European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00091.21X.0803.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrte vom Beklagten 14.536,44 EUR sA aus dem Titel der Bereicherung bzw der Geschäftsführung ohne Auftrag. In der Tagsatzung vom 20. 7. 2020 verkündete das Erstgerichtden Schluss der Verhandlung. Mit Teilurteil vom 30. 9. 2020, ON 69, wies es in der Folge das Klagebegehren im Umfang von 9.348,37 EUR sA ab.
[2] Mit einem in das Teilurteil aufgenommenen Beschluss ordnete das Erstