OGH 3Ob55/22t

OGH3Ob55/22t28.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* GmbH, *, vertreten durch Mag. Dieter Hauser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. J* GmbH, *, 2. F*, beide vertreten durch Dr. Karl Klein, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher 127.407,34 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2022, GZ 40 R 165/21t‑29, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00055.22T.0428.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Ein vertragliches Aufrechnungsverbot ist nach ständiger Rechtsprechung – jedenfalls wie hier im Verhältnis zwischen Unternehmern und damit außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 Abs 1 Z 8 KSchG – grundsätzlich zulässig, zumal dem Beklagten die abgesonderte Geltendmachung der Gegenansprüche mittels Klage oder Widerklage offen bleibt (vgl RS0018102 [T9, T10]). Ein von einem marktbeherrschenden Unternehmen gegenüber seinen Vertragspartnern erzwungenes vertragliches Aufrechnungsverbot kann allerdings unter Umständen missbräuchlich iSd § 5 KartG 2005 und daher nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB sein (vgl 4 Ob 187/02g).

[2] 1.2. Dass die Vorinstanzen eine Unwirksamkeit des in den beiden Mietverträgen zwischen den Streitteilen jeweils vereinbarten Aufrechnungsverbots inhaltlich schon mangels einer marktbeherrschenden Stellung der Klägerin verneinten, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Dass die Klägerin die einzige in Betracht kommende Vermieterin am Standort des konkreten Bestandobjekts ist, macht sie noch nicht zur Monopolistin, weil der sachlich und örtlich relevante Markt, dessen Definition unabdingbare Voraussetzung für die Beurteilung des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung ist, keineswegs mit diesem Standort gleichgesetzt werden kann. Die Beklagten haben nicht einmal behauptet, dass sie keinen anderen Vermieter eines Gastronomielokals (in attraktiver Lage) wählen hätten können; dies wäre im Übrigen auch schon abstrakt nicht vorstellbar (vgl 4 Ob 71/20z).

[3] 2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936). Nach dem Wortlaut des Mietvertrags über das Geschäftslokal sicherte die Klägerin den Beklagten die Exklusivität des Standorts als einziges am R*platz und dem darauf errichteten Gebäudekomplex befindliches Verkaufslokal zu, das (ausschließlich oder auch) Imbisse oder Getränke nach Art des Verkaufs an Laufkundschaft anbietet. Die Auslegung der Vorinstanzen, dass die mit Zustimmung der Klägerin bei den Zu- und Abgängen zum bzw von diesem Platz – also nicht auf ihm – aufgestellten Getränkeautomaten keinen Verstoß gegen das vertragliche Exklusivitätsrecht begründeten, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass in der dem Mietvertrag über das Gastronomielokal angeschlossenen Planskizze auch die Zu- und Abgänge zum R*platz eingezeichnet sind.

[4] 3. Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob es § 273 ZPO anwenden darf, ist eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung, weshalb eine unrichtige Anwendung dieser Bestimmung nur mit Mängelrüge bekämpft werden kann. Hat das Berufungsgericht – wie hier – die Anwendung des § 273 ZPO durch das Erstgericht gebilligt, ist daher eine nochmalige Überprüfung im Revisionsverfahren nicht mehr möglich (vgl RS0040282 [T8, T15]).

[5] 4. Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach dem Grad und der Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts und ist damit stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl RS0021324 [T3]). Indem die Vorinstanzen den Mietzinsminderungsanspruch der Beklagten angesichts des relativ geringen Ausmaßes der tatsächlichen Verletzung des vertraglichen Exklusivitätsrechts mit bloß 10 % festsetzten, haben sie ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

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