European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00081.21H.1125.000
Spruch:
I. Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B‑VG (Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B‑VG) an den Verfassungsgerichtshof den
Antrag,
gemäß Art 89 Abs 3 B‑VG (Art 140 Abs 4 B‑VG) auszusprechen, dass
1. § 190 Abs 5 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 sowie in § 280 Abs 1 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 die Wortfolge „§ 256 Vorrückungsstichtag“;
2. in eventu, dass
a. § 190 Abs 5 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 sowie in § 280 Abs 1 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 die Wortfolge „§ 256 Vorrückungsstichtag“,
b. in § 256 Abs 1 Z 2 lit b) Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29die Wortfolge „, soweit sie insgesamt drei Jahre nicht übersteigen, zur Hälfte“, in eventu in § 256 Abs 1 Z 2 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 die Wortfolge „a) die die Erfordernisse des Abs. 3 erfüllen,“ und die Wortfolge „b) die die Erfordernisse des Abs. 3 nicht erfüllen, soweit sie insgesamt drei Jahre nicht übersteigen, zur Hälfte.“,
c. § 256 Abs 1 Z 1, Abs 2 und Abs 6 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 sowie
d. § 193 Abs 6 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29, § 260 Abs 2 Z 2 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29, in § 260 Abs 3 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 die Wortfolgen „oder bei einer den angeführten Einrichtungen vergleichbaren Einrichtungen nach § 256 Abs. 5“ und „oder dieser vergleichbaren Einrichtung“, § 280 Abs 1 Stmk L‑DBR idF LGBl 2014/151 sowie § 294 Abs 5 und Abs 10 idF LGBl 2011/74;
3. in eventu, dass
a. § 190 Abs 5 Stmk L DBR idF LGBl 2003/29, in § 280 Abs 1 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 die Wortfolge „§ 256 Vorrückungsstichtag“ und § 256 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29,
b. § 193 Abs 6, § 260 Abs 2 Z 2, in § 260 Abs 3 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 die Wortfolgen „oder bei einer den angeführten Einrichtungen vergleichbaren Einrichtungen nach § 256 Abs. 5“ und „oder dieser vergleichbaren Einrichtung“, § 280 Abs 1 Stmk L‑DBR idF LGBl 2014/151 sowie § 294 Abs 5 und Abs 10 idF LGBl 2011/74
verfassungswidrig waren.
II. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.
Begründung:
[1] Die in Serbien geborene Klägerin absolvierte von 1984 bis 1988 in einer Krankenpflegeschule in Serbien eine Ausbildung zur diplomierten Krankenschwester. Seit 1991 wohnt sie in Österreich.
[2] Von 1. 10. 1992 bis 28. 10. 1998 arbeitete die Klägerin im A*heim *, einem Heim, in dem Senioren betreut und gepflegt werden, als Pflegehelferin. Dabei verrichtete sie folgende Tätigkeiten: Grundpflege von mobilen und immobilen Bewohnern; Basale Stimulation; Unterstützung bei der Mobilisation und Transfer von Bewohnern; Intimpflege inklusive Dauerkatheterpflege und Versorgung von harnableitenden Systemen; Durchführung von Prophylaxen (Decubitus, Pneumonie, Thrombose, Kontrakturen); Empathischer Umgang und Unterstützung von Menschen mit Parkinson, Demenz und MS; Versorgung von Bewohnern mit PEG-Sonde inklusive Verbandswechsel bei blander Einstichstelle und Verabreichung von Nahrung; Blutzucker- und Blutdruckkontrollen; Gabe von Insulin s.c.; Mithilfe bei der Essenseingabe und Medikamenteneinnahme sowie Pflege der Nasensonde. Diese Tätigkeiten wurden von der Klägerin vorab mit der diensthabenden Diplomkrankenschwester abgesprochen. Die Klägerin verrichtete dann diese Tätigkeiten nicht gemeinsam mit der Diplomkrankenschwesterund auch nicht unter deren Aufsicht, sondern selbständig. Nach Beendigung der jeweiligen Tätigkeit berichtete die Klägerin der Diplomkrankenschwester von deren Verrichtung. Die Tätigkeiten der Klägerin im A*heim * gingen über die einer Pflegehelferin hinaus.
[3] Mit Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. 8. 1997 wurde das von der Republik Serbien am 23. 8. 1991 ausgestellte Diplom der Klägerin über eine mit Erfolg abgeschlossene Ausbildung als Krankenschwester unter bestimmten aufschiebenden Bedingungen (Absolvierung einer ergänzenden theoretischen Ausbildung in bestimmten Fächern an einer österreichischen Krankenpflegeschule samt Ergänzungsprüfungen, bestimmte Praktika in der Dauer von jeweils zwei Monaten; Nachweis der für die Erfüllung der Berufspflichten nötigen Kenntnisse der deutschen Sprache) einem österreichischen Diplom über die Berechtigung zur Ausübung des Berufs als diplomierte Krankenschwester als gleichwertig anerkannt. Nach Erfüllung dieser Bedingungen wurde der Klägerin in Österreich am 28. 12. 1998 die Berechtigung zur Ausübung des Berufs als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester erteilt.
[4] Jeweils als Diplomkrankenschwester arbeitete die Klägerin von 15. 3. 2000 bis 27. 2. 2002 beim R* und von 30. 12. 2002 bis 31. 3. 2007 im Sanatorium H*. Ihre Tätigkeiten bei diesen Einrichtungen waren im Wesentlichen dieselben wie im A*heim *. Im Sanatorium H* kam zur Pflege der Patienten auch noch deren Vorbereitung für Operationen und die Betreuung frisch operierter Patienten hinzu.
[5] Seit 2. 4. 2007 ist die Klägerin bei der Beklagten als Diplomkrankenschwester im LKH‑Univ. Klinikum G* beschäftigt. Auf dieses privatrechtliche Dienstverhältnis ist das Gesetz über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L‑DBR) anwendbar (§ 1 Abs 1 Stmk L‑DBR).
[6] Die Beklagte rechnete der Klägerin zu Beginn des Dienstverhältnisses gemäß § 256 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 die dreijährige Ausbildungszeit in der Krankenpflegeschule von 6. 12. 1995 bis 4. 12. 1998 (§ 256 Abs 2 Z 5 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29) und eineinhalb Jahre an Vordienstzeiten (§ 256 Abs 1 Z 2b Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29), insgesamt daher 1.643 Tage an. Die Klägerin wurde in die Entlohnungsgruppe SII/Entlohnungsstufe 03 eingestuft, ihr Vorrückungsstichtag wurde mit 2. 10. 2002 festgesetzt. Die nächste Vorrückung war für den 1. 1. 2009 vorgesehen.
[7] Anlässlich der Novellierung des Stmk L‑DBR durch LGBl 2011/74 stellte die Klägerin keinen Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags.
[8] Erst aufgrund der Novellierung des § 256a Stmk L‑DBR (LGBl 2018/17) mit 1. 3. 2018 führte die Beklagte über Antrag der Klägerin eine neue Vordienstzeitenberechnung durch. Die Beklagte rechnete der Klägerin nunmehr die Vordienstzeiten nach Absolvierung des Diploms beim R* (903 Tage [lt Blg ./A von 15. 3. 2000 bis 20. 5. 2002, worin nach dem Vorbringen der Beklagten in ON 6 auch die Zeit des Mutterschutzes von 28. 2. 2002 bis 3. 9. 2002 berücksichtigt wurde]) und dem Sanatorium H* (1.553 Tage), insgesamt daher 2.456 Tage zur Gänze an. Berücksichtigt wurde auch die Zeit der Klägerin bei der Beklagten im aufrechten Dienstverhältnis von 2. 4. 2007 bis 31. 3. 2018 (4.017 Tage), insgesamt daher 17 Jahre, 8 Monate und 21 Tage (6.473 Tage). Ausbildungszeiten wurden nicht mehr angerechnet. Auch die Dienstzeiten der Klägerin, die sie als Pflegehelferin im A*heim * erbrachte, wurden von der Beklagten nicht angerechnet, weil sie nicht einschlägig wären. Der Vorrückungsstichtag der Klägerin wurde mit 11. 7. 2000 festgesetzt, die Einstufung erfolgte in die Entlohnungsgruppe SII/Entlohnungsstufe 09, der Zeitpunkt der nächsten Vorrückung wurde mit 1. 7. 2018 festgelegt.
