OGH 1Ob141/21y

OGH1Ob141/21y7.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin und gefährdeten Partei S*****, vertreten durch Dr. Karl Claus und Mag. Dieter Berthold, Rechtsanwälte in Mistelbach, gegen den Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei Mag. F*****, vertreten durch die Goldsteiner Rechtsanwalt GmbH, Wiener Neustadt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sowie wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit b EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 13. März 2021, GZ 20 R 308/20i-173, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 22. Oktober 2020, GZ 11 Fam 35/15m-164, bestätigt wurde, sowie über ihren Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 13. März 2021, GZ 20 R 309/20m-174, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 22. Oktober 2020, GZ 11 Fam 35/15m-165, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00141.21Y.0907.000

 

Spruch:

I. Der gegen die Abweisung des Antrags auf vorläufige Regelung der Benützung der Ehewohnung gerichtete Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO (iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO) zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

II. Der im Aufteilungsverfahren in der Hauptsache erhobene Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die „Ergänzung“ der Antragstellerin zu ihrem Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

 

Begründung:

[1] I. Zum Provisorialverfahren:

Rechtliche Beurteilung

[2] 1. Die Zurückweisung eines außerordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage bedarf

keiner Begründung (§§ 402 Abs 4, 78 EO iVm §§ 528a und 510 Abs 3 ZPO).

[3] 2. Der Antragsgegner hat die

Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen, weil ihm deren Einbringung nicht freigestellt wurde und eine vor Freistellung eingebrachte Rechtsmittelbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dient (RIS‑Justiz RS0124792).

[4] II. Zum Hauptverfahren:

[5] 1. Das Rechtsmittel der Frau, das (neuerlich) sprachlich und inhaltlich teilweise schwer verständlich ist und nicht der Anordnung des § 65 Abs 3 Z 4 AußStrG entspricht, wonach ohne Weitläufigkeiten darzulegen ist, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig erscheint, ist zurückzuweisen, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG angesprochen wird. Der Zurückweisungsbeschluss kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[6] 2. Die behaupteten Mängel des Verfahrens zweiter Instanz wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG). Vom Rekursgericht verneinte erstinstanzliche Verfahrensmängel können, sofern sie (wie hier) nicht unter § 66 Abs 1Z 1 AußStrG fallen, im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden (RS0030748 [T5, T15]). Die „Verfahrensrüge“ enthält auch umfangreiche Ausführungen zur Beweiswürdigung, auf die nicht einzugehen ist, weil der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist (vgl RS0007236 [T2]).

[7] 3.1. In ihrer Rechtsrüge wendet sich die Frau dagegen, dass ihr 50%iger Miteigentumsanteil an der Liegenschaft mit dem als Ehewohnung genutzten Haus dem Mann übertragen wurde. Der Fachsenat legte dazu in seinem im vorangegangenen Rechtsgang zu 1 Ob 164/19b gefassten Aufhebungsbeschluss dar, dass es im Allgemeinen der Billigkeit entspricht, die Ehewohnung – wenn die Beiträge der Ehegatten zum Aufteilungsvermögen iSd § 83 EheG gleichgewichtig sind – demjenigen Ehepartner zu überlassen, der darauf im Einzelfall (RS0057621 [T3]) eher angewiesen ist (RS0057733; RS0057621 [T2]). Daraus kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass bei unterschiedlich hohen Beiträgen die Zuweisung an den weniger Beitragenden nicht in Betracht käme. Vielmehr sind auch die jeder Partei zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses sonst zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (RS0057952) zu berücksichtigen; ebenso das Wohl der nicht selbsterhaltungsfähigen Kinder (vgl RS0057918).

[8] 3.2. Da die Frau das Haus mit der Ehewohnung seit 2018 nicht mehr benutzt, obwohl sie dazu – aufgrund einer mit dem Mann getroffenen Vereinbarung – für jeweils sechs Monate pro Jahr berechtigt gewesen wäre, sondern gemeinsam mit der (jüngeren) Tochter bei ihrem nunmehrigen Lebenspartner in dessen Einfamilienhaus wohnt und daher davon auszugehen sei, dass sie keinen Wert mehr darauf legt, selbst im Haus zu leben, sei sie auf das eheliche Haus weniger angewiesen als der Mann und der (ältere) Sohn, die mit der neuen Partnerin des Mannes (und deren gemeinsamem Kind) in der Ehewohnung leben und über keine andere Wohnmöglichkeit verfügen.

