OGH 1Ob115/22a

OGH1Ob115/22a14.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, E*, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 13.921,44 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 5.692,03 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 29. April 2022, GZ 4 R 51/22i‑17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23. Februar 2022, GZ 67 Cg 58/21w‑9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00115.22A.0714.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger begehrt aus dem Titel der Amtshaftung den Ersatz der von ihm in einem – wegen mehrerer Verstöße gegen das KFG geführten – Verwaltungsstrafverfahren aufgewendeten Kosten. Er stützt seinen Anspruch auf ein rechtlich unvertretbares Vorgehen von Organen der Bundespolizeidirektion, der Bezirksverwaltungsbehörde sowie eines Landesverwaltungsgerichts in diesem Verfahren.

[2] Die Beklagte bestritt nicht, dass den Organen in dem gegen den Kläger geführten Verwaltungsstrafverfahren ein rechtliches Fehlverhalten anzulasten sei, wandte sich aber dagegen, dass ihr dieses als Rechtsträger funktionell zuzurechnen sei. Im Übrigen hielt sie dem Amtshaftungsanspruch entgegen, dass für die im Anlassverfahren vorgenommenen Verfahrenshandlungen kein (Kosten‑)Ersatz zustehe.

[3] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 6.648,29 EUR und wies das Mehrbegehren von 7.273,15 EUR ab. Es ging – ohne dies näher zu begründen – davon aus, dass dem Bund das Handeln der Organe des Landesverwaltungsgerichts nicht zuzurechnen sei, weshalb es dem Kläger keinen Ersatz für die – durch dessen Entscheidung verursachten – Kosten seiner „Beschwerde“ (richtig: Revision) an den Verwaltungsgerichtshof zusprach. Den von ihm gegen die Strafverfügung erhobenen „leeren“ Einspruch erachtete es als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich und den vom Rechtsanwalt des Klägers im Verwaltungsstrafverfahren verrechneten 50%igen Erfolgszuschlag nur mit 40 % als angemessen. Es sprach dem Kläger außerdem keinen Ersatz für die ihm im Anlassverfahren von seinem Rechtsvertreter verrechnete 20%ige „Verbindungsgebühr“ sowie einen 50%igen „Informationszuschlag“ zu.

[4] Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung insoweit ab, als es die Beklagte zur Zahlung von 12.340,32 EUR verpflichtete und nur ein Mehrbegehren von 1.581,12 EUR (betreffend den begehrten Ersatz der „Verbindungsgebühr“) abwies.

[5] Es ging davon aus, dass die Beklagte für das Fehlverhalten der Organe des Landesverwaltungsgerichts als funktionell zum Vollzug des KFG zuständiger Rechtsträger hafte. Dass der Kläger einen „leeren“ Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben habe, könne ihm nicht als Verletzung seiner Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden. Ein 50%iger Erfolgszuschlag für die anwaltliche Vertretung im Verwaltungsstrafverfahren sei angemessen, sei der Kläger doch von sämtlichen gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen worden. Für zwei Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft stehe ein 50%iger „Informationszuschlag“ zu, weil diesen ein Gespräch mit dem Kläger bzw eine „Information über den Verfahrensstand“ vorausgegangen sei.

[6] Die Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich zur Frage zu, welchem Rechtsträger das Handeln von Landesverwaltungsgerichten in Vollziehung von „Bundesgesetzen“ zuzurechnen sei.

[7] Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

I. Zur Passivlegitimation des Bundes:

Rechtliche Beurteilung

[8] 1.1. Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger „für die als ihre Organe handelnden Personen“, was dahin zu verstehen ist, dass es bei der Beurteilung der Frage, welcher Rechtsträger nach dem AHG in Anspruch genommen werden kann, nicht darauf ankommt, wessen Organ organisatorisch der angeblich Schuldtragende war, sondern darauf, in wessen Namen und für wen dieses im Zeitpunkt der angeblich schuldhaften Handlung funktionell tätig war (vgl RS0087680 [T1]; RS0049888 [T3]). Entscheidend ist der Vollzugsbereich, innerhalb dessen das betreffende Organ handelte (RS0038400 [T4, T12]; vgl auch VfGH G191/92 ua; Schragel, AHG³ [2003] § 1 Rz 51), wobei auf den verfassungsrechtlichen Kompetenztatbestand abzustellen ist (1 Ob 4/95 = RS0080009; siehe auch 1 Ob 4/79; 1 Ob 3/80; 1 Ob 191/21a; Vrba/Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht [1983] 158: „verfassungsrechtliche Kompetenzfrage“).

