OGH 4Ob336/98k

OGH4Ob336/98k26.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf und Dr. Tittel, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** Siedlungsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgitt Breinbauer, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Waltraud N*****, vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 29. September 1998, GZ 3 R 292/98h-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 12. Juni 1998, GZ 11 C 209/98w-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Die Aufkündigung des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 20. März 1998, 11 C 209/98 w, wird aufgehoben. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die im Erdgeschloß links des Hauses F*****, L*****straße 17, gelegene Wohnung top Nr. 43, zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.232,08 S (darin 1.038 S USt) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.837,44 S (darin 1.196,24 S USt und 660 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Vermieterin der Wohnung in F*****, L*****straße 17/43. Mieter war zuletzt Karl N*****, der Vater der Beklagten; er verstarb noch vor Klageeinbringung. Die Verlassenschaft nach Karl N***** wurde der Beklagten und deren Schwester Anna Maria N***** je zur Hälfte eingeantwortet.

Die Klägerin stützt die Aufkündigung auf den Tatbestand des § 30 Abs 2 Z 5 MRG und bringt vor, die Beklagte habe in der Wohnung ihrer Eltern nicht gelebt und sei auf diese auch nicht angewiesen, weil sie über eine andere Wohnmöglichkeit verfüge. Die Beklagte habe die Klägerin nicht über den Tod ihres Vaters informiert; als die Klägerin durch Dritte von diesem Umstand Kenntnis erlangt habe, habe ihr die Beklagte zugesichert, sich um die Aufkündigung des Bestandverhältnisses zu kümmern und zugleich zur Kenntnis genommen, nicht eintrittsberechtigt zu sein.

Die Beklagte beantragt die Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens. Sie wendet ein, nicht passiv legitimiert zu sein; sie sei nicht die einzige eingeantwortete Erbin. Sie leiste seit Juni 1987 für diese Wohnung Mietzinszahlungen an die Klägerin, die anstandslos angenommen würden; damit sei ein schlüssiger Mietvertrag zustandegekommen.

Die Klägerin antwortet, daß die Beklagte die einzige Erbin sei, die sich ein Mietrecht an der aufgekündigten Wohnung anmaße bzw. diese Wohnung bewohne; eine einheitliche Streitpartei mit anderen Erben bestehe deshalb nicht. Der Beklagten sei auf ihr Ersuchen eine längere Räumungsfrist gewährt worden; ihre Zahlungen seien als Benützungsentgelte angenommen worden. Die Beklagte sei zur Räumung der Wohnung aufgefordert worden.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagte zur Räumung des Bestandobjektes. Es bejahte die passive Klagelegitimation der Beklagten mit der Begründung, diese sei die einzige Erbin, die sich Rechte an der aufgekündigten Wohnung angemaßt habe. Da ihr ein dringendes Wohnbedürfnis fehle und ein Bestandvertrag auch konkludent nicht zustandekommen sei, bestehe die Aufkündigung zu Recht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Zur Legitimation der Beklagten vertrat es die Ansicht, zwar seien ab Einantwortung die eingeantworteten Erben für die Kündigung passiv legitimiert, doch sei eine Mehrheit von Bestandnehmern nur dann eine einheitliche Streitpartei, wenn sie durch einen einheitlichen Vertrag so miteinander verbunden seien, daß durch das Ausscheiden eines dieser Mitbestandnehmer der Bestandvertrag ipso facto hinfällig werden müsse. Sonst sei zu unterscheiden, ob sich das Urteil zwangsläufig gegen (oder für) alle Mitbestandnehmer auswirke. Da offen sei, ob die Schwester der Beklagten überhaupt ein Eintrittsrecht geltend machen werde, und da selbst für diesen Fall bei ihr gesondert zu prüfen sei, ob sie die Voraussetzungen dafür erfülle, bilde sie mit der Beklagten keine einheitliche Streitpartei. Ein schlüssiger Kündigungsverzicht durch die Klägerin könne nach den Umständen nicht angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil das Berufungsgericht in einer die Rechtssicherheit gefährdenden Weise die prozessualen Konsequenzen der Einrede der Beklagten, nicht einzige Erbin nach ihrem Vater als bisherigem Mieter zu sein, unrichtig beurteilt hat; sie ist auch berechtigt.

