OGH 8ObA65/22z

OGH8ObA65/22z21.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Dr. Andreas Grad(aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Alexander Hanika (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in derArbeitsrechtssache der klagenden Partei E*,vertreten durch Mag. Christoph Fink, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Diözese Feldkirch, 6800 Feldkirch, Bahnhofstraße 13, vertreten durch die Sutterlüty Klagian Brändle Gisinger Lingenhöle Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen 598,91 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgerichtin Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Juli 2022, GZ 15 Ra 21/22h‑17, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Jänner 2022, GZ 63 Cga 5/21v‑12, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00065.22Z.1121.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 367,08 EUR (darin 61,18 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 480,31 EUR (darin 42,05 EUR USt und 228 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger war von 1. 1. 1982 bis 29. 2. 2020 bei der Beklagten beschäftigt und befindet sich nunmehr in Pension. Dem Dienstverhältnis lag die „2. Dienst- und Besoldungsordnung“ der Beklagten (DBO) zugrunde, die folgende Regelungen enthält:

 

§ 13 Zusatzpension

(…) 2. Der Dienstnehmer hat Anspruch auf eine zusätzliche Altersversorgung bzw Unfallversorgung (Zusatzpension oder Unfallpension), sofern er die Vollendung des 40. Dienstjahres und eine wenigstens 10‑jährige Dienstleistung als Angestellter der Diözese (…) nachweist. (…)

3. (...) Die Zusatzpension beträgt 80 % des zuletzt bezogenen Bruttomonatsbezugs ohne sonstige Zulagen, unter Abzug der gesetzlichen Sozialpension. (…)

 

§ 20 Bezüge während des Dienststandes

1. Dem Dienstnehmer gebühren Monatsbezüge.

2. Der Monatsbezug besteht aus dem Gehalt und allfälligen Zulagen (Haushaltszulage, Kinderzulage, Teuerungszulagen, besondere Zulagen gemäß Abs 4, Dienstzulage, Ergänzungszulagen).

3. Neben den Monatsbezügen gebühren dem Dienstnehmer Sonderzahlungen und allfällige Nebenbezüge.

4. Insoweit es zur Gewinnung oder Erhaltung der für die Erfüllung der Aufgaben des notwendigen Personals unerlässlich ist, kann der Dienstgeber durch Anordnung bestimmen, dass zum Gehalt eine besondere Zulage gebührt. (...)

 

§ 21 Gehalt

1. Das Gehalt des Dienstnehmers wird durch die Verwendungsgruppe und Dienstpostengruppe, in der er eingereiht ist, sowie durch das Lebensalter und die Dienstzeit bestimmt. (…)

10. Wenn besondere Dienstleistungen es rechtfertigen oder der Personalmangel es erfordert, kann der Dienstgeber einem Dienstnehmer höhere Monatsbezüge gewähren, als ihm nach den Bestimmungen der Abs 1 bis 6 zukämen. Die Gewährung höherer Monatsbezüge hat durch eine Zulage zu erfolgen, die nach Maßgabe des Erreichens höherer Monatsbezüge zufolge Vorrückung in höhere Gehaltsstufen oder Beförderung mit mindestens 50 vH des Erhöhungsbetrages einzusetzen ist. (…)

 

§ 23 Haushaltszulage, Kinderzulage

1. Dem verheirateten Dienstnehmer gebührt eine Haushaltszulage (...). Die Haushaltszulage gebührt im gleichen Ausmaß einem nicht verheirateten Dienstnehmer, wenn seinem Haushalt ein Kind angehört, für das er Kinderzulage bezieht. (...)

 

§ 26 Nebenbezüge

1. Der Dienstnehmer hat Anspruch auf folgende Nebenbezüge:

a) Überstundenvergütung (...)

b) Verwendungszulage für Dienstnehmer, deren Verwendung mit einem besonderen Maß an Verantwortung für die Führung der Geschäfte verbunden ist. (...)

2. Als Sonderzulagen können dem Dienstnehmer Fehlgeldentschädigungen, Schmutz-, Erschwernis- oder Gefahrenzulagen und ähnliche Zulagen gewährt werden.

 

[2] Die Beklagte gewährte dem Kläger nach seiner Pensionierung eine Zusatzpension, die im Jahr 2021 866,82 EUR betrug und aufgrund des Bruttomonatsgehalts in der Verwendungsgruppe des Klägers zuzüglich vier „Dienstalterzulagen“ und einer „allgemeinen Zulage“ berechnet wurde.

[3] Der Kläger begehrt für die Zeit von März bis Mai 2021 weitere 598,91 EUR sA an Zusatzpension und brachte dazu vor, dass die Beklagte bei der Berechnung seiner Zusatzpension auch die Haushaltszulage und die Funktionszulage, die ihm als Leiter der Kirchenbeitragsstelle gewährt worden war, berücksichtigen hätte müssen.

[4] Die Beklagte wendete ein, dass die Zusatzpension nach § 13 Abs 3 DBO aufgrund des letzten Monatsbezugs „ohne sonstige Zulagen“ zu berechnen sei.

[5] Das Erstgericht wies die Klage ab, weil Zulagen nach den Vorgaben der DBO bei der Berechnung der Zusatzpension nicht zu berücksichtigen seien.

[6] Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass der Klage stattgegeben wurde. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dass unter „sonstige Zulagen“ nur solche Zulagen zu verstehen seien, die nicht in § 20 DBO als Teil des Monatsbezugs genannt würden. Hätte die Beklagte diese Zulagen nicht in die Berechnung der Zusatzpenison einbeziehen wollen, wäre es ihr ein Leichtes gewesen, statt des Begriffs „Monatsbezug“ den Begriff „Monatsgehalt“ zu verwenden. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.