[9] 1.2. Diese „Funktionstheorie“ lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des – die verfassungsrechtliche Grundlage des Amtshaftungsgesetzes bildenden – Art 23 B‑VG ableiten. Die Bundes-Verfassungsnovelle BGBl 1925/268 stellte bewusst auf das für den Rechtsträger handelnde Organ ab, um die Haftpflicht von jener Autorität, die die handelnde Person bestellt hat, auf die Autorität übergehen zu lassen, als deren Organ die Person tätig wurde. Diese Änderung schien notwendig, „weil andernfalls beispielsweise ein Land auch für die Amtshandlungen eines Landeshauptmanns in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung haftpflichtig wäre, obwohl dieser allenfalls im konkreten Fall auf Weisung des vorgesetzten Bundesministers vorgegangen ist“ (vgl 1 Ob 3/96, 1 Ob 8/02m, mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; Schragel, AHG³ § 1 Rz 51; Wimmer in Kneihs/Lienbacher, Kommentar zum Bundesverfassungsrecht [2020] Art 23 B‑VG Rz 28; Paar, Grundzüge des Amtshaftungsrechts² [2021] 40 ua).

[10] 1.3. Die funktionelle Zurechnung des Organhandelns ermöglicht in bestimmten Fällen eine Haftung des Bundes für organisatorisch dem Land (oder einer Gemeinde) zugeordnete Organe. Er haftet für gesetzwidrige Handlungen von Landes- oder Gemeindeorganen, wenn diese im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung – also in einer seinem Vollzugsbereich zugewiesenen Angelegenheit – tätig wurden (RS0038400 [T9, T11]). Ob die für einen Rechtsträger handelnde Person zu dessen Personalstand gehört, spielt für die funktionelle Zurechnung keine Rolle, weil nicht ihre dienstrechtliche Stellung, sondern die dem Organ zugeteilte Aufgabe und von ihm ausgeübte Tätigkeit für die amtshaftungsrechtliche Zuordnung entscheidend sind (1 Ob 41/81; RS0049888 [insb T4]). Es kommt auch nicht darauf an, ob von einem Organ ein Bundes- oder Landesgesetz vollzogen wird, weil nicht die Gesetzgebungs-, sondern die Vollzugskompetenz maßgebend ist (1 Ob 125/18s). Gehört ein Organ einem anderen als dem funktionell zuständigen Rechtsträger an, haftet gemäß § 1 Abs 3 AHG dieser organisatorische Rechtsträger solidarisch mit jenem, dem das Organ funktionell zugeordnet ist, wodurch eine Mithaftung des bloß in organisatorischer Hinsicht zuständigen Rechtsträgers für eine materiell fremde Schuld begründet wird (1 Ob 8/02m).

[11] 2. Gemäß Art 131 Abs 1 B‑VG erkennen über Beschwerden nach Art 130 Abs 1 B‑VG die Verwaltungsgerichte der Länder, soweit sich nicht aus Art 131 Abs 2 und 3 B‑VG etwas anderes ergibt. Gemäß Art 131 Abs 2 Satz 1 B‑VG fallen nur Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, in den Zuständigkeitsbereich des Bundesverwaltungsgerichts. In mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehende Angelegenheiten fallen demnach grundsätzlich (soweit nicht aufgrund von Art 131 Abs 4 B‑VG ausnahmsweise etwas anderes [einfach‑]gesetzlich angeordnet wird) in die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte (Muzak, B‑VG6 [2020] Art 131 Rz 3 mwN).

[12] 3. Dem Verfassungsgesetzgeber kann nicht unterstellt werden, er hätte mit dieser Regelung der sachlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte die – vor allem in den Art 10 bis 15 B‑VG enthaltenen – Kompetenzbestimmungen abändern wollen. Entscheidet ein Landesverwaltungsgericht in einer den Vollzugsbereich des Bundes betreffenden Angelegenheit, ist das Verhalten seiner Organe somit nach der „Funktionstheorie“ dem Bund zuzurechnen, der dafür amtshaftungsrechtlich einzustehen hat.

