European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00075.21V.1129.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der Kläger steht als Vertragsbediensteter in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten. Er fällt unter das Entlohnungsschema I L und gehört der Entlohnungsgruppe I 1 an. Mit Schreiben des Landesschulrats für Kärnten (nunmehr: Bildungsdirektion für Kärnten) vom 17. 7. 2013 wurde er mit Wirksamkeit vom 1. 9. 2013 provisorisch mit den Agenden eines Abteilungsvorstands für die Abteilung Fertigungstechnik an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt (HTBLVA) F* betraut. Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens fanden in Wien ein ausgelagertes Begutachtungsverfahren durch die D* GmbH und beim Landesschulrat für Kärnten ein Hearing statt.
[2] Mit Dekret der damaligen Bundesministerin für Bildung und Frauen vom 1. 7. 2015 wurde der Kläger mit Wirksamkeit vom 1. 7. 2015 zum Abteilungsvorstand der genannten Abteilung bestellt. Am 2. 6. 2017 schloss er erfolgreich den Lehrgang „Schulische Führungskräfte und Management in allen Schultypen“ (Schulmanagementkurs) ab.
[3] Mit Schreiben der Bildungsdirektion für Kärnten vom 23. 1. 2019 wurde der Kläger mit Wirksamkeit vom 18. 2. 2019 unter Bezugnahme auf § 207i BDG von seiner Leitungsfunktion als Abteilungsvorstand an der HTBLVA F* abberufen und unter einem ausgesprochen, dass er gemäß Abs 2 leg cit im Dienststand verbleibe und auf jene Planstelle übergeleitet werde, die er zuletzt vor der Ernennung auf seine Planstelle innehatte, nämlich auf eine Lehrerplanstelle an der Höheren technischen Bundeslehranstalt (HTBLA) M*. Nach Beendigung eines Krankenstands trat der Kläger dort seinen Dienst am 3. 6. 2019 an. Ihm wurde bis 23. 1. 2019 von der Beklagten nicht mitgeteilt, dass er sich als Abteilungsvorstand nicht bewährt habe.
[4] Gegen die Abberufung brachte der Kläger Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Beschluss vom 2. 4. 2019, W221 2215759-1/2E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unzulässig zurück. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Kläger als Vertragsbediensteter in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten stehe und seine Abberufung als Akt der Privatwirtschaftsverwaltung zu qualifizieren sei. Dagegen erhob der Kläger Revision, die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. 2. 2020, Ra 2019/12/0026, zurückgewiesen wurde.
[5] Der Kläger begehrt mit seiner am 21. 6. 2019 eingebrachten Klage zu seinen Gunsten gegenüber der Beklagten festzustellen, „dass die mit Schreiben vom 23. 1. 2019 verfügte Abberufung von der Leitungsfunktion als Abteilungsvorstand der HTBLVA F* und Versetzung an die HTBLA M* rechtsunwirksam ist, somit die am 1. 7. 2015 (bescheidmäßig) erfolgte Ernennung als Abteilungsvorstand für Fertigungstechnik an der HTBLVA F* über den 18. 2. 2019 hinaus aufrecht ist und fortbesteht und eine davon abweichende Verwendung des Klägers unzulässig ist“. In eventu begehrt er, dass die „mit Schreiben vom 23. 1. 2019 verfügte Abberufung von der Leitungsfunktion als Abteilungsvorstand der HTBLVA F* und Versetzung an die HTBLA M* […] als rechtsunwirksam erklärt [wird], sodass seine Ernennung als Abteilungsvorstand für Fertigungstechnik an der HTBLVA F* über den 18. 2. 2019 hinaus aufrecht blieb und weiterhin aufrecht ist“.
[6] Der Kläger brachte vor, er sei für die Planstelle als Abteilungsvorstand als qualifiziert befunden und letztlich unbefristet und definitiv bestellt worden. Er habe sich nichts zu schulden kommen lassen. Zwar finde auf sein Dienstverhältnis über § 90a VBG die Bestimmung des § 207i BDG Anwendung, diese sei aber nur auf vorläufige Bestellungen anzuwenden. Zudem habe wegen seiner Mitwirkung an der Personalvertretungswahl am 14. 6. 2018 an der HTBLVA F* nach § 27 PVG bis 13. 6. 2019 Versetzungsschutz bestanden. Die Abberufung sei schikanös; sie sei allein deshalb erfolgt, weil er die Beklagte am 3. 3. 2018 wegen Mobbing/Bossing auf Schadenersatz geklagt habe.
