European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00030.22S.0223.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Berufungsgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – die von der Klägerin gegen den beklagten Architekten (hier in Bezug auf die von ihm übernommene örtliche Bauaufsicht) geltend gemachten Schadenersatzansprüche hinsichtlich
‑ des „Mangels 1“ (Wasserschaden in der Einliegerwohnung an der Südwestecke im Jahr 2016) und
‑ der merkantilen Wertminderung
abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die Klägerin zeigt mit ihrer gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf:
1.1 Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen bestanden für den Wassereintritt in der Einliegerwohnung zwei Ursachen, nämlich
a) die zum Stichtag 8. 3. 2006 (Beendigung der Tätigkeiten durch den Beklagten) (noch) fehlende Abdichtung im Anschlussbereich des Schiebetür-Fensterelements FE5, was nicht in den Verantwortungsbereich des Beklagten fiel und
b) das Eindringen von Wasser in die Rinne zwischen Betonsockel der Stein‑Vormauerung und der inneren Betonmauer im Keller.
[3] Ob die in diesem Bereich vom Beklagten ordnungsgemäß geplante Kautschukabdichtung tatsächlich ausgeführt wurde oder nicht, ist nicht feststellbar.
[4] Ein Fehler des Beklagten bei der örtlichen Bauaufsicht würde nur dann vorliegen, wenn diese Abdichtung entgegen der Planung überhaupt nicht ausgeführt wurde. Ob die Undichtheit im Fall der tatsächlich ausgeführten Kautschukabdichtung einen Fehler der örtlichen Bauaufsicht begründet und ob die bloße Undichtheit einer sach- und fachgerechten örtlichen Bauaufsicht hätte auffallen müssen, ist ebenfalls nicht feststellbar.
[5] 1.2 Entgegen der Argumentation der Klägerin liegt in diesem Zusammenhang kein Fall der alternativen Kausalität vor.
[6] Alternative Kausalität setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass mehrere potentielle Schädiger vorhanden sind, von denen jeder ein – konkret gefährliches und daher mit dem Kausalitätsverdacht belastetes – Fehlverhalten gesetzt hat, das bis auf den strikten Nachweis der Ursächlichkeit alle haftungsbegründenden Elemente enthält (2 Ob 206/16g; vgl auch RS0022712). Die Annahme einer – zur Beweislastumkehr führenden – alternativen Kausalität ist daher dann nicht gerechtfertigt, wenn es zweifelhaft ist, ob die in Anspruch genommene Person überhaupt eine haftungsbegründende Handlung konkret gesetzt hat, also nur die Möglichkeit besteht, dass sie solche Handlungen begangen hat. Alternative Kausalität überbrückt demnach nicht Zweifel, ob überhaupt konkret gefährlich gehandelt wurde (RS0022721). Im Zusammenhang mit vor allem gesundheitlichen Anlage- bzw Vorschäden wird alternative Kausalität von der Rechtsprechung zudem dann angenommen, wenn unterschiedliche Schadensursachen, nämlich haftungsbegründendes Verhalten einerseits und in den Bereich des Geschädigten fallende potentielle Ursache oder Zufall andererseits, für den Schadenseintritt in höchstem Grad adäquat waren. Auch in diesem Fall muss die Handlung des potentiellen Schädigers einen vollen Haftungsgrund bewirken und für sich geeignet sein, als Schadensursache in Frage zu kommen (RS0090872 [T2]).
[7] 1.3 Im Anlassfall steht hinsichtlich der erwähnten zweiten Mangelursache ein Fehlverhalten des Beklagten nicht fest, weil es nach den Feststellungen ebenso möglich ist, dass die vom Beklagten geplante Abdichtung später tatsächlich – wenn auch mangelhaft – ausgeführt wurde und dies keinen Fehler des Beklagten begründet. Es bleibt daher zweifelhaft, ob der Beklagte in dieser Hinsicht überhaupt ein Fehlverhalten gesetzt hat.
[8] 1.4 Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der Geschädigte beweisen muss, dass nach aller Erfahrung die Schadensentstehung auf ein wenigstens objektiv fehlerhaftes Verhalten des Schädigers zurückzuführen ist (RS0026290). Seine Beurteilung, dass der Klägerin der Nachweis einer Pflichtwidrigkeit des Beklagten im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Kautschukabdichtung nicht gelungen sei, weshalb eine Haftung des Beklagten dafür ausscheide, steht mit den wiedergegebenen Rechtsprechungsgrundsätzen im Einklang.
