European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00226.22Z.0127.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird teilweise dahin bestätigt, dass sie als Teilurteil lautet:
„Die Klageforderung besteht mit 43.400 EUR samt 4 % Zinsen seit 12. 5. 2021 zu Recht.
Die Gegenforderung von 4.500 EUR (Gartengarnitur und Steintrog) besteht nicht zu Recht.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 43.400 EUR samt 4 % Zinsen seit 12. 5. 2021binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“
Im Übrigen, also in der Entscheidung über die eingewendeten Gegenforderungen, soweit sie den Betrag von 4.500 EUR übersteigen sowie im Kostenpunkt, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Beklagte war mehr als 20 Jahre der Lebensgefährte des verstorbenen Bruders der Klägerin und Eigentümer einer Wohnung in Wien. Die Klägerin gewährte ihrem Bruder „bzw“ dem Beklagten zur Bestreitung von deren Lebensführung Darlehen von zusammen 43.400 EUR. Die Beträge sollten zurückgezahlt werden, sobald der Beklagte seine Wohnung verkauft hatte. Um der Klägerin „etwas in die Hand zu geben“,unterfertigten der Beklagte und ihr Bruder am 12. 5. 2019 eine Urkunde, nach der der Darlehensbetrag von 30.000 EUR „wie vereinbart [...] innerhalb von zehn Jahren […] zurückbezahlt sein [wird]“. Dadurch sollte, so die Feststellung des Erstgerichts, die mündliche Vereinbarung, dass das Darlehen jedenfalls zurückgezahlt werde, wenn die Wohnung des Beklagten verkauft sei, jedoch nicht abgeändert werden. Inzwischen ist die Wohnung verkauft.
[2] Die Klägerin begehrte die Zahlung von 43.400 EUR sA. Der Beklagte habe die Rückzahlung der Darlehensbeträge zugesichert, sobald er den Kaufpreis aus der Veräußerung der Wohnung in Wien erhalten würde.
[3] Der Beklagte bestritt – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – (zusammengefasst) die Fälligkeit des Darlehensbetrags von 30.000 EUR. Aus dem eindeutigen Erklärungswert der am 12. 5. 2019 errichteten Urkunde ergebe sich, dass die Fälligkeit dieses Betrags erst mit Mai 2029 eintrete. Darüberhinaus wendete er Gegenforderungen von gesamt 52.100 EUR ein. Er habe der Klägerin und deren Mutter in der Zeit zwischen 2003 und 2019 verschiedene (im Einzelnen aufgelistete und bewertete) Gegenstände leihweise überlassen bzw zur Verwahrung übergeben, die sich an bestimmten Stellen im Haus der Klägerin befänden. Diese stünde mit ihrer Mutter als gemeinsame Verwahrer in Rechtsgemeinschaft und habe seine Aufforderung, ihre Verpflichtung zur Herausgabe der Gegenstände anzuerkennen, unbeantwortet gelassen. Es sei davon auszugehen, dass diese aus Verschulden der Klägerin nicht zurückgestellt werden könnten. Ihm stehe daher ein Anspruch auf Schadenersatz zu. Eine Gartenmöbelgarnitur sei nicht mehr vorhanden; ein Steintrog zerbrochen.
[4] Das Erstgericht stellte fest, dass die Klageforderung zu Recht, die Gegenforderung hingegen nicht zu Recht bestehe, und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 43.400 EUR sA.
[5] Hinsichtlich der Gartenmöbel ging es davon aus, dass es sich um eine Schenkung des Beklagten an die Klägerin gehandelt habe. Der Steintrog sei entweder beim Abladen im Zuge der Anlieferung zu Bruch gegangen oder bereits beschädigt geliefert worden. Zu den übrigen Gegenständen, aus denen der Beklagte seine Gegenforderungen ableitet, traf es keine Feststellungen. Da die Fälligkeit des Darlehens nach den Feststellungen durch die Errichtung der Urkunde vom 12. 5. 2019 nicht abgeändert werden sollte, sei sie jedenfalls mit dem Verkauf der Eigentumswohnung eingetreten. Hinsichtlich der Gegenforderungen stütze sich der Beklagte auf sein Eigentum an bestimmten Gegenständen. Da der Eigentumsanspruch im Wege einer Herausgabe geltend zu machen sei, bleibe unklar, worauf er seine compensando eingewendeten Schadenersatzansprüche stütze. Die Gartenmöbel seien der Klägerin geschenkt worden; hinsichtlich des Steintrogs habe nicht festgestellt werden können, dass er der Klägerin (unbeschädigt) in Verwahrung gegeben worden sei.