[7] Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie erstattete ein umfangreiches Vorbringen zu von ihr dem Kläger angelasteten, ihrer Beurteilung nach nicht mit einer Funktion als Abteilungsvorstand zu vereinbarenden Verhaltensweisen. Aufgrund derer habe sie sich gezwungen gesehen, den Kläger in Anwendung des § 207i BDG idgF (iVm § 90a VBG) abzurufen. Dieser sei nicht an die HTBLA M* „versetzt“ worden, vielmehr sei sein Wechsel an diese Schule die in Abs 2 leg cit vorgesehene Rechtsfolge seiner Abberufung. § 207i BDG gelte auch für Abberufungen bereits „definitiv“ Ernannter. Im Übrigen bestritt die Beklagte das Vorliegen eines Feststellungsinteresses, zumal die Pensionierung des Klägers wegen Erreichung der Altersgrenze von 65 Jahren im Sommer 2021 bevorstehe und er an der HTBLA M* nicht weniger ins Verdienen bringe als an der HTBLVA F*. Der Kläger habe auch seine Aufgriffsobliegenheit verletzt, weil er erst fünf Monate nach seiner Abberufung geklagt habe.
[8] Das Erstgericht gab der Klage ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt statt. Es brachte aufgrund von § 90a VBG die Vorschrift des § 207i BDG zur Anwendung. Diese sei lex specialis zu § 27 PVG; deshalb könne offen bleiben, ob der Kläger Versetzungsschutz iSd § 27 PVG genossen habe. Eine Möglichkeit zur Abberufung wegen Nichtbewährung habe – wofür das Erstgericht die Rechtsprechung des VwGH zu §§ 207h f BDG aF ins Treffen führte – nach § 207i BDG nF nicht mehr bestanden, weil die Bestellung des Klägers zum Abteilungsvorstand bereits unbefristet gewesen sei. Aufgrund dessen nahm das Erstgericht von der Durchführung eines Beweisverfahrens zur Richtigkeit der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe Abstand und traf insofern keine Feststellungen. Den Einwand der Beklagten, der Kläger habe seine Aufgriffsobliegenheit verletzt, verwarf das Erstgericht.
[9] Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der Kläger keine Verletzung einer Aufgriffsobliegenheit zu verantworten habe. Die Bestellung des Klägers zum Abteilungsvorstand sei im Zeitpunkt der Abberufung zwar bereits unbefristet gewesen, § 207i BDG in der anzuwendenden neuen Fassung ermögliche aber entgegen der Ansicht des Erstgerichts sowohl dem Wortlaut nach als auch bei teleologischer Betrachtung auch in einem solchen Fall die Abberufung, wenn sich der Inhaber der Leitungsfunktion nicht bewährt hat. Zur Beurteilung dessen seien Feststellungen zu den gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen erforderlich, an denen es fehle, weshalb die Rechtssache noch nicht spruchreif sei. Das Berufungsgericht ließ den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ZPO zu, „da die Frage, ob eine Abberufung aus einer Leitungsfunktion nach der Bildungsreform 2017 auch während einer bereits erfolgten unbefristeten Bestellung möglich ist, soweit überblickbar, höchstgerichtlich noch nicht geklärt ist und im Übrigen von dieser Novelle im Lehrerdienstrecht auch andere Bestimmungen betroffen sind, die ähnlich formuliert sind“.
[10] Gegen das Berufungsurteil richtet sich der aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs des Klägers mit einem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungsantrag.
[11] Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rekurses, hilfsweise diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[12] Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
[13] 1. Die Vorinstanzen und die Parteien gehen zutreffend davon aus, dass der Kläger Vertragsbediensteter der Beklagten ist und sich daher die Frage der Zulässigkeit seiner Abberufung als Abteilungsvorstand aufgrund der Verweisungsnorm des § 90a VBG nach den dort für sinngemäß anzuwenden erklärten Regelungen des BDG 1979 (in der Folge: BDG) richtet, hierunter insbesondere § 207i. Vorweg ist aber auf die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs einzugehen.
[14] 1.1. Nach der Rechtsprechung des VfGH ist zwischen dem Auswahl- und Besetzungsverfahren einerseits und dem Ernennungsverfahren andererseits zu unterscheiden. Ersteres ist nach dem VfGH jedenfalls im Rahmen der Hoheitsverwaltung zu führen und abzuschließen. Die in einen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber bilden eine „Verwaltungsverfahrensgemeinschaft“. Am Auswahl- und Besetzungsverfahren nimmt die Lehrperson ungeachtet der Rechtsnatur ihres Dienstverhältnisses ab dem Zeitpunkt der Aufnahme in den Besetzungsvorschlag als (Verwaltungsverfahrens-)Partei teil, also gleichermaßen Beamte und Vertragsbedienstete. Das Besetzungsverfahren ist mit einem die Auswahlentscheidung hinreichend begründendem Bescheid abzuschließen, der allen die Verwaltungsverfahrensgemeinschaft bildenden Parteien zuzustellen und durch diese gegebenenfalls anfechtbar ist (VfGH B881/12; E1476/2017).
