OGH 2Ob53/22s

OGH2Ob53/22s26.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie die Hofräte Dr. Nowotny, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch bfp Brandstetter Feigl Pfleger Rechtsanwälte GmbH in Amstetten, der auf der Seite der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenientin P*, vertreten durch Pochmarski Kober Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch Dr. Hubert Köllensperger und Mag. Wolfgang Stockinger, Rechtsanwälte in Wels, wegen 281.440,42 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2022, GZ 2 R 183/21a‑86, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. September 2021, GZ 2 Cg 21/20w‑77, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00053.22S.0426.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und der Nebenintervenientin die mit je 2.859,66 EUR (darin enthalten jeweils 476,61 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer jeweiligen Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ließ ein dreistöckiges Wohn- und Geschäftsgebäude samt Tiefgarage errichten. Sie beauftragte für dieses Bauprojekt die Beklagte, die ein Statikbüro betreibt, mit der Erstellung der Statik „all in“. Mit der Ausführungsplanung, der Erstellung der Bewehrungspläne und der örtlichen Bauaufsicht und Bauführerschaft beauftragte die Klägerin die Nebenintervenientin. Zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin bestand kein Vertragsverhältnis.

[2] Der Beklagten unterlief in der statischen Modellierung des 3 D-Gesamtbauwerks ein Fehler. Die Schadenssumme steht der Höhe nach mit 562.880,84 EUR außer Streit. Die Beklagte hat ihr Verschulden anerkannt, aber nur die Hälfte gezahlt, weil der Klägerin Fehler der Nebenintervenientin bei der Planung zuzurechnen seien.

[3] Die Klägerin begehrt von der Beklagten den zweiten Hälftebetrag von 281.440,42 EUR.

[4] Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Aus der Auftragserteilung der Klägerin an die Beklagte ergebe sich keine Pflichtenübernahme der Bestellerin zur persönlichen Weiterführung der statischen Planung. Für einen solchen Verpflichtungswillen böten die Feststellungen keine Anhaltspunkte. Es bestehe auch keine Verkehrsübung, dass ein Werkbesteller, der einen statischen Konstruktionsentwurf bei einem Werkunternehmer bestelle, die weitere Ausführungsplanung, Ausschreibung, Bewehrungsplanung etc selbst übernehme. Auch lägen keine Hinweise vor, dass die Klägerin nachträglich die weitere Ausführung der statischen Planung übernommen hätte. Damit scheide eine Zurechnung der Fehler der Nebenintervenientin zur Klägerin aus. Vielmehr hafteten die Beklagte und die Nebenintervenientin der Klägerin für den ganzen Schaden gemäß § 1302 ABGB solidarisch.

[5] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Frage, ob der Werkbesteller, wenn er eine Werkleistung als Vorleistung beauftrage, sich gegenüber dem (weiteren) Auftragnehmer verpflichte, das Ergebnis dieser Werkleistung zu überprüfen, bevor er sie für die weitere Werkausführung verwende und auch der Vertrag dazu keine nähere Regelung enthält, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs existiere. In der Entscheidung 4 Ob 137/11t habe der Oberste Gerichtshof bei ähnlicher Sachlage diese Frage offen gelassen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision der Beklagten ist mangels aufgezeigter erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[7] In der Entscheidung 4 Ob 137/11t (ErwGr 3.4.3.) wurde ausgeführt:

„Der Oberste Gerichtshof hat zwar in älteren Entscheidungen ganz allgemein ausgesprochen, dass der Werkbesteller auch im Fall einer Warnpflichtverletzung für die Untauglichkeit der von ihm beigestellten Pläne einzustehen hat; das Verschulden des dafür herangezogenen Planers sei ihm zuzurechnen (1 Ob 769/83 = SZ 57/18; RIS‑Justiz RS0021646). Später hat er das jedoch dahin präzisiert, dass sich der Werkbesteller nicht jedes mitwirkende Verschulden eines von ihm beigezogenen sachverständigen Gehilfen anrechnen lassen muss; vielmehr kommt ein Mitverschulden nur dann in Betracht, wenn dieser Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den Werkbesteller selbst treffen oder die er nachträglich übernommen hat (4 Ob 283/98s = RdW 1999, 200 = bbl 1999/139; RIS-Justiz RS0021766; zuletzt etwa 6 Ob 229/10k = ZVB 2011, 435 [Parusel]). Diese Auffassung wird von der überwiegenden Lehre geteilt (Rebhahn in Schwimann 3 § 1168 Rz 17; Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 1168a Rz 61 f; Vollmaier, Mitverschulden bei Warnpflichtverletzung –Zurechnung von Dritten, RdW 2010, 67; alle mwN). Die Beiziehung eines fachkundigen Gehilfen führt daher für sich allein nicht zum Entstehen weiterer Pflichten oder Obliegenheiten des Auftraggebers; entscheidend ist vielmehr, ob ihn diese Pflichten oder Obliegenheiten persönlich, also unabhängig vom Beiziehen des Gehilfen getroffen hätten.“

 

[8] Diese Grundsätze wurden in nachfolgenden Entscheidungen (zB 5 Ob 60/17k; 8 Ob 57/17s) aufrecht gehalten.

[9] Die Beklagte wirft dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung vor: Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Statikpläne zu erstellen bzw zu überprüfen. Im Sinne von 4 Ob 137/11t sei es nicht Aufgabe der Beklagten gewesen, die Statikpläne der Nebenintervenientin zu überprüfen.

[10] In ihren Ausführungen bringt die Beklagte kein überzeugendes Argument für eine eigene Verpflichtung der Klägerin im Sinne des zitierten Judikatur. Deren eigene Sachkunde hat sie nie behauptet. Die (einzelfallbezogene) Beurteilung der Vertragslage durch das Berufungsgericht greift sie nicht substantiell an. Wenn der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 137/11t aus einer konkreten entsprechenden Parteienvereinbarung folgerte, dass die Werkunternehmerin die übergebenen Pläne zu prüfen habe (ErwGr 3.4.3. (b)), ist daraus nicht der Umkehrschluss zu ziehen, dass diese Verpflichtung bei Fehlen einer derartigen konkreten Vereinbarung jedenfalls den Werkbesteller trifft.

[11] Die von der Beklagten für sich ins Treffen geführte Entscheidung 1 Ob 769/83 gehört zu jener älteren Rechtsprechung, von der sich der Oberste Gerichtshof in der jüngeren, in 4 Ob 137/11t zitierten Judikatur gerade abgegrenzt hat.

[12] Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich das Verschulden der Nebenintervenientin nicht zurechnen lassen, entspricht daher den Kriterien der jüngeren Rechtsprechung.

[13] Da die Beklagte auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, ist die Revision zurückzuweisen.

[14] Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Revisionsgegner haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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