[9] Wären der Klägerin bei ihrem Dienstantritt am 2. 4. 2007 sämtliche Vordienstzeiten (4.486 Tage) sowie ihre dreijährige Ausbildungszeit (1.059 Tage) von der Beklagten angerechnet worden, hätte sich der 18. 12. 1991 als Vorrückungsstichtag ergeben und die Klägerin wäre in die Entlohnungsgruppe/-stufe SII/3–7 mit der nächsten Vorrückung in die Stufe SII/3–8 am 1. 1. 2008, bei jeweils zweijähriger Vorrückung, einzustufen gewesen. In diesem Fall errechnet sich inklusive Juni 2011 eine Gehaltsdifferenz von 31.850,43 EUR; exklusive Juni 2011 eine solche von 31.536,93 EUR.
[10] Mit Mahnklage vom 6. 8. 2019 begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 31.850,53 EUR sA an Entgeltdifferenzen, die sich bei vollständiger Anrechnung ihrer dreijährigen Ausbildung in Serbien und aller einschlägigen Vordienstzeiten für den Zeitraum Juni 2011 bis Mai 2019 ergeben würden. Die von der Beklagten für die Ermittlung des Vorrückungsstichtags herangezogenen Bestimmungen (§§ 256, 256a Stmk L‑DBR) widersprächen den europarechtlichen Vorgaben, insbesondere Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der Verordnung Nr 492/2011 (Wanderarbeitnehmerverordnung), weshalb sie in diesem Umfang nicht anzuwenden seien. Das unionsrechtswidrige innerstaatliche Recht sei nach der Rechtsprechung des EuGH auch dann nicht anzuwenden, wenn im konkreten Sachverhalt keine grenzüberschreitende Tätigkeit vorliege (C‑514/12 ). Selbst nach Inkrafttreten des § 256a Stmk L‑DBR habe die Beklagte die Tätigkeit der Klägerin als Pflegehelferin von 1. 10. 1992 bis 28. 10. 1998 zu Unrecht nicht berücksichtigt, weil auch diese Tätigkeit einschlägig gewesen sei und inhaltlich jener Tätigkeit entsprochen hätte, die die Klägerin auch bei der Beklagten ausübe. Abgesehen davon verstoße auch das Abstellen auf die Einschlägigkeit der Vordienstzeiten nach der Rechtsprechung des EuGH (C‑24/17 ) gegen den Grundsatz der Freizügigkeit. Auch eine Beschränkung der Anrechnung von Vordienstzeiten auf maximal zehn Jahre, wie in § 256a Stmk L‑DBR vorgesehen, sei unzulässig.
[11] Überdies sei die Nichtanrechnung der Vordienstzeiten, insbesondere jener im Pflegeheim, auch mittelbar (geschlechts‑)diskriminierend (Art 2 lit b der RL 2004/113/EG ), weil mehr Frauen von der Nichtanrechnung dieser Vordienstzeiten bei privaten Arbeitgebern betroffen seien als Männer. Die Nichtanrechnung sämtlicher Vordienstzeiten sei aber auch altersdiskriminierend, weil jüngere Arbeitskolleginnen, die ihre Tätigkeit bei der Beklagten begonnen hätten, bei gleicher fachlicher Qualifikation und Berufserfahrung im Verhältnis zur älteren Klägerin besser gestellt seien, weil sie bei Erreichen desselben Lebensalters mehr Vorrückungen aufweisen würden, als die Klägerin. Schließlich verstoße die Nichtanrechnung der Zeiten als Pflegehelferin im Pflegeheim auch gegen die Vorschriften des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, weil an gleiche Sachverhalte (hier facheinschlägige Tätigkeiten als Pflegehelferin) keine unterschiedlichen Rechtsfolgen geknüpft werden dürften.
[12] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wendete ein, dass die Klägerin von Beginn an richtig eingestuft worden sei. Die Vordienstzeitenanrechnung sei in Entsprechung der jeweils geltenden – dem Unionsrecht entsprechenden – Rechtslage erfolgt. Die Zeiten, die die Klägerin als Altenpflegerin im A*heim * erbracht habe, seien nicht zu berücksichtigen gewesen, zumal sie nicht einschlägig gewesen seien. Die Klägerin habe ihre Arbeit nur nach Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege durchführen können, weshalb sich der Verantwortungs- und Aufgabenbereich wesentlich von der Tätigkeit einer DGKP unterscheide. § 256a Stmk L‑DBR sehe keine Anrechnung von Ausbildungszeiten mehr vor. Mit § 256a Stmk L‑DBR seien alle Zeiten als anrechenbare Vordienstzeiten mit zehn Jahren begrenzt worden, dies unabhängig davon, bei welchem Dienstgeber diese erbracht worden seien. Eine zeitliche Höchstanrechnung für einschlägige Vordienstzeiten sei unionsrechtskonform. Da im Anlassfall kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliege, sei der Anwendungsbereich von Art 45 AEUV nicht eröffnet. Eine Unterscheidung von einschlägigen Vordienstzeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt worden seien, und sonstigen Zeiten in der Privatwirtschaft sei nach der Judikatur des VfGH nicht gleichheitswidrig. Soweit die Klägerin Ansprüche für Juni 2011 geltend mache, seien diese verjährt.
[13] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 31.536,93 EUR sA statt und und wies das Mehrbegehren von 313,50 EUR sA ab. Die für die Beurteilung des Anspruchs der Klägerin auf Vordienstzeitenanrechnung zum Zeitpunkt der Begründung des Dienstverhältnisses geltende Fassung des § 256 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 verstoße gegen Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, weil sie nur bei Anstellungsverhältnissen zu inländischen Gebietskörperschaften oder der Steiermärkischen Krankenanstalten Gesellschaft mbH eine Vollanrechnung der Vordienstzeiten vorgesehen habe, bei anderen (ausländischen) Vordienstzeiten jedoch eine Begrenzung enthalten habe. Die Klägerin habe zwar keine im EU‑Ausland erworbenen Vordienstzeiten, sei aber von der diskriminierenden Vorschrift insofern betroffen, als ihr Anspruch auf Arbeitnehmerfreizügigkeit, nämlich im Ausland zu arbeiten und nach Rückkehr keine Nachteile in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten zu erleiden, beschränkt sei. Dass die Klägerin derzeit keine einschlägigen Beschäftigungszeiten im Ausland vorweisen könne, sei unbeachtlich, weil subjektive Gründe, weshalb sich ein Arbeitnehmer dafür oder dagegen entscheide, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, bei der Beurteilung des diskriminierenden Charakters einer nationalen Vorschrift nicht berücksichtigt werden könnten. Die Beklagte hätte daher bei Begründung des Dienstverhältnisses mit der Klägerin die diskriminierenden Anrechnungsbestimmungen nicht anwenden dürfen und der Klägerin für die Einstufung in das Gehaltsschema die im A*heim *, beim R* und im Sanatorium H* erbrachten Zeiten zur Gänze anrechnen müssen. Auch wenn die Frage der Einschlägigkeit der Vordienstzeiten nach § 256 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 keine Rolle gespielt habe und darauf erst seit der Novellierung durch LGBl 2018/17 durch § 256a Stmk L‑DBR Bedacht genommen werde, sei davon auszugehen, dass die Zeiten, die die Klägerin im Pflegeheim gearbeitet habe, auch einschlägig seien. Diese Zeiten seien zusätzlich zur Zeit der dreijährigen Ausbildung der Klägerin in Serbien anzurechnen. Davon ausgehend hätte sich bei Beginn des Dienstverhältnisses der Klägerin zur Beklagten der 18. 12. 1991 als Vorrückungsstichtag ergeben, weshalb das Klagebegehren grundsätzlich berechtigt sei. Der Entgeltanspruch für Juni 2011 in Höhe von 313,50 EUR sei jedoch verjährt.
