European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00022.22A.1024.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist seit Oktober 2015 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis gelangt der Kollektivvertrag für Angestellte der Banken und Bankiers zur Anwendung.
[2] Der von der Beklagten formulierte Dienstvertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
„6. Arbeitszeit
Die Normalarbeitszeit beträgt 38,5 Stunden pro Woche. Der Dienstnehmer verpflichtet sich, nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse Mehr‑ und Überstunden zu leisten, und ist unter Berücksichtigung berechtigter Interessen und im gesetzlich bzw kollektivvertraglich zulässigen Ausmaß zu Bereitschafts-, Nacht- sowie Feiertags- und Wochenendarbeit bereit. Die Einteilung der Arbeitszeit kann vom Dienstgeber im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen geändert werden. Es wird davon ausgegangen, dass im Durchschnitt 25 Mehr‑ und Überstunden pro Monat geleistet werden. [...]
8. Entgelt
8.1 Das monatliche Gesamtentgelt beträgt brutto Euro 7.400. [...]
8.2 Der Dienstnehmer wird in die Beschäftigungsgruppe E und Gehaltsstufe 7 (zweites Verweildauerjahr) eingestuft. Künftige kollektivvertragliche Vorrückungen und Umreihungen sind auf die Überzahlung gegenüber dem kollektivvertraglichen Gehaltsschema anzurechnen.
8.3 Das monatliche Bruttogehalt gelangt 14 x pro Jahr [...] zur Auszahlung.
Der 13. Monatsbezug wird als Urlaubsgeld gemeinsam mit dem Junibezug, der 14. Monatsbezug als Weihnachtsremuneration gemeinsam mit dem Novemberbezug ausbezahlt.
Eventuelle über 14 Gehälter pro Jahr hinausgehende Entgeltleistungen – welcher Art und Umfang auch immer (zB Sachleistungen, Stock Options Bonuszahlungen) erfolgen ohne Rechtsanspruch und unpräjudiziell für Folgejahre (Unverbindlichkeitsvorbehalt), es besteht daher auch in Zukunft kein Rechtsanspruch auf derartige Bezüge. [...]
8.5 Mit den bezahlten Entgeltleistungen sind alle Arbeitsleistungen, insbesondere Überstunden, Mehrstunden und Zuschläge, sowie Reise- und Wartezeiten auf Dienstreisen vollständig abgegolten. Alle Parteien gehen davon aus, dass die gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen immer eingehalten werden; sollte das ausnahmsweise einmal nicht der Fall sein, sind auch solche Arbeitszeiten im obigen Sinne abgegolten.“
[3] Vor Abschluss des Dienstvertrags wurde zwischen den Streitteilen nicht weiter erörtert, wie sich das All‑in‑Gehalt zusammensetze bzw in welchem konkreten Ausmaß Überstundenleistungen oder Dienstreisen zu erwarten wären. Tatsächlich fielen Auslandsdienstreisen zwischen drei und fünf Tagen Dauer für den Kläger im Schnitt jedes zweite Monat an. Seine Arbeitszeiten wurden seitens der Beklagten nicht kontrolliert.
[4] Der Kläger bezog zuletzt ein All‑in‑Gehalt von 8.028,32 EUR brutto mal 14. Er trat mit 21. 5. 2020 eine Elternteilzeit gemäß § 8 KG zu 30,75 Wochenstunden an.
[5] Die Beklagte kürzte für diese Zeit sein All‑in‑Gehalt auf 5.280,66 EUR brutto monatlich, davon 2.873,58 EUR als Grundgehalt gemäß § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG, und teilte ihm mit, dass während der Elternteilzeit tatsächlich anfallende Mehr‑ und Überstunden einzeln verrechnet würden.
[6] Der Kläger begehrt die Differenz auf ein monatliches Gehalt von 6.412,23 EUR brutto. Das Herausrechnen von Mehr‑ und Überstundenentgelt aus dem All‑in‑Gehalt sei unzulässig, weil keine Überstundenpauschale vereinbart worden sei, sondern mit dem Gehalt auch andere Leistungen abgegolten worden seien. Die tatsächliche Erbringung von Überstunden habe in der Vergangenheit überhaupt keine Rolle gespielt. Die Beklagte müsse ihr insgesamt intransparentes Entlohnungssystem nach § 915 ABGB gegen sich wirken lassen.
[7] Die Beklagte wandte ein, der Dienstvertrag sehe vor, dass mit dem überkollektivvertraglichen Grundgehalt 25 Mehr‑ und Überstunden abgegolten werden. Während der Elternteilzeit könne der Kläger gesetzlich nicht zu Überstundenarbeit verpflichtet werden, sodass die Grundlage für eine anteilige Fortzahlung des dafür gewidmeten Pauschalentgelts wegfalle.
[8] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 1.806,67 EUR brutto teilweise statt und wies das Mehrbegehren ab. Während der Elternteilzeit könne die Beklagte vom Kläger die vereinbarte Mehr‑ und Überstundenarbeit nicht mehr verlangen, sodass das arbeitsrechtliche Synallagma gestört wäre, wenn sie weiterhin anteilig Entgelt dafür entrichten müsste. Da im von der Beklagten formulierten Dienstvertrag keine Angabe des Grundgehalts und keine Gewichtung des Überstundenanteils und der sonstigen mit dem Pauschale abgegoltenen Leistungen enthalten seien, komme nach § 915 ABGB nur die für den Kläger günstigste Berechnungsvariante mit dem niedrigstmöglichen, dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt entsprechenden Ansatz für die herauszurechnenden Mehr‑ und Überstunden in Frage. Bei der Aliquotierung der Sonderzahlungen sei nichts herauszurechnen, weil sie nicht zur Entlohnung von Mehr- und Überstunden dienten.
[9] Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung keine Folge und billigte die rechtliche Begründung des Erstgerichts.
[10] Der Dienstvertrag des Klägers enthalte in Form der Angabe von 25 Stunden monatlich einen geeigneten Anknüpfungspunkt dafür, welche zeitlichen Mehrleistungen durch das All‑in‑Gehalt pauschaliert mindestens abgegolten sein sollen. Es stehe nicht fest, dass dieses Arbeitsausmaß in der gelebten Praxis nicht erbracht wurde. Zwar decke das weit überkollektivvertragliche All‑in‑Gehalt des Klägers vereinbarungsgemäß auch noch andere Entgeltbestandteile ab, dies schließe aber die Zuordnung eines bestimmbaren Anteils für Mehr‑ und Überstunden nicht aus. In diesem Umfang bestehe kein wesentlicher Unterschied zu einem reinen Mehr- und Überstundenpauschale.
[11] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil noch keine einschlägige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Behandlung von All‑in‑Vereinbarungen während der Elternteilzeit vorliege.
[12] Die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers strebt eine gänzliche Klagsstattgebung an, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, jedenfalls ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist der Begründung des Berufungsgerichts entsprechend zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
[14] 1. Der Oberste Gerichtshof ist in der Entscheidung 9 ObA 30/15z im Fall einer vereinbarten Überstundenpauschale zum Ergebnis gekommen, dass von der Weiterzahlungspflicht des Arbeitgebers während einer Elternteilzeit nicht das Entgelt für die Leistung von Überstunden umfasst sei (Pkt 5.2.). Teilzeitbeschäftigte, die von der Möglichkeit der Elternteilzeit nach dem Mutterschutzgesetz bzw dem Väterkarenzgesetz oder vergleichbarer österreichischer Rechtsvorschriften Gebrauch gemacht hätten, seien zur Arbeitsleistung über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß (Mehrarbeit) nicht verpflichtet (§ 19d Abs 8 iVm Abs 3 AZG). Ein gänzlicher Wegfall der Überstundenleistung durch längere Zeit hindurch aufgrund eines gesetzlichen Verbots führe zum Ruhen des Anspruchs während der Zeit des Verbots, weil die Grundlage für die Vereinbarung einer Überstundenpauschale in der beiderseitigen Annahme liege, dass solche Überstunden auch tatsächlich geleistet werden „dürften“. Aus einer Pauschalierungsvereinbarung sei aber zumindest konkludent auf eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung von Überstunden zu schließen. Eine Pauschalabgeltung werde regelmäßig in der Erwartung vereinbart, dass auch Überstunden zu leisten sein werden (Pkt 6.). Da die Vereinbarung der Überstundenpauschale, wie schon der vereinbarte Widerrufsvorbehalt erkennen lasse, auch hier in der beiderseitigen Annahme der Parteien gelegen sei, dass solche Überstunden von der Arbeitnehmerin auch tatsächlich geleistet werden, wäre das von den Parteien dem Arbeitsvertrag zugrunde gelegte Synallagma zwischen Arbeitsleistung und Entgelt erheblich gestört, wäre die Arbeitgeberin verpflichtet, der Arbeitnehmerin das Überstundenpauschale weiter zu bezahlen, obwohl sie von der Arbeitnehmerin nicht einmal die Leistung von Mehrstunden fordern könne (Pkt 7.). Würden Elternteilzeitbeschäftigte jedoch einvernehmlich Mehrarbeit erbringen, dann stünde ihnen auch das entsprechende Entgelt zu (Pkt 3.).
