European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00067.21T.1022.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger begehrt laufendes Entgelt aus einem zur Beklagten, einer internationalen Organisation, bestehenden Dienstverhältnis. Die am 5. 12. 2017 von der Beklagten ausgesprochene Dienstgeberkündigung sei rechtsunwirksam gewesen.
[2] Das Erstgericht wies die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück.
[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
[4] In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs argumentiert der Kläger, es bestehe noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu, ob internationale Organisationen auch dann absolute Immunität genießen, wenn sie intern keine „angemessenen“ Streitbeilegungsmechanismen vorsehen, sowie zur „Unverhältnismäßigkeit“ des Beschwerdeverfahrens der Beklagten.
[5] Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO wird damit nicht aufgezeigt.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Oberste Gerichtshof hat die im Rechtsmittel angesprochenen Rechtsfragen bereits in der schon vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 9 ObA 56/21g behandelt. In diesem Verfahren hatte die auch hier klagende Partei die Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses begehrt und eventualiter eine Kündigungsanfechtung erhoben.
[7] Der Oberste Gerichtshof ist in der genannten Entscheidung insbesondere auch auf die Frage der Bedeutung eines organisationsinternen Beschwerdeverfahrens (vgl das Zitat in VfGH SV1/2019 ua) im Sinn des Art 13 EMRK iVm Art 6 Abs 1 EMRK eingegangen und hat festgehalten (Rn 12, 14, 15):
„In der Rechtsprechung wurde bereits mehrfach ausgeführt, dass sich die Befreiung internationaler Organisationen und ihrer Vermögen von nationaler Gerichtsbarkeit (Immunität) regelmäßig aus den einschlägigen internationalen Abkommen oder den zwischen ihnen und der Republik geschlossenen Abkommen (Amtssitzabkommen) ergibt. Auf diese Weise sollen die internationalen Organisationen vor Eingriffen und Einflussnahmen durch die Organe einzelner Staaten geschützt werden (s RS0045442). Internationale Organisationen genießen weitergehende Vorrechte als fremde Staaten. Während ausländische Staaten nach innerstaatlichem Recht und herrschendem Völkerrecht nur für hoheitliches Handeln, nicht jedoch im Rahmen ihrer Eigenschaft als Privatrechtsträger Immunität genießen, ist die Immunität internationaler Organisationen im Rahmen ihrer funktionellen Beschränkung grundsätzlich als absolut anzusehen (s RS0046275). (...)
Für seine Rechtsansicht eines fehlenden angemessenen anderweitigen Mittels und mangelnder Verhältnismäßigkeit einer Beschränkung des Zugangs zu Gericht bezieht sich der Kläger auch auf das Urteil des EGMR vom 18. 2. 1999, Waite & Kennedy vs Germany, Bsw 26083/94 (Beer & Regan vs Germany, Bsw 28934/95). Darin wurde ausgesprochen, dass eine Beschränkung des Zugangs zu einem Gericht dann nicht mit Art 6 Abs 1 EMRK vereinbar ist, wenn sie nicht ein legitimes Ziel verfolgt und die verwendeten Mittel zum angestrebten Ziel nicht in einem vernünftigen Verhältnis stehen, wofür entscheidend ist, ob dem Beschwerdeführer eine vernünftige Alternative für die wirksame Durchsetzung seiner Rechte zur Verfügung stand.
Wie in 9 ObA 73/16z dargelegt, geht aber selbst daraus nicht hervor, dass ein staatliches Gericht unter Missachtung des Legalitätsprinzips die Immunität einer internationalen Organisation außer Acht zu lassen hätte. Derartiges ist auch aus der Entscheidung des EGMR vom 6. 1. 2015, Perez gg Deutschland, Bsw 215521/08, nicht ableitbar. Vielmehr wurde in der Rechtsprechung weiter ausgeführt, dass das Einräumen von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen grundsätzlich legitime Ziele verfolgt und auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht dazu führen kann, eine internationale Organisation zu zwingen, sich der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen (8 Ob 53/17b unter Verweis auf EGMR 18. 2. 1999, Bsw 26083/94; vgl auch EGMR 6. 1. 2015, Bsw 415/07). Einschränkend erinnerte auch der EGMR in seiner Entscheidung vom 5. 2. 2019, Bsw 16874/12 (...) daran, dass die Vereinbarkeit der Gewährung von Immunität gegenüber der Gerichtsbarkeit mit Art 6 Abs 1 EMRK nicht von der Existenz angemessener Alternativen zur Lösung der Streitigkeiten abhängt (...). Diese Rechtsprechung kann im vorliegenden Fall, in dem das Personalstatut der Beklagten ein organisationsinternes Beschwerdeverfahren vorsieht, mit dem die Beschränkung des Zugangs zu Gericht angesichts der dargelegten Bedeutung der Immunität einer internationalen Organisation wie der Beklagten auch nicht unverhältnismäßig erscheint, zu keiner anderen Beurteilung führen.“
[8] Ausgehend von den Grundsätzen der Entscheidung 9 ObA 56/21g vermögen die Revisionsausführungen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO darzustellen. Der im Revisionsrekurs hervorgehobene Umstand, dass die Immunität der Beklagten nach Art 9 und 10 des Amtssitzabkommens (ohnehin) auch die Durchsetzung jeder gerichtlichen Entscheidung im nationalen Exekutionsverfahren ausschließen würde, vermag die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts in der Sache nicht zu begründen.
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