[14] Das Berufungsgericht gab der gegen den klagestattgebenden Teil der Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Das Berufungsgericht vertrat den Rechtsstandpunkt, dass die Klägerin ihre Ansprüche nicht mit Erfolg auf die Verletzung von Unionsrecht stützen könne, weil § 256 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 nicht gegen einen sekundärrechtlichen Rechtsakt verstoße und Art 45 AEUV als unionsrechtliches Primärrecht mangels eines aktuellen grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht anzuwenden sei. Die Anwendung des § 256 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 führe aber auch nicht zu einer Diskriminierung aufgrund des Lebensalters oder des Geschlechts. Eine Bestimmung des nationalen Rechts, die nur gewisse Vordienstzeiten berücksichtige und andere Vordienstzeiten außer Acht lasse, könne zwar zu einer Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer anhand des Datums ihrer Einstellung bei dem betreffenden Unternehmen führen, doch beruhe diese nach der Judikatur des EuGH weder unmittelbar noch mittelbar auf dem Alter oder auf einem an das Alter anknüpfenden Ereignis. Davon, dass sich § 256 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 auf einen signifikant höheren Anteil von Personen eines Geschlechts im Vergleich zu Personen des anderen Geschlechts ungünstig auswirke – so die Judikatur des EuGH für eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – könne hier keine Rede sein, weil diese Bestimmung nicht die Zeiten der Anrechnung im Beruf einer Pflegehelferin regle, sondern auf die Dienstverhältnisse sämtlicher Beamten und Vertragsbediensteten anzuwenden sei.
[15] Gegen die Unterscheidung des Gesetzgebers, bei der Anrechnung von Vordienstzeiten unter Bedachtnahme auf deren Einschlägigkeit zwischen Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt worden seien, einerseits und sonstigen Zeiten (in der Privatwirtschaft) andererseits, bestünden aufgrund des weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach der Entscheidung 8 ObA 34/17h habe sich das für die Beurteilung einer allenfalls unzulässigen Inländerdiskriminierung zuständige Gericht auch mit der unionsrechtlichen Vorfrage auseinanderzusetzen. Für eine Anrufung des VfGH bestehe aber keine unionsrechtliche Grundlage, weil diese Vorgangsweise die Vorabklärung einer hypothetischen unionsrechtlichen Fragestellung erfordere, zumal der Anwendungsbereich des Unionsrechts nicht eröffnet sei.
[16] Ein aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz abzuleitender Anspruch der Klägerin komme hier schon deshalb nicht in Betracht, weil sie gar nicht behauptet habe, dass die Beklagte anderen Diplomkrankenschwestern Vordienstzeiten als Pflegehelferinnen in privaten Einrichtungen bei Ermittlung des Vorrückungsstichtags unbeschränkt angerechnet hätte.
[17] Gemäß § 256a Abs 1 Z 3 lit c Stmk L-DBR seien für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SII/Gesundheitsberufe die Zeiten einer einschlägigen Verwendung in einem Dienstverhältnis, die bei einer vergleichbaren privaten stationären, extramuralen oder ambulanten Einrichtung im Inland oder in einem EU‑Mitgliedsstaat jeweils bis zum Ausmaß von zehn Jahren zurückgelegt worden seien, bei Ermittlung des Vorrückungsstichtags zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei eine gleichwertige Berufserfahrung von jeder anderen Art der Berufserfahrung, die für die Ausübung der Tätigkeit (bloß) nützlich sei, zu unterscheiden. Die Klägerin habe im A*heim zwar in der Praxis Arbeiten verrichtet, die über die Aufgaben einer Pflegehelferin hinausgingen, aber sie habe erst ab 28. 12. 1998 die Befugnis erhalten, als Diplomkrankenschwester zu arbeiten. Die über die Aufgaben einer Pflegehelferin hinausgehenden Tätigkeiten im Pflegeheim habe die Klägerin daher nur unter der Verantwortung der diensthabenden Diplomkrankenschwester ausführen können. Auch wenn die Tätigkeiten der Klägerin im A*heim für ihre spätere Beschäftigung als Diplomkrankenschwester bei der Beklagten nützlich gewesen seien, so seien sie doch nicht als gleichwertig zu qualifizieren und bei Ermittlung des Vorrückungsstichtags auch nicht als einschlägige Vordienstzeiten zu berücksichtigen.
[18] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage einer allfälligen Inländerdiskriminierung uneinheitlich sei und auch die Frage, wie der Begriff „einschlägig“ in § 256a Stmk L‑DBR auszulegen sei, über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sei.
Rechtliche Beurteilung
[19] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgabe (erkennbar gemeint im Umfang der Klagsstattgabe durch das Erstgericht, weil die Abweisung des Mehrbegehrens durch das Erstgericht von der Klägerin im Berufungsverfahren unbekämpft blieb); hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Zudem regt die Klägerin die Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH sowie die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Verfahrens 9 Ob 64/19f an.
[20] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin keine Folge zu geben.
[21] Die Revision ist zulässig.
1. Gesetzliche Grundlagen
[22] 1.1. Das Hauptstück III des Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 enthält dienst- und besoldungsrechtliche Sonderbestimmungen, wobei der I. Teil Sonderbestimmungen für Vertragsbedienstete im Gesundheitswesen regelt. § 190 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 umschreibt den Anwendungsbereich, wobei Abs 1 die Voraussetzungen für die Einstufung in das Entlohnungsschema SI, SIa und SII normiert. Lit c dieser Bestimmung erfasst Tätigkeiten, die in das GuKG fallen, somit auch die von der Klägerin als Diplomkrankenschwester ausgeübte Tätigkeit.
§ 190 Abs 5 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 lautet wie folgt:
„(5) Abweichend von § 155 ist bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages § 256 anzuwenden.“
[23] 1.2 Einen weiteren Verweis auf die Anwendung des § 256 leg cit enthält § 280 Abs 1 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29, der lautet:
„(1) Soweit in diesem Teil nicht anderes bestimmt ist, gelten die Bestimmungen der
§ 255 Monatsbezug
§ 256 Vorrückungsstichtag
§ 259 Nebengebühren
§ 268 Mehrbeitragszulage
§ 271 Pflegedienst-Chargenzulage
§ 273 Erzieherdienstzulage
für Vertragsbedienstete sinngemäß.“
[24] § 280 leg cit ist Teil desHauptstücks IV des Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 („Übergangsbestimmungen für Beamte/Beamtinnen und Vertragsbedienstete“). Dieses gilt nach § 245 Abs 1 leg cit für Beamte und Vertragsbedienstete, die am 31. Dezember 2002 im Dienststand stehen und die nicht in das Besoldungsschema St. optiert haben sowie für Konservatoriumslehrer und Kindergärtner/innen und Erzieher an Horten. Dies ist bei der Klägerin, die seit 2. 4. 2007 bei der Beklagten in einem Beschäftigungsverhältnis steht, nicht der Fall. Dennoch wird auch diese Bestimmung in den Gesetzesprüfungsantrag miteinbezogen, weil sich nach der Auslegung des Verfassungsgerichtshofs (Beschluss vom 25. 6. 2021, GZ G 100/2021‑9 Rz 17) die Anwendbarkeit des § 256 leg cit auch auf Dienstverhältnisse von Vertragsbediensteten ausschließlich aus der entsprechenden Anordnung in § 280 Abs 1 leg cit ergibt.
[25] 1.3. § 256des Gesetzes über das Dienstrecht und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L‑DBR) idF LGBl 2003/29 lautete wie folgt:
„Vorrückungsstichtag
(1) Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass unter Ausschluss der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 4 bis 8 dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:
1. die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze,
2. sonstige Zeiten,
a) die die Erfordernisse des Abs. 3 erfüllen, zur Gänze,
b) die die Erfordernisse des Abs. 3 nicht erfüllen, soweit sie insgesamt drei Jahre nicht übersteigen, zur Hälfte.