[15] 2. Diese Rechtsprechung wurde im Schrifttum überwiegend zustimmend aufgenommen (ZAS 2016/32 [Pfalz]; Körber‑Risak, Rechtsfragen der Teilzeit– Elternteilzeit, Entgeltanspruch und Diskriminierung, ZAS 2016/21; Hahn, Überstundenpauschale & All‑in während der Elternteilzeit, RdW 2015, 725; Rauch, Überstundenpauschale und Mutterschutz – Wenn der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden nicht verlangen kann, entfällt die Überstundenpauschale, ASoK 2022, 246; Burger‑Ehrnhofer in Burger‑Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer, Mutterschutzgesetz und Väterkarenzgesetz³ Rz 17 zu § 14 MSchG). Risak (DRdA 2016/16) stimmt zwar der Begründung grundsätzlich zu, kritisiert aber das Ergebnis aufgrund der konkreten Fallgestaltung des gelebten Arbeitsverhältnisses.
[16] 3. Im vorliegenden Verfahren liegt eine All‑in‑Vereinbarung vor. Übliches Charakteristikum einer solchen ist, dasskeine bestimmte Anzahl, sondern alle Überstunden miteingeschlossen sind („echtes“ All-in; vgl Wolf in Gruber‑Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar [38. Lfg 2021] Überstunden und Mehrarbeit Rz 127; Jöst/Ghahramani‑Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV‑Klauseln² Besonderer Teil, 26. Klausel Rz 26.02). Schließt das Gesamtentgelt neben dem Grundgehalt nur eine bestimmte Anzahl an Überstunden ein, sind darüber hinausgehende Überstunden auch dann gesondert abzugelten, wenn das vereinbarte Gesamtentgelt diese Überstunden noch abdecken würde („unechtes“ All‑in; Jöst/Ghahramani-Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV‑Klauseln² Besonderer Teil, 26. Klausel Rz 26.02).
[17] Die Frage, ob die Grundsätze der Entscheidung 9 ObA 30/15z auch auf unechte All‑in‑Verträge übertragbar sind, wird im Schrifttum überwiegend bejaht:
„Der Oberste Gerichtshof hat dies zuletzt wie folgt zusammengefasst (9 ObA 83/22d):
[18] „3.1. Pfalz (ZAS 2016/32 Pkt 4.) stimmt dem unter der Voraussetzung zu, dass aus der Vereinbarung zumindest bestimmbar hervorgeht, welcher Anteil des Gesamtentgelts auf die Abgeltung von Mehr‑ und Überstunden entfällt.
[19] 3.2. Nach Peschek (ecolex 2014, 985 [988]) sei die All-in-Vereinbarung in der Elternteilzeit dann anzupassen, wenn sie dazu diene, Überstunden abzugelten und nicht anderen Zwecken diene, also etwa als Teil einer Beförderung gesehen werde und die tatsächliche Leistung der Überstunden nachweislich keine Rolle spiele. Haben die Parteien aber an die konkrete Anzahl von Überstunden gedacht, sei das All‑in‑Entgelt während der Elternteilzeit um diese Anzahl zu korrigieren.
