European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00024.23B.0321.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist Halterin einer regelmäßig gewarteten, in gut sichtbarer, gelber Farbe gestrichenen Schrankenanlage einer auch durch Betonblöcke abgegrenzten Taxizufahrt im Bereich eines Bahnhofsvorplatzes. Der Schrankenbaumist gelb-schwarz schraffiert. Bei Annäherung an die Schrankenanlage besteht keine Sichtbehinderung, sodass diese leicht erkennbar ist. Auf dem Ständer der Schrankenanlage befinden sich auf beiden Seiten Schilder mit der Aufschrift „Achtung! Automatische Schrankenanlage“. Weiters wird mit darauf abgebildeten Piktogrammen in Form von Verbotsschildern auf das Verbot der Benutzung durch Fußgänger, Radfahrer, Scooter‑ und Motorradfahrer hingewiesen. Diese Schilder sind in einer Größe, dass sie jedenfalls rechtzeitig vor Erreichen der Schrankenanlage inhaltlich wahrgenommen werden können.
[2] Als sich die Klägerin der Schrankenanlage näherte, beobachtete sie den Bereich vor ihr nicht, sondern nahm die Schrankenanlage überhaupt nicht wahr. Beim Durchschreiten der geöffneten Schrankenanlage wurde sie vom sich senkenden Schrankenbaum verletzt.
[3] Die Vorinstanzen verneinten eine Haftung der Beklagten nach § 1319 ABGB, weil der Klägerin der Nachweis der Mangelhaftigkeit der Schrankenanlage als Schadensursache nicht gelungen sei und sie sich aus eigener Unachtsamkeit in den klar abgegrenzten, Taxis vorbehaltenen Bereich begeben habe, ohne auf die gut erkennbare Schrankenanlage zu achten. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu den „Rechtsfragen des Kausalitätsbeweises und des Entlastungsbeweises, insbesondere auch der Beweislast für eine Absicherung eines Schrankens mit wirtschaftlich und technisch zumutbaren Maßnahmen“ zu.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die von der Beklagten beantwortete ordentliche Revision der Klägerin, ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.
[5] 1. Dass ein sich automatisch absenkender Schranken als Werk im Sinn des § 1319 ABGB gelten kann, bei dem sich eine Gefahr aus der Dynamik bzw der Höhe des Werks verwirklicht, entspricht der Rechtsprechung (2 Ob 17/01s; 2 Ob 175/04f).
[6] 2. § 1319 ABGB ist ein speziell geregelter Tatbestand der allgemein anerkannten Verkehrssicherungspflichten (2 Ob 60/11d Pkt 3.1.). Eine solche entfällt aber, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht (= ohne genauere Betrachtung) erkennbar ist (RS0114360). Dies betrifft Konstellationen, in denen die Gefahrenquelle bei objektiver Betrachtung einer durchschnittlich aufmerksamen Person sofort in die Augen fällt (RS0114360 [T11]).
[7] 3. Nach den Feststellungen des Erstgerichts war die Schrankenanlage farblich deutlich gekennzeichnet und auch mit leicht erkennbaren Warnschildern versehen, die sie als automatische Anlage auswiesen und ua Fußgängern den Durchgang untersagten. In Anbetracht der für jedermann leicht erkennbaren Gefahrenlage und der daraus resultierenden Möglichkeit, sich selbst zu schützen, entfallen allfällige Verkehrssicherungspflichten nach § 1319 ABGB.
[8] 4. Die in der Revision zur Anwendung des § 1319 ABGB angesprochenen Fragen, ob bereits die Verwirklichung der typischen Gefährlichkeit eines Werks dessen mangelhafte Beschaffenheit bedeutet bzw diese (zumindest) prima facie indiziert und wen die Beweislast für die Möglichkeit und Zumutbarkeit weiterer Maßnahmen trifft, um zu verhindern, dass der Schrankenbaum (im Rahmen des Regelbetriebs) einen darunter befindlichen Fußgänger trifft, bedürfen daher keiner Klärung.
[9] 5. Die Revision vermag im Ergebnis keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
[10] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296).
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