(2) Gemäß Abs. 1 Z. 1 sind voranzusetzen:
1. die Zeit, die
a) in einem Dienstverhältnis
aa) zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder
bb) bei der Steiermärkischen Krankenanstalten -gesellschaft m.b.H. oder
b) im Lehrberuf
aa) an einer inländischen öffentlichen Schule,
Universität oder Hochschule oder
bb) an der Akademie der bildenden Künste
oder
cc) an einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten inländischen Privatschule
zurückgelegt worden ist;
2. die Zeit der Leistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes nach dem Wehrgesetz 2001, BGBl. I Nr. 146/2002 und des Zivildienstes nach dem Zivildienstgesetz 1986, BGBl. Nr. 679 sowie die Zeit der Tätigkeit als Fachkraft der Entwicklungshilfe im Sinne des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983;
3. die Zeit, in der der Beamte auf Grund des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, Anspruch auf eine Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 90 v. H. gehabt hat;
4. die Zeit
a) der Einführung in das praktische Lehramt,
b) der Gerichtspraxis (Rechtspraktikantenzeit),
c) der nach dem Ärztegesetz 1984, BGBl. Nr. 373, zur ärztlichen Berufsausübung vorgeschriebenen praktischen Tätigkeit an einer zugelassenen Ausbildungsstätte,
d) einer Tätigkeit oder Ausbildung bei einer inländischen Gebietskörperschaft, soweit auf sie die arbeitsmarktpolitischen Förderungmaßnahmen des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, anzuwenden waren,
e) in einem Dienstverhältnis, das im Rahmen der Rechtsfähigkeit einer inländischen Universität oder Hochschule, der Akademie der bildenden Künste, der Akademie der Wissenschaften, der Österreichischen Nationalbibliothek oder einer sonstigen wissenschaftlichen Einrichtung gemäß Forschungsorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 341/1981, oder eines Bundesmuseums oder des Österreichischen Patentamtes eingegangen worden ist;
5. die Zeit einer Verwendung oder Ausbildung, wenn sie in der Anlage zu diesem Gesetz weiter anzuwendenden Rechtsvorschrift für die Verwendung des Beamten/der Beamtin
a) in einer der im § 257 Abs. 2 Z. 3 angeführten Besoldungs- oder Verwendungsgruppen über das Erfordernis der abgeschlossenen Hochschulbildung hinaus vorgeschrieben ist;
b) in der Verwendungsgruppe B über das Erfordernis der erfolgreichen Ablegung der Reifeprüfung an einer höheren Schule hinaus vorgeschrieben ist; ferner die nach der Erlangung des Reifezeugnisses einer höheren Schule für die Ausbildung zur Ablegung der Befähigungsprüfung für den Fremdsprachenunterricht aufgewendete Zeit, soweit sie ein Jahr nicht übersteigt;
6. bei Beamten/Beamtinnen, die in die Verwendungsgruppen B oder B1, oder in eine der in § 257 Abs. 2 Z. 2 und 3 angeführten Besoldungs- oder Verwendungsgruppen aufgenommen werden, die Zeit des erfolgreichen Studiums
a) an einer höheren Schule oder
b) solange der Beamte/die Beamtin damals noch keine Reifeprüfung erfolgreich abgelegt hat, an einer Akademie für Sozialarbeit bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Beamte/die Beamtin den Abschluss dieser Ausbildung hätte erreichen können; mögliche schulrechtliche Ausnahmegenehmigungen sind nicht zu berücksichtigen. Als Zeitpunkt des möglichen Schulabschlusses ist bei Studien, die mit dem Schuljahr enden, der 30. Juni und bei Studien, die mit dem Kalenderjahr enden, der 31. Dezember anzunehmen;
7. die Zeit eines abgeschlossenen Studiums an einer Akademie oder den Akademien verwandten Lehranstalt, das für den Beamten/die Beamtin Ernennungserfordernis gewesen ist, sowie die zurückgelegte Berufspraxis, wenn sie nach den jeweils geltenden Prüfungsvorschriften für die Erlangung der Lehrbefähigung für eine Verwendung in der Verwendungsgruppe L2a2 vorgeschrieben war, in beiden Fällen bis zum Höchstausmaß von insgesamt zwei Jahren, sofern jedoch das Studium lehrplanmäßig länger dauert, bis zum Höchstausmaß des lehrplanmäßig vorgesehenen Studiums;
8. die Zeit eines abgeschlossenen Studiums an einer Universität (wissenschaftlichen Hochschule), Kunsthochschule oder einer staatlichen Kunstakademie, das für den Beamten/die Beamtin Aufnahmeerfordernis gewesen ist,
a) bei Studien, auf die die Bestimmungen des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes, BGBl. Nr. 177/1966, und die nach ihm erlassenen besonderen Studiengesetze anzuwenden sind, bis zu der in den Studiengesetzen und Studienordnungen für die betreffende Studienrichtung oder den betreffenden Studienzweig vorgesehenen Studiendauer; hat der Beamte/die Beamtin an das Diplomstudium, auf das bereits die Bestimmungen des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes anzuwenden waren, das zugehörige Doktoratsstudium angeschlossen und
aa) waren auf dieses Doktoratsstudium die Bestimmungen des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes noch anzuwenden oder
bb) wird die Dauer des Doktoratsstudiums in den neuen Studienvorschriften nicht genau festgelegt, so ist die tatsächliche Dauer des Doktoratsstudiums bis zum Höchstausmaß von einem Jahr für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages zu berücksichtigen;
b) bei Studien, auf die die Bestimmungen des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes und die nach ihm erlassenen besonderen Studiengesetze nicht anzuwenden sind, bis zu dem in der Anlage festgesetzten Höchstausmaß; zum Studium zählt auch die für die Erwerbung eines akademischen Grades erforderliche Vorbereitungszeit.
Als Laufzeit des Sommersemesters ist die Zeit vom 1. Jänner bis zum 30. Juni, als Laufzeit des Wintersemesters ist die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember anzusehen. Wurde das Studium mit einem Trimester begonnen, so ist als Beginn des Studiums, wenn das erste Trimester ein Sommer- oder Herbsttrimester, der 1. Juli, wenn das erste Trimester ein Wintertrimester war, der 1. Jänner des betreffenden Jahres anzusehen.
(3) Die Anrechnung eines Studiums gemäß Abs. 2
Z. 8 umfasst bei Studien, auf die das allgemeine Hochschul-Studiengesetz, BGBl. Nr. 177/1966, und die nach ihm erlassenen besonderen Studiengesetze
1. anzuwenden sind, höchstens die in den Studiengesetzen und Studienordnungen für den betreffenden Studienzweig vorgesehene Studiendauer,
2. nicht anzuwenden sind, höchstens das in der Anlage festgesetzte Höchstausmaß.
(4) Hat der Beamte/die Beamtin nach einem Diplomstudium, auf das das Allgemeine Hochschul-Studiengesetz anzuwenden war, das zugehörige Doktoratsstudium erfolgreich abgeschlossen und
1. war auf dieses Doktoratsstudium das Allgemeine Hochschul-Studiengesetz nicht anzuwenden oder
2. wird die Dauer des Doktoratsstudiums in den neuen Studienvorschriften nicht genau festgelegt,
so ist gemäß Abs. 2 Z. 8 die tatsächliche Dauer des Doktoratsstudiums bis zum Höchstausmaß von einem Jahr für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages zu berücksichtigen.
(5) Soweit Abs. 2 die Berücksichtigung von Dienstzeiten oder Zeiten im Lehrberuf von der Zurücklegung bei einer inländischen Gebietskörperschaft, einer inländischen Schule oder sonst genannten inländischen Einrichtung abhängig macht, sind diese Zeiten auch dann zur Gänze für den Vorrückungsstichtag zu berücksichtigen, wenn sie
1. nach dem 7. November 1968 bei einer vergleichbaren Einrichtung eines Staates zurückgelegt worden sind, der oder dessen Rechtsnachfolger nunmehr Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes ist, oder
2. nach dem 31. Dezember 1979 bei einer vergleichbaren Einrichtung des Staates zurückgelegt worden sind, mit dem das Assoziierungsabkommen vom 29. 12. 1964, 1229/1964, abgeschlossen worden ist.
