OGH 14Os141/22z

OGH14Os141/22z28.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M., den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Lonin in der Strafsache gegen G* R* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 3. November 2022, GZ 24 Hv 58/22a‑60, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00141.22Z.0228.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde G* R*des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 28. Jänner 2022 in I* versucht, R* R* zu töten, indem er ihr heftige Schläge mit der flachen Seite eines Hammers auf den Kopf, die Stirn und die linke Schulter sowie zahlreiche heftige Fußtritte gegen die gesamte linke Körperseite vom Kopf bis zum Unterschenkel versetzte und mit einem losen Fensterbrett auf nicht näher feststellbare Körperteile der Genannten einschlug.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 4 und6 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verstieß die auf § 252 Abs 2 StPO gestützte Verlesung eines Briefs der R* R* an den Beschwerdeführer (ON 43 S 3 und 4, ON 56 S 1) in der Hauptverhandlung (ON 59 S 10) nicht gegen das Umgehungsverbot nach § 252 Abs 4 StPO, weil er nicht den Inhalt eines amtlichen Schriftstücks über eine Aussage dieser in der Hauptverhandlung von ihrem Recht auf Befreiung von der Aussagepflicht nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO Gebrauch machenden Zeugin (ON 59 S 9) oder einer technischen Aufnahme ihrer Vernehmung wiedergibt (vgl 13 Os 89/12f; Kirchbacher, WK‑StPO § 252 Rz 108).

[5] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben einer eigentlichen Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach dem Strafaufhebungsgrund des „freiwillige[n] Rücktritts vom Versuch“ (vgl Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 4). Gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt vom Beschwerdeführer deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Frage und jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, also zB des die Zusatzfrage indizierenden Tatsachensubstrats (RIS‑Justiz RS0117447, RS0119417). In der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse vermögen eine Zusatzfrage aber nur dann zu indizieren, wenn sie für die diesbezügliche Entscheidung der Geschworenen erheblich sind. Unter dem Aspekt prozessordnungskonformer Fragestellung sind sie somit relevant, wenn sie im schöffengerichtlichen Verfahren bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftig wären (RIS‑Justiz RS0100396; Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 7 f; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 42).

[6] Mit dem Hinweis auf die beim Opfer entstandenen „leichten“ Verletzungen (ON 59 S 13, 16, 19) und die – wie von der Beschwerde eingeräumt – für die Erfolgsabwendung unmaßgebliche Verständigung der Rettung durch den Angeklagten (ON 9 S 65 f, ON 44, ON 59 S 16)sowie auf dessen Eingeständnis eines „Fehlers“ und Beteuerung der Liebe zum Opfer bezeichnet die Rüge aber keine derartigen für die Annahme eines Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs 1 erster und dritter Fall StGB erheblichen Verfahrensergebnisse. Dass Indizien für eine Unkenntnis des Angeklagten vom Unterbleiben des Erfolgs und dafür vorgekommen wären, dass deshalb die Verständigung des Rettungsdienstes vom Bemühen getragen war, den Erfolg abzuwenden (§ 16 Abs 2 StGB), behauptet die Rüge (zu Recht) nicht.

[7] Der dazu weiters erhobene Einwand, es sei „nichts hervorgekommen“, das den Angeklagten von der Tatvollendung abgehalten hätte, verfehlt die Bezugnahme auf (prozessordnungsgemäß) in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (vgl aber RIS‑Justiz RS0100396 [T1, T2], RS0100622 [T5, T6]).

[8] Der Forderung der weiteren Fragenrüge nach Stellung von Eventualfragen in Richtung des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, „allenfalls“ des Verbrechens der Körperverletzung nach (richtig:) § 83 Abs 1, § 84 Abs 5 Z 1 StGB (vgl 15 Os 91/22d [Rz 15]) zuwider stellen die Schwere der Verletzungen der R* R* (ON 59 S 13) und das Ausführen mehrerer Schläge gegen den Kopf der Genannten mit dem flachen Ende des Hammerkopfs auf eine Art und Weise, dass damit „grundsätzlich Lebensgefahr verbunden ist“ (ON 59 S 13), nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung kein ernst zu nehmendes Indiz für ein Handeln des Beschwerdeführers mit Verletzungsvorsatz dar (RIS‑Justiz RS0100860 [T1]).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 344 iVm § 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 344 iVm § 285i StPO) und die (im Rahmen der Berufung erhobene) Beschwerde des Angeklagten folgt (§ 498 Abs 3 vierter Satz StPO).

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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