[13] Dafür spricht auch, dass der Verfassungsgerichtshof die Frage, ob die Organe der – mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I 2012/51) weitgehend aufgelösten – unabhängigen Verwaltungssenate der Länder stets „im Namen“ des jeweiligen Bundeslands handeln, oder je nach Zugehörigkeit der zugrundeliegenden Angelegenheit zum Vollzugsbereich des Bundes oder des Landes entweder „im Namen“ des einen oder des anderen Rechtsträgers tätig werden, in seiner – im Zusammenhang mit der Kostentragung im Rahmen des Finanzausgleichs – ergangenen Entscheidung zu A 9/01 (= VfSlg 16.739) im Sinn einer funktionellen Zuordnung beantwortet hat. Wenngleich die unabhängigen Verwaltungssenate der Länder „in staatsorganisatorischer Hinsicht“ den Ländern zuzuordnen seien, würden sie in Angelegenheiten aus dem Bundesvollzugsbereich in mittelbarer Bundesverwaltung und somit funktionell als Bundesorgane tätig, woran auch ihre Weisungsfreiheit bei der Besorgung solcher Angelegenheiten nichts ändere. Die Entscheidungstätigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate der Länder sei somit – je nachdem, in welchen Vollzugsbereich die von ihnen zu entscheidende Angelegenheit falle – funktionell entweder Bundes- oder Landesvollziehung.

[14] Diese Erwägungen zur funktionellen Zuordnung der Organe der unabhängigen Verwaltungssenate der Länder zu jenem Rechtsträger, in dessen verfassungsgesetzlichen Vollzugsbereich diese tätig werden, können auch auf das Amtshaftungsrecht übertragen und dort auf die Frage, für welchen Rechtsträger Landesverwaltungsgerichte bei ihrer Entscheidung über Angelegenheiten aus dem Vollzugsbereich des Bundes (funktionell) tätig werden, angewendet werden. Diese sollten die bis dahin bestehenden unabhängigen Verwaltungssenate der Länder ersetzen bzw letztere in den neu geschaffenen Landesverwaltungsgerichten „aufgehen“ (vgl ErlRV 1618 BlgNR 24. GP 3; siehe etwa auch Leeb, Das Verfahrensrecht der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kognitionsbefugnis [2013] 114).

[15] Anhaltspunkte dafür, dass der Verfassungsgesetzgeber mit Schaffung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit von einer Organzurechnung nach funktionellen Gesichtspunkten abgehen wollte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diesem sowohl die auf die Bundes-Verfassungsnovelle BGBl 1925/268 zurückgehende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur funktionellen Zurechnung des Organhandelns im Amtshaftungsrecht als auch das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zur funktionalen Zurechnung der Organe der unabhängigen Verwaltungssenate der Länder bekannt waren. Der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 lag daher ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass die Tätigkeit der Verwaltungsgerichte jeweils – wie zuvor jene der unabhängigen Verwaltungssenate der Länder – jenem Rechtsträger zugerechnet werde, in dessen Vollzugsbereich eine konkrete Rechtssache fällt (idS auch Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013] Art 10 Abs 1 Z 1 B‑VG Rz 17, der davon ausgeht, dass dies vom Gesetzgeber als „selbstverständlich“ vorausgesetzt wurde). Hätte der Gesetzgeber eine rein organisatorische Zurechnung normieren wollen, hätte er dies wohl klar zum Ausdruck gebracht.

[16] 4. Bei der – im Anlassverfahren erfolgten – Vollziehung von Angelegenheiten des Kraftfahrwesens handelt es sich gemäß Art 10 Abs 1 Z 9 B‑VG um eine dem Bund zum Vollzug zugewiesene Rechtsmaterie (vgl 1 Ob 4/79; 1 Ob 42/04i), die im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung zu vollziehen ist (vgl VfGH B934/84 = VfSlg 10.649). Die Organe des Landesverwaltungsgerichts wurden hier somit innerhalb des Vollzugsbereichs des Bundes tätig. Dieser haftet daher für eine ihnen dabei unterlaufene unvertretbare Rechtsanwendung. Die Passivlegitimation der beklagten Partei für die vom Kläger geltend gemachten Amtshaftungsansprüche ist somit zu bejahen (vgl auch 1 Ob 194/21t, wo die Passivlegitimation des Bundes für Amtshaftungsansprüche wegen eines behaupteten Fehlverhaltens von Organen eines Landesverwaltungsgerichts beim Vollzug einer dem Bund zugewiesenen Verwaltungsmaterie [Verhängung von Verwaltungsstrafen nach dem AVRAG] nicht in Zweifel gezogen wurde).

[17] 5. Die Argumente der Revision gegen eine Haftung des Bundes können nicht überzeugen.