(6) Zeiten gemäß Abs. 1 Z. 2, in denen der Beamte/die Beamtin eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, können insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten/der Beamtin von besonderer Bedeutung ist.
(7) Zeiträume, in die die nachstehend angeführten Zeiten fallen, sind von einer Voransetzung nach Abs. 1 ausgeschlossen:
1. die Zeit, die nach Abs. 2 Z. 1 oder 4 lit. d oder e oder nach Abs. 5 zu berücksichtigen wäre, wenn der Beamte/die Beamtin auf Grund einer solchen Beschäftigung einen Anspruch auf laufende Pensionsleistungen erworben und diese nicht dem Land abgetreten hat,
2. die Dienstzeit in einem öffentlichen Dienstverhältnis, soweit sie nach den Vorschriften, die für dieses Dienstverhältnis gegolten haben, für die Vorrückung in höhere Bezüge nicht wirksam gewesen ist,
3. die Zeit, die im Zustand der Ämterunfähigkeit zurückgelegt worden ist. Die Einschränkung der Z. 2 gilt nicht für Zeiten, die nur deshalb nicht voll für die Vorrückung in höhere Bezüge wirksam waren, weil sie in einem Beschäftigungsausmaß zurückgelegt wurden, das unter der Hälfte des für eine Vollbeschäftigung vorgeschriebenen Beschäftigungsausmaßes lag. Waren solche Zeiten aus anderen Gründen für die Vorrückung nicht oder nicht voll wirksam (z. B. wegen eines Karenzurlaubes), ist die Z. 2 hingegen anzuwenden.
(8) Aus berücksichtigungswürdigen Gründen kann Nachsicht von den Ausschlussbestimmungen des Abs. 7 Z. 2 gewährt werden.
(9) Die im Abs. 2 Z. 1 und 4 lit. d bis f angeführten Zeiten sind in dem Ausmaß voranzusetzen, in dem sie im Falle einer Überstellung aus der entsprechenden niedrigeren Verwendungsgruppe in die höhere Besoldungs- oder Verwendungsgruppe gemäß § 257 für die Vorrückung anrechenbar wären, wenn sie
1. in den Fällen, in denen das gegenwärtige Dienstverhältnis in einer der Verwendungsgruppen L2a2 begonnen hat, vor der Erfüllung des Ernennungserfordernisses der erfolgreichen Absolvierung einer Akademie oder einer den Akademien verwandten Lehranstalt oder eines Ernennungserfordernisses liegen, das dieses Erfordernis ersetzt oder an seine Stelle tritt;
2. in den Fällen, in denen das gegenwärtige Dienstverhältnis in einer der im § 257 Abs. 2 Z. 3 angeführten Besoldungs- oder Verwendungsgruppen begonnen hat, vor der Erfüllung des Ernennungserfordernisses der abgeschlossenen Hochschulbildung oder der Erfüllung eines Ernennungserfordernisses liegen, das das erstgenannte Erfordernis ersetzt oder an seine Stelle tritt;
3. in den Fällen der Z. 1 und 2 zwar nach der Erfüllung der angeführten Erfordernisse liegen, aber in einer Einstufung zurückgelegt worden sind, die der Besoldungs- oder Verwendungsgruppe, in der das gegenwärtige Dienstverhältnis begonnen hat, nicht mindestens gleichwertig ist.
(10) Die in Abs. 1 Z. 2 lit. b, Abs. 2 Z. 7 und 8 und Abs. 6 angeführten Zeiträume sind in dem Ausmaß voranzusetzen, in dem sie im Falle einer Überstellung aus der entsprechenden niedrigeren Verwendungsgruppe in die höhere Besoldungs- oder Verwendungsgruppe gemäß § 257 für die Vorrückung anrechenbar wären, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 9 Z. 1 oder 2 zutreffen.
(11) Die mehrfache Berücksichtigung ein und desselben Zeitraumes ist unzulässig. Nicht zu berücksichtigen sind ferner die in Abs. 2 Z. 2 und 3 angeführten Zeiten, soweit sie in einen gemäß Abs. 2 Z. 7 oder 8 angeführten Zeitraum fallen.
(12) Der Vorrückungsstichtag ist mit Bescheid festzustellen. Die Feststellung soll möglichst gleichzeitig mit der Ernennung des Beamten/der Beamtin vorgenommen werden.
(13) Wird ein Beamter/eine Beamtin in eine der im Abs. 2 Z. 6 angeführten Verwendungsgruppen überstellt, so ist sein Vorrückungsstichtag mit Wirkung vom Tag der Überstellung insoweit zu verbessern, als sich aus der Anwendung des Abs. 2 Z. 5 bis 8 eine Verbesserung für seine/ihre neue Verwendungsgruppe ergibt. Soweit sie in Betracht kommen, sind hiebei die Abs. 7, 8, 10 und 11 anzuwenden.“
[26] 1.4. In folgenden Bestimmungen des Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 sind zumindest Teile des § 256 leg cit betroffen:
1.4.1. § 193 Abs 6 lautet:
„Ergibt sich bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages gemäß § 6 Abs. 1 des Zuweisungsgesetzes, LGBl. Nr. 17/1997 aus der Anrechnung von Vordienstzeiten gemäß § 256 Abs. 1 Z. 3 lit. b (Anmerkung des Gerichts: offenbar gemeint: § 256 Abs. 1 Z. 2 lit. b) für den Vertragsbediensteten/die Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SI ein günstigerer Vorrückungsstichtag, bei Anwendung der Abs. 1 bis 4 aber eine schlechtere Einstufung, so bleibt für den Vertragsbediensteten/die Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SI der bisherige Vorrückungstermin aufrecht.“
1.4.2. § 260 Abs 2 Z 2 lautet:
„die im § 256 Abs. 2 und 5 angeführten Zeiten,
soweit sie für die Ermittlung des Vorrückungsstichtages berücksichtigt wurden,“.
1.4.3. § 260 Abs 3 lautet:
„Die in einem Dienstverhältnis zu einer anderen inländischen Gebietskörperschaft oder bei einer den angeführten Einrichtungen vergleichbaren Einrichtungen nach § 256 Abs. 5 zurückgelegten Zeiten zählen jedoch nicht zur Dienstzeit im Sinne des Abs. 1, wenn sie bei dieser Gebietskörperschaft oder dieser vergleichbaren Einrichtung einen Anspruch auf eine vergleichbare Jubiläumszuwendung bewirkt haben oder für einen künftigen derartigen Anspruch zählen.“
[27] 1.5. Mit derDienstrechts-Novelle 2011 LGBl 2011/74 wurden die Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag an das Urteil des EuGH im Fall Hütter (C‑88/08 ) angepasst. Eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags der Klägerin erfolgte nicht. Die Klägerin hatte auch keinen entsprechenden Antrag gestellt.
[28] Durch diese Novelle traten die Änderung des § 155 Abs 1, des § 256 Abs 1, des § 256 Abs 1a, des § 256 Abs 2 Z 4 lit f, des § 293 Abs 1, die Einfügung des § 293 Abs 2 bis 7 sowie des § 294 Abs 4 bis 9 sowie die Neufassung des § 153 mit 1. 1. 2004 in Kraft (§ 306 Abs 18 angefügt durch Z 124).
1.5.1. § 256 Stmk L‑DBR lautet auszugsweise wie folgt:
„(1) Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass Zeiten nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 12 bis 15 dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:
1. die in Abs. 3 angeführten Zeiten zur Gänze
2. sonstige Zeiten, die
a) die Erfordernisse des Abs. 10 erfüllen, zur Gänze,
b) die Erfordernisse des Abs. 10 oder 11 nicht erfüllen,
aa) bis zu drei Jahren zur Gänze und
bb) bis zu weiteren drei Jahren zur Hälfte.