[6] Der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Soweit sich der Beklagte auf die Fälligkeit des Darlehens erst nach Ablauf von 10 Jahren laut der Urkunde vom 12. 5. 2019 berufe, gehe er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, nach dem es gerade nicht Wille der Vertragsparteien gewesen sei, die gleichzeitig mündlich getroffene Vereinbarung, nach der die Rückzahlung des gesamten Betrags umgehend nach dem Verkauf der Wohnung des Beklagten erfolgen sollte, abzuändern. Insoweit sei die Rechtsrüge nicht gesetzesgemäß ausgeführt.
[7] Zur Gegenforderung bestätigte es zunächst die Ansicht des Erstgerichts, dass die Gartenmöbel der Klägerin geschenkt worden seien. Im Übrigen habe bereits das Erstgericht zutreffend festgehalten, dass der Beklagte seinem Vorbringen nach ohnehin wisse, wo in der Gewahrsame der Klägerin sich jeder einzelne der in Rede stehenden Gegenstände befinde. Damit stehe dem Beklagten primär die auf Herausgabe gerichtete Eigentumsklage nach § 366 ABGB offen, nicht aber Ansprüche aus Schadenersatz. Ein Anspruch auf Zahlung des Interesses in Höhe der Werts der Gegenstände lasse sich daher aus dem vorgebrachten und dem festgestellten Sachverhalt nicht ableiten. Auch § 979 ABGB – unterstelle man einen Leihvertrag – biete keine Rechtsgrundlage, anstelle der an sich möglichen Herausgabe den Ersatz des Werts der Gegenstände zu begehren. Wertersatz gemäß § 1323 ABGB sei nämlich erst bei Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Naturalrestitution – die hier nicht feststehe – zu leisten. Vergleichbares gelte beim Verwahrungsvertrag, bei dem der Hinterleger anstelle der Herausgabe das Interesse verlangen könne, wenn der Verwahrer die Sache wegen schuldhafter Verletzung seiner Verwahrungspflicht nicht zurückstellen könne.
[8] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten, die entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) zulässig ist, weil dem Berufungsgericht bei der Beurteilung der Gegenforderung eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist; sie ist insoweit im Sinn des auf Aufhebung gerichteten Eventualantrags auch teilweise berechtigt.
I. Zur Klageforderung:
Rechtliche Beurteilung
[9] 1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen. Der danach für eine Zusammenrechnung erforderliche tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang liegt aber nicht nur dann vor, und das übersieht die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag abgeleitet werden, sondern auch, wenn sie auf derselben Rechtsnorm beruhen und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RS0037648 [T1]). Hier liegen zwar verschiedene Darlehensabreden vor; nach den Umständen des Einzelfalls ist aber eine Zusammenrechnung wegen des engen wirtschaftlichen Zusammenhangs dennoch zu bejahen. Dass das Erstgericht das Rechtsmittel des Beklagten direkt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt hat, ist damit nicht zu beanstanden.
[10] 2. Der Beklagte bestreitet im Revisionsverfahren nur noch die Fälligkeit des Betrags von 30.000 EUR und beruft sich dazu auf eine schriftliche Vereinbarung vom 12. 5. 2019, wonach der geschuldete Betrag innerhalb von 10 Jahren zurückgezahlt sein sollte. Dazu steht aber ausdrücklich fest, dass die Vertragsparteien damit nicht beabsichtigten, die unmittelbar davor getroffene Vereinbarung, dass die Darlehensbeträge jedenfalls dann zurückgezahlt würden, wenn die Wohnung des Beklagten verkauft sei, abzuändern.