[15] 1.2. Dies gilt nicht nur für Schulleiterposten, sondern auch für Abteilungsleiterposten wie jenem im vorliegenden Fall (VfGH E 2821/2020).
[16] 1.3. Für den Fall, dass der das Auswahl- und Besetzungsverfahren abschließende Bescheid aufgehoben wird, wäre nach der Judikatur des VfGH „ein darauf aufbauend abgeschlossenes öffentlich-rechtliches Ernennungsverfahren wiederaufzunehmen bzw. eine Betrauung eines Vertragsbediensteten mit privatrechtlichen Mitteln abzuwickeln“ (VfGH B881/12 [Pkt 4.2. aE]).
[17] 1.4. Daraus erhellt, dass nur das „Auswahl- und Besetzungsverfahren“ zwingend öffentlich-rechtlicher, das anschließende „Ernennungsverfahren“ zur tatsächlichen Erlangung der Leitungsfunktion hingegen im Fall eines Vertragsbediensteten privatrechtlicher Natur ist.
[18] 1.5. Im Verfahren über die „Abberufung von der Leitungsfunktion“ (§ 207i BDG nF iVm § 90a VBG) gibt es nur einen einzigen Beteiligten, nämlich jenen, der (wenn er Beamter ist) auf öffentlich-rechtlichem Wege bzw (wenn er Vertragsbediensteter ist) mit privatrechtlichen Mitteln die Leitungsfunktion erlangte. Die Abberufung stellt dazu den contrarius actus dar. Im Fall eines Beamten ist sie damit hoheitlicher, im Fall eines Vertragsbediensteten hingegen privatrechtlicher Natur. Die Entscheidung über die Berechtigung der Abberufung des Klägers, eines Vertragsbediensteten, ist somit eine privatrechtliche Frage; sie obliegt den ordentlichen Gerichten (§ 1 JN).
[19] 2. Es besteht zutreffend Einvernehmen darin, dass der Kläger im Zeitpunkt seiner Abberufung seine leitende Funktion (Vorstand der Abteilung Fertigungstechnik an der HTBLVA F*) bereits zeitlich unbefristet innehatte. Die ursprüngliche vierjährige Befristung endete– unter Einrechnung der Zeit der provisorischen Abteilungsleitung des Klägers – nach § 207h Abs 1 iVm 2 BDG aF (BGBl I 2007/53) zum 1. 9. 2017. Um den Wegfall der zeitlichen Befristung hintanzuhalten hätte dem Kläger spätestens drei Monate vorher gemäß § 207h Abs 3 BDG aF mitgeteilt werden müssen, dass er sich nicht bewährt habe, was nicht geschah.
[20] 3. Ebenso ist mit Grund unstrittig, dass sich die Berechtigung der Abberufung des Klägers mit Schreiben vom 23. 1. 2019 nach der sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft befindlichen Vorschrift des § 207i BDG idF des Bildungsreformgesetzes BGBl I 2017/138 bestimmt (vgl § 284 Abs 94 Z 4 BDG). Uneinigkeit besteht allein dahin, ob diese Vorschrift auch auf Fälle bereits unbefristeter Bestellungen anzuwenden ist. Die Vorschrift lautet samt Überschrift in der genannten Fassung:
„Abberufung von der Leitungsfunktion
§ 207i. (1) Die Inhaberin oder der Inhaber der Leitungsfunktion, die oder der sich auf seinem Arbeitsplatz nicht bewährt hat, kann nach Befassung des zuständigen Personalvertretungsorganes gemäß § 9 Abs. 3 lit. a PVG von der Leitungsfunktion (vorzeitig) abberufen werden. Die Abberufung obliegt:
1. bei Schulen, die einer Bildungsdirektion unterstehen, dieser,
2. im Übrigen der Bundesministerin oder dem Bundesminister für Bildung.