(2) Das Ausmaß der gemäß Abs. 1 Z 2 lit. b sublit. aa und Abs. 3 Z 6 vorangesetzten Zeiten und der gemäß Abs. 3 Z 4 lit. d vorangesetzten Lehrzeiten darf insgesamt drei Jahre nicht übersteigen. Wurde jedoch
1. eine Ausbildung gemäß Abs. 3 Z 6 abgeschlossen, die auf Grund der jeweiligen schulrechtlichen Vorschriften mehr als zwölf Schulstufen erforderte, so verlängert sich dieser Zeitraum um ein Jahr für jede über zwölf hinausgehende Schulstufe;
2. eine Lehre gemäß Abs. 3 Z 4 lit. d abgeschlossen, die auf Grund der jeweiligen Vorschriften eine Lehrzeit von mehr als 36 Monate erforderte, so verlängert sich dieser Zeitraum um einen Monat für jeden über 36 Monate hinausgehenden Monat der Lehrzeit.
(3) Gemäß Abs. 1 Z 1 sind voranzusetzen:
1. die Zeit, die
a) in einem Dienstverhältnis
aa) zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder zu einem inländischen Gemeindeverband oder
bb) bei der Steiermärkischen Krankenanstalten gesellschaft m.b.H. oder
b) im Lehrberuf
aa) an einer inländischen öffentlichen Schule, Universität oder Hochschule oder
bb) an der Akademie der bildenden Künste oder
cc) an einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten inländischen Privatschule
dd) an einer Pädagogischen Hochschule oder Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik Wien
zurückgelegt worden ist,
…“
1.5.2. Dem § 294 Stmk L‑DBR wurden ua folgende Abs 5 und 10 angefügt:
„(5) Auf Personen, die keinen konkreten Antrag nach Abs. 4 und 6 stellen oder für die gemäß Abs. 4 eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages nicht zu erfolgen hat, sind die §§ 153 und 256 Abs. 1 weiterhin in der am 31. Dezember 2003 geltenden Fassung anzuwenden.
(10) Bei der Berechnung der Dienstzeit gemäß § 260 Abs. 2 Z. 2 ist bei Beamten/Beamtinnen, die am Tag der Kundmachung des Gesetzes LGBl. Nr. 74/2011 in einem Dienstverhältnis zum Land stehen,
1. § 256 Abs. 1 weiterhin in der am 31. Dezember 2003 geltenden Fassung und
2. § 256 Abs. 1a nicht anzuwenden.“
[29] 1.6. Mit der Dienstrechts-Novelle 2014 LGBl 2014/151 trat am 1. 1. 2015 § 256a Stmk L‑DBR in Kraft. Diese Bestimmung regelte ausschließlich den Vorrückungsstichtag für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SI der Entlohnungsgruppe SI/3 und SI/4. Zudem wurde § 280 Abs 1 Stmk L‑DBR neu gefasst. Inhaltlich entfiel darin die Wortfolge „§ 268 Mehrleistungszulage“.
[30] 1.7. Mit der Dienstrechts-Novelle 2018 LGBl 2018/17 wurden auch für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SII/Gesundheitsberufe der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH facheinschlägige Zeiten (Erläuterungen zu LGBl 2018/17, Seite 2) bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags berücksichtigt. Die seit 1. 3. 2018 in Kraft stehende Bestimmung des § 256a Stmk L‑DBR lautet auszugsweise wie folgt:
„(1) Abweichend von § 256 ist bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages zu berücksichtigen:
...
3. für Vertragsbedienstete des Entlohnungsschemas SII/Gesundheitsberufe die Zeit, einer einschlägigen Verwendung in einem Dienstverhältnis, die
a) bei der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H.
b) bei einer Gebietskörperschaft im Inland oder in einem EU Mitgliedstaat und/oder
c) bei einer vergleichbaren privaten stationären, extramuralen oder ambulanten Einrichtung im Inland oder in einem EU Mitgliedstaat
jeweils bis zum Ausmaß von zehn Jahren zurückgelegt worden ist.“
[31] § 294a Abs 3 Stmk L‑DBR sieht vor, dass die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags gemäß § 256a Abs 1 Z 3 Stmk L‑DBR nach ordnungsgemäßer Mitteilung und Nachweis mit Wirksamkeit des nächstfolgenden Monatsersten erfolgt.
2. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen:
[32] 2.1. Gesetze wirken nach § 5 ABGB im Allgemeinen auf abgeschlossene Sachverhalte oder auf vergangene Zeitabschnitte bei Dauerrechtsverhältnissen nicht zurück (9 ObA 64/19f Pkt 3.1. mwN). Sofern es sich aber um Dauertatbestände handelt, ist der in den Zeitraum der Herrschaft der neuen Rechtsnorm herüberreichende Abschnitt des Dauertatbestands nach den Vorschriften des neuen Gesetzes zu beurteilen, falls nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes anordnen (RS0008747; RS0008715 [T7, T19]). Vor allem bei einem Dauerrechtsverhältnis, das vor dem Beginn seines zeitlichen Geltungsbereichs begonnen hat und während seines zeitlichen Geltungsbereichs andauert, ist das neue Gesetz hinsichtlich jener Zeitabschnitte anzuwenden, die auf den Zeitraum nach dem Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs entfallen (9 ObA 8/16s). Die Rückwirkung eines Gesetzes bezieht sich nur auf jene Tatbestände, für die die Rückwirkung ausdrücklich ausgesprochen wird (RS0008694), sodass Rechtsänderungen auf abschließend verwirklichte Sachverhalte nicht zurückwirken, sofern der Gesetzgeber nicht ausdrücklich Gegenteiliges anordnet (RS0008694 [T8]) oder der besondere Charakter einer zwingenden Norm nicht deren rückwirkende Anordnung verlangt (RS0008694 [T4]).
[33] Die hier strittigen Monatsbezüge der Klägerin beruhen auf solchen abschließend verwirklichten Sachverhalten, weil die jeweilige Leistung der Klägerin, für die der jeweilige Monatsbezug gebührt, bereits erbracht wurde. Nach den dargestellten Grundsätzen ist daher die im klagsgegenständlichen Zeitraum jeweils anwendbare Rechtslage für die Bemessung des einzelnen Monatsbezugs heranzuziehen.
[34] 2.2. Im vorliegenden Verfahren geht es zum einen um die Überprüfung von Monatsbezügen, die nach „Altrecht“ zu bemessen waren (§ 256 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 und LGBl 2011/74) und zum anderen um jene, die auf Basisdes § 256a Stmk L‑DBR gebühren. Letztere werden jedoch nicht an den VfGH zur Überprüfung herangetragen.
[35] Von der gegenständlichen Anrufung des VfGH sind ausschließlich jene Vordienstzeiten betroffen, die die Tätigkeit der Klägerin beim R* (903 Tage) und im Sanatorium H* (1.553 Tage) – insgesamt 2.456 Tage – betreffen, die die Beklagte aber zu Beginn des Dienstverhältnisses nicht zur Gänze, sondern lediglich im Ausmaß von eineinhalb Jahren nach § 256 Abs 1 Z 2 lit b Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 für die Berechnung des Vorrückungsstichtags und die Einstufung angerechnet hat. Durch eine weitere Anrechnung von 1.916 Tagen von diesen Vordienstzeiten hätte die Klägerin aufgrund des dadurch besseren Vorrückungsstichtags und der dadurch höheren Einstufung einen höheren Entlohnungsanspruch gegenüber der Beklagten, der von ihr – neben weiteren Ansprüchen – in diesem Verfahren geltend gemacht wird.
3. Zum Anfechtungsumfang:
[36] 3.1. Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des § 62 Abs 1 VfGG zu erfüllen, muss – wie der VfGH bereits in zahlreichen Entscheidungen ausgeführt hat – die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden (VfGH 13. 6. 2005, G 172/04 Pkt II.1. mwN; VfGH 27. 6. 2007, G 24/06 Pkt 3.1.; VfGH 24. 9. 2018, G 196/2018 Pkt 4.). Dabei sind die Grenzen der Aufhebung so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Normteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfGH 1. 10. 2019, G 330/2018 Pkt IV 1.7. mwN).
