OGH 10ObS109/18d

OGH10ObS109/18d20.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Günter Hintersteiner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. C*, Rechtsanwalt, *, vertreten durch Prader Fuchs Wenzel Rechtsanwälte Ges.b.R. in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Tiroler Gebietskrankenkasse, 6021 Innsbruck, Klara‑Pölt‑Weg 2, vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen Familienzeitbonus, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Juli 2018, GZ 25 Rs 44/18 h‑19, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. April 2018, GZ 76 Cgs 87/17m‑14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00109.18D.1120.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Beide Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

Verfahrensgegenstand ist der Anspruch des Klägers auf Familienzeitbonus (§ 2 Familienzeitbonusgesetz – FamZeitbG BGBl I 2016/53) für den Zeitraum von 11. 4. 2017 bis 8. 5. 2017.

Der Kläger und seine Ehefrau sind die Eltern des am 11. 4. 2017 geborenen F*, der mit Kaiserschnittentbindung in einem Krankenhaus zur Welt kam. Am 15. 4. 2017 wurden Mutter und Kind aus der Klinik entlassen und kehrten mit dem Kläger an den gemeinsamen Wohnsitz zurück. (Erst) Am 28. 4. 2017 erfolgte die Wohnsitzmeldung des Kindes F*. Der Kläger, der als selbständiger Rechtsanwalt tätig ist, war von 11. 4. 2017 bis 8. 5. 2017 zu Hause. Während des Krankenhausaufenthalts seiner Frau beaufsichtigte er seinen älteren Sohn und besuchte mit diesem gemeinsam seine Frau und das neugeborene Kind im Krankenhaus. Danach kümmerte er sich um seine Familie und besorgte die Verrichtungen des täglichen Lebens. Er arbeitete nicht und bezog keine Einkünfte, (nur) zeitweise war er im Büro, um sich „upzudaten“. Von der Liste der Rechtsanwälte war er während des Anspruchszeitraums nicht gestrichen. Mit der Wiedereintragung nach Streichung von der Rechtsanwaltsliste wären diverse Gebühren und Beiträge angefallen, wie zB der Beitrag zum Treuhandbuch in Höhe von 150 EUR, die Eintragungskosten in Höhe von 570,20 EUR und die Kosten der Neuausstellung eines Rechtsanwaltsausweises in Höhe von 64,30 EUR.

Am 11. 5. 2017 beantragte der Kläger die Leistung nach dem Familienzeitbonusgesetz ab dem Tag der Geburt seines Sohns F* (11. 4. 2017) bis 8. 5. 2017.

Die beklagte Partei lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 1. 6. 2017 ab. Die vom FamZeitbG statuierten Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil sich der Kläger in dem von ihm gewählten Anspruchszeitraum von 28 Tagen nicht an jedem einzelnen Tag ausschließlich seiner Familie gewidmet und zu diesem Zweck seine Erwerbstätigkeit unterbrochen habe. Außerdem sei die hauptwohnsitzliche Meldung des Kindes verspätet erfolgt.

In seiner dagegen gerichteten Klage brachte der Kläger – soweit für das Revisionsverfahren wesentlich – vor, die Ansicht, dass ein Anspruch auf Familienzeitbonus während der Dauer des Krankenhausaufenthalts von Mutter und neugeborenem Kind (hier: vom 11. 4. 2017 bis 15. 4. 2017) ausgeschlossen sei, widerspreche den Intentionen des FamZeitbG. Er habe sich auch in diesem Zeitraum ausschließlich seiner Familie gewidmet und sich – mangels anderer Betreuungsmöglichkeiten – um sein älteres Kind kümmern müssen. Die Meldung des neugeborenen Kindes sei am 28. 4. 2017 rechtzeitig erfolgt. Die nach § 3 Abs 3 MeldeG 1991 gewährte dreitägige Meldefrist habe nicht schon mit dessen Geburt, sondern erst mit dessen tatsächlicher Wohnsitznahme am 15. 4. 2017 begonnen, diese Frist werde gemäß den Bestimmungen des FamZeitbG um zehn Tage verlängert. Die von der beklagten Partei zum Nachweis der Unterbrechung der Rechtsanwaltstätigkeit geforderte Streichung von der Liste der Rechtsanwälte sei nicht erforderlich. Diese Voraussetzung würde jedes Ansuchen eines Rechtsanwalts auf Gewährung von Familienzeitbonus wirtschaftlich gesehen sinnlos machen, weil die mit der Streichung und der Wiedereintragung verbundenen Gebühren und Beiträge die gesetzlich vorgesehene Höhe des Familienzeitbonus bei weitem überschreiten.