[20] 3.3. Hahn (Überstundenpauschale & All‑in während der Elternteilzeit, RdW 2015, 725) stellt vergleichbare Überlegungen an. Ihrer Ansicht nach seien All-in-Vereinbarungen nach der jeweiligen Ausgestaltung im Einzelfall zu beurteilen. Es sei genau zu prüfen, welche konkreten Leistungen nach übereinstimmender Ansicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer von der All‑in‑Vereinbarung abgegolten sein sollen. Nur sofern sich die All‑in‑Klausel ausschließlich auf eine zumindest bestimmbare zu leistende Überstundenzahl beziehe, sei eine anteilige Entgeltkürzung zur Berechnung des aliquoten Gehalts während der Inanspruchnahme der Elternteilzeit dem Arbeitgeber erlaubt.
[21] 3.4. Auch Sabara (Rechtsratgeber: Ein Kind kommt5 77 f) stellt auf die konkrete Vereinbarung im Einzelfall ab. Dem Arbeitgeber stehe nur dann ein Kürzungsrecht zu, wenn bei einem All‑in‑Gehalt eindeutig erkennbar sei, welches Grundentgelt der Arbeitnehmer für die Normalarbeitszeit erhalte (vgl § 2g AVRAG). Enthalte jedoch ein All-in-Entgelt neben dem Grundentgelt, Mehr‑ und Überstunden auch weitere Entgeltbestandteile und sei nicht eindeutig erkennbar, welcher Teil des All‑in‑Entgelts aufgrund des Wegfalls der Überstunden zu reduzieren sei, sei die Kürzung des All‑in‑Bezugs wohl nicht zulässig. Denkbar und rechnerisch möglich wäre eine anteilige Reduzierung des All-in-Gehalts nur, wenn in der All‑in‑Vereinbarung das Grundentgelt für die Normalarbeitszeit angegeben sei.
[22] 3.5. Ähnlich argumentiert Burger‑Ehrnhofer (in Burger‑Ehrnhofer/Schrittwieser/Bauer, Mutterschutzgesetz und Väterkarenzgesetz3, Rz 18 zu § 14 MSchG): Nur wenn für Pauschalvereinbarungen § 2g AVRAG beachtlich sei, wonach der zustehende Grundlohn im Arbeitsvertrag oder Dienstzettel klar auszuweisen sei, könne für den Fall, dass sich daraus klar erkennen lasse, welcher Teil des Arbeitsentgelts, das über den genannten Grundlohn hinaus bezahlt werde, für die Leistung von Überstunden zustehe, eine entsprechende Reduzierung des All‑in‑Gehalts argumentiert werden. Lasse sich aus der Vereinbarung aber nicht erkennen, welcher Teil der Überzahlung für Überstunden und welcher für Reisezeiten, Nachtarbeit oder ähnliches zustehe, bleibe es bei der Fortzahlung des gesamten All‑in‑Gehalts trotz zu beachtendem Verbot der Leistung von Überstunden.
[23] 3.6. Körber‑Risak (Rechtsfragen der Teilzeit – Elternteilzeit, Entgeltanspruch und Diskriminierung, ZAS 2016/21 Pkt 2.b.) hält ebenfalls die Überlegungen des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 9 ObA 30/15z auf All‑in‑Vereinbarungen übertragbar, weil auch bei diesen für Altvereinbarungen nach ständiger Rechtsprechung und für neue Vereinbarungen nach dem 29. 12. 2015 gemäß § 2g AVRAG der Entgeltanspruch aus Transparenzgründen so ausgewiesen sein müsse, dass daraus der für die Abgeltung von Mehrleistungen gewidmete Betrag erkennbar sei.
[24] 3.7. Nach Rauch (Überstundenpauschale und Mutterschutz – Wenn der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden nicht verlangen kann, entfällt die Überstundenpauschale, ASoK 2022, 246 [Pkt 3.4.]) würden die Grundsätze zum Entfall der echten Überstundenpauschale auch dann gelten, wenn ein All‑in‑Gehalt vereinbart worden sei und der Anteil der zu leistenden Überstunden bestimmbar sei. Auch beim All-in-Gehalt, bei dem die Überzahlung zum Grundgehalt auf Überstunden bezogen werde, gingen die Vertragsparteien einvernehmlich davon aus, dass die Überstunden geleistet würden, und daher wäre das Synallagma erheblich beeinträchtigt, wenn die Leistung von Überstunden (bzw auch Mehrarbeitsstunden bei der Elternteilzeit) nicht erfolgen könnte.