Nach Lehre und einhelliger jüngerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Gschnitzer in Klang**2 IV/1, 281; Klang in Klang V, 116; Fasching LB**2 Rz 373ff; Würth in Rummel, ABGB**2 Rz 17 zu § 1116; MietSlg 41.318; MietSlg 43.262; SZ 68/269; MietSlg 47.088 = WoBl 1996/30; zuletzt 9 Ob 35/98g uva) bilden mehrere Mitmieter eine Rechtsgemeinschaft bürgerlichen Rechts nach § 825 ABGB und im Kündigungsprozeß eine notwendige Streitgenossenschaft iS des § 14 ZPO, weil sich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Sie können daher nur alle gemeinsam auf Räumung geklagt werden, was sich schon daraus ergibt, daß bei Auflösung des Bestandverhältnisses nur in Ansehung eines der mehreren Mitberechtigten dieser nicht verurteilt werden kann, die Wohnung, an der von einem anderen Mitberechtigten weiterhin das Bestandrecht ausgeübt werden darf, dem Bestandgeber geräumt zu übergeben (SZ 51/149). Die nur gegen einen der Mitmieter erhobene Klage ist daher abzuweisen (MietSlg 26.462 mwN).

Das Berufungsgericht hat zwar richtig erkannt, daß gem § 14 Abs 1 MRG der Mietvertrag durch den Tod des Mieters nicht aufgehoben wird, sondern sich der Eintritt des Erben in den Bestandvertrag - abgesehen von der kraft Gesetzes einsetzenden Sonderrechtsnachfolge nach § 14 Abs 2 MRG - ex lege mit der rechtskräftigen Einantwortung vollzieht (Würth aaO Rz 2 zu § 1116a ABGB und Rz 2 zu § 14 MRG; MietSlg 41.127; MietSlg 43.180 f; MietSlg 47.125); es vermischt aber in der Folge die Frage der Erbenmehrheit mit der Frage, ob mehrere Eintrittsberechtigte (die ja nicht zwingend zugleich Erben sein müssen!) im Kündigungsstreit eine einheitliche Streitpartei bilden. Im - hier allein interessierenden - Falle einer Erbenmehrheit sind jedenfalls sämtliche Erben nach Rechtskraft der Einantwortungsurkunde für eine Kündigung im Sinne des § 1116a ABGB unabhängig davon passiv legitimiert, ob sie (oder einige von ihnen) auch Eintrittsrechte gem § 14 Abs 2 MRG behaupten oder nicht; sie bilden eine notwendige Streitgenossenschaft (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 8 zu § 14; MietSlg 17.472; MietSlg 33.641; RZ 1993/4; WoBl 1996/30 = MietSlg 47.088; zuletzt 9 Ob 35/98g).

Da Gestaltungsrechte idR unteilbar sind, also nur für und gegen alle oder für und gegen keinen wirken können (Gamerith in Rummel, ABGB**2 Rz 3 zu § 889 mwN), ein Mitbestandsverhältnis der Erben demnach nur gegenüber allen Mitbestandnehmern gemeinsam aufgekündigt werden kann, war die nur gegen einen Erben gerichtete Kündigung nicht möglich (MietSlg 23.637; MietSlg 24.549; SZ 57/120 = JBl 1985, 170). Die von der Klägerin in der Revisionsbeantwortung zur Stützung ihres gegenteiligen Standpunktes zitierte Entscheidung MietSlg 31.648 ist nicht einschlägig, weil Kündigungsgegner dort einerseits die Verlassenschaft nach dem Mieter, andererseits ein Eintrittsberechtigter waren. Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung im Verfahren erster Instanz beruht auf § 41 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO.

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