[18] 5.1. Dass dem Bund gegenüber den Organen der Landesverwaltungsgerichte kein Weisungsrecht und dessen Mitgliedern die Garantien der richterlichen Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit zukommen, spricht nicht gegen eine Zurechnung ihrer Tätigkeit beim Vollzug von dem Bund zugewiesenen Angelegenheiten zu diesem, hat er doch auch für fehlerhafte Akte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, deren Organen die Unabhängigkeit bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben bereits seit Inkrafttreten des B‑VG umfassend garantiert ist (vgl 1 Ob 8/95), einzustehen. Auch bei der weisungsfreien Verwaltung fehlt es an einem Weisungszusammenhang zu einer Gebietskörperschaft (VfGH A 9/01 = VfSlg 16.739).

[19] 5.2. Dass die Landesverwaltungsgerichte der „Ingerenz“ des Bundes entzogen seien, weil er weder auf deren (insbesondere personelle) Ausstattung noch auf die Ausbildung der Richter Einfluss nehmen könne, betrifft den organisatorischen Bereich dieser Gerichte und spielt daher für die funktionelle Organzurechnung keine Rolle. Zudem hat der Fachsenat bereits ausgesprochen, dass in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung auch eine mangelhafte Dienstaufsicht oder eine unzureichende personelle Ausstattung im Organisationsbereich des Landes dem Bund zuzurechnen ist (1 Ob 3/96). Gleiches muss für Landesverwaltungsgerichte gelten, soweit sie in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung tätig werden.

[20] 5.3. Soweit die Beklagte ihre fehlende Passivlegitimation daraus ableiten möchte, dass die Länder durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 „einen Anteil an der Staatsfunktion Gerichtsbarkeit erhalten hätten“, kamen ihnen bereits zuvor im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung bedeutende Einflussmöglichkeiten bei der Vollziehung von Bundesaufgaben zu (vgl 1 Ob 3/96), was aber zu keiner Einschränkung der Amtshaftung des Bundes in diesem Bereich führte. Dass bestimmte Angelegenheiten aus dessen Vollzugsbereich nicht mehr durch Verwaltungsbehörden der Länder vollzogen werden, sondern den Landesverwaltungsgerichten zugewiesen sind, lässt nicht erkennen, dass damit an der für die amtshaftungsrechtliche Organzurechnung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung etwas geändert werden sollte.

[21] 6. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass das Handeln von Organen der Landesverwaltungsgerichte in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung amtshaftungsrechtlich dem Bund zuzurechnen ist.

II. Zu den einzelnen Kostenpositionen:

[22] 1. Verfahrenskosten und damit zusammenhängende weitere Aufwendungen, die einer an einem behördlichen Verfahren beteiligten Person durch rechtlich nicht vertretbare Entscheidungen oder Verfahrensschritte erwachsen sind, können ein Schaden iSd § 1 Abs 1 AHG sein (vgl 1 Ob 200/13p mwN; Schragel, AHG³ § 1 Rz 173). Sie sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen ersatzfähig, sofern sie für zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderliche Schritte aufgewendet wurden (vgl RS0023577 [T3, T5]).

[23] 2. Die Revisionswerberin wendet sich dagegen, dass das Berufungsgericht dem Kläger einen Ersatz des in § 12 der Allgemeinen Honorar-Kriterien („AHK“; deren Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall ist unstrittig) vorgesehenen Erfolgszuschlags in Höhe von 50 % des Honorarbetrags zubilligte. Sie steht auf dem Standpunkt, dass ein Ersatz in dieser Höhe nicht gerechtfertigt sei, weil die vom anwaltlichen Vertreter des Klägers im Anlassverfahren erbrachten Leistungen iSd § 4 AHK „den Durchschnitt nach Art oder Umfang nicht erheblich überstiegen hätten“.

[24] Für Leistungen eines Rechtsanwalts im Verwaltungsstrafverfahren gilt § 13 AHK, nach dessen Abs 1 die Kriterien der §§ 8 Abs 1 sowie 9 bis 12 AHK sinngemäß anzuwenden sind. Gemäß § 12 AHK kann ein Erfolgszuschlag von bis zu 50 % des Honorarbetrags (auch ohne Vereinbarung mit dem Mandanten; vgl 7 Ob 41/04m) verrechnet werden, wenn das Verfahren eingestellt wird oder das Urteil auf Freispruch lautet oder ein wegen eines Verbrechens Angeklagter (bloß) wegen eines Vergehens oder eines mit einem niedrigeren Strafsatz bedrohten Verbrechens verurteilt wird. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kommt es für den Erfolgszuschlag nur auf den im Verfahren erzielten Erfolg an. Andere Kriterien nennt § 12 AHK nicht. Die Bestimmung nimmt auch nicht auf § 4 AHK (nunmehr § 2 Abs 2 AHK) Bezug, wonach bei Beurteilung der Angemessenheit des Honorars zu berücksichtigen ist, ob die vom Rechtsanwalt erbrachten Leistungen „nach Art oder Umfang den Durchschnitt erheblich übersteigen oder unterschreiten“.

