OGH 9Ob16/22a

OGH9Ob16/22a24.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Gottgeisl & Leinsmer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei T* Limited, *, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 66.884,99 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 2. Dezember 2021, GZ 4 R 188/21a‑17, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. September 2021, GZ 2 Cg 80/21w‑13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00016.22A.0324.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.280,24 EUR (darin enthalten 380,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Limited nach maltesischem Recht mit Sitz in Malta und verfügt über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority für Online-Glücksspiele (Echtgeldpoker‑ und Casinospiele).Eine Konzession für ihre Tätigkeiten in Österreich iSd § 12a GSpG hat sie nicht, bietet aber über ihre deutschsprachige Websitein Österreich Internet‑Glücksspiel (Echtgeldpoker‑ und Casinospiele) an. Der in Österreich wohnhafte Kläger richtete bei der Beklagten einen Account zur Teilnahme am Online‑Glücksspiel ein. Grundlage und Vertragsbestandteil für die zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Der Kläger spieltevon 27. 5. 2006 bis 10. 9. 2015 diverse von der Beklagten angebotene Online-Glücksspiele, überwiegend Poker und erlitt dabei Spielverluste von insgesamt 66.884,99 EUR, davon USD 129,25 aus Online‑Casinospielen, der Rest aus Pokerspielen. Auf dem Spielerkonto des Klägers wurden sämtliche Zahlungsflüsse, insbesondere die Transferierung der eingelösten Wetteinsätze und erzielten Spielgewinne, zwischen dem Kläger und der Beklagten abgewickelt. Sowohl ein Nutzerkonto als auch ein Spielguthaben ist nach 10.6 der AGB der Beklagten Voraussetzung für die Teilnahme an von der Beklagten angebotenem Glücksspiel.

[2] Der Kläger begehrt 66.884,99 EUR sA, weil die mit der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge mangels Konzession nach dem GSpG nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig seien und der saldierte Verlustbetrag bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln sei.

[3] Die Beklagte bestreitet und wendet – sofern noch im Revisionsverfahren relevant – im Wesentlichendie fehlende Passivlegitimation ein, weil der dem Pokerspiel zugrundeliegende Vertrag zwischen den Spielern untereinander und nicht mit dem Anbieter der Website zustande gekommen sei. Die Beklagte hebe nur eine Servicegebühr für das Bereitstellen der Pokerplattform ein.

[4] Das Erstgericht gab der Klage statt.

[5] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten keine Folge und führte aus, dass die Beklagte die Abwicklung des Spiels reglementiert habe und nicht bloß Abwicklungstreuhänderin oder Zahlstelle gewesen sei. Die Vermögensdisposition finde zwischen Spieler und Abwickler statt, die Beklagte sei daher für die Rückforderung passivlegitimiert. Die Unanwendbarkeit der bis 19. 7. 2010 in Kraft stehenden, vom EuGH als unionsrechtswidrig erkannte Regelung, wonach Konzessionen für Ausspielungen gemäß §§ 612b GSpG an ein Sitzerfordernis in Österreich gebunden gewesen sei, führe nicht dazu, dass in diesem Zeitraum jedermann Glücksspiele nach dem GSpG ausspielen hätte dürfen, auch wenn ihm keine Konzession erteilt worden sei.

[6] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil zur Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines (verbotenen) Online‑Pokerspiels sowie zur Auswirkung der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols in der bis 30. Dezember 2010 geltenden Fassung des Glücksspielgesetzes auf Glücksspielverträge keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgericht (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[8] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112921, RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht mehr iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblich, wenn sie durch eine oder mehrere andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (vgl 8 Ob 23/08b ua).

[9] 2. Zu den hier zu beurteilenden Rechtsfragen hat der Oberste Gerichtshof in den ebenfalls die Beklagte betreffenden Verfahren 6 Ob 229/21a, 6 Ob 207/21s 3 Ob 197/21s und 9 Ob 79/21i kürzlich Stellung genommen.

[10] 2.1. Dabei kam er in ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der Lehre zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts betreffend die Rechtslage bis 31. 12. 2010 zu einem Wegfall des damals in § 14 Abs 2 Z 1, § 21 Abs 2 Z 1 GSpG normierten Sitzerfordernisses im Inland geführt hat, die übrigen Voraussetzungen für den Erhalt einer Konzession und das Konzessions- bzw Monopolsystem an sich aber unberührt geblieben seien. Dass die Beklagte jemals um eine Konzession angesucht hat, geschweige denn die übrigen in § 14 Abs 2, § 21 Abs 2 GSpG normierten Voraussetzungen erfüllt hätte, behaupte sie nicht einmal. Aus diesem Grund bestehe auch für die Einholung des angeregten Vorabentscheidungsersuchens kein Raum.

[11] 2.2. Gemäß § 2 Abs 1 und 4 in Verbindung mit § 4 Abs 1 GSpG sei bereits das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspiel durch einen Unternehmer verboten. Dies auch dann, wenn er nicht selbst am Spiel teilnehme und etwa die Gewinne stelle, sondern nur auf sonstige Weise an der Durchführung des Spiels mitwirke. Vor diesem Hintergrund könne keinem Zweifel unterliegen, dass der Vertrag, mit dem dem Kläger die Teilnahme an Online‑Pokerspielen auf der Website der Beklagten ermöglicht worden sei, nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig sei.

[12] 2.3. Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Verbots- und Sittenwidrigkeit richteten sich nach einer Analogie zu § 877 ABGB. Die Passivlegitimation der Beklagten ergebe sich schon daraus, dass diese Empfängerin der Leistung des Klägers gewesen sei. Durch die wiederkehrenden Geldüberweisungen des Klägers sei die Beklagte unmittelbar bereichert worden, ganz unabhängig davon, dass es sich dabei jeweils noch nicht um die Leistung eines Spieleinsatzes im Rahmen eines unerlaubten Glücksvertrags gehandelt habe. Ein Belassen der Zahlung oder die Anwendung der § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB, auch wenn die Zahlung nicht geleistet werde, um das verbotene Spiel unmittelbar zu bewirken, sondern „nur“ um am Spiel überhaupt teilnehmen zu können, widerspräche überdies dem Verbotszweck der §§ 2 Abs 1 und 4 in Verbindung mit § 4 Abs 1 GSpG (vgl insb 6 Ob 229/21a).

[13] 3. Von diesen Grundsätzen abzugehen bietet die vorliegende Revision keine Veranlassung. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang, sodass die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen war.

[14] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO (vgl RS0112921 [T6]).

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