European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00085.21I.1129.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] 1. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0106298). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen. Eine solche Fehlbeurteilung zeigt die außerordentliche Revision der Beklagten nicht auf.
Rechtliche Beurteilung
[2] 2. Als wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, ist es nach § 27 Z 3 AngG (ua) anzusehen, wenn ein Angestellter ohne Einwilligung des Dienstgebers ein selbständiges kaufmännisches Unternehmen betreibt oder im Geschäftszweig des Dienstgebers für eigene oder fremde Rechnung Handelsgeschäfte macht. Diese beiden Entlassungstatbestände sichern das Konkurrenzverbot des § 7 AngG (vgl RS0111110). Nach ständiger Rechtsprechung fallen vorbereitende interne Handlungen zur künftigen Ausübung einer selbständigen Berufstätigkeit nicht unter das Konkurrenzverbot (RS0029434). So stellt etwa die Anmeldung eines eigenen Gewerbes oder auch der Ankauf einer für die künftige selbständige Gewerbeausübung notwendigen Maschine noch keine unzulässige Nebenbeschäftigung dar (RS0029434 [T2, T3]). Ebenso wenig reicht die bloße Gründung eines selbständigen kaufmännischen Unternehmens ohne Aufnahme des Geschäftsbetriebs für die Tatbestandsverwirklichung (14 Ob 193/86). Dem Dienstnehmer bleibt es unbenommen, noch während der Dauer seines Dienstverhältnisses Vorbereitungshandlungen zum Betrieb eines selbständigen kaufmännischen Unternehmens in der Zeit nach Beendigung seines Dienstverhältnisses zu setzen (RS0027887 [T1]).
[3] 3. Der Kläger hatte hier gemeinsam mit einem ehemaligen Kollegen bereits vor dem Ende seines im März 2019 über Initiative der Beklagten einvernehmlich per 31. 12. 2019 aufgelösten Dienstverhältnisses zur Beklagten eine GmbH als Konkurrenzunternehmen im Bereich der Schankanlagentechnik gegründet. Das Berufungsgericht qualifizierte die in diesem Zusammenhang festgestellten Handlungen des Klägers als bloße Vorbereitungshandlungen. Da es bis Jänner 2020 gar kein marktreifes Produkt mit technischen Details und Preiskalkulationen gegeben habe, hätten die beiden Gesellschafter‑Geschäftsführer auf einer Gastronomiemesse im November 2019 bestenfalls allgemein über eine künftige Zusammenarbeit mit möglichen Kunden sprechen können. Eine nachteilige Wirkung vor dem Ende des Dienstverhältnisses sei für die Beklagte nicht zu befürchten gewesen. Die unentgeltliche Zurverfügungstellung des Prototyps einer Wassersäule an ein drittes Unternehmen im Zuge der Messe sei der GmbH nicht zuordenbar gewesen, zumal sich sogar auf der Wassersäule selbst ein Emblem des Drittunternehmens befunden habe. Der Kläger habe auf der Messe zwar fallweise auch Visitenkarten der neuen GmbH verteilt. Von einer die Interessen der Beklagten mehr als nur peripher tangierenden Werbetätigkeit könne aber keine Rede sein. Hinweise auf eine gezielte Kundenakquise gebe es nicht.
[4] Diese Beurteilung des Berufungsgerichts bewegt sich entgegen der Meinung der Beklagten im Rahmen der Grundsätze der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Daran ändern auch die unter Hinweis darauf, dass es nicht auf den definitiven Geschäftsabschluss ankomme, sondern der Versuch reiche, Geschäfte abzuschließen, von der Beklagten ins Treffen geführten Entscheidungen nichts:
[5] In der Entscheidung 8 ObA 212/95 verschickte der Arbeitnehmer als Verkaufsleiter einer Fluggesellschaft Anbotschreiben samt Preisliste und Visitenkarten zugunsten eines anderen Unternehmens an eine ganze Reihe von Freunden und Bekannten aus der Reisebüro- und Luftverkehrsbranche. Im Anlassfall teilte der Kläger dagegen nur bei einer einzigen Gelegenheit ein paar Visitenkarten der GmbH aus, ohne – wie sogar die Beklagte einräumt – zu diesem Zeitpunkt schon Produkte verkaufen zu können.
[6] Die Entscheidung 14 Ob 193/86 unterstreicht die Ausführungen des Berufungsgerichts, weil klargestellt wird, dass die bloße Absicht, künftig ein der Verwendung beim Gewerbe abträgliches Nebengeschäft zu betreiben, (noch) nicht geeignet ist, den Tatbestand des § 82 lit e GewO 1859 zu erfüllen.
[7] Der Entscheidung 9 Ob 36/05t liegt die Prämisse zugrunde, dass das Gewinnen von Kunden für ein erst in Gründung befindliches Unternehmen durch Werbemaßnahmen keinen Entlassungsgrund darstellt. Eine Entlassung unter Berufung auf § 82 lit e zweiter Fall GewO komme nur in Betracht, wenn die vorerst nur vorbereitende Tätigkeit darauf abziele, mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit im Rahmen des geplanten Unternehmens noch vor Ende des bestehenden Dienstverhältnisses zu beginnen. Nichts anderes bringt die Entscheidung 4 Ob 48/83 (= DRdA 1983, 380) zum Ausdruck. Für eine solche Absicht gibt es im vorliegenden Fall – vor Fertigstellung des Prototyps und Aufnahme der Produktion durch die neu gegründete GmbH – allerdings keine Anhaltspunkte.
[8] 4. Im Übrigen stützt sich die Beklagte – unter Berufung auf ein arbeitsvertraglich vereinbartes Nebenbeschäftigungsverbot – auf den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG.
[9] Eine über die Bestimmung des § 7 AngG hinausgehende Beschränkung der privaten Betätigungsfreiheit (insbesondere auch eine Verpflichtung zur Unterlassung von Nebenbeschäftigungen) vermag, selbst wenn sie vertraglich vereinbart ist, keine Erweiterung des Entlassungstatbestands des § 27 Z 3 AngG zu bewirken (RS0027828). Im Fall einer dem § 7 AngG nicht zu unterstellenden, aber vertraglich untersagten Tätigkeit kann zwar der Entlassungsgrund gemäß § 27 Z 1 AngG dann als erfüllt angesehen werden, wenn dem Angestellten konkrete Verstöße gegen seine Treuepflicht zur Last fallen oder er ein Verhalten eingenommen hat, das ihn des Vertrauens seines Dienstgebers unwürdig macht, wie etwa Verrat von Geschäftsgeheimnissen, Betriebsgeheimnissen etc (RS0027833).
[10] Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang jedoch wiederum nur auf das bereits unter dem Entlassungsgrund des § 27 Z 3 AngG geltend gemachte Verhalten des Klägers, das nach Ansicht der Vorinstanzen nicht geeignet ist, der Beklagten dessen Weiterbeschäftigung unzumutbar zu machen. Warum dies unter dem Gesichtspunkt des § 27 Z 1 AngG anders zu beurteilen sein sollte, ist der Revision nicht zu entnehmen. Mit dem der Entscheidung 9 ObA 37/13a zugrunde liegenden Sachverhalt ist der vorliegende nicht vergleichbar. Dort assistierte eine Ordinationsgehilfin dem einzigen Konkurrenten ihres Arbeitgebers bei einer Haarverpflanzungsoperation und wirkte damit unmittelbar bei der Erfüllung des konkurrenzierenden Geschäfts mit. Von einer bloßen Vorbereitungshandlung kann insoweit keine Rede sein.
[11] 5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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