(2) Endet die Funktion der Inhaberin oder des Inhabers der leitenden Funktion gemäß Abs. 1 und verbleibt diese oder dieser im Dienststand, wird sie oder er kraft Gesetzes auf jene Planstelle einer Lehrperson übergeleitet, die sie oder er zuletzt vor der Ernennung auf ihre oder seine bisherige Planstelle innehatte. In diesem Fall richtet sich die Lehrverpflichtung nach der tatsächlichen Verwendung.
(3) Hatte die Inhaberin oder der Inhaber der leitenden Funktion im betreffenden Dienstverhältnis zuvor keine andere Planstelle inne, so ist sie oder er mit dem Ende der Funktion kraft Gesetzes auf eine Planstelle einer Lehrperson ohne Leitungsfunktion in jener Verwendungsgruppe übergeleitet, der sie oder er als Inhaberin oder als Inhaber der Leitungsfunktion angehört hat.“
[21] Die Vorschrift wurde durch die Dienstrechts-Novelle 2018, BGBl I 2018/60, allein dahin abgeändert, dass in ihrem Abs 1 Z 2 an die Stelle von „Bundesministerin oder dem Bundesminister für Bildung“ „Bundesministerin oder dem Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung“ trat (Art 1 Z 1 lit l).
[22] 3.1. § 207i BDG idF vor dem Bildungsreformgesetz bezog sich – sowohl seinem Wortlaut, als auch seiner Überschrift „Mitteilung der Nichtbewährung“ nach – nur auf die Bestimmung des § 207h BDG aF. Weil letztere als spätesten Zeitpunkt einer solchen Mitteilung „drei Monate vor Ablauf des sich aus Abs 1 und 2 ergebenden Zeitraumes“ (also drei Monate vor Ablauf der zunächst gegebenen Befristung) nannte, war der – damals zum Verlust der Leitungsfunktion führende – Ausspruch der Nichtbewährung zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich (VwGH 2005/12/0209 [Pkt II.1.] mwN).
[23] Diese Rechtsprechung ist entgegen der Annahme des Erstgerichts auf § 207i BDG nF nicht übertragbar.
[24] 3.1.1. Zum einen enthält § 207i BDG nF – anders als § 207iBDG aF – keinen Bezug auf § 207h BDG. Daran vermag auch der Satz in den Erläuterungen des Ausschussberichts zu § 207i BDG nF (1707 BlgNR 25. GP 67) „Die Abberufung der Lehrpersonen in Leitungsfunktionen, die sich nach § 207h BDG 1979 nicht bewährt haben, obliegt […]“ nichts zu ändern. Die Erläuterungen erwecken den irrigen Eindruck, § 207h BDG würde nach wie vor die Nichtbewährung regeln. Tatsächlich stellt § 207h BDG nF aber nicht mehr auf eine Nichtbewährung ab, sondern lässt die Funktionsdauer immer auslaufen, wenn der Dienstnehmer nicht erneut ernannt wird (Abs 3 Satz 1). Auch die in § 207h Abs 3 Satz 2 BDG vorgesehene (und angesichts von Abs 3 Satz 1 nur informativen Charakter habende) Mitteilung an den Dienstnehmer, ob er neuerlich bestellt werden soll, enthält keinen inhaltlichen Bezug auf eine Nichtbewährung. Es wäre wohl denkbar, dass ein Dienstnehmer deshalb nicht erneut bestellt werden soll, weil er sich zwar bewährt hat, aber eine andere zur Verfügung stehende Person noch besser geeignet wäre.
[25] 3.1.2. Zum anderen lässt sich entgegen der Ansicht des Erstgerichts auch aus der Wendung „(vorzeitig) abberufen“ in § 207i BDG nF nicht ableiten, dass eine Abberufung allein bei einer vorläufigen Bestellung möglich ist, daher nicht mehr, wenn jemand nach den alten Bestimmungen bereits die Leitungsfunktion unbefristet inne hat. Hätte der Gesetzgeber ein solches Normverständnis gehabt, hätte er das Wort „vorzeitig“ nicht in Klammer setzen müssen. Es ist anerkannt, dass eine Gesetzesbestimmung – sei es ein ganzer Satz, sei es ein Satzteil, sei es nur ein Wort oder gar bloß Satzzeichen wie hier runde Klammern – im Zweifel nicht so verstanden werden darf, dass sie überflüssig ist (RIS‑Justiz RS0008773; Posch in Schwiman/Kodek, ABGB5 § 6 Rz 13 mwN).