[11] 3. Die Feststellung, ob eine bestimmte Absicht desjenigen vorhanden war, der eine Willenserklärung abgegeben hat, ist eine Tatfrage, die im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden kann (RS0043460). Indem der Beklagte die Feststellung des Erstgerichts zur Parteienabsicht ignoriert, geht er letztlich auch in dritter Instanz nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (RS0043603), sodass er auch nicht aufzeigen kann, inwieweit die Beurteilung der Klageforderung durch das Berufungsgericht fehlerhaft sein soll.
II. Zur Gegenforderung:
[12] 1. Nach nunmehr herrschender Ansicht (7 Ob 507/96; 3 Ob 133/13z [Pkt 1.5.2] ua; Höllwerth in Deixler-Hübner, Exekutionsordnung § 368 EO Rz 3 mit weiteren Judikaturnachweisen; Roth, Voraussetzungen einer Interessenklage, JBl 1992, 302) ist die Interessenklage nicht schon durch die verfahrensrechtliche Bestimmung des § 368 EO begründet, sodass der Anspruch auf Wertersatz seine Grundlage im materiellen Recht haben muss. § 368 EO selbst schafft daher keinen neuen Anspruch (vgl dazu 7 Ob 617/85). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist es aber auch nicht erforderlich, dass der Gläubiger vor Einforderung des Interesses (Wertersatzes) eine Leistungsklage erhebt oder die Erfüllung eines Leistungsanspruchs exekutiv geltend macht. Die Interessenklage wird daherauch vor Schaffung eines Leistungstitels zugelassen und dann als „vorweggenommene Interessenklage“ bezeichnet (vgl dazu 4 Ob 508/91; RS0004770 [T3]; Roth, JBl 1992, 302).
[13] 2. Im Bereich des Schuldrechts hat die Interessenklage ihre materiell-rechtliche Grundlage im Allgemeinen in den §§ 918 ff ABGB. Wenn der Schuldner säumig ist, kann der Gläubiger vom Anspruch auf Erfüllung (Naturalleistung) zurücktreten und das Interesse fordern, wobei der Anspruch auf das Interesse als Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach neuerer Rechtsprechung und überwiegender Lehre Verschulden voraussetzt (mit ausführlichen Nachweisen dazu Höllwerth aaO Rz 5). Im Anwendungsbereich der §§ 918 ff ABGB erfordert die Interessenklage daher, dass der Gläubiger von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch macht und vom Vertrag zurücktritt, damit er das Interesse geltend machen kann (8 Ob 560/93; 7 Ob 50/06p). Die Klage auf Ersatz wird dabei in der Regel (konkludente) Rücktrittserklärung sein (RS0018282). Anders als bei der Eigentumsklage, bei der der Kläger den Nachweis zu erbringen hat, dass der Beklagte im Besitze der Sache ist, hat bei der Interessenklage wegen Nichterfüllung einer dem Gegner obliegenden Rückstellungsverpflichtung der Gläubiger (nur)den Beweis für die Hingabe und die unterbliebene Rückstellung der Sache zu erbringen, während es dem Beklagten obliegt, nachzuweisen, warum er nicht erfüllen kann (§ 1298 ABGB; RS0004631).
[14] 3. Diese Grundsätze kommen auch hier zum Tragen:
[15] 3.1 Der Beklagte brachte im Verfahren erster Instanz vor, der Klägerin und ihrer Mutter Gegenstände geliehen bzw in Verwahrung gegeben zu haben, die damit in einer Rechtsgemeinschaft stünden. Im Revisionsverfahren beruft er sich nur noch auf einen Verwahrungsvertrag, der die Grundlage für die Übergabe der von ihm in erster Instanz näher beschriebenen und bewerteten Gegenstände sein soll. Er behauptet, die Klägerin sei ihm zu Schadenersatz verpflichtet, weil sie seine Aufforderung, diese herauszugeben, unbeantwortet gelassen habe, und macht damit im Kern geltend, dass die Klägerin die Rückgabe der Sachen verweigere. Indem er den Wert der in Verwahrung gegebenen Gegenstände aufrechnungsweise geltend macht, beruft er sich auf das Interesse anstelle eines ihm aus Vertrag möglicherweise zustehenden Herausgabeanspruchs.
