OGH 9Ob43/22x

OGH9Ob43/22x19.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei A* K*, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T*, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 5.172 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 516 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 7. März 2022, GZ 13 R 3/22x‑31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 17. November 2021, GZ 5 C 4/21y‑24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00043.22X.0519.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 252,31 EUR (darin 42,05 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte hat ihren Sitz in Malta. Sie verfügt über keine nationale Glücksspiellizenz in Österreich, bietet aber auf der von ihr betriebenen Homepage www.* in Österreich Online-Glücksspiele an. Der Kläger ist Verbraucher und beteiligte sich im Zeitraum von 2. 4. 2020 bis 19. 4. 2020 an diversen Glücksspielen, unter anderem auch an Poker. Er erlitt dabei Verluste in Höhe von 5.032 EUR und 159,08 USD für letztere leistete der Kläger 150 EUR an Einzahlung. Der Verlust beim Poker beträgt 516 EUR. Seinen Einzahlungen standen keine Auszahlungen gegenüber.

[2] Der Kläger begehrt von der Beklagten den Ersatz seiner Verluste in Höhe von 5.172 EUR aus den Titeln der Bereicherung und Schadenersatz unter Hinweis auf die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge. Die Beklagte biete in unzulässiger Weise in Österreich Glücksspiel an, ohne im Besitz einer gültigen Konzession zu sein.

[3] Die Beklagte erhob die Einrede der internationalen Unzuständigkeit, bestritt im Übrigen das Klagebegehren und wandte – sofern noch im Revisionsverfahren relevant – ein, dass sie für die Verluste des Klägers beim Pokerspiel mit anderen Spielern nicht als Bereicherungsschuldnerin hafte. Nicht mit ihr, sondern nur mit seinen Gegenspielern habe der Kläger Glücksspielverträge abgeschlossen. Eine allfällige Rückabwicklung bzw Inanspruchnahme wegen Schadenersatz habe daher nur zwischen den Spielern stattzufinden. Eine Bereicherung der Beklagten in Höhe der Spielverluste der Spielteilnehmer aus Pokerspielen liege daher nicht vor. Darüber hinaus wendete die Beklagte Gegenforderungen aus einem ihr zustehenden angemessenen Entgelt für den vom Kläger konsumierten Unterhaltungswert bis zur Höhe der Klagsforderung ein.

[4] Das Erstgericht verwarf (rechtskräftig) die Einrede der internationalen Unzuständigkeit. Die Klageforderung erachtete es als berechtigt, die bis zur Höhe der Klageforderung eingewendete Gegenforderung als nicht berechtigt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung des Klagsbetrags.

[5] Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgerichtder Berufung der Beklagten nicht Folge. Aufgrund der Nichtigkeit der Glücksspielverträge wegen fehlender Konzession könne der Kläger seine Spieleinsätze von der Beklagten zurückfordern.

[6] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu. Wenngleich das Berufungsgericht von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgehe, wonach das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt und auch unter Bedachtnahme auf die Werbemaßnahmen der Konzessionäre im Sinn der Rechtsprechung des EuGH und der vom Gerichtshof aufgezeigten Vorgabe nicht gegen Unionsrecht verstoße und auch von der Beklagten behauptete exzessive Werbepraktiken der Konzessionäre keineswegs zur Unzulässigkeit des Konzessionssystems führen müssten, wenn in einem solchen Fall auch eine allenfalls interpretative Reduktion der Werbemaßnahmen auf das unionsrechtlich zulässige Maß in Betracht komme, so bestehe keine einheitliche Rechtsprechung zum hier teilweise vorliegenden Pokervertrag mit der Teilnahme mehrerer Spieler.

[7] Gegen diese Entscheidung im Umfang eines Klagszuspruchs von 516 EUR richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren „zur Gänze“ (erkennbar im Umfang des Revisionsinteresses von 516 EUR) abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten zurück- in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision der Beklagten, in der ausschließlich die Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Glücksspielverträgen im Rahmen eines Online-Pokerspiels als erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht wird, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[10] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112921). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht mehr im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich, wenn sie durch eine oder mehrere andere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RS0112921 [T5]).

[11] 2. Zu der hier zu beurteilenden Rechtsfrage hat der Oberste Gerichtshof mittlerweile bereits in zahlreichen, teils die Beklagte betreffenden Verfahren (zuletzt etwa 6 Ob 229/21a, 9 Ob 79/21i, 3 Ob 197/21y, 6 Ob 8/22b, 2 Ob 17/22x und 1 Ob 44/22k) Stellung genommen und diese zusammengefasst wie folgt beantwortet:

[12] Die Passivlegitimation der Beklagten (und damit ihre Eigenschaft als Bereicherungsschuldnerin) ergibt sich schon daraus, dass sie – als Spielorganisatorin – Empfängerin der Leistung des Klägers war. Die wiederkehrenden Geldüberweisungen des Klägers auf ein Konto der Beklagten hatten zu ihrer unmittelbaren Bereicherung geführt. Von einer (Vorab-)Zahlung zur Abwicklung eines allfälligen, im Zeitpunkt der Einzahlung noch gar nicht abgeschlossenen Glücksvertrags mit einem künftigen Mitspieler kann keine Rede sein. Die Rolle der Beklagten geht insofern über jene einer bloßen „Abwicklungstreuhänderin“ hinaus, als der Nutzer vorweg eine Einzahlung auf ein Konto der Beklagten tätigen muss, um „Spielguthaben“ zu erwerben und in dessen Umfang an den von der Beklagten (rechtswidrig) angebotenen Online-Glücksspielen teilnehmen zu können. Ein Belassen der Zahlung oder die Anwendung der § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB, auch wenn die Zahlung nicht geleistet werde, um das verbotene Spiel unmittelbar zu bewirken, sondern „nur“ um am Spiel überhaupt teilnehmen zu können, widerspräche überdies dem Verbotszweck der §§ 2 Abs 1 und 4 in Verbindung mit § 4 Abs 1 GSpG (vgl insb 6 Ob 229/21a [Pkt 5]).

[13] 3. Von diesen Grundsätzen abzugehen bietet die vorliegende Revision, die keine anderen Argumente für ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt vorbringt, als in den oben erwähnten Verfahren, keinen Anlass. Dass der Kläger Geld auf ein eigenes Nutzerkonto einbezahlt hat, ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Oberste Gerichtshof hat ua in der Entscheidung 3 Ob 197/21y (Rz 18) ausdrücklich darauf verwiesen, dass nach der Zweckrichtung des Vertrags zwischen den Streitteilen die Beklagte die Leistungsempfängerin war, waren doch ein bei ihr eingerichtetes Nutzerkonto sowie ein Spielguthaben notwendige Voraussetzungen für die Teilnahme an dem von der Beklagten angebotenen Glücksspiel. Die in diesem Zusammenhang gerügte „Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen fehlender Feststellungen“ liegt daher nicht vor.

[14] 4. Die klagsstattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit dieser Rechtsprechung im Einklang, sodass die Revision der Beklagten mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen war.

[15] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Bei einer Bemessungsgrundlage von 516 EUR (Revisionsinteresse) waren die Kosten der Revisionsbeantwortung nach TP 3C auf Basis des Betrags von 130,10 EUR zu berechnen. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

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