[25] 3.8. B. Winkler (Arbeitsrechtliche Konsequenzen variabler Entgelte, ZAS 2017/3 [Pkt C.4.]) ist der Ansicht, dass für eine All-in-Vereinbarung, bei der durch ein Pauschalgehalt sämtliche Mehr‑ und Überstunden abgegolten würden, dasselbe gelten müsse wie für eine Überstundenpauschale und folglich eine einseitige Reduktion des All‑in‑Gehalts auf das vereinbarte Grundgehalt im Fall einer Elternteilzeit daher zulässig sein müsse. Dem in der Literatur (insb von Risak) teilweise vertretenen Einwand, dass die Reduktion auf das vertraglich festgehaltene Grundgehalt, das häufig mit dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt gleichgesetzt werde, zu massiven und von den Vertragsparteien nicht gewollten Einkommensverlusten führen würde und die davon ausgehende Aliquotierung des Entgeltanspruchs bei Elternteilzeit in Einzelfällen zu massiven Äquivalenzstörungen und somit zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung führen könne, entgegnet sie, dass eine Äquivalenzstörung vielmehr dann vorliege, wenn das bisher geleistete All‑in‑Gehalt zu aliquotieren wäre und somit der in Elternteilzeit beschäftigte Arbeitnehmer, der keine Mehr‑ oder Überstunden leistet, einen Anspruch auf einen Teil des für die Überstundenleistung vereinbarten Gehalts hätte, obwohl gar keine Überstunden geleistet werden. Problematisch seien allerdings All‑in‑Vereinbarungen, die nicht bloß Mehr‑ und Überstundenleistungen abdecken, sondern auch sonstige Entgeltbestandteile, wie etwa einen Nachtzuschlag. Diesbezüglich schlägt die Autorin vor, eine Reduktion des All‑in‑Gehalts auf das Grundgehalt zuzulassen und Zulagen bzw Zuschläge gesondert auszubezahlen.
[26] 3.9. Nitzl/Schirmer (Die All‑in-Vereinbarung – Problemstellungen in der täglichen Praxis, ASoK 2017, 202 [Pkt 9.]) vertreten in Anlehnung an Peschek (aaO) die Rechtsansicht, dass sich die Grundsätze zur echten Überstundenpauschale dann auf All‑in‑Vereinbarungen umlegen lassen, wenn es deren Hauptzweck sei, Überstunden abzugelten. Es müsse somit nachweisbar sein, dass sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber vereinbart hätten, dass Überstunden geleistet werden sollen und diese mit der All‑in‑Vereinbarung abgegolten werden. Spiele die tatsächliche Leistung von Überstunden für die Vergütung keine Rolle, werde eine Anpassung des All‑in‑Vertrages in der Elternteilzeit jedoch nicht vertretbar sein.
[27] 3.10. Auch nach D. Holzinger (Zur Anpassung des All‑in‑Gehalts in der Elternteilzeit, DRdA‑infas 2021, 51 [Pkt 4]) sei ein Ruhen der All‑in‑Überzahlung nur denkbar, wenn eindeutig bestimmt sei, welcher Anteil am Gesamtgehalt der Überstundenabgeltung dienen solle. Wenn das Grundgehalt (nach § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG) beziffert und der Rest des Gesamtgehalts der Überstundenabgeltung gewidmet sei, dann sei die All‑in‑Überzahlung der Überstundenpauschale vergleichbar, mit der Konsequenz, dass die Überzahlung während der Elternteilzeit ruhe, so sich nicht aus dem Parteiwillen eindeutig anderes ergebe. Wenn das All‑in‑Gehalt hingegen auch andere Entgeltbestandteile als Überstunden abgelten solle und der der Überstundenabgeltung gewidmete Anteil nicht definiert sei, so ruhe die Überzahlung nicht. Diese Intransparenz gehe zu Lasten des Verfassers der Vereinbarung, in der Regel des Arbeitgebers.
