Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 10.836,36 samt 4 % Zinsen seit 4. 4. 2003 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Das Mehrbegehren von EUR 10.836.36 samt 4 % Zinsen ab 15. 11. 2003 sowie weitere 4 % Zinsen aus EUR 10.836,36 vom 26. 10. 2001 bis zum 3. 4. 2003 wird abgewiesen.
Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei für alle Folgen des Unfallereignisses vom 21. 5. 2001 zur Hälfte haftet.
Das Feststellungsmehrbegehren, es werde festgestellt, dass die beklagte Partei gegenüber der klagenden Partei für alle Folgen des Unfallereignisses vom 21. 5. 2001 zu einer weiteren Hälfte hafte, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.559,91 (darin EUR 189,36 USt und EUR 1.423,75 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin geriet am 21. 5. 2001 als Radfahrerin auf dem Parkplatz des Verwaltungsgebäudes der beklagten Partei in Salzburg zu Sturz und verletzte sich. Sie stellt ein der Höhe nach unbestrittenes Schadenersatzbegehren. Sie habe eine geöffnete Schrankenanlage, durch die zuvor ein PKW gefahren sei, passieren wollen, als sich der Schranken plötzlich geschlossen und sie am Kopf getroffen habe. Im Bereich der Schrankenanlage befinde sich kein Hinweis, dass irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen zu beachten seien oder Radfahrer die Schrankenanlage nicht durchfahren dürften. Die beklagte Partei habe nicht alle zumutbaren Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren getroffen. Es wäre möglich, einen Sicherheitsmechanismus einzurichten oder Warnschilder aufzustellen. Für die Klägerin sei nicht erkennbar gewesen, dass sich der Schranken im Zuge des Durchfahrens schließen könne.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Parkplatz sei nicht für die Kunden des Einkaufszentrums bestimmt, sondern diene ausschließlich Mitarbeitern der beklagten Partei. Die Schrankenanlage könne nur mittels Magnetkarte oder durch Fernbedienung nach Kontaktaufnahme über die Gegensprechanlage von der Zentrale geöffnet werden. Nach Durchfahrt eines Fahrzeuges über eine Induktionsschleife schließe der Schranken nach etwa 3 Sekunden, was allgemein bekannt sei. Die Anlage sei vom TÜV Österreich genehmigt worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zu zwei Dritteln statt. Das darüberhinausgehende Mehrbegehren sowie ein Zinsenmehrbegehren wurden abgewiesen.
Folgende entscheidungswesentliche Feststellungen wurden getroffen:
Beim Schranken handelt es sich um einen Glasfaserbalken mit Signalstreifen. Die Schrankenanlage kann entweder mit einer Magnetkarte oder vom Bürogebäude nach Kontaktaufnahme über die Gegensprechanlage geöffnet werden. Nach Öffnen des Schrankens schließt dieser nach etwa 3 bis 4 Sekunden. Im Bereich des Schrankens befindet sich eine Induktionsschleife, die auf Metall, nicht aber auf Radfahrer, reagiert. Dies bedeutet, dass sich der Schranken wieder öffnet, wenn hinter einem Auto ein zweites nachfährt.
Einige Meter vor der Schrankenanlage befindet sich ein Hinweisschild mit dem Logo der beklagten Partei, darunter ein weißer Pfeil nach rechts, der den Weg zum Schranken und damit zum Parkplatz weist. Sonstige Hinweisschilder oder Aufschriften, dass es sich um einen Privatparkplatz handle, sind nicht vorhanden. Die Schrankenanlage stellt die Einfahrt zum Parkplatz des Bürogebäudes der beklagten Partei dar, der nur von deren Mitarbeitern oder von Geschäftspartner benützt wird. Außerhalb der Bürozeiten der beklagten Partei, in der Zeit zwischen 18 Uhr abends und 7 Uhr morgens ist die Schrankenanlage geöffnet. Zwischen dem (geschlossenen) Schranken und einem daneben befindlichen Randstein besteht eine Durchfahrtsbreite von 0,75 m. Diese Durchfahrt wird auch von Mitarbeitern der beklagten Partei mit Fahrrädern benützt.