Das Erstgericht sprach dem Kläger für den Zeitraum von 11. 4. 2017 bis 8. 5. 2017 (= 28 Tage) den Familienbonus in Höhe von 22,60 EUR täglich zu. Rechtlich folgte das Erstgericht dem Standpunkt des Klägers.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich als Voraussetzung für den Bezug von Familienzeitbonus, dass ein Anspruchswerber alle Erwerbstätigkeiten vorübergehend einstellen müsse, indem er etwa Sonderurlaub beanspruche, seine selbständige Tätigkeit unterbreche und sich von der Sozialversicherung abmelde, ein Gewerbe ruhend melde oder die Streichung von der Liste der Rechtsanwälte veranlasse und dem Krankenversicherungsträger darüber die entsprechenden Nachweise vorlege. Der Kläger sei als selbstständiger Rechtsanwalt im Anspruchszeitraum dennoch in der Liste der Rechtsanwälte eingetragen geblieben. Der Umstand, dass durch eine Streichung und Wiedereintragung hohe Kosten und Gebühren entstehen würden, sei nicht maßgeblich. Es sei Sache der Rechtsanwaltskammern bzw des Rechtsanwaltskammertags, für diese Situation eine entsprechende Lösung für ihre Mitglieder zu finden. Das derzeitige Fehlen einer befriedigenden Lösung könne nicht zu einer Besserstellung von Rechtsanwälten gegenüber anderen Selbständigen insofern führen, als für Rechtsanwälte kein formeller Nachweis der Unterbrechung der Tätigkeit nötig wäre. Abgesehen davon stehe dem Anspruch des Klägers entgegen, dass er sich in der Kanzlei „upgedatet“ habe. Ein weiterer Grund für die Abweisung liege darin, dass für die Zeit des Aufenthalts des neu geborenen Kindes in der Klinik kein Anspruch auf Leistungen nach dem Familienzeitbonusgesetz bestehe, da es dem Vater in diesem Zeitraum nicht möglich gewesen sein werde, die vom Gesetz geforderten Leistungen für die Familie zu erbringen. Dies zeige sich im vorliegenden Fall schon daran, dass sich der Kläger in diesen Tagen um den älteren Sohn habe kümmern müssen und er seiner Gattin und dem neugeborenen Kind nur Besuche im Krankenhaus abstatten habe können. Die vom Familienzeitbonusgesetz abgedeckten Zeiträume begännen daher erst ab dem 15. 4. 2017 zu laufen. Bis 8. 5. 2017 sei damit aber die Minimalzeitbezugsdauer von 28 Tagen unterschritten. Da das Familienzeitbonusgesetz keinen anteiligen Anspruch vorsehe, falle der Anspruch auf Familienzeitbonus insgesamt weg.

Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass zu den hier interessierenden Rechtsfragen keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof vorliege und diesen Fragen jedenfalls Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme.

In seiner Revision beantragt der Kläger die Wiederherstellung des (stattgebenden) Ersturteils.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum FamZeitbG zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1.1 Als „Familienzeit“ iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG versteht man den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie keine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält.

1.2 Wie sich dazu aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  1) ergibt, sollen erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Familiengründungszeit wichtig ist, damit das Neugeborene rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen kann. Der Vater soll seine unter den Auswirkungen der gerade erfolgten Geburt stehende Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings, bei den Behördenwegen, bei Haushaltsarbeiten etc bestmöglich unterstützen, um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken.

2.1 Im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck ist der Anspruch auf Familienzeitbonus eines Vaters für sein Kind (ua) an die Voraussetzung geknüpft, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG) und sich der Vater im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG).

2.2 Ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG liegt nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind, wobei eine bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hautpwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet.

2.3 Der Familienzeitbonus beträgt 22,60 EUR täglich (§ 3 Abs 1 FamZeitbG) und gebührt ausschließlich für eine ununterbrochene Dauer von 28, 29, 30 oder 31 aufeinanderfolgenden Kalendertagen innerhalb eines Zeitraums von 91 Tagen ab dem Tag der Geburt des Kindes (§ 3 Abs 2 FamZeitbG). Bei der Antragstellung ist die Anspruchsdauer verbindlich festzulegen, diese kann ausschließlich 28, 29, 30 oder 31 Kalendertage betragen und kann später nicht geändert werden (§ 3 Abs 3 FamZeitbG).

2.4 Die Familienzeit und der beantragte Bezugszeitraum müssen sich demnach decken. Die Familienzeit darf nicht kürzer andauern als der gewählte Familienzeitbonus-Anspruchszeitraum (Holzmann‑Windhofer in Holzmann‑Windhofer/Weißenböck, Kinderbetreuungsgeld-gesetz, Kommentar zum KBGG und FamZeitbG, § 2 FamZeitbG Anm 3.7.1).