[26] 3.1.3. Sprachlich betrachtet ist ein Grund für das Setzen eines Begriffs in runde Klammern auch jener, dass eine Alternative aufgezeigt werden soll (Duden – Die deutsche Rechtschreibung28 [2020] 74 [D98]; zur Wendung „gegen den Medieninhaber (Verleger) als Antragsgegner“ in § 14 MedienG aF vgl 13 Os 91/96). Für einen Fall wie dem vorliegenden bedeutet dies, dass der Satz als Regelung sowohl unter Weglassung des in Klammer gesetzten Wortes (also: Die Inhaberin oder der Inhaber der Leitungsfunktion ... kann ... von der Leitungsfunktion abberufen werden.“ – Alternative 1) als auch unter Weglassung bloß der beiden Klammerzeichen (also: „Die Inhaberin oder der Inhaber der Leitungsfunktion ... kann ... von der Leitungsfunktion vorzeitig abberufen werden.“ – Alternative 2) Geltung beansprucht.
[27] 3.1.4. Dass das Gesetz die Möglichkeit einer vorzeitigen Abberufung explizit ausspricht erklärt sich daraus, dass nach der Judikatur des VwGH zur alten Rechtslage keine Rechtsgrundlage für die Abkürzung des (damals) in § 207h BDG genannten Zeitraums von vier Jahren durch einen vorzeitigen Ausspruch der Nichtbewährung bestand (VwGH 2005/12/0090). Die Wendung „(vorläufig)“ hat insofern klarstellende Funktion.
[28] 3.1.5. Eine solche Auslegung von § 207i BDG nF trägt auch – wie in der Rekursbeantwortung der Beklagten zutreffend ausgeführt – dem eigentlichen Zweck jeder Abberufung Rechnung, ungeeignete Führungspersönlichkeiten ihrer Funktion zu entheben. Dafür macht es keinen Unterschied, ob sich die mangelnde Eignung bereits kurze Zeit nach der erstmaligen Betrauung mit der Funktion und damit während bestehender zeitlicher Befristung herausstellt („vorzeitige Abberufung“), oder ob die zeitliche Befristung bereits weggefallen ist. Die Gefahr willkürlicher Abberufungen besteht nicht, weil Voraussetzung für eine Abberufung nach § 207i BDG nF stets ist, dass sich der Ernannte „auf seinem Arbeitsplatz nicht bewährt hat“, was einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist.
[29] 3.2. Als Ergebnis ist festzuhalten: § 207i BDG nF ermöglicht im Fall, dass sich der Inhaber der Leitungsfunktion auf seinem Arbeitsplatz nicht bewährt hat, die „vorzeitige“ Abberufung, wenn die Bestellung auf diese Funktion noch einer Befristung unterliegt. § 207i BDG nF ermöglicht im Fall, dass sich der Inhaber der Leitungsfunktion auf seinem Arbeitsplatz nicht bewährt hat, die Abberufung aber auch dann, wenn bereits eine nach der alten Rechtslage erfolgte, auf unbestimmte Zeit wirksame Ernennung vorliegt. Ferner endet bei einer befristeten Bestellung auf eine Leitungsfunktion die Funktion immer dann, wenn die Frist abläuft und keine neuerliche Ernennung erfolgt ist (§ 207h Abs 3 Satz 1 BDG nF).
[30] 3.3. Dass der Kläger bei seiner Abberufung die Leitungsfunktion bereits unbefristet innehatte, hinderte daher nicht seine Abberufung. Ob diese berechtigt erfolgte kann noch nicht beurteilt werden, weil Feststellungen zu den ihm von der Beklagten gemachten Vorwürfen fehlen. Es erweist sich daher die Aufhebung des Ersturteils samt Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Berufungsgericht als richtig. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht mit den Parteien auch zu erörtern haben, ob der Kläger nach seiner jüngst erfolgten Pensionierung noch ein rechtliches Interesse an der von ihm mit Klage begehrten Feststellung iSd § 228 ZPO hat.
[31] Dem Rekurs des Klägers war aus den genannten Gründen nicht Folge zu geben.
[32] 4. Die Verneinung einer Obliegenheitsverletzung des Klägers wird in der Rekursbeantwortung nicht mehr in Zweifel gezogen und ist damit ein erledigter Streitpunkt. Gleiches gilt für die im Rekurs nicht bestrittene Richtigkeit dessen, dass sich die Frage eines Versetzungsschutzes nach PVG nicht stellen kann, weil § 207i BDG nF insofern als lex specialis vorgeht.
[33] 5. Da der Rekurs zur Klärung der Rechtslage beigetragen hat, ist die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens im Sinn des § 52 ZPO der abschließenden Sachentscheidung vorzubehalten (RS0035976; 1 Ob 123/15t [Pkt 8.]).
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