OGH 8Ob56/23b

OGH8Ob56/23b27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj T*, geboren am * 2016, wegen Festsetzung eines Kontaktrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Maga. Ta*, vertreten durch Mag. Thomas Kaumberger, Rechtsanwalt in Pressbaum, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. April 2023, GZ 44 R 52/23g-194, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00056.23B.0627.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

[1] Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts, mit dem dieses dem Vater ein Kontaktrecht jede Woche am Mittwoch von 14:00 Uhr bis 17:30 Uhr sowie in den ungeraden Kalenderwochen von Samstag 09:00 Uhr bis Sonntag 14:30 Uhr einräumte.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.

[3] 1. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaft und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt wird, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Der Entscheidung darüber kommt daher keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung (RS0097114 [T10]) oder das Kindeswohl verletzt wurden (RS0097114 [T1]; RS0087024; RS0048062).

[4] 2. Derartiges wird im Revisionsrekurs nicht aufgezeigt. Dass der Vater (noch) nicht in ausreichendem Maß die auf Entwicklungs- und Verhaltensproblemen basierenden besonderen Bedürfnisse des Minderjährigen erkennt, haben die Vorinstanzen ihrer Entscheidung ohnehin zugrunde gelegt. Dem wurde auch durch Vereinbarung der Wahrnehmung einer Elternberatung (durch beide Elternteile) Rechnung getragen. Zugleich sind die Vorinstanzen aber auch davon ausgegangen, dass der Umfang des Kontaktrechts dem Alter des Kindes und seinem ausgeprägten Naheverhältnis zum Vater entspricht, dass der Vater dem Kind seit längerem vertraut ist, er die Kontakte auch kindgerecht gestaltet und grundsätzlich zur ordnungsgemäßen Betreuung des Kindes in der Lage ist.

[5] Der Revisionsrekurs argumentiert demgegenüber mit einer Gefährdung des Kindeswohls durch den Vater, wobei er jedoch über weite Strecken nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Dass die geplante Übernachtung alle 14 Tage die Vorbereitung des Minderjährigen auf seine Einschulung gefährdet, hat das Verfahren nicht ergeben. Eine Verletzung von Aufsichtspflichten durch den Vater konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Ausdrücklich wurde auch festgestellt, dass die Verhaltensprobleme des Kindes nicht auf den Vorfall von September 2020 zurückzuführen sind. Wenn die Mutter weiters darauf verweist, dass das Kind durch mehrfache Änderungen im Tagesablauf überfordert ist, ergibt sich aus den Feststellungen im Gegenteil, dass das 14-tägige Kontaktrecht an den Wochenenden geeignet ist, den Stress, der aktuell mit den häufigen Übergabesituationen an den Wochenenden verbunden ist, zu verringern und dem Kind mehr Ruhe zu bringen.

[6] 3. Auch im Außerstreitverfahren gilt in dritter Instanz das Neuerungsverbot; der Entscheidung sind die Umstände zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz zugrunde zu legen. Ungeachtet des Neuerungsverbots ist der Maxime des Kindeswohls im Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren aber dadurch zu entsprechen, dass neue Tatsachen auch dann zu berücksichtigen sind, wenn sie erst nach der Beschlussfassung der Vorinstanzen eingetreten sind. Das bezieht sich aber nur auf unstrittige und aktenkundige Umstände, nicht auf Umstände, die erst noch durch ein Beweisverfahren zu klären sind, ist der Oberste Gerichtshof doch keine Tatsacheninstanz (6 Ob 204/21z [Rz 11] mwN uva).

[7] Soweit sich die Mutter daher auf angebliche Vorfälle nach der Beschlussfassung erster Instanz bezieht, ist darauf nicht weiter einzugehen.

[8] 4. Da insgesamt keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt wird, ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter zurückzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG). Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.

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