[7] Gegen diese Entscheidung richtet sich die – nach Freistellung durch den Obersten Gerichtshof beantwortete – außerordentliche Revision der Beklagten.

[8] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[9] 1. Dem Berufungsgericht ist dahin zuzustimmen, dass der Auslegung eines Vertrags grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0042776). Auch dass die zu lösende Auslegungsfrage in einer Mehrzahl von Fällen auftreten kann, weil mehrere Dienstnehmer gleichartige Arbeitsverträge abgeschlossen haben, begründet noch keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816 [T3]). Im vorliegenden Fall bedarf es aber einer Klarstellung zum Verhältnis der gesetzlichen Auslegungsregeln (RS0044298 [T52]; RS0042776 [T31]).

[10] 2. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass es sich bei der DBO der Beklagten um eine Vertragsschablone handelt, die erst durch Vereinbarung zum Bestandteil des jeweiligen Dienstvertrags wird (RS0052622; RS0081830). Dementsprechend ist die DBO nach den für privatrechtliche Verträge geltenden Regeln in §§ 914, 915 ABGB auszulegen (RS0038234; RS0071779 [T4]). Die aus einer vertraglichen Vereinbarung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was die eine Partei sagen wollte oder was die andere Partei darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung nach ihrem objektiven Erklärungswert zu verstehen war (RS0014160; RS0014205; RS0017823).

[11] 3. Bei Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung nach § 914 ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen (RS0017831; RS0017915). Nach § 20 Abs 2 DBO besteht der Monatsbezug aus dem „Gehalt“ und „allfälligen Zulagen“. Demgegenüber richtet sich die Höhe der Zusatzpension gemäß § 13 Abs 3 DBO nach dem zuletzt bezogenen Bruttomonatsbezug ohne „sonstige Zulagen“.

[12] 4. Da nach § 20 Abs 2 DBO der Monatsbezug aus dem Gehalt und „allfälligen Zulagen“ besteht, ist wohl davon auszugehen, dass damit jede Art von Zulagen erfasst ist. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch umfasst der Begriff des „Bezugs“ nämlich alle Zulagen und Sonderzahlungen (siehe RS0070792). Der DBO sind jedenfalls keine Hinweise zu entnehmen, dass bestimmte Zulagen nicht Teil des Monatsbezugs wären.

[13] 5. Dass in § 20 Z 2 DBO nur „Haushaltszulage, Kinderzulage, Teuerungszulagen, besondere Zulagen gemäß Abs 4, Dienstzulage, Ergänzungszulagen“ genannt werden, ist als bloß beispielhafte Aufzählung zu verstehen, weil bloß „allfällige Zulagen“ erwähnt werden und keine sachlichen Kriterien ersichtlich sind, nach denen die ausdrücklich genannten von anderen Zulagen abgegrenzt werden könnten. Auch ist etwa eine „Dienstzulage“ in der DBO gar nicht geregelt. Eine Auslegung, wonach jegliche Zulagen bei der Bemessung der Zusatzpension zu berücksichtigen seien, widerspricht aber wieder den klaren Vorgaben des § 13 Abs 3 DBO, wonach „sonstige Zulagen“ außer Betracht bleiben müssen.

[14] 6. Welche Zulagen bei der Bemessung der Zusatzpension zu berücksichtigen sind, lässt sich somit dem Wortlaut der DBO im Ergebnis nicht klar entnehmen. Versagt die Auslegung des in einem Vertrag gebrauchten Ausdrucks nach seinem buchstäblichen Sinn, so ist die „Absicht der Parteien“ zu erforschen (RS0017865). Darunter ist aber nicht der Wille der Parteien, sondern der Geschäftszweck zu verstehen (RS0000406; RS0017756). Es kommt auf den Zweck der Vereinbarung in dem Sinn an, den sie nach der Sachlage für den Partner haben musste (RS0017781; RS0017902). Im Zweifel hat jene Auslegung den Vorzug, die eine wirksame und sinnvolle Anwendung der strittigen Bestimmung ermöglicht (RS0017787).

[15] 7. Die Beklagte hat mit Recht darauf hingewiesen, dass es dem Zweck der Regelung widersprechen würde, wenn der Dienstnehmer im Rahmen der Zusatzpension etwa von einer Haushaltszulage profitiert, obwohl er die dafür festgelegten Voraussetzungen – etwa weil ein Kind den gemeinsamen Haushalt längst verlassen hat – gar nicht mehr erfüllt. Die Regelung des § 13 Abs 3 DBO, wonach sich die Zusatzpension nach dem „zuletzt bezogenen Bruttomonatsbezug ohne sonstige Zulagen“ richtet, ist deshalb dahin auszulegen, dass nur die festen Entgeltbestandteile bei der Berechnung der Zusatzpension heranzuziehen sind, während zusätzliche Leistungen, die der Dienstnehmer nur aufgrund wechselnder Gegebenheiten bezogen hat, außer Betracht bleiben sollen (siehe RS0054589).

[16] 8. Bei der Zusatzpension sind deshalb nur jene Zulagen zu berücksichtigen, die sich schon aus der Einstufung in das Gehaltsschema ergeben und deshalb mit dem Gehalt untrennbar verbunden sind, wie dies etwa auf die „Dienstalterzulage“ und die „allgemeinen Zulage“ zutrifft. Demgegenüber müssen Zulagen, die von wechselnden Gegebenheiten abhängen, bei der Zusatzpension als „sonstige Zulagen“ außer Betracht bleiben, wie dies insbesondere auf die Haushaltszulage und die in der DBO gar nicht geregelte Funktionszulage zutrifft.

[17] 9. Der außerordentlichen Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen.

[18] 10. Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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