[16] 3.2 Ist die Verwahrungszeit weder ausdrücklich bestimmt worden, noch sonst aus den Nebenumständen zu erschließen, kann die Verwahrung gemäß § 963 ABGB nach Belieben aufgekündigt werden. Ein unbefristeter Verwahrungsvertrag kann daher jederzeit ohne Angabe von Gründen beendet werden (Parapatits in Schwimann/Kodek, ABGB5 §§ 962–964 ABGB Rz 13). Die in Verwahrung gegebene Sache ist dann nach § 962 ABGB auf Verlangen dem Hinterleger zurückzustellen. Ein solches Rückstellungsbegehren beruht allein auf dem Vertrag (Ertl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB³ [Klang] §§ 961–963 Rz 9), sodass der Hinterleger sein Eigentum an der hinterlegten Sache weder behaupten noch beweisen muss (7 Ob 101/16b).
[17] 3.3 Hat der Verwahrer seine Pflicht zur Herausgabe des verwahrten Guts (oder dessen Surrogats) schuldhaft verletzt, kann der Hinterleger als Gläubiger von seinem Wahlrecht Gebrauch machen und anstelle des Anspruchs auf Erfüllung (Herausgabe) das Interesse fordern (1 Ob 43/09v mwN; Parapatits aaO § 961 Rz 33). Ganz allgemein steht dem Geschädigten nach herrschender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs – ähnlich wie dem Gläubiger einer Wahlschuld – die (ihn dann bindende) Wahl zu, ob er die (sowohl mögliche als auch tunliche) Naturalherstellung oder anstatt dessen Geldersatz verlangt (RS0112887).
[18] 4. Der Beklagte erklärte, den Wert der behauptetermaßen in Verwahrung gegebenen Gegenstände mit der (zu Recht bestehenden) Klageforderung aufzurechnen, und berief sich dazu materiell‑rechtlich auf eine Verletzung der die Klägerin aus Vertrag treffenden Verpflichtung zur Rückstellung der Gegenstände. Dem liegt (schlüssig) die Erklärung zugrunde, dass er den Verwahrungsvertrag (gegenüber der Klägerin) aufgekündigt habe. Mit diesen Behauptungen macht er eine von ihr verschuldete Säumigkeit in der Erfüllung der sie aus dem Verwahrungsvertrag treffenden Rückstellungspflicht geltend. Damit ist er aber grundsätzlich berechtigt, anstelle des Herausgabeanspruchs sein Interesse geltend zu machen. Dass er nicht eine Widerklage erhob, sondern erklärte, mit der Klageforderung bei deren tatsächlichen Bestand aufzurechnen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Mit seiner prozessualen Aufrechnungserklärung hat er sein Wahlrecht als Gläubiger ausgeübt.
[19] 5. Die gegenteilige Ansicht der Vorinstanzen, ist mit der eingangs dargestellten Rechtsprechung (oben II. 1.–3.) ebensowenig vereinbar wie die vom Berufungsgericht zitierte, nicht näher begründete Entscheidung 3 Ob 326/98g.
[20] Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass der Hinterleger bei Nichtrückgabe der verwahrten Sachen nach Kündigung des Verwahrvertrags die Wahl hat, die Rückgabe der Sachen oder – wenn dem Verwahrer nicht der Beweis mangelnden Verschuldens gelingt (§ 1298 ABGB) – Wertersatz zu fordern.