[37] 3.2. Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsanstrags nicht zu eng gewählt werden darf (VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011).Das antragstellende Gericht hat daher all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des VfGH, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der VfGH die Auffassung des antragstellenden Gerichts teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10. 3. 2015, G 201/2014).
[38] Dagegen macht eine zu weite Fassung des Antrags diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag solche untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmung zur partiellen Zurückweisung des Antrags (s VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007).
[39] 3.3. In Fällen, in denen sich verfassungsrechtliche Bedenken nicht gegen die Verweisung, sondern gegen die verwiesene Norm richten, muss geprüft werden, ob den Bedenken – sofern sie zutreffen – durch Aufhebung der verweisenden oder der verwiesenen Norm Rechnung zu tragen ist. Im Allgemeinen wird dabei mit der Aufhebung der verweisenden Norm vorzugehen sein, weil damit die Bedeutung der verwiesenen Norm in ihrem „eigenen“ Rechtsgebiet oder in anderem Sachzusammenhang unangetastet bleibt (VfGH 13. 10. 2016 G 640/2015, VfGH 28. 2. 2020, G 276/2019 ua).
[40] 3.4. Den Erwägungen zum konkreten Anfechtungsumfang sind hier zunächst die verfassungsrechtlichen Bedenken voranzustellen.
4. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken:
[41] 4.1. Gemäß § 62 Abs 1 VfGG hat der Antrag die gegen die Verfassungsmäßigkeit sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art – präzise ausgebreitet werden, dh dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die jeweils bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (VfGH 12. 6. 2019 G 34/2019 Pkt II.2.1. mwN).
4.2. Unionsrechtliche Vorfrage
[42] 4.2.1. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine Regelung, wonach bei österreichischen Gebietskörperschaften zurückgelegte Vordienstzeiten zur Gänze angerechnet werden, aber eine Anrechnung von bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten einschlägigen Vordienstzeiten ausgeschlossen ist, geeignet, Wanderarbeitnehmer, die bei anderen Arbeitgebern eine einschlägige Berufserfahrung erworben haben oder gerade erwerben, davon abzuhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen (EuGH 5. 12. 2013 Rs C‑514/12 , Salzburger Landeskliniken, Rz 28, 35; 8. 5. 2019 C‑24/17 , Österreichischer Gewerkschaftsbund, Rz 82, 92).
[43] 4.2.2. Nach den im gegenständlichen Fall anzuwendenden Bestimmungen sind die in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder bei der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH zurückgelegten Vordienstzeiten zur Gänze anrechenbar (§ 256 Abs 2 Z 1 lit a) sublit aa) und bb) iVm Abs 1 Z 1 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29). Soweit § 256 Abs 2 leg cit die Berücksichtigung von Dienstzeiten oder Zeiten im Lehrberuf von der Zurücklegung bei einer inländischen Gebietskörperschaft, einer inländischen Schule oder sonst genannten inländischen Einrichtung abhängig macht, sind diese Zeiten auch dann zur Gänze für den Vorrückungsstichtag zu berücksichtigen, wenn sie 1. nach dem 7. 11. 1968 bei einer vergleichbaren Einrichtung eines Staats zurückgelegt worden sind, der oder dessen Rechtsnachfolger nunmehr Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums ist, oder 2. nach dem 31. 12. 1979 bei einer vergleichbaren Einrichtung des Staats zurückgelegt worden sind, mit dem das Assoziierungsabkommen vom 29. 12. 1964, 1229/1964, abgeschlossen worden ist (§ 256 Abs 5 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29). Sonstige Zeiten, die die Erfordernisse des Abs 3 nicht erfüllen – das sind die vom Anfechtungsumfang betroffenen Vordienstzeiten – sind hingegen, soweit sie insgesamt drei Jahre nicht übersteigen, nur zur Hälfte anrechenbar. Zeiten gemäß § 256 Abs 2 Z 1 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, können zwar zur Gänze berücksichtigt werden, aber nur insoweit, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist (§ 256 Abs 6 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29). Auf diese Bestimmung stützt die Klägerin die begehrte Anrechnung ihrer Vordienstzeiten nicht.
[44] 4.2.3. Diese Beschränkungen gelten auch dann, wenn die Arbeitnehmer – wie hier unstrittig die Klägerin als Diplomkrankenschwester beim R* und im Sanatorium H* – gleichartige oder identische (und nicht bloß „schlicht nützliche“) Vordienstzeiten aufzuweisen haben. Sie können Wanderarbeitnehmer daher davon abhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Da dafür auch keine sachliche Rechtfertigung vorliegt (und die Beklagte auch keine Rechtfertigungsgründe vorgebracht hat) verstoßen sie gegen Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (vgl EuGH 5. 12. 2013 C‑514/12 , Salk; EuGH 10. 10. 2019 C‑703/17 , Adelheid Krah/Universität Wien; EuGH 8. 5. 2019 C‑24/17 , Österreichischer Gewerkschaftsbund; vgl auch 9 ObA 40/20b Pkt 3, 4).
[45] 4.2.4. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts sind diese Beschränkungen daher nicht anzuwenden, sodass Wanderarbeitnehmern im Ergebnis gleichartige oder identische Vordienstzeiten jedenfalls zur Gänze anzurechnen sind, unabhängig davon, bei welchen Arbeitgebern diese Vordienstzeiten zurückgelegt wurden.
4.3. Anwendungsbereich des Unionsrechts:
[46] Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts setzt jedoch voraus, dass sich der betroffene Arbeitnehmer auf das Unionsrecht berufen kann. Mangels grenzüberschreitenden Sachverhalts ist der Anwendungsbereich des Unionsrechts dann nicht eröffnet, wenn es um die Anrechnung von in Österreich zurückgelegten Vordienstzeiten inländischer Arbeitnehmer geht (9 ObA 64/19f Pkt 5.3. vom 17. 12. 2019 unter Bezugnahme auf 8 ObA 34/17h Pkt 4.2.; 8 ObA 8/17k Pkt 4.; VwGH 27. 5. 2019 Ra 2017/12/0047 Pkt 17). Solche Arbeitnehmer – wie hier die Klägerin – können sich auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts daher nicht berufen.
4.4. Inländerdiskriminierung:
[47] 4.4.1. Der Umstand, dass sich ein Inländer nicht unmittelbar auf Art 45 AEUV berufen kann, schließt allerdings nicht aus, dass der allfällige Verstoß einer nationalen Regelung gegen das Primärrecht in diesem Fall als Vorfrage für die nach nationalem (Verfassungs‑)Recht zu beurteilende Frage zu prüfen ist, ob ein Inländer durch die weitere Anwendung der nationalen Regelung faktisch schlechter behandelt werden darf als ein EU‑Ausländer, der sich auf die Nichtanwendbarkeit berufen kann (4 Ob 145/14y Pkt 4.1. ff; vgl 4 Ob 200/14m Pkt 4.4.; 9 ObA 64/19f Pkt 5.4.1. vom 17. 12. 2019; 9 ObA 65/19b Pkt 5.4.1. vom 17. 12. 2019).
[48] 4.4.2. Im vorliegenden Fall führt der Anwendungsvorrang des Unionsrechts dazu, dass in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug (Wander-)Arbeitnehmern sämtliche einschlägige Vordienstzeiten zur Gänze und ohne quantitative (§ 256 Abs 1 Z 2 lit b Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29) oder formale (§ 256 Abs 6 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29) Einschränkungen anzurechnen waren; inländischen Arbeitnehmern wurden demgegenüber die genannten Einschränkungen aufgebürdet. Aus diesem Grund scheint § 256 Abs 1 Z 2 lit b Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 Sachverhalte ohne Unionsbezug im Verhältnis zu jenen mit einem solchen Bezug zu diskriminieren.
