OGH 9Ob37/22i

OGH9Ob37/22i19.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei T* Limited, *, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 399.176,77 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2022, GZ 15 R 150/21w‑25, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 10. September 2021, GZ 16 Cg 16/21p‑15, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00037.22I.0519.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 3.129,12 EUR (darin 521,52 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Limited nach maltesischem Recht mit Sitz in Malta. Sie betreibt die Website www.pokerstars.eu , auf der sie in Österreich Dienstleistungen im Bereich des Internet‑Glücksspiels anbietet, ohne jedoch über eine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz zu verfügen. Sie verfügt nur über eine von der maltesischen Glücksspielbehörde ausgestellte Glücksspiellizenz. Damit ein Kunde gegen andere Spieler auf der Plattform der Beklagten Poker spielen kann, muss er zunächst bei der Beklagten ein Spielerkonto eröffnen, indem er sich mit seinen persönlichen Daten kostenlos und auf Basis der AGB der Beklagten registriert. Über dieses Spielerkonto kann er in weiterer Folge alle Services der Beklagten in Anspruch nehmen und auch Poker und andere Glücksspiele spielen. Die Beklagte ist an diesen Spielen nicht beteiligt. Sie weist die Spielgewinne aus den von den Verlierern einbezahlten Beträgen den jeweiligen Gewinnern zu. Der Kläger spielte im Zeitraum von 2. 3. 2011 bis 23. 1. 2021 diverse Online‑Glücksspiele, tätigte Einzahlungen über 453.283,28 EUR, erhielt Auszahlungen über 51.410,81 EUR und verzeichnete Sportwetten‑Verluste über 2.695,70 EUR. Die Verluste bei Online‑Casinospielen beliefen sich auf 4.659,06 EUR, bei Pokerspielen auf 394.517,71 EUR.

[2] Der Kläger begehrt von der Beklagten 399.176,77 EUR sA infolge Bereicherung und Schadenersatz. Mangels einer in Österreich gültigen Lizenz seien die seinen Verlusten zugrunde liegenden Glücksspiele verboten und der mit dem Anbieter geschlossene Spielvertrag nichtig gewesen. Der Eingriff in das Glücksspielmonopol stelle auch eine Schutzgesetzverletzung dar.

[3] Die Beklagtebestreitet das Klagebegehren und und wendet – sofern noch im Revisionsverfahren relevant – im Wesentlichenihremangelnde Passivlegitimation ein. Nicht mit ihr, sondern nur mit seinen Gegenspielern habe der Kläger Glücksspielverträge abgeschlossen. Eine allfällige Rückabwicklung bzw Inanspruchnahme wegen Schadenersatz habe daher nur zwischen den Spielern stattzufinden. Die Beklagte hebe nur aufgrund des mit den Kunden abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags eine Servicegebühr für das Bereitstellen der Poker‑Plattform ein. Sie beteilige sich aber nicht an den Spielen. Eine Bereicherung der Beklagten in Höhe der Spielverluste der Spielteilnehmer aus Pokerspielen liege daher nicht vor. Darüber hinaus erhob die Beklagte den Einwand des Mitverschuldens und wendete Gegenforderungen aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Verletzung der Nachforschungspflicht durch den Kläger sowie aus einem ihr zustehenden angemessenen Entgelt für den vom Kläger konsumierten Unterhaltungswert bis zur Höhe der Klagsforderung ein.

[4] Das Erstgericht erachtete die Klageforderung als berechtigt (Spruchpunkt 1.) und die Gegenforderung als nicht berechtigt (Spruchpunkt 2.) und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung des Klagsbetrags (Spruchpunkt 3.).

[5] Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Beklagten nicht Folge. Die Beklagte sei in Bezug auf die klagsgegenständlichen Rückabwicklungsansprüche passiv legitimiert. Aufgrund der Nichtigkeit der Glücksspielverträge wegen fehlender Konzession könne der Kläger seine Spieleinsätze zurückfordern. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage eines Bereicherungsanspruchs basierend auf verbotenen Online‑Pokerspielen noch keine höchstgerichtliche Judikatur existiere.

[6] Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112921). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht mehr im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich, wenn sie durch eine oder mehrere andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RS0112921 [T5]).

[8] 2. Zu den hier zu beurteilenden Rechtsfragen hat der Oberste Gerichtshof zuletzt ua in den ebenfalls die Beklagte betreffenden Verfahren 6 Ob 229/21a, 6 Ob 207/21s 3 Ob 197/21y, 9 Ob 79/21i und 9 Ob 16/22a kürzlich Stellung genommen.

[9] Dazu wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich die Rechtsfolgen der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Verbots- und Sittenwidrigkeit nach einer Analogie zu § 877 ABGB richten. Die Passivlegitimation der Beklagten ergebe sich schon daraus, dass diese Empfängerin der Leistung des Klägers gewesen sei. Durch die wiederkehrenden Geldüberweisungen des Klägers sei die Beklagte unmittelbar bereichert worden, ganz unabhängig davon, dass es sich dabei jeweils noch nicht um die Leistung eines Spieleinsatzes im Rahmen eines unerlaubten Glücksvertrags gehandelt habe. Ein Belassen der Zahlung oder die Anwendung der § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB, auch wenn die Zahlung nicht geleistet werde, um das verbotene Spiel unmittelbar zu bewirken, sondern „nur“ um am Spiel überhaupt teilnehmen zu können, widerspreche überdies dem Verbotszweck der §§ 2 Abs 1 und 4 in Verbindung mit § 4 Abs 1 GSpG (vgl insb 6 Ob 229/21a [Pkt 5]).

[10] 3. Von diesen Grundsätzen abzugehen bietet die vorliegende Revision, die keine anderen Argumente für ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt vorbringt, als in den oben erwähnten Verfahren, keinen Anlass. Die klagsstattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit dieser Rechtsprechung im Einklang, sodass die Revision der Beklagten mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen war.

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 4150 ZPO.

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