OGH 1Ob261/22x

OGH1Ob261/22x27.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B* H*, und 2. J* H*, vertreten durch Dr. Wolfgang Haslinger, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 64.973,04 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. November 2022, GZ 14 R 200/22t‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00261.22X.0127.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Amtshaftung inkl. StEG, Unionsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Der Antrag der klagenden Partei auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Republik Österreich (Bund) haftet nicht für Vermögensschäden geschädigter Gläubiger (wie der Kläger) aufgrund eines behaupteten Fehlverhaltens der FMA bei der Aufsicht, weil solche Schäden gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG in der Fassung BGBl I 2008/136 nicht vom Schutzzweck des Aufsichtsrechts umfasst sind. Unionsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung bestehen nicht (RS0134024). Die Vorinstanzen legten diese Rechtsansicht ihren Urteilen zugrunde und wiesen das Haupt- und Eventualbegehren ohne Fehlbeurteilung ab.

[2] 2. Die Kläger leiten aus der RL 2003/71/EG (Prospekt‑Richtlinie) ab, dass diese Rechtsansicht nicht zutrifft. Damit zeigen sie keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[3] Der Oberste Gerichtshof hat in mehreren Entscheidungen (4 Ob 184/11d; 1 Ob 223/14x; 1 Ob 227/14k) klargestellt, dass die dem Kapitalmarktgesetz (in der Fassung vor dem EU‑FinAnpG 2019, BGBl I 2019/62) in Bezug auf die Prospektpflicht zugrunde liegende Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 11. 2003 betreffend den Prospekt (Prospekt‑Richtlinie) jedenfalls auch in der Fassung nach der Änderung durch die Richtlinien 2010/73/EU und 2010/78/EU nur Wertpapiere erfasste, weswegen die Prospektpflicht für (bloße) Veranlagungen nicht auf unionsrechtlicher Vorgabe beruht.

[4] Selbst wenn es sich beim G* „RelaXXbonusplan“, in den die Kläger von März 2015 bis Juni 2016 investiert hatten, um ein übertragbares Wertpapier im Sinn des Art 2 Abs 1 lit a der Prospekt‑Richtlinie (diese wurde gemäß Art 46 Abs 1 der VO [EU] 2017/1129 mit Wirkung vom 21. 7. 2019 aufgehoben) handeln sollte, ist aus dieser Richtlinie (ErwGr 10, 16, 18 und 46; Art 3 Abs 1, Art 5 Abs 1 und Art 6) keine unionsrechtliche Norm ersichtlich, aus der die von ihnen behaupteten Ersatzansprüche ableitbar wären. Zu den speziell nach Art 6 Abs 1 Prospekt‑Richtlinie haftenden Personen zählten die nationalen Aufsichtsbehörden oder der Mitgliedstaat gerade nicht.

[5] Damit können die Kläger insofern keine Unionsrechtswidrigkeit des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG aufzeigen.

[6] 3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in den Entscheidungen 1 Ob 91/22x (Rz 30) und 1 Ob 140/22b (Rz 21) näher dargelegt, dass keine unionsrechtlichen Bedenken gegen den Haftungsausschluss des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG bestehen. Insbesondere die Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 4. 2014 über Einlagensicherungssysteme (speziell ErwGr 3) lasse nicht erkennen, dass der europäische Gesetzgeber damit eine zwingende Haftung der nationalen Aufsichtsbehörden oder des Staates gegenüber geschädigten An‑ und Einlegern im Fall einer unzureichenden Aufsicht vorsehen wollte.

[7] Abgesehen davon, dass die Kläger nicht einmal darlegen, dass es sich bei ihrer Veranlagung in den G* „RelaXXbonusplan“ um eine Einlage entsprechend Art 2 Abs 1 Z 3 der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme handelt (nach § 4 von dessen Allgemeinen Vertragsbedingungen [Beil ./C = ./10; unstrittig] handelt es sich dabei um den „Abschluss eines Vertrages über den Erwerb, die Lagerung und die Verwaltung von physischen Edelmetallen [Gold und Silber]“), ist ihr Hinweis auf Art 4 Abs 3 und Art 6 Abs 1 dieser Richtlinie nicht geeignet, eine Haftung des Staates aus behauptetem Fehlverhalten der FMA abzuleiten.

[8] 4. Die von den Revisionswerbern behauptete „Staatshaftung“ wegen einer Verletzung von Bestimmungen des Unionsrechts würde im Übrigen voraussetzen, dass (unionsrechtliche) Rechtsnormen, gegen die verstoßen wurde, bezweckten, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, dass der Verstoß außerdem hinreichend qualifiziert wäre und dass zwischen dem entstandenen Schaden und dem vom Mitgliedstaat zu vertretenden Verstoß ein Kausalzusammenhang bestünde (vgl RS0113922 mwN zur Rechtsprechung des EuGH). Im vorliegenden Fall fehlt es schon an konkreten unionsrechtlichen Normen, aus welchen sich die von den Klägern behaupteten (Ersatz‑)Ansprüche ergäben.

[9] 5. Zusammengefasst ist eine Unionsrechtswidrigkeit des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG nicht erkennbar. Eine dem EuGH vorzulegende Frage stellt sich aus den dargelegten Gründen nicht.

[10] 6. Eine Prozesspartei hat nach ständiger Rechtsprechung keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union durch das Gericht zu beantragen. Der darauf gerichtete Antrag der Kläger ist damit zurückzuweisen (RS0058452 [besonders T21]).

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