Vor der Klägerin fuhr ein Auto in den Parkplatz ein, wobei die Klägerin beobachtete, dass der Fahrer eine Magnetkarte einsteckte und der Schranken aufging. Die Klägerin fuhr hinter dem PKW nach. Als sich der Schranken für sie völlig überraschend schloss und sie am Kopf traf, kam sie zu Sturz.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, ein Schranken gelte als Werk im Sinne des § 1319 ABGB. Ein sich automatisch absenkender Schranken stelle eine Gefahr aus der Dynamik, ja sogar aus der Höhe des Werkes dar. Die beklagte Partei habe als Besitzerin des Werkes nicht alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt aufgewendet. Sie hätte aufgrund der örtlichen Gegebenheiten damit rechnen müssen, dass dieser Parkplatz von Radfahrern benützt werde. Es befinde sich kein Hinweisschild darauf, dass es sich um einen Privatparkplatz handle. Angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass sich ein solcher Unfall ereignen könne, hätte die beklagte Partei entsprechende Sicherheitsvorkehrungen installieren müssen, wie etwa durch Anbringen entsprechender Beschilderung, Installierung eines Warntones bei Schließen der Anlage oder durch Montage eines Bewegungssensors, der ein Schließen der Anlage verhindere, wenn sich in deren Bereich Fußgänger oder Radfahrer befänden. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden von einem Drittel.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht gab die Rechtsprechung wieder, dass auch Schrankenanlagen als Werke im Sinne des § 1319 ABGB zu qualifizieren seien (2 Ob 357/97g = JBl 1998,715; 6 Ob 103/99m; 2 Ob 17/01s = ZVR 2002/9). Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 1319 ABGB sei das Vorliegen eines mangelhaften Werkes; das heiße, dass nach der Verkehrsauffassung und dem Stand der Technik nicht jede Sicherheit gegen einen Einsturz oder eine Ablösung von Teilen geboten werde, die nach den jeweiligen Umständen zu erwarten gewesen sei. Die beklagte Partei habe aber den ihr obliegenden Entlastungsbeweis erbracht, weil sie alle Vorkehrungen getroffen habe, die vernünftigerweise nach der Auffassung des Verkehrs erwartet werden könnten. Die Schrankenanlage sei für die Durchfahrt von PKW konzipiert worden, nicht aber für die Benützung von Fußgängern oder Fahrrädern, die neben der Schrankenanlage im ausreichend vorhandenen Zwischenraum durchgehen bzw. durchfahren könnten. Die beklagte Partei habe auch nicht voraussehen können, dass Radfahrer den Weg durch und nicht neben der Schrankenanlage wählen, obwohl Platz im ausreichend vorhandenen Zwischenraum wäre. Auch der Umstand, dass der Parkplatz nicht als Privatparkplatz beschildert gewesen sei und man deshalb mit Radfahrern habe rechnen müssen, begründe nicht die Erkennbarkeit und Voraussehbarkeit der Gefahr, weil schon die Schrankenanlage an sich auf die Tatsache beschränkter Berechtigung und Vorliegen eines Privatparkplatzes hinweise. Die Wissen, dass sich der Schranken nach Durchfahrt eines PKWs wieder schließe, sei allgemein bekannt. Da sich hier zuvor keine weiteren ähnlichen Unfälle ereignet hätten, müsse die Erkennbarkeit und Voraussehbarkeit der sich verwirklichenden Gefahr (anders als in der Entscheidung 2 Ob 17/01s) verneint werden. Letztlich müsse auch vor Gefahren, die ein Verkehrsteilnehmer routinemäßig bewältige, nicht gesondert gewarnt werden. Vor einer offenkundigen Gefahrenquelle, nämlich dass sich ein Schranken, der sich öffnet, auch wieder schließt, brauche nicht gewarnt zu werden. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass sich der Schranken nach Durchfahrt eines Berechtigten wieder schließe; sie habe sich daher "sehenden Auges" in die Gefahr begeben. Eine Beschilderung, wie zum Beispiel "Achtung Schranken schließt automatisch", hätte den Unfall ebenso wie die Installierung eines Warntones nicht verhindert. Die Montage eines Bewegungssensors sei mit dem Sinn und Zweck einer Schrankenanlage, die das Einfahren von Nichtberechtigten verhindern solle, nicht zu vereinbaren.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil zur Beantwortung der Frage der Anwendbarkeit des § 1319 ABGB auf Schrankenanlagen höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe und die Beurteilung der Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Gefahr von den Umständen des Einzelfalls abhänge.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass ihrem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der klagenden Partei zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
In der Revision der Klägerin wird darauf verwiesen, ein Angestellter der beklagten Partei habe gewusst, der Schranken reagiere nicht auf Fußgänger oder Radfahrer. Dieses Wissen sei der beklagten Partei zuzurechnen. Die Klägerin sei mangels Hinweises auf das Vorliegen eines Privatparkplatzes zum Durchfahren des Schrankens, der im Übrigen längere Zeit (zwischen 18 Uhr abends und 7 Uhr morgens) offen gestanden sei, berechtigt gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die in 2 Ob 17/01s (ZVR 2002/9) ausgesprochenen Grundsätze nicht ausreichend beachtet hat. Sie ist auch teilweise berechtigt.
