

[17] 4. Entsprechend dem ohnedies von den Antragsgegnerinnen bereits gestellten Eventualantrag ist der Rechtsmittelschriftsatz daher dem Rekursgericht vorzulegen, das über diesen Zulassungsantrag zu entscheiden haben wird.

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