OGH 1Ob109/22v

OGH1Ob109/22v14.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers W*, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH, Graz, gegen die Antragsgegnerin E*, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 20. April 2022, GZ 2 R 47/22d‑195, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00109.22V.0914.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Antragsteller beantragte im Aufteilungsverfahren unter anderem, ihm den 20%igen Gesellschaftsanteil der Antragsgegnerin an einer während aufrechter Ehe im Jahr 2001 von den Ehegatten gemeinsam gegründeten GmbH zu übertragen, deren Geschäftsführer und (seit 2004 mit einem Anteil von 80 %) Mitgesellschafter er ist.

[2] Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung dieses Antrags durch das Erstgericht, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 30.000 EUR und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Im Übrigen hob es die Entscheidung des Erstgerichts zur Gänze auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Gericht erster Instanz zurück.

[3] Mit seinemaußerordentlichen Revisionsrekursstrebt der Antragsteller eine Übernahme des Gesellschaftsanteils der Antragsgegnerin gegen eine Ausgleichszahlung von 11.000 EUR an.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. DasRekursgericht hat durch die Teilbestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung im Ergebnis einen nach der Rechtsprechung des Fachsenats des Obersten Gerichtshofs nicht zulässigen Zwischenbeschluss im Sinn des § 36 Abs 2 AußStrG über die Vorfragen gefällt, welche Aktiva (oder Passiva) der Ehegatten in die Aufteilung einzubeziehen sind (RS0132700). Der darin liegende Verfahrensmangel müsste allerdings – was hier nicht geschehen ist – ausdrücklich gerügt werden, um im Prüfungsverfahren Beachtung finden zu können. Von Amts wegen ist darauf nicht Bedacht zu nehmen (RS0040918). Vielmehr wäre der Beschluss nur dann aufzuheben, wenn die zugrunde liegende Frage materiell‑rechtlich falsch gelöst wurde (RS0040918 [T22]).

[5] 2. Insofern zeigt das Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6] 2.1. Der Aufteilung unterliegt gemäß § 81 Abs 1 EheG grundsätzlich die eheliche Errungenschaft, dass heißt das, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart haben (RS0057486 [T1]). Anteile an einem Unternehmen unterliegen nach § 82 Abs 1 Z 4 EheG nicht der Aufteilung, außer es handelt sich um eine bloße Wertanlage. Einer Unternehmensbeteiligung kommt im Allgemeinen dann Wertanlagencharakter zu, wenn mit ihr keine Mitwirkung an der Unternehmensführung oder sonst ein maßgeblicher Einfluss auf das Unternehmen verbunden ist (RS0058277 [T1]). Dafür reicht die bloße rechtliche Möglichkeit eines solchen Einflusses aus, die tatsächliche Ausübung desselben ist nicht erforderlich (RS0058277 [T3]; 1 Ob 132/14i, Punkt 6.). Dem Geschäftsführer einer GmbH kommt nach der Rechtsprechung maßgeblicher Einfluss zu (8 Ob 653/86), sofern er über eine ausreichende Beteiligung verfügt (1 Ob 14/21x, Rz 55).

[7] 2.2. Die Beurteilung, ob ein Unternehmensanteil der Aufteilung unterliegt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab, zu denen auch die Rechtsform der Gesellschaft, die Art der Beteiligung und der konkrete Gesellschaftsvertrag zählen (vgl Oberhumer, Unternehmen und Gesellschaftsanteile in der nachehelichen Vermögensaufteilung [2011] 140, 151; Steininger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 82 EheG Rz 68). Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung läge daher nur dann vor, wenn das Rekursgericht den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum überschritten hätte.

[8] 3. Das ist hier nicht der Fall.

[9] 3.1. Die Vorinstanzen waren übereinstimmend der Ansicht, dass derGesellschaftsanteil der Antragsgegnerin keine bloße Wertanlage ist. Das Rekursgericht verwies insbesondere darauf, dass die Antragsgegnerin nach den Feststellungen (zum Aufteilungsstichtag November 2005) nicht nur zu 20 % Gesellschafterin, sondern (bis 2014) auch einzelvertretungsbefugte (Mit‑)Geschäftsführerin der GmbH war und daher die rechtliche Möglichkeit hatte, an der Unternehmensführung mitzuwirken, auch wenn sie ihre Befugnisse und Funktion als Geschäftsführerin faktisch nicht ausübte (sondern dem Antragsteller als weiteren Geschäftsführer überließ).

[10] 3.2. Dem hält der Antragsteller entgegen, eine formale Geschäftsführerbestellung sei höchstens ein – widerlegbares – Indiz für einen maßgeblichen Einfluss, zumal der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 112/18d die faktische Mitwirkung im Unternehmen als entscheidend angesehen habe. Da die Antragsgegnerin gerade nicht für die GmbH aufgetreten sei oder sich in die Unternehmensführung eingebracht habe, sei ihr Gesellschaftsanteil als bloße Wertanlage sehr wohl aufteilungsrelevant.

[11] Aus der Entscheidung 1 Ob 112/18d (Punkt 6.4.) ergibt sich aber – wie bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht, dass die bloße rechtliche Möglichkeit eines maßgeblichen Einflusses ohne tatsächliche Ausübung desselben nicht (mehr) ausreichte, um die Qualifikation eines Gesellschaftsanteils als Wertanlage zu verhindern. Vielmehr kommt darin nur zum Ausdruck, dass im konkreten Fall ein tatsächlich gegebener maßgeblicher Einfluss auf das Unternehmen trotz Fehlens einer „echten“ Sperrminorität zu berücksichtigen war.

[12] 3.3. Darüber hinaus zeigt der Antragsgegner keine Anhaltspunkte dafür auf, dass im hier zu beurteilenden Fall beim Anteil der Antragsgegnerin der Wertanlagencharakter bestimmend im Vordergrund stünde. Er blendet aus, dass die GmbH nach den Feststellungen aus dem von den Ehegatten gemeinsam – zuletzt in Form eine GesbR mit einer 50 : 50‑Beteiligung – geführten landwirtschaftlichen Weinbaubetrieb samt Buschenschank hervorging. Aufgrund des Anwachsens des Betriebs wurde die GesbR im Jahr 2001 in eine GmbH „umgewandelt“, wobei der ursprüngliche Anteil der Antragsgegnerin von 40 % im Jahr 2004 aus, wie man ihr sagte, „steuer- und versicherungsrechtlichen Erwägungen“ und ohne jegliche Abgeltung auf 20 % reduziert wurde. Auch wenn es ab der Gründung der GmbH für den Buschenschankbetrieb, den die Antragsgegnerin als ihre Aufgabe betrachtete, und den Weinbau, der in den Aufgabenbereich des Antragstellers fiel und für den sie ihm den Rücken freizuhalten versuchte, gesonderte Konten gab, handelte es sich doch weiterhin um das gemeinsame Unternehmen der Ehegatten, über das die Antragsgegnerin – wie festgestellt – stets informiert war, wobei sie dem Tun des Antragstellers voll und ganz vertraute. Diesfalls richtet sich die Auseinandersetzung aber nicht nach dem außerstreitigen Aufteilungsverfahren, sondern nach den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften (vgl 5 Ob 593/85).

[13] 4. Einer weitergehenden Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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