European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00084.22H.0728.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Revisionsgegenständlich ist der – von der Beklagten mit Bescheid vom 14. Juni 2021 abgelehnte – Anspruch der Klägerin auf pauschales Kinderbetreuungsgeld als Konto im Zeitraum von 13. April 2021 bis 26. April 2021.
[2] Der Sohn der Klägerin wurde am 13. April 2021 geboren, am 16. April 2021 aus dem Krankenhaus entlassen und am 27. April 2021 an der Wohnanschrift der Klägerin gemeldet, an der sie seit 19. April 2017 hauptwohnsitzlich gemeldet ist.
[3] Die Vorinstanzen verpflichteten die beklagte Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau zur Zahlung des Kinderbetreuungsgelds für den Zeitraum von 13. April 2021 bis 26. April 2021, weil den Eltern ab dem der Unterkunftnahme folgenden Tag insgesamt eine Frist von 13 Tagen für die noch ausständige Anmeldung des Kindes am gemeinsamen Hauptwohnsitz zur Verfügung gestanden sei, die die Klägerin eingehalten habe. Das Berufungsgericht ließ die Revision nicht zu.
[4] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ist unter anderem an die Voraussetzung geknüpft, dass der Elternteil mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt (§ 2 Abs 1 Z 2 KBGG). Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des KBGG liegt nach § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind in einer dauerhaften (mindestens 91 Tage durchgehend) Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind.
[6] 2.1. Die Beklagte bestreitet nicht, dass trotz des gemeinsamen Krankenhausaufenthalts unmittelbar nach der Geburt im verfahrensgegenständlichen Zeitraum an der gemeinsamen Wohnadresse eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft der Klägerin und des Kindes bestand. Dies steht im Einklang mit § 2 Abs 6 KBGG, der für Krankenhausaufenthalte und kurzfristige Abwesenheiten eine Sonderregelung enthält (10 ObS 109/18d SSV‑NF 32/67 [Pkt 4.2]). Nach § 2 Abs 6 Satz 3 KBGG gilt der gemeinsame Haushalt bei mehr als 91-tägiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer einer Abwesenheit des Elternteils oder des Kindes als aufgelöst. Die Beklagte führt im Rechtsmittel daher auch zutreffend aus, dass nach dem KBGG bereits während des Krankenhausaufenthalts ein gemeinsamer Haushalt begründet und auch in solchen Fällen der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld schon ab Geburt bestehen kann.
[7] 2.2. Davon zu trennen ist die Frage, ob der Elternteil und das Kind an der gemeinsamen Adresse (an der sie in dauerhafter Wohn‑ und Wirtschaftsgemeinschaft leben) auch (rechtzeitig) hauptwohnsitzlich gemeldet waren.
[8] 2.2.1. Unstrittig ist zwar, dass das Kind der Klägerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (noch) nicht an der Wohnadresse der Klägerin gemeldet war. § 2 Abs 6 Satz 2 KBGG sieht jedoch vor, dass eine höchstens bis zu zehn Tage verspätet (§ 3 Abs 1 MeldeG) erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet. Durch das Abstellen auf eine „verspätete“ Hauptwohnsitzmeldung und durch den Verweis auf § 3 Abs 1 MeldeG ist klargestellt, dass die Nachfrist von zehn Tagen erst nach Ablauf der dort normierten dreitägigen Frist zu laufen beginnt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs 1 MeldeG beginnt diese Frist mit der Unterkunftnahme zu laufen. Diese ist mit dem erstmaligen widmungsmäßigen Gebrauch der Unterkunft erfüllt und hängt bloß von objektiven, äußeren (faktischen) Umständen ab (10 ObS 19/19w [Pkt 3.1]; 10 ObS 121/18v SSV‑NF 33/15 [Pkt 3.1]). Den Eltern steht daher (auch im Anwendungsbereich des Kinderbetreuungsgeldgesetzes) ab dem der Unterkunftnahme folgenden Tag insgesamt eine Frist von 13 Tagen für die noch ausständige Anmeldung des Kindes am gemeinsamen Hauptwohnsitz zur Verfügung (zum FamZeitbG: RIS‑Justiz RS0132596; RS0132533).