[28] 3.11. Ähnlich argumentiert Morgenstern (Wegfall der Überstundenpauschale bei Elternteilzeit, PV‑Info 9/2015): Die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 9 ObA 30/15z vertretene Rechtsansicht könne dann auf All‑in‑Vereinbarungen Anwendung finden, wenn das (kollektivvertragliche) Grundgehalt für die Normalarbeitszeit im Dienstvertrag selbst bestimmt oder zumindest aufgrund der im Dienstvertrag erfolgten kollektivvertraglichen Einstufung bestimmbar sei und mit dem All‑in‑Bezug nicht auch andere Leistungen des Dienstnehmers (zB für eine Leitungsposition) und/oder andere (insbesondere kollektivvertragliche) Entgeltbestandteile abgegolten werden sollten (zB kollektivvertragliche Zulagen).
[29] 3.12. Risak (DRdA 2016/16 Pkt 4.) und Schrittwieser (Elternteilzeit: Kein Anspruch auf Weitergewährung einer Überstundenpauschale, DRdA‑infas 2015/232) meinen hingegen, dass der Fall bei einer All‑in‑Vereinbarung, die regelmäßig die Abgeltung sämtlicher Arbeits‑ und Mehrleistungen sowie eventuell Zulagen vorsehe, anders zu beurteilen sei, weil dabei in der Regel kein Entgeltteil definiert sei, der den früher erbrachten Überstundenleistungen klar zuordenbar wäre. Es mangle damit an der Transparenz von (bis 2016 abgeschlossenen) All‑in‑Entlohnungen. Das Entgelt der Elternteilzeit-beschäftigten dürfe diesfalls nur im Ausmaß der Reduktion der vereinbarten Arbeitszeit sinken. Nach Risak (aaO) könnten jedoch auf ab 2016 abgeschlossene All‑in‑Vereinbarungen (BGBl I 2016/152), in denen der Grundlohn oder das Grundgehalt, das heißt das Entgelt für die Normalarbeitszeit, betragsmäßig schriftlich im Dienstzettel bzw im Dienstvertrag auszuweisen sei, die Aussagen der Entscheidung 9 ObA 30/15z übertragen werden. Einer anderen Beurteilung (ergänzenden Vertragsauslegung) bedürfe es dann, wenn das Grundgehalt so niedrig angesetzt worden sei, dass es sich nahe dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt bewege.
[30] 3.13. Maca (Grundgehalt in All‑in‑Vereinbarungen, DRdA‑infas 2016, 305 [309 f]) lässt die Frage, ob bei All‑in‑Gehältern künftig – im Lichte der Entscheidung 9 ObA 30/15z – bei Bereitschaft des Angestellten zur Mehrarbeitsleistung das bisherige All‑in‑Gehalt für die Normalarbeitszeit ins Verhältnis zur Teilzeit gesetzt oder aber, ob durch den Ausweis des Grundgehalts dieses als Basis für die Berechnung des Teilzeitgehalts herangezogen werde, zwar offen. Sie rechnet aber beispielhaft vor, dass im zweiten Fall eine 50‑prozentige familiär bedingte Arbeitszeitreduzierung bei einem All‑in‑Gehalt, welches in Summe das Doppelte des angeführten Grundgehalts ausmache, die Reduktion auf ein Viertel des gesamten All‑in‑Gehalts zur Folge habe. Es werde häufig davon ausgegangen werden können, dass eine derartig massive Entgeltreduzierung im Fall der Elternteilzeit nicht von den Vertragsparteien beabsichtigt sei und über ergänzende Vertragsauslegung eine Basis für die Elternteilzeit gefunden werden müsse.“
[31] 4. Der Oberste Gerichtshof hat sich jüngst in der Rechtssache 9 ObA 83/22d der Auffassung angeschlossen, dass während der Elternteilzeit bei All‑in‑Vereinbarungen (nur) jener Teil des Arbeitsentgelts ruht, der über das Grundentgelt hinaus für die Leistung von Mehr‑ und Überstunden bezahlt wird. Tatsächlich dann während der Elternteilzeit geleistete Mehr‑ und Überstunden sind im Wege der Einzelverrechnung abzugelten.
[32] Maßgeblich ist danach der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung (RIS‑Justiz RS0014160; RS0113932; RS0014205). Würden im Dienstvertrag die Anzahl der Mehr- und Überstunden festgehalten, die mit dem jeweiligen Gehalt abgegolten werden, ist die All‑in‑Vereinbarung so zu verstehen, dass diese von ebenfalls pauschal abgegoltenen weiteren Mehrleistungen und sonstigen Bezügen abgrenzbar und ausreichend bestimmt sind.
