OGH 6Ob116/22k

OGH6Ob116/22k22.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. S* K*, geboren am * 2012, und 2. S* K*, geboren am * 2016, wegen Unterhalts, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ der Minderjährigen, vertreten durch die Mutter T* K*, diese vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Mai 2022, GZ 44 R 473/21s‑20, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 1. Dezember 2021, GZ 2 Pu 165/21i‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00116.22K.0622.000

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Die Kinderbeantragten, den Vater ab 1. 11. 2021 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von je 515 EUR sowie zur Zahlung eines Kostenanteils von 94 EUR monatlich für den von S* besuchten Privatkindergarten und eines solchen von 232 EUR monatlich für die von S* besuchte Privatschule zu verpflichten.

[2] Der Vater sprach sich gegen diese Anträge aus.

[3] Das Erstgerichtverpflichtete den Vater ab 1. 11. 2021 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 470 EUR für S* und von 415 EUR für S*. Das Mehrbegehren an laufendem Unterhalt sowie auf Zahlung des Sonderbedarfs für den Privatkindergarten und die Privatschule wies es ab.

[4] Das Rekursgericht gab dem gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung gerichteten Rekurs nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels zu klärender Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu.

[5] Den gegen diesen Beschluss erhobenen „außerordentlichen Revisionsrekurs“ der Minderjährigen legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

[6] Diese Aktenvorlage ist verfehlt.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG –jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen – binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts – beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen (Zulassungsvorstellung), den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Die Zulassungsvorstellung ist mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden.

[8] 2. Der Anspruch des Kindes auf Unterhalt ist rein vermögensrechtlicher Natur im Sinn des § 62 Abs 4 und 5 AußStrG (RS0007110 [T32]). Im Unterhaltsverfahren bestimmt sich der Wert des vom Rekursgericht behandelten Entscheidungsgegenstands nach § 58 Abs 1 JN mit dem 36‑fachen des im Rekursverfahren strittigen monatlichen Erhöhungs- oder Herabsetzungsbegehrens (RS0122735). Dabei ist regelmäßig auf den laufenden Unterhalt abzustellen (RS0103147 [T26, T29]). Werden Sonderbedarfszahlungen in Form eines wiederkehrenden Monatsbetrags begehrt, ergibt sich der Wert des Entscheidungsgegenstands insoweit ebenfalls aus § 58 Abs 1 JN. Auch beim Schulgeld ist bei der Ermittlung des Entscheidungsgegenstands demnach vom Dreifachen der Jahresleistung auszugehen. Diese beiden laufenden Unterhaltsansprüche sind nach der gemäß § 59 Abs 3 AußStrG auch im Außerstreitverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 55 Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnen, weil der Unterhaltsanspruch als einheitlicher Anspruch anzusehen ist (7 Ob 2/19y; 2 Ob 224/08t; vgl RS0118275 [T6]). Wird in einem Beschluss über Unterhaltsansprüche für mehrere Unterhaltsberechtigte abgesprochen, ist der Wert des Entscheidungsgegenstands für jedes Kind einzeln zu beurteilen; eine Zusammenrechnung findet nicht statt (RS0017257; RS0112656).

[9] 3. Zwischen den Parteien blieb in zweiter Instanz betreffend S* ein Betrag von 45 EUR monatlich an laufendem Unterhalt und ein Betrag von 232 EUR monatlich an Kostenbeitrag für die Privatschule strittig (insgesamt daher 277 EUR), betreffend S* ein Betrag von 100 EUR monatlich an laufendem Unterhalt und ein Betrag von 94 EUR monatlich an Kostenbeitrag für den Privatkindergarten (insgesamt daher194 EUR). Unter Berücksichtigung der eingangs dargelegten Grundsätze des Unterhaltsverfahrens ergibt sich ein Wert des rekursgerichtlichen Entscheidungsgegenstands für S* von 9.972 EUR und für S* von 6.984 EUR, sodass die maßgebliche Zulässigkeitsgrenze von 30.000 EUR jeweils nichtüberschritten wird.

[10] Der Beschluss des Rekursgerichts ist daher lediglich im Wege einer Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG anfechtbar. Wird dennoch ein (ordentlicher oder außerordentlicher) Revisionsrekurs erhoben, so hat – auch wenn der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Rekursgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel in der Regel als Anträge im Sinn des § 63 AußStrG zu werten sind; allenfalls ist vorher das Verbesserungsverfahren einzuleiten.

[11] Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.

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