[21] 6. Da mit Ausnahme zweier Positionen Feststellungen zu den vom Beklagten nach seiner Darstellung in Verwahrung gegebenen Gegenständen fehlen, erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig. Im fortgesetzten Verfahren wird mit dem Beklagten zunächst sein Vorbringen zu erörtern sein:
[22] 6.1 Dem Vorbringen des Beklagten liegt die Behauptung zugrunde, dass er die Gegenstände der Klägerin und ihrer Mutter in Verwahrung gegeben habe. Diese Behauptung kann so verstanden werden, dass beide als Verwahrer anzusehen sind oder jeder Teil für sich zum Verwahrer einzelner Gegenstände geworden ist.
[23] 6.2 Bei einer Mehrheit von Verwahrern (oder auch Hinterlegern) gelten die Bestimmungen der §§ 888 bis 896 ABGB (Ertl aaO §§ 961–963 ABGB Rz 23).
[24] 6.3 Mehrgliedrige Schuldverhältnisse sind in der Regel unteilbar (Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 890 ABGB Rz 10); die Unteilbarkeit gilt insbesondere für Gestaltungsrechte (1 Ob 2005/96a; 3 Ob 21/13d). Die Aufkündigung eines Verwahrungsvertrags ist wie das Recht zum Rücktritt vom Vertrag oder zur Wandlung (dazu 4 Ob 18/20f) ein solches Gestaltungsrecht (vgl zur Kündigung gegenüber Mitmietern: 4 Ob 336/98k).
[25] 6.4 Der Grundsatz, dass das Gericht eine Partei nicht mit seiner Rechtsansicht überraschen darf (dazu RS0037300), gilt auch für den Obersten Gerichtshof. Da der Beklagte eine schuldhafte Verletzung der Verpflichtung zur Rückstellung von in Verwahrung gegebenen Gegenständen geltend macht, bedarf es zunächst der Klärung, ob sein Vorbringen so zu verstehen ist, dass neben der Klägerin auch deren Mutter Partei des Verwahrungsvertrags geworden ist. Für diesen Fall wird mit dem Beklagten zu erörtern sein, ob er den Verwahrungsvertrag auch dieser gegenüber aufgekündigt hat, weil ein solches Gestaltungsrecht gegenüber allen Mitverwahrern ausgeübt werden muss. Unterstellt man für diese Konstellation ein Verschulden an der unterbliebenen Rückstellung, käme § 1302 ABGB zum Tragen.
[26] 6.5 Sollte die Erörterung seines Vorbringens mit dem Beklagten ergeben, dass nicht gemeinsame Verwahrung vorliegt, sondern die Klägerin bzw ihre Mutter in separaten Verträgen jeweils bestimmte Gegenstände in Verwahrung genommen haben, wird er aufzufordern sein, die einzelnen Gegenstände zuzuordnen.
III. Ergebnis:
[27] 1. Da zwischen der Klageforderung und dem vom Beklagten aufrechnungsweise geltend gemachten Interesse keine Konnexität besteht, ist die Fällung eines Teilurteils zulässig (§ 391 Abs 3 ZPO). Der Beklagte wendet sich auch nicht mehr gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, dass ihm hinsichtlich der Gartenmöbel und des Steintrogs schon dem Grunde nach keine Ansprüche zustehen. Er hat den Wert dieser Gegenstände mit 4.500 EUR angegeben. Insoweit kann daher bereits jetzt beurteilt werden, dass die Gegenforderung in in dieser Höhe nicht zu Recht besteht.
[28] 2. Auf dieser Grundlage ist die angefochtene Entscheidung im Ausspruch über die Klageforderung und den genannten Teil der Gegenforderung sowie im Zuspruch des Klagebetrags als Teilurteil zu bestätigen. In Bezug auf die weiteren Gegenforderungen sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, und dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung (oben II.6.) aufzutragen. Erweisen sie sich ganz oder teilweise als berechtigt, wäre im Endurteil auszusprechen, dass die Klageforderung im entsprechenden Umfang erloschen ist (RS0033853).
[29] 3. Die Kostenentscheidung beruht in Bezug auf das Teilurteil auf § 52 Abs 3 ZPO und in Bezug auf den Aufhebungsbeschluss auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.
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