[33] 5. Die hier zu beurteilende All‑in‑Klausel unterscheidet sich vom Anlassfall der Entscheidung 9 ObA 83/22d insoweit, als nicht eine bestimmte Anzahl von monatlichen Überstunden als im Fixgehalt inkludiert bezeichnet wurde, sondern die Formulierung lautet, es werde „davon ausgegangen, dass im Durchschnitt 25 Mehr‑ und Überstunden pro Monat geleistet werden“.
[34] Die Interpretation der Vorinstanzen, dass auch diese Formulierung objektiv betrachtet so verstanden werden muss, dass Überstunden in diesem Ausmaß vom Arbeitgeber verlangt werden können, bei Bedarf zu leisten sind und mit dem Fixgehalt pauschal abgegolten werden, ist schlüssig und nicht rechtsirrig.
[35] Tatsächlich steht auch nicht fest, dass die laufend erbrachte Mehr‑ und Überstundenleistung des Klägers von diesem Durchschnitt wesentlich und dauernd nach unten abgewichen ist. Der vorliegende All‑in‑Vertrag lässt damit eine ausreichende Abgrenzung eines bestimmten Überstundenanteils in zeitlicher Hinsicht, der pauschal abgegolten werden soll, zu.
[36] Es verbleibt damit die Frage, welcher Teil des Gesamtentgelts auf die zeitlichen Mehrleistungen anzurechnen ist.
[37] Die Revision argumentiert, dass die Parteien nach den Feststellungen überhaupt kein Grundgehalt, insbesondere auch nicht in Höhe des kollektivvertraglichen Mindestgehalts, vereinbart haben. Diesem Einwand haben die Vorinstanzen schlüssig entgegengehalten, dass er nur auf den das kollektivvertragliche Mindestentgelt übersteigenden Teil der Vereinbarung zutrifft. Bis zur Höhe des Mindestentgelts ist eine für 25 Mehr‑ und Überstunden gebührende Entlohnung eindeutig betraglich bestimmbar, weil die Streitteile im Dienstvertrag davon gar nicht wirksam nach unten abweichen hätten können.
[38] Die Revisionsbehauptung, die Berechnung auf Basis dieser Rechtsansicht wäre kompliziert, sodass ein Dienstnehmer, der sein Entgelt bei der Inanspruchnahme der Elternteilzeit vorweg kalkulieren will, mit einem solchen Ergebnis nicht rechnen hätte können, ist nicht nachvollziehbar. Im Ergebnis verbleibt dem Kläger durch das Herausrechnen (nur) des niedrigstmöglichen, dem Mindestlohn entsprechenden Überstundenpauschales aus dem All‑in‑Gehalt seine gesamte kollektivvertragliche Überzahlung auch als Basis für das aliquote Teilzeitentgelt.
[39] 6. Soweit die Revision sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen beruft, die geleisteten Überstunden des Klägers hätten während des bisherigen Dienstverhältnisses „keine Rolle gespielt“, ist dies wegen der Unanfechtbarkeit der Beweiswürdigung der Tatsachen-instanzen unbeachtlich.
[40] Die Leistung von Mehr‑ und Überstunden wurde nach dem Sachverhalt nicht nur formal vereinbart, sondern sie konnten dem Kläger tatsächlich angeordnet werden und sind auch – zB durch regelmäßige mehrtägige Auslandsdienst-reisen – angefallen, wenngleich das genaue Ausmaß nicht fest steht.
[41] 7. Der Umstand, dass das All‑in‑Gehalt des Klägers inklusive des Entgelts für 25 monatliche Mehr‑ und Überstunden überkollektivvertraglich war, ist offenkundig und unstrittig. Das Gleiche gilt für das ermittelte Teilzeitentgelt. Soweit die Revision dessen ungeachtet auf anhängige Parallelverfahren verweist, in denen ein abweichender Sachverhalt (nämlich ein von vornherein unterkollektivvertragliches Pauschalentgelt) zu behandeln wäre, ist daraus für den Rechtsstandpunkt des Klägers nichts zu gewinnen.
[42] 8. Der Revision des Klägers war daher nicht Folge zu geben.
[43] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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