OGH 1Ob257/22h

OGH1Ob257/22h27.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin C*, vertreten durch Mag. Alexander Eppelein, Msc, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Dr. C*, vertreten durch die Berlin & Partner Rechtsanwälte OG, Salzburg, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. November 2022, GZ 48 R 119/22p‑133, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00257.22H.0127.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wirdmangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Bei der nach Billigkeit vorzunehmenden Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ist nach § 83 Abs 1 EheG primär auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten Bedacht zu nehmen. Als solche Beiträge sind auch die Haushaltsführung, die Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder sowie sonstiger ehelicher Beistand zu werten. Das Rekursgericht begründete den seiner Entscheidung zugrunde gelegten Aufteilungsschlüssel von 60:40 zugunsten der Frau damit, dass diese – was der Mann nicht in Abrede stellt – neben ihrer beruflichen Tätigkeit in dessen Ordination auch den Haushalt führte und beide Kinder betreute. Dass diese Mehrfachbelastung der Frau (die nur tageweise Unterstützung durch ein Kindermädchen bzw ihre Mutter/Schwiegermutter erhielt) als (etwas) größerer Beitrag gewertet wurde, begründet keine im Einzelfall (RS0108756) aufzugreifende Überschreitung des dem Rekursgericht zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl 1 Ob 26/21m).

[2] Der Revisionsrekurswerber hält der Rekursentscheidung auch keine überzeugenden Argumente entgegen. Dass er zwei Jahre vor Auflösung der ehelichen Gemeinschaft aufgrund eines Schlaganfalls seinen ärztlichen Beruf nicht mehr ausüben konnte, führte – entgegen seinem Standpunkt – zu einer weiteren familiären und beruflichen Mehrbelastung der Frau, die sich auch um den Erhalt der Ordination kümmerte, wohingegen der Mann im Haushalt und bei der Kinderbetreuung gänzlich ausfiel. Dass die Frau – nach Darstellung des Revisionsrekurswerbers – ein „fürstliches Gehalt“ bezogen habe, spricht ebenfalls nicht für deren geringeren Beitrag zur ehelichen Errungenschaft. Warum der Mann bei Zahlung der vom Rekursgericht mit 140.000 EUR festgesetzten Ausgleichszahlung nicht „wohl bestehen“ könnte, ist im Hinblick auf die von ihm behaltenen ehelichen Ersparnisse (zuletzt in Form von Wertpapieren) sowie den ihm nach Abdeckung betrieblicher Schulden verbliebenen Erlös aus dem Verkauf seiner Ordination von 40.000 EUR nicht nachvollziehbar.

[3] 2. Nach Ansicht des Mannes hätte das Rekursgericht der Aufteilung unterliegende Wertpapiere nicht mit einem Wert von 200.000 EUR der Aufteilungsmasse zurechnen dürfen, sondern nur mit einem Wert von 120.000 EUR. Er habe nämlich – wie feststehe – am 5. 9. 2005 (Tag der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft) 80.000 EUR von seinem Privatkonto auf das gemeinsame Sparkonto (von dem der Wertpapierkauf finanziert wurde) überwiesen und für eine betriebliche Steuernachzahlung verwendet. Somit hätten dafür nicht die zuvor erworbenen Wertpapiere, die auch als Rücklage für solche Nachzahlungen gewidmet gewesen wären, verwendet werden müssen.

[4] Das Rekursgericht legte die etwa eineinhalb Monate vor Auflösung der Ehegemeinschaft um 390.000 EUR angeschafften Wertpapiere ohnehin nur mit einem (vom Mann nicht in Zweifel gezogenen) Wert von 200.000 EUR der Aufteilung zugrunde, weil diese mit 190.000 EUR aus Betriebsvermögen finanziert wurden. In diesem Umfang wäre daher betriebliches Vermögen für die Steuernachzahlung zur Verfügung gestanden. Davon abgesehen berücksichtigte es die vom Privatkonto des Mannes auf das Sparkonto überwiesenen 80.000 EUR ohnehin nicht als eheliche Errungenschaft. Ein (weiterer) Abzug dieses Betrags von der Aufteilungsmasse kommt daher nicht in Betracht.

[5] 3. Nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers sei ein Betrag von insgesamt 15.000 EUR, den die Frau ohne seine Zustimmung weniger als zwei Jahre vor dem Aufteilungsstichtag vom gemeinsamen Sparkonto behoben und entgegen der ehelichen Lebensgestaltung für eigene Zwecke verwendet habe, zu Unrecht „unberücksichtigt“ geblieben.

[6] In erster Instanz leitete der Mann aus mehreren Behebungen der Frau vom gemeinsamen Sparkonto Gegenforderungen ab, die er ihrem Begehren „kompensando bis zur Höhe des Aufteilungsanspruchs“ entgegenhielt. Das Erstgericht wies diese mit der zutreffenden (1 Ob 170/16f mwN) Begründung zurück, dass die Forderung auf eine Ausgleichszahlung erst mit Rechtskraft der Aufteilungsentscheidung entstehe und gegen diese prozessual nicht aufgerechnet werden könne. Dem trat der Mann in seinem Rekurs nicht entgegen. Er strebte dort zwar die „Berücksichtigung“ anderer Behebungen der Frau vom Sparkonto an. Auf die im Revisionsrekurs genannten Behebungen bezog er sich jedoch nicht. Dies kann auch im Außerstreitverfahren in dritter Instanz nicht mehr nachgeholt werden (RS0043480 [T12]).

[7] 4. Der Mann bekämpft die Rekursentscheidung auch insoweit, als die rechnerisch mit 114.300 EUR ermittelte Ausgleichszahlung wegen der langen Verfahrensdauer auf 140.000 EUR „aufgewertet“ wurde. Dies wäre seiner Ansicht nach nur zulässig gewesen, wenn die Pflicht zur Leistung einer Ausgleichszahlung „von Anfang an“ festgestanden und auch auf deren unstrittigen Teil keine Zahlung erfolgt wäre. Dass die Pflicht zur Leistung einer Ausgleichszahlung zumindest in gewisser Höhe unstrittig ist, wurde in der im Rechtsmittel zitierten Entscheidung zu 1 Ob 68/00g aber nur als Beispiel dafür angeführt, dass es aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein kann, einen höheren als den rechnerisch ermittelten Ausgleichsbetrag zuzuerkennen. Darüber hinaus kann aber generell aus Gründen der Billigkeit bei einer langen Verfahrensdauer bei der Ausmittlung der Ausgleichszahlung ein gestiegenes Preisniveau berücksichtigt werden (RS0106145). Ob dies im Einzelfall (RS0115734 [T3]) angezeigt ist, begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG.

[8] Dass ein Ausgleich des Wertverlusts aufgrund einer – wie hier – besonders langen Verfahrensdauer nur bei Verschulden des Ausgleichspflichtigen der Billigkeit entspräche, kann der Rechtsprechung des Fachsenats nicht entnommen werden.

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