[25] In der Literatur wird zu § 12 AHK vertreten, dass der dort vorgesehene Erfolgszuschlag nur vom Verfahrensergebnis abhängt und es nicht auf eine besondere anwaltliche Tüchtigkeit, eine konkrete Verdienstlichkeit des Rechtsanwalts oder eine besondere Schwierigkeit der Rechtssache ankommt (vgl Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 [2018] §§ 15, 16 RL‑BA 2015 Rz 12; ebenso Thiele, Anwaltskosten³ [2011] 70). Nach Oberlaber (Der Erfolgszuschlag des Strafverteidigers gem § 12 AHK, AnwBl 2020/230, 494 ff) wird der Anspruch auf den Erfolgszuschlag „dem Grunde nach“ zwar schon durch den Verfahrenserfolg begründet, allerdings sei § 4 (nunmehr § 2 Abs 2) AHK insoweit heranzuziehen, als bei Festlegung seiner Höhe zu berücksichtigen sei, inwieweit der Erfolg auf ein unter- oder überdurchschnittliches Bemühen des Rechtsanwalts zurückzuführen sei. Dabei sei bei gänzlichem Erfolg von einem Zuschlag von 50 % auszugehen und für über- bzw unterdurchschnittliche Mühe des Anwalts ein Zu- oder Abschlag vorzunehmen.

[26] Der erkennende Senat geht ebenfalls davon aus, dass der in § 12 AHK vorgesehene Erfolgszuschlag nur an das Ergebnis des (Verwaltungs-)Strafverfahrens anknüpft und bei einem – wie im vorliegenden Fall – gänzlichen Erfolg grundsätzlich mit 50 % zusteht. Ob der Zuschlag im Hinblick auf § 4 (nunmehr § 2) AHK herabzusetzen wäre, wenn der Verfahrenserfolg auf „den Durchschnitt erheblich unterschreitenden“ Leistungen des Rechtsanwalts beruhte (oder auch umgekehrt), muss im vorliegenden Fall nicht beurteilt werden, weil keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Vertreter des Klägers im Anlassverfahren in diesem nur „unterdurchschnittliche“ anwaltliche Leistungen erbracht hätte.

[27] 3. Zum Ersatz der Kosten des Einspruchs gegen die Strafverfügung ist anzumerken, dass § 49 VStG keine näheren Angaben zum Inhalt des Einspruchs enthält und dieser daher keiner Begründung bedarf (vgl VwGH 91/19/0109). Da bereits ein „leerer“ Einspruch bewirkt, dass die Strafverfügung außer Kraft tritt (§ 49 Abs 2 VStG), ist nicht ersichtlich, warum ein solcher unter dem Gesichtspunkt der schadenersatzrechtlichen Rettungspflicht nicht ersatzfähig wäre, zumal die Beklagte der Behauptung des Klägers, sein Einspruch habe deshalb keine Begründung enthalten, weil sein Rechtsvertreter innerhalb der Einspruchsfrist urlaubsbedingt keine Akteneinsicht habe nehmen können, nicht konkret entgegen trat.

[28] 4. Soweit sich die Revisionswerberin auch gegen den vom Berufungsgericht zugesprochenen Ersatz für den 50%igen „Informationszuschlag“ für zwei vom Rechtsvertreter des Klägers im Anlassverfahren verfasste Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft wendet, begründete der Kläger seinen diesbezüglichen Amtshaftungsanspruch damit, dass diesen Schreiben jeweils ein „Kontakt“ zwischen ihm und seinem Rechtsvertreter (zu dessen Informationsbeschaffung) vorangegangen sei. Die Beklagte trat dem nicht substanziiert entgegen, sondern behauptete nur, dass für die beiden Schreiben keine „Verwertung der aus dem Verwaltungsakt zu entnehmenden Informationen erforderlich gewesen wäre“. Ein „Informationszuschlag“ zu dem sich aus TP 5 oder TP 6 RATG ergebenden Honorar steht aber auch dann zu, wenn für die nach diesen Tarifposten zu honorierenden Leistungen eine „Information mit der Partei“ (vgl die Anmerkung zu TP 5 und TP 6) erforderlich war.

[29] III. Aus diesen Gründen ist die angefochtene Entscheidung zu bestätigen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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