[49] 4.4.3. Nach österreichischem Verfassungsrecht kann der Gesetzgeber zwar zwischen Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, einerseits und sonstigen Zeiten andererseits unterscheiden (VfGH 18. 6. 2010 B 1427/08 Pkt 3.2., VfSlg 19.110). Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn bestimmten Arbeitnehmern aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts solche sonstigen Zeiten unterschiedslos anzurechnen sind. Eine solche Inländerdiskriminierung wird nach ständiger Rechtsprechung des VfGH am Gleichheitssatz gemessen und bedarf daher einer sachlichen Rechtfertigung, und zwar selbst dann, wenn – wie hier – erst der Anwendungsvorrang des Unionsrechts die Differenzierung zwischen Binnen- und Unionssachverhalten erkennen lässt (VfGH 1. 3. 2004 G 110/03 Pkt II.2.1. ff, VfSlg 17.150).
[50] 4.4.4. Im österreichischen Recht widerspricht es im Regelfall dem Gleichheitsgrundsatz, österreichische Staatsbürger gegenüber Ausländern ohne sachliche Rechtfertigung zu benachteiligen (VfGH 7. 10. 1997 V 76/97 und V 92/97, Pkt II.3.c) bb), VfSlg 14.963). Wenn es dabei auch nicht um Diskriminierungen nach dem Kriterium der Staatsbürgerschaft geht, sondern um die Benachteiligung rein innerstaatlicher Sachverhalte gegenüber Sachverhalten mit Unionsbezug, so sind inländische Staatsbürger davon doch meist besonders betroffen (VfGH 1. 3. 2004 G 110/03 Pkt II.2.1., VfSlg 17.150). Darüber hinaus werden auch österreichische Staatsbürger untereinander ungleich behandelt, nämlich Wanderarbeitnehmer mit österreichischer Staatsbürgerschaft (die etwa im Ausland Vordienstzeiten erworben haben, die sie nach Unionsrecht angerechnet erhalten) im Vergleich zu sonstigen österreichischen Arbeitnehmern, bei denen kein Auslandsbezug vorliegt.
4.5. Sachliche Rechtfertigung:
[51] Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist nicht zu erkennen. Dies gilt sowohl für die quantitative Begrenzung der Anrechnung (§ 256 Abs 1 Z 2 lit b Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29) als auch für die im Ermessen der Beklagten stehende Anrechnung von Vordienstzeiten unter der im Vergleich zur Anrechnung von Zeiten nach § 256 Abs 2 Z 1 lit a) sublit aa) und bb) Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 strengeren Voraussetzung, dass diese Tätigkeit für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung sein muss (§ 256 Abs 6 Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29) (vgl EuGH 30. 11. 2000, Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft öffentlicher Dienst, C‑195/98 , Rn 44).
[52] 4.6. Aus den dargelegten Gründen hegt der Senat Bedenken gegen die Anwendung der Bestimmung des § 256 Abs 1 Z 2 leg cit wegen Verstoßes gegen Art 7 B‑VG und Art 2 StGG.
5. Antrag:
[53] 5.1. Die Bedenken richten sich danach zwar gegen die verwiesene Norm. Im Sinn der Rechtsprechung des VfGH (s Pkt 3.3.) könnte sie – und § 256 leg cit in seiner Gesamtheit – dennoch unangetastet bleiben, wenn den Bedenken bereits mit der Aufhebung der verweisenden Norm (§ 190 bzw die entsprechende Wortfolge in § 280 Abs 1 leg cit) Rechnung getragen werden kann. Dafür könnte sprechen, dass die verweisende Norm klar von der verwiesenen Norm abgrenzbar ist. Die verwiesene Norm selbst könnte im komplexen Gesamtgefüge des § 256 leg cit im untrennbaren Zusammenhang mit dessen weiteren Regelungen gesehen werden. Auch könnte schon der Entfall der in § 256 Abs 1 Z 2 lit b enthaltenen Anrechnungsbeschränkung als Ursache einer erheblichen inhaltlichen Änderung des Vorrückungsstichtagssystems erachtet werden (s sogleich), sodass mit dem Entfall der verweisenden Norm in weniger invasiver Weise in die Rechtslage eingegriffen würde. Der Hauptantrag ist daher auf die Erklärung der Verfassungswidrigkeit der verweisenden Norm beschränkt.
[54] 5.2. Mit den beiden Eventualanträgen soll dem Fall Rechnung getragen werden, dass dieser Anfechtungsumfang vom VfGH als zu eng erachtet wird.
[55] 5.2.1. Dafür ist zunächst von der Beschränkung des § 256 Abs 1 Z 2 lit b) leg cit („soweit sie insgesamt drei Jahre nicht übersteigen, zur Hälfte“) auszugehen. Der verbleibende Teil der Bestimmung wäre diesfalls (ergänzend) dahin auszulegen, dass die die Erfordernisse des § 256 Abs 3 Stmk L‑DBR nicht erfüllenden sonstigen Zeiten mangels Einschränkung ebenfalls zur Gänze anzurechnen sind. Dieses Ergebnis wäre auch – sprachlich klarer – durch das auf § 256 Abs 1 Z 2 lit a und lit b leg cit bezogene Eventualbegehren zu erreichen. Jeweilige Folge wäre die gänzliche Berücksichtigung sämtlicher sonstiger Zeiten.
[56] Der VfGH hat bereits ausgeführt, dass damit (zB) die Bestimmungen des § 256 Abs 1 Z 1 sowie Abs 2 und 6 leg cit in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (Beschluss vom 25. 6. 2021, G 100/2021 Rz 21). Diese Bestimmungen sind daher im Sinne seiner Rechtsprechung jeweils mitzuerfassen (erster Eventualantrag). Die Folge wäre (ua), dass die in Abs 2 angeführten Zeiten nicht mehr zu berücksichtigen wären, worin eine Systemverwerfung gesehen werden könnte. Die Antragstellung Punkt 2. lit d erfolgt vorsichtshalber, weil diese Regelungen als in untrennbarem Zusammenhang mit den angefochtenen Bestimmungen Punkt 2. lit b bzw lit c stehend angesehen werden könnten.
[57] 5.2.2. Von diesem untrennbaren Zusammenhang ausgehend sind auch § 256 Abs 2 leg cit, der die gemäß Abs 1 Z 1 voranzusetzenden Zeiten auflistet, die Abs 3 und 4, die die nach Abs 2 Z 8 anrechenbaren Studienzeiten begrenzen, und Abs 5 (Berücksichtigung von Dienstzeiten bei gleichgestellten Rechtsträgern) nicht davon zu trennen. In untrennbarem Zusammenhang damit stehen aber auch die Abs 7 (Ausschluss einer Voransetzung nach Abs 1) und Abs 8 (Nachsicht vom Ausschluss) sowie die bezughabenden Bestimmungen des Abs 10, Abs 11 und Abs 13 und nicht zuletzt Abs 12, weil mit dem Wegfall der genannten Bestimmungen eine bescheidmäßige Festsetzung des Vorrückungsstichtags nach dieser Bestimmung ins Leere ginge. Der zweite Eventualantrag ist daher auf eine Aufhebung der verweisenden Norm und des § 256 leg cit in seiner Gesamtheit gerichtet. Die Antragstellung Punkt 3. lit b erfolgt ebenfalls vorsichtshalber, weil diese Regelungen als in untrennbarem Zusammenhang mit den angefochtenen Bestimmungen Punkt 3. lit a stehend angesehen werden könnten.
[58] In diesem Fall wäre auf die Klägerin die Vorrückungsstichtagsregelung des § 155 (iVm § 190 Abs 2) Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 anwendbar.
[59] 6. Da im gegenständlichen Verfahren § 256 Abs 1 Z 2 lit b) Stmk L‑DBR idF LGBl 2003/29 präjudiziell ist, diese Bestimmung aber aus den oben dargelegten Gründen unionsrechtswidrig und verfassungswidrig erscheint, soweit vergleichbare Vordienstzeiten bei anderen Dienstgebern als einer inländischen Gebietskörperschaft, der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH oder vergleichbaren Einrichtungen erworben wurden, diese Zeiten aber, soweit sie drei Jahre übersteigen, nur bis zur Hälfte angerechnet werden, war mit dem vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag die Frage der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Bestimmung(en) an den VfGH heranzutragen.
[60] 7. Die Anordnung der Innehaltung des Verfahrens beruht auf § 62 Abs 3 VfGG.
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