[9] 3.3. Die Revisionsrekurswerberin setzt sich mit dieser Argumentation nur am Rande auseinander und legt insbesondere nicht dar, warum sie, obwohl sie seit Jahren mit der Tochter bei ihrem neuen Partner wohnt, mehr (oder zumindest im gleichen Maß) auf das eheliche Haus angewiesen sein sollte, als der Mann, der gemeinsame Sohn sowie das jüngste Kind des Mannes (vgl dazu 6 Ob 603/91 mwN). Sie zeigt daher schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Soweit die Rechtsmittelwerberin mangelnde Feststellungen zu ihrem fehlenden Interesse, das Haus mit der Ehewohnung selbst zu benützen, behauptet, übersieht sie, dass es sich bei den Feststellungen zu ihrer Wohnmöglichkeit um eine – vom Vorbringen des Mannes zu ihrem fehlenden Wohnbedürfnis umfasste – Tatsachenfeststellung handelt und diese zusammen mit den Feststellungen zur Wohnsituation des Mannes eine ausreichende Sachverhaltsbasis bildet. Auf einen vom objektiven Bedarf allenfalls abweichenden inneren Wunsch kommt es rechtlich nicht an.

[10] 3.4. Wenn der Fachsenat in dem zu 1 Ob 164/19b ergangenen Aufhebungsbeschluss davon ausging, dass allein daraus, dass die Frau mit der Tochter bei ihrem neuen Partner wohnt, nicht zwingend darauf zu schließen sei, dass sie in Zukunft weniger auf das Haus mit der Ehewohnung angewiesen sein könnte, als der Mann und der bei ihm wohnende Sohn, so lagen dieser Beurteilung noch weitgehend ungeklärte Wohnverhältnisse der Beteiligten zugrunde. Nach der vom Erstgericht vorgenommenen Sachverhaltsergänzung steht nunmehr fest, dass der Mann über keine Ersatzwohnung verfügt, sondern sich jeweils für die Zeit, in der er – aufgrund der mit der Frau getroffenen Vereinbarung – das eheliche Haus nicht benutzen durfte, Ersatzwohnungen anmieten musste, wohingegen die Frau seit Jahren bei ihrem neuen Partner (zuletzt in dessen Einfamilienhaus) wohnt. Dass die Vorinstanzen die Liegenschaft mit der Ehewohnung dem Mann überließen, begründet daher – zumal diese auch der Wohnversorgung des jüngsten (aus der Beziehung mit seiner neuen Partnerin stammenden) Kindes des Mannes dient (vgl RS0057756 = 6 Ob 603/91) – keine Überschreitung des dabei bestehenden Entscheidungsspielraums. Dass die Mitbenutzung des Einfamilienhauses des nunmehrigen Partners der Revisionsrekurswerberin bloß – wie sie nun behauptet – auf der Rechtsgrundlage eines Präkariums erfolge, steht der Einschätzung, dass sie (mit der Tochter) weniger dringend auf das eheliche Haus angewiesen ist, als der Mann (und die bei ihm lebenden Kinder), nicht entgegen. Soweit die Rechtsmittelwerberin Feststellungsmängel zur „Wohnsituation“ des Mannes behauptet, legt sie nicht dar, worin diese konkret bestehen sollen. Dass dieser über keine andere Wohnmöglichkeit verfügt, steht ohnehin fest. Warum es zu seinem Nachteil gereichen sollte, dass seine derzeitige Partnerin über keine eigene Unterkunft mehr verfügt, ist aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableitbar. Feststellungen zur Größe und Aufteilung der Zimmer im ehelichen Haus sind für die rechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung.