3.1 Im vorliegenden Fall sind bereits die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 3 und 4 FamZeitbG nicht erfüllt, weil während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Neugeborenem (ohne den Vater) kein Anspruch auf Familienzeitbonus besteht und die verbleibenden Tage vom 15. 4. 2017 bis zum 8. 5. 2017 die vom Kläger gewählte Mindestbezugsdauer von 28 Tagen nicht erreichen:

3.2 Während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind nach der Geburt ist – wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt – kein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG gegeben. Die Tage, in denen sich Mutter und Kind im Krankenhaus befinden und die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt wird, tragen nicht dazu bei, den vom Gesetzgeber intendierten Leistungszweck zu erreichen, der darin liegt, dass der Vater die Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings unterstützt und eine frühzeitige emotionale Bindung zwischen Kind und Vater entsteht. Für die Betreuung durch den Krankenhausaufenthalt der Mutter unbetreuten weiteren Kindern des Vaters kann (bei unselbständig Erwerbstätigen) Sonderurlaub oder Pflegefreistellung in Anspruch genommen werden. Nur bei Hausgeburten oder ambulanten Geburten ist der Familienzeitbonus bereits ab dem Tag der Geburt zu beantragen, da der gemeinsame Haushalt in diesen Fällen bereits ab der Geburt vorliegt (Holzmann‑Windhofer in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, Kinderbetreuungsgeldgesetz, Kommentar zum KBGG und FamZeitbG, § 2 FamZeitbG Anm 3.3).

4.1 Die vom Revisionswerber zitierten Auszüge aus den Gesetzesmaterialien (181/ME 25. GP – Vorblatt 1,3 und 5) sind nur dahin zu verstehen, dass die dort unter den Überschriften „Ziele“ „Problemanalyse“ und „Maßnahmen“ enthaltenen (allgemeinen) Formulierungen “direkt nach der Geburt“ und „unmittelbar nach der Geburt“ sich darauf beziehen, dass die Familienzeit in einem Zeitraum von 91 Tagen ab der Geburt in Anspruch genommen werden kann. Eine Aussagekraft dazu, ob der Familienzeitbonus im gegenständlichen Fall trotz Krankenhausaufenthalt bereits ab dem Tag der Geburt gebührt, kommt diesen Ausführungen nicht zu.

4.2. Auch der Hinweis des Revisionswerbers auf das Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) führt zu keiner anderen Beurteilung. Während die dem § 2 Abs 3 FamZeitbG gleichlautende Bestimmung des § 2 Abs 6 KBGG in ihrem dritten Satz eine Sonderregelung für Krankenhausaufenthalte und kurzfristige Abwesenheiten beinhaltet und unter gewissen Voraussetzungen ausnahmsweise auch Zeiten eines Krankenhausaufenthalts als gemeinsamen Haushalt ansieht, wurde eine derartige Regelung für den – lediglich für einen kurzen Zeitraum gebührenden – Familienzeitbonus nicht geschaffen.

5. Anstatt der von § 3 Abs 2 FamZeitbG geforderten 28 bis 31 Tage verbleiben im vorliegenden Fall somit nur 23 Tage, wodurch der gesetzliche Mindestbezugszeitraum unterschritten ist. Sind im gewählten Anspruchszeitraum die Voraussetzungen für die Tage vom 11. 4. 2017 bis 15. 4. 2017 nicht erfüllt, kann der Familienzeitbonus nicht gewährt werden. Eine allenfalls anteilige Auszahlung wurde vom Gesetzgeber ausgeschlossen (ErläutRV 1110 BlgNR. 25. GP  3; Holzmann-Windhofer in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, Kinderbetreuungsgeld-gesetz, Kommentar zum KBGG und FamZeitbG, § 3 FamZeitbG Anm 2; Burger-Ehrnhofer, Kinderbetreuungs-geldgesetz und Familienzeitbonusgesetz, § 3 FamZeitbG Rz 6). Auch eine spätere Änderung des Anspruchszeitraums wäre nicht mehr möglich gewesen (§ 3 Abs 3 FamZeitbG).

6. Da die in § 2 Abs 1 Z 3 und 4 FamZeitbG normierten Voraussetzungen des gemeinsamen Haushalts während der zumindest 28‑tägigen Familienzeit nicht erfüllt sind, ist ein Anspruch auf Familienzeitbonus zu verneinen. Auf die weiteren – nicht mehr entscheidungsrelevanten – Fragen, ob die „hauptwohnsitzliche“ Meldung des Kindes rechtzeitig – also nicht mehr als 10 Tage verspätet – erfolgt ist und ob eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit als Rechtsanwalt im Sinn des § 2 Abs 4 FamZeitbG vorliegt, muss im vorliegenden Fall nicht mehr eingegangen werden.

7. Zur Kostenentscheidung:

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen. Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse einen Kostenersatz nach Billigkeit nahelegen (§ 77 Abs 1 Z 2 ASGG), haben sich im Verfahren nicht ergeben. Ein Kostenersatzanspruch des Versicherungsträgers besteht nicht (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG).

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