In der zuvor genannten Entscheidung (insoferne zustimmend Terlitza, Entscheidungsbesprechung, immolex 2001,180) wurde unter Berufung auf die bestehende Judikatur festgehalten, dass ein sich automatisch absenkender Schranken als Werk im Sinne des § 1319 ABGB gelten kann, bei dem sich eine Gefahr aus der "Dynamik" ja sogar aus der "Höhe" des Werks verwirklicht. Im dort zu beurteilenden Fall musste der dort beklagten Partei aus drei oder vier vorangegangen Radfahrunfällen die "Problematik, dass die Automatik der Schrankenanlage nachfahrende einspurige Fahrzeuge nicht erfasst, bekannt sein" (2 Ob 17/01s). Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei zwar nicht aus vorangegangenen Unfällen um die "Problematik des sich absenkenden Schrankens" "wissen müssen", doch war ihr durch einen Angestellten bekannt, dass die Schrankenanlage nur auf PKW, nicht aber auch auf Radfahrer, reagiert. Dies lässt sich dem unbestrittenen Vorbringen der beklagten Partei zweifellos entnehmen, weil sie ausdrücklich auf eine nicht bestehende Verkehrssicherungspflicht Radfahrern gegenüber verwiesen hat (AS 6). Sie berief sich zudem auf die Aussage des für die Schrankenanlage zuständigen Angestellten, der bestätigte, dass ihm der Umstand, die Schrankenanlage reagiere nicht auf Radfahrern, bekannt war. Insofern steht das "Wissen" dem "Wissenmüssen" der beklagten Partei um die Problematik der nur PKW erfassenden Automatik der Schrankenanlage gleich. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes musste die beklagte Partei auch damit rechnen, dass Radfahrer einen geöffneten Schranken zu einem nicht als Privatparkplatz gekennzeichneten Parkplatz benützen, zumal dieser Schranken auch nach 18 Uhr abends bis in den Morgen geöffnet ist. Dennoch wurden mögliche technische Vorkehrungen gegen diese Gefahr (etwa Anbringen eines Bewegungssensors) nicht getroffen. Dem Argument, ein Bewegungssensor widerspreche dem Zweck einer Schrankenanlage, unbefugte Verkehrsteilnehmern an der Benützung des Parkplatzes zu hindern, ist entgegenzuhalten, dass durch die vorhandene Induktionsschleife zwar Radfahrer, nicht aber Kraftfahrzeuge an der Benützung des Parkplatzes gehindert werden, weil sich der Schranken dann nicht schließt bzw. wieder öffnet, wenn ein Fahrzeug hinter einem anderen Fahrzeug nachfährt. Auf einen Radfahrer, der hinter einem Fahrzeug nachfährt, reagiert der Schranken aber nicht. Der beklagten Partei ist im Sinne der zitierten Vorentscheidung ein Verschulden am Unfall anzulasten. Grobe Fahrlässigkeit ist für die Haftung nach § 1319 ABGB nicht erforderlich.
Aber auch die Klägerin trifft ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls. Sie hat beobachtet, dass sich der Schranken nach Einführen einer Magnetkarte eines zuvor einfahrenden Fahrzeuglenkers geöffnet hatte. Ihr war auch bekannt, dass derartige Schranken nach Durchfahrt wieder schließen, hat aber nach ihrer eigenen Aussage nicht damit gerechnet, "dass das so blitzschnell geht" (AS 31). Dennoch fuhr sie hinter dem Kraftfahrzeug durch den geöffneten Schranken, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätte, die verbleibende Durchfahrt zu benützen.
Unter Abwägung aller Umstände ist ihr zwar keine Übertretung eines Schutzgesetzes (wie bei dem zu 2 Ob 17/01s zu beurteilenden Sachverhalt), wohl aber eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten anzulasten, die etwa gleich schwer zu gewichten ist.
Die Urteil der Vorinstanzen waren daher spruchgemäß abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1, § 50 ZPO. Die Klägerin ist im ersten Verfahrensabschnitt (erste Stunde der Verhandlung vom 14. 11. 2003) unter Berücksichtigung des Feststellungsbegehrens mit 75 % durchgedrungen und hat daher Anspruch auf Ersatz der halben Kosten sowie von drei Viertel ihrer Barauslagen. Im folgenden Verfahrensabschnitt einschließlich der Rechtsmittelverfahren hat sie zur Hälfte obsiegt und daher Anspruch auf Ersatz der halben Barauslagen. Im Übrigen waren die Kosten gegeneinander aufzuheben.
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