[11] 3.5. Bei der Entscheidung über die Zuweisung der Ehewohnung kann es zwar in einigen Fällen auch eine Rolle spielen, wer diese (weit) überwiegend mit nicht der Aufteilung unterliegendem Vermögen finanziert hat (vgl 1 Ob 147/18a; 1 Ob 164/19b). Da es für die Zuweisungsentscheidung vor allem auf den jeweiligen Wohnbedarf der Ehegatten ankommt (vgl auch 5 Ob 52/87), kommt diesem Kriterium aber keine entscheidende Bedeutung zu, wenn – wie hier – ein Ehegatte dringender auf die Wohnung angewiesen ist als der andere. Es würde dem Gebot der Billigkeit widersprechen, den ohnehin durch eine „wertverfolgende Berücksichtigung“ (dazu 4.1.) geschützten Vermögensinteressen des die Ehewohnung überwiegend mit nicht der Aufteilung unterliegendem Vermögen finanzierenden Ehegatten per se einen Vorrang vor dem überwiegenden Wohnbedürfnis des anderen Ehegatten einzuräumen.

[12] 3.6. Anhaltspunkte dafür, dass der Mann nicht in der Lage wäre, die für die Überlassung des Hauses mit der Ehewohnung zu leistende Ausgleichszahlung aufzubringen, bestehen nicht. Warum es für dessen Zuweisung eine Rolle spielen sollte, dass der Mann der Frau das Haus ab September 2019 („aufgrund der Rekursentscheidung“) nicht mehr überließ, wird im Rechtsmittel nicht näher dargelegt. Die Revisionsrekurswerberin behauptet auch gar nicht, dass sie dieses seitdem selbst nutzen wollte.

[13] 4.1. Die weitere Argumentation der Rechtsrüge betrifft die Höhe der nach Ansicht der Revisionsrekurswerberin zu gering bemessenen Ausgleichszahlung. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats sind voreheliche Beiträge der Streitteile, die in der die Aufteilungsmasse bildenden Liegenschaft aufgegangen sind, wertverfolgend zu berücksichtigen (RS0057490), indem sie vor Aufteilung des Vermögens rechnerisch von diesem abgezogen und dem betreffenden Ehegatten wertmäßig zugewiesen werden (RS0057478 [T4]). Es kommt dabei nicht auf den seinerzeitigen Wert des so Eingebrachten an, sondern darauf, inwieweit die betreffende Leistung wertmäßig im betreffenden Vermögensgegenstand fortwirkt (RS0057478 [T5]; RS0057490 [T5]), weshalb der Wert des geschenkten oder eingebrachten Vermögens zum Verkehrswert der Liegenschaft im Zeitpunkt des Erwerbs ins Verhältnis zu setzen und daraus die wertmäßige „Einbringungsquote“ zu ermitteln ist (1 Ob 164/19b mwN).

[14] 4.2. Die Rekursentscheidung beruht auf dieser Judikatur. Die Rechtsmittelwerberin zeigt auch dazu keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Die von ihr behaupteten „Einbringungsquoten“ beider Ehegatten weichen von jenen, die das Rekursgericht seiner Entscheidung zugrundelegte, ab, ohne dass dies näher begründet wird. Soweit die Revisionsrekurswerberin ihrer Berechnung offenbar einen Kaufpreis für die eheliche Liegenschaft von 220.000 EUR sowie zu dessen Finanzierung aufgewendetes eigenes voreheliches Vermögen in Höhe von 160.000 EUR (sowie derart von ihr finanzierte Sanierungs- und Vertragserrichtungskosten von insgesamt 22.500 EUR) zugrundelegt, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach der Kaufpreis 160.000 EUR betrug und davon 120.906 EUR aus dem vorehelichen Vermögen der Frau stammten. Die Rechtsrüge ist daher insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043603 [T18 zum Aufteilungsverfahren]).

[15] 5. Die „Ergänzung“ der Antragstellerin zu ihrem Revisionsrekurs ist zurückzuweisen, weil jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift zusteht. Weitere Äußerungen dazu sind nicht vorgesehen (RS0041666).

[16] 6. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass bereits das Erstgericht die Entscheidung über die Kosten bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache vorbehielt (§ 78 Abs 1 zweiter Satz AußStrG).

Stichworte