European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00074.23W.0425.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Streitteilesind Eigentümer benachbarter landwirtschaftlich genutzter Liegenschaften.
[2] Der Kläger und seine Rechtsvorgänger befahren schon seit Kauf der Grundstücke im Jahr 1965 einen Weg mit der gleichen Fahrspur links der Grenzsteine auf dem Grund des Beklagten. Dieser Weg wurde nie befestigt, sondern lediglich durch das Befahren über Jahrzehnte verdichtet. Der Weg wurde vom Kläger und seinen Rechtsvorgängern bereits seit 1967 immer dann mit einem Traktor befahren, wenn es notwendig war, um die Landwirtschaft zu betreiben. Üblicherweise wird der Weg von etwa Anfang April (nach der Schneeschmelze) bis zirka November benutzt. Der Weg wurde vom Kläger auch bereits ein Mal im Winter benutzt, als der Boden gefroren war, aber kein Schnee lag, um auf seinem Grundstück Stauden zu stutzen. Bei einer Schneedecke kann der Weg nicht befahren werden.
[3] Der Beklagte sowie dessen Rechtsvorgänger haben den Kläger und seine Rechtsvorgänger niemals darauf hingewiesen, dass diese den Weg nicht befahren dürften. Auch wurde niemals eine Absperrung des Weges vorgenommen.
[4] Wenn der Kläger seine eigenen Grundstücke befahren würde, um zu den von ihm landwirtschaftlich genutzten Grundstücken zu gelangen, würde er diese Teile der Grundstücke an Ernte verlieren; es befindet sich auf den Grundstücken des Klägers auch kein bereits verdichteter Weg.
[5] Der Kläger begehrte die Feststellung einer Grunddienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts für land‑ und forstwirtschaftliche Zwecke über die (näher bezeichneten) Grundstücke des Beklagten, um zu seinem (näher bezeichneten) landwirtschaftlich genutzten Grundstück zu gelangen, sowie die Einwilligung des Beklagten zur Einverleibung dieser Dienstbarkeit.
[6] Der Beklagte wendete – soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse – ein, der Kläger könne sein Grundstück auch über Eigengrund erreichen, indem er eine Fahrlinie etwas versetzt auf seinem eigenen Grundstück wähle; die Dienstbarkeit sei damit zwecklos.
[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte zugunsten des Klägers die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechts für land‑ und forstwirtschaftliche Zwecke in dem vom Kläger begehrten (und im Urteilsspruch detailliert festgehaltenen) Ausmaß fest und erkannte den Beklagten für schuldig, in die diesbezügliche Einverleibung im Grundbuch einzuwilligen. Es nahm lediglich eine Einschränkung dahin vor, dass es die Dienstbarkeit nur für „die Zeit, wenn keine Schneeauflage ist“ feststellte.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, dass es aufgrund einer geringfügigen Abweichung der vom Erstgericht zur Verdeutlichung des Wegverlaufs in den Urteilsspruch aufgenommen Skizze von der verbalen Beschreibung des Wegverlaufs im Urteilsspruch, die Aufnahme der Skizze in den Urteilsspruch entfallen ließ.
[9] Es ließ die ordentliche Revision – nachträglich –zu.
Rechtliche Beurteilung
[10] Damit werden keine Rechtsfragen des von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufgezeigt.
[11] Da auch der Beklagte in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
[12] 1. Die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die behauptete Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[13] 2. Das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen in Bezug auf die Grunddienstbarkeit (vgl RS0034276; RS0010101) zweifelt der Beklagte in seiner Revision zu Recht nicht an.
[14] 3. Zur Frage des Utilitätserfordernisses besteht ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Eine Grunddienstbarkeit muss nur der vorteilhafteren oder bequemeren Benützung des herrschenden Grundstücks dienen (RS0011597 [T1]; RS0011582). Bei Beurteilung der – stets liegenschaftsbezogenen – Utilitätserwägungen ist freilich kein strenger Maßstab anzuwenden (RS0011593); nur völlige Zwecklosigkeit verhindert das Entstehen einer Dienstbarkeit oder vernichtet diese (vgl jüngst 5 Ob 29/22h; 9 Ob 43/21w mwN). Es werden daher – entgegen der Ansicht des Beklagten in seiner Revision – auch an das Entstehen der Dienstbarkeit die Erfordernisse der Nützlichkeit und Bequemlichkeit gestellt.
[15] 4. Eine Wegedienstbarkeit erlischt grundsätzlich nicht allein deshalb, weil der Berechtigte seinen Grund auf einem anderen Weg erreichen kann (vgl RS0011574). Der Zweck einer Wegeservitut kann aber dann wegfallen, wenn eine vom Servitutsweg verschiedene Zugangsmöglichkeit einen vollwertigen (gleichwertigen) Ersatz für diesen bietet. Dabei wurde vom Obersten Gerichtshof nicht nur auf die Länge, sondern auch auf den Zustand der zur Verfügung stehenden Wege und auch auf sonstige Umstände abgestellt (RS0011699; 1 Ob 107/17t mwN). Ob ein gleichwertiger Ersatz vorliegt oder nicht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und wirft in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0011582 [T13]).
[16] 5. Vor diesem Hintergrund ist die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung der Vorinstanzen, der Kläger habe eine Wegeservitut ersessen, nicht korrekturbedürftig. Die vom Beklagten in der Revision angesprochene Möglichkeit, auf dem Grundstück des Klägers durch längeres Befahren der Wiese mit dem Traktor einen neuen Weg anzulegen, ist bereits deshalb nicht gleichwertig im Sinne der zitierten Rechtsprechung, weil es dadurch zwangsläufig zum Verlust weiterer Wiesen‑ und Weideflächen käme.
[17] 6. Eine Beschränkung der vom Kläger ersessenen Dienstbarkeit über die Einschränkung auf die Zeiten ohne Schneelage hinaus erübrigt sich bereits deshalb, weil dafür keine ausreichende Tatsachengrundlage besteht.
[18] 7. Die Revision desBeklagten ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
[19] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 40 ZPO. Der Kläger hat weder die Zurückweisung der Revision beantragt, noch auf deren Unzulässigkeit hingewiesen. Die Rechtsmittelbeantwortung war damit nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weshalb kein Kostenersatz zusteht (RS0035962; RS0035979).
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