[9] 1.5 Da der Beklagte für den „Mangel 1“ insgesamt keine Verantwortung trägt, trifft ihn auch keine Haftung für allfällige künftige daraus resultierende Schäden, weshalb auch das Feststellungsbegehren im Einklang mit der Rechtslage abgewiesen wurde.
[10] 2.1 Der von der Klägerin begehrten merkantilen Wertminderung, die nach der Rechtsprechung auch bei Liegenschaften in Betracht kommt, liegt der Gedanke zugrunde, dass im Fall einer erfolgten Mängelbehebung bei potentiellen Käufern die Befürchtung bestehen bleiben kann, es könnten trotz der Schadensbehebung doch noch verborgene Mängel vorhanden sein oder künftige Schäden entstehen, was dazu führt, dass die Sache am Markt weniger Wertschätzung genießt. Dieses Misstrauen kann eine Minderung des Verkehrswerts der Sache bewirken. Diese als merkantile Wertminderung bezeichnete Schadensposition soll also jenen Schaden ausgleichen, der dem Geschädigten trotz einwandfreier Reparatur der Sache verbleibt (10 Ob 113/98k; vgl auch 1 Ob 321/99h).
[11] Ob im Einzelfall eine merkantile Wertminderung auch tatsächlich eingetreten ist, ist eine Tatfrage (10 Ob 113/98k; vgl auch RS0030366). Es ist daher durch Beiziehung eines Sachverständigen zu klären, ob und wenn ja welche merkantile Wertminderung die Liegenschaft nach der Sanierung allenfalls noch aufweist. Ergibt sich dabei, dass ein derartiger Minderwert der Liegenschaft überhaupt nur während eines überschaubaren vorübergehenden Zeitraums besteht, so könnte ein derartiger Schaden dem Kläger nur zuerkannt werden, wenn ihm der Nachweis eines konkreten Verwertungs- bzw Nutzungsausfalls vermögensrechtlicher Natur gelingt (10 Ob 113/98k).
[12] 2.2 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass den Beklagten eine allfällige merkantile Wertminderung grundsätzlich nur für die von ihm zu vertretenden Mängel treffen könnte, ist insofern zutreffend, als eine – vom Sachverständigen eingeschätzte – merkantile Wertminderung (auch) auf solche Mängel zurückzuführen sein muss. Erst wenn dies zu bejahen ist, stellt sich die Frage nach der Ausmessung der Höhe der merkantilen Wertminderung bzw der Aufteilung auf mehrere Schädiger (vgl 10 Ob 113/98k).
[13] Die nicht näher begründete Behauptung der Klägerin, dass – unabhängig von der Frage, auf welche Mängel sich die merkantile Wertminderung überhaupt bezieht – „Baumeister und Planer (hier örtliche Bauaufsicht), die für Fassadenmängel und die Probleme mit der Wasserdichtheit verantwortlich sind, für die gesamte Wertminderung und nicht nur für den auf sie entfallenden Teil verantwortlich sind“, findet in der Rechtsprechung keine Grundlage.
[14] 2.3 Der gerichtliche Sachverständige hat – mit seiner den Feststellungen zugrunde liegenden Einschätzung – die auf den Beklagten (im Sinne einer Aufteilung des Gesamtschadens bzw der gesamten Sanierungskosten) rein rechnerisch entfallende merkantile Wertminderung (für allfällige verborgene Mängel) mit 6.500 EUR ermittelt. Diese möglichen Mängel betreffen nach seiner Einschätzung den Bereich der Außenfassade/Vormauerung der Westfassade nach Sanierung des Bereichs Südwestecke/Terrasse/Untergeschoß (Mangel 1) und des Bereichs Fensterband FE2 (Mangel 5).
[15] Davon ausgehend ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin auch diese Schadensposition nicht zuzusprechen sei, weil der Beklagte für den Mangel 1 nicht verantwortlich sei und die in Rede stehenden Mängel (Mangel 1 und 5) überdies bereits 15 Jahre zurückliegen, was nach der Einschätzung des Sachverständigen im Anlassfall keine merkantile Wertminderung mehr rechtfertige, nicht korrekturbedürftig. Diese Einschätzung betrifft die Tatfrage, ob nach der Sanierung relevanter Mängel aufgrund des Zeitablaufs eine merkantile Wertminderung überhaupt noch in Betracht kommt.
[16] 3. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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