OGH 6Ob94/22z

OGH6Ob94/22z29.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* Bankaktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei C* L*, vertreten durch Hon.‑Prof. Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 109.765,07 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. Februar 2022, GZ 4 R 186/21g‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00094.22Z.0829.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1 Die Beurteilung der „Ungewöhnlichkeit“ einer Klausel iSd § 864a ABGB ist stets von der Kasuistik des Einzelfalls geprägt und auf die singuläre Rechtsbeziehung der Streitteile zugeschnitten, sodass darin grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken ist (RS0122393). Das gilt auch für „Erstreckungsklauseln“ in Bürgschafts- oder Pfandbestellungsverträgen (6 Ob 259/06s), die von der Rechtsprechung durchaus auch als nicht nach § 864a ABGB ungültig angesehen wurden (vgl 6 Ob 95/16p [ErwGr 2.2.1.]; 3 Ob 96/11f).

[2] 1.2 In der von der Beklagten unterfertigten Pfandbestellungsurkunde über die Einräumung einer Höchstbetragshypothek ist unter Punkt 2) „Besicherte Forderung“ gleich zu Beginn angeführt, dass die Verpfändung der Liegenschaften der Beklagten zur Sicherstellung aller Forderungen der Klägerin gegen den Kunden [den Hauptschuldner] aus bereits eingeräumten und in Zukunft gewährten Krediten und Darlehen dient. In Punkt 8) der Pfandbestellungsurkunde mit der fett gedruckten Überschrift „Besondere Bestimmungen, wenn der Kunde und Eigentümer des Pfandgegenstands nicht ident sind“ wird eingangs darauf hingewiesen, dass die Verpfändung zur Sicherstellung bestehender und künftiger Forderungen gemäß Punkt 2) erfolgt und die Pfandhaftung daher auch künftige Finanzierungen erfasst. Dafür wird dem Pfandbesteller ein Kündigungsrecht eingeräumt, wodurch nach der Kündigung neu abgeschlossene Finanzierungen nicht mehr von der Pfandhaftung umfasst sind.

[3] 1.3 Die Vorinstanzen waren der Auffassung, die vorliegende „Erstreckungsklausel“ sei nicht zu beanstanden, weil sie beim betreffenden Geschäftstyp häufig Verwendung finde, klar formuliert und auch nicht im Erscheinungsbild der Urkunde „versteckt“ sei. Darin ist keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zu erblicken (vgl 3 Ob 96/11f).

[4] 2.1 Zwar wurden Erstreckungsklauseln als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB angesehen, wenn damit ohne jede Obergrenze die Haftung für alle künftigen Forderungen der Bank auferlegt werden soll (3 Ob 46/19i [Drittpfandbestellung]; 6 Ob 212/09h [Bürgschaft]).

[5] 2.2 Diese Entscheidungen sind hier jedoch nicht einschlägig, weil dem Pfandbesteller (der Beklagten) – anders als bei den in den soeben zitierten Entscheidungen geprüften Klauseln – eine Kündigungsmöglichkeit unabhängig vom Bestehen offener Verbindlichkeiten eingeräumt wurde. In einem solchen Fall ist durch die Erstreckungsklausel keine gröbliche Benachteiligung des Pfandbestellers erkennbar (3 Ob 96/11f [ErwGr 3.]), weil keine schrankenlose und letztlich unüberschaubare Haftung droht. Mit dieser Judikatur, auf die sich auch das Berufungsgericht gestützt hat, setzt sich die Revision inhaltlich nicht auseinander.

[6] 3. Auch auf die bereits vom Berufungsgericht dargelegte Judikatur zur Aufklärungspflicht einer Bank (auch) außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG (vgl etwa 4 Ob 254/14b mwN) geht die Revision nicht ein. Im Übrigen ließe sich den Feststellungen auch nicht entnehmen, dass im Zeitpunkt der Pfandbestellung absehbar gewesen wäre, dass die Hauptschuldnerin zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein werde. Mit ihrem kursorischen und nicht näher konkretisierten Hinweis, es bedürfe im Verbraucherschutzbereich einer – im vorliegenden Fall unterlassenen – „umfassenden Aufklärung und Information“ des Pfandbestellers, wobei diese Informations- und Aufklärungspflichten „aus der allgemeinen Transparenz- und Informationsverpflichtung des § 6 KSchG“ erfließen, vermag die Revision keine erhebliche Rechtsfrage zur Darstellung zu bringen.

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