[9] 2.2.2. Im vorliegenden Fall wurde das Kind der Klägerin am 16. April 2021 aus dem Krankenhaus entlassen, sodass der erstmalige widmungsmäßige Gebrauch der Unterkunft tatsächlich erst an diesem Tag erfolgt sein konnte und die in § 3 Abs 1 MeldeG normierte dreitägige Frist auch erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen haben kann. Die nicht mehr als 13 Tage danach, nämlich am 27. April 2021 erfolgte Meldung des Kindes an dieser Adresse schadet nach § 2 Abs 6 Satz 2 KBGG dem Anspruch der Klägerin somit nicht.
[10] 3. Die von der Beklagten in der außerordentlichen Revision vertretene Rechtsansicht, dass die 13‑tägige „Meldefrist“ bereits mit der Geburt zu laufen begonnen habe, steht im Widerspruch zu dieser klaren Rechtslage und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
[11] 3.1. § 12 PStG ermöglicht den Eltern zwar eine Anmeldung des Kindes über die Personenstandsbehörde, welche die nach § 3 Abs 1 MeldeG vorzunehmende Anmeldung unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt. Diese Bestimmung begründet jedoch – anders als § 3 Abs 1 MeldeG – keine Pflicht zur Meldung innerhalb einer bestimmten Frist (10 ObS 19/19w [Pkt 4.3]; 10 ObS 121/18v SSV‑NF 33/15 [Pkt 4.3]). Der bloße Umstand, dass die Meldung nach § 12 PStG bereits ab der Geburt erfolgen kann, bedeutet nicht, dass eine solche Meldung bereits ab diesem Zeitpunkt erfolgen muss. § 2 Abs 6 Satz 2 KBGG verweist vielmehr ausdrücklich auf § 3 Abs 1 MeldeG und damit auf die dort normierte dreitägige Frist ab der Unterkunftnahme.
[12] 3.2. Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass die oben zitierte Rechtsprechung zum FamZeitbG erging. Die hier maßgebliche Bestimmung des § 2 Abs 6 Satz 2 KBGG entspricht inhaltlich jedoch dem § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG (und enthält zusätzlich noch einen ausdrücklichen Verweis auf § 3 Abs 1 MeldeG), sodass die dazu ergangene Rechtsprechung ohne weiteres übertragbar ist. Unabhängig davon kann aufgrund des ausdrücklichen Verweises auf § 3 Abs 1 MeldeG im KBGG kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass es (auch im Anwendungsbereich des KBGG) auf die dort für den Fristbeginn maßgeblich erklärte Unterkunftnahme ankommt. Mit der Behauptung, bereits die Geburt habe die Meldefrist ausgelöst, gelingt es der außerordentlichen Revision somit nicht, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen (RS0042656).
[13] 3.3. Soweit die Beklagte aus dem (möglicherweise) verschiedenen Bezugsbeginn beim Familienzeitbonus im Vergleich zum Kinderbetreuungsgeld etwas für ihren Rechtsstandpunkt abzuleiten versucht, vermengt sie die unterschiedlichen Voraussetzungen für den Begriff des gemeinsamen Haushalts. Richtig ist, dass ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld während eines Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind (und damit bereits ab der Geburt) nicht von vornherein ausgeschlossen ist, wogegen ein Anspruch des Vaters auf Familienzeitbonus während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind grundsätzlich verneint wird (RS0132377). Dies ergibt sich aber aus der – für das KBGG nicht einschlägigen und in der Revision auch nicht als auf das KBGG anwendbar erachteten – Überlegung, dass die Tage, in denen sich Mutter und Kind im Krankenhaus befinden und die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt wird, nicht dazu beitragen, den vom Gesetzgeber intendierten Leistungszweck zu erreichen, der darin liegt, dass der Vater die Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings unterstützt und eine frühzeitige emotionale Bindung zwischen Kind und Vater entsteht (10 ObS 69/20z; 10 ObS 29/20t SSV‑NF 34/29 [Pkt 2.] 10 ObS 147/19v [Pkt 2.1., 5.2.]; 10 ObS 115/19p [Pkt 2.]; 10 ObS 101/19d SSV‑NF 33/48 [Pkt 3.2.] 10 ObS 109/18d SS‑NF 32/67 [Pkt 3.2]). Mit der Frage, ab wann die Meldefrist zu laufen beginnt und ab wann von einer verspäteten Meldung des Hauptwohnsitzes auszugehen ist, hat diese Frage nichts zu tun.
[14] 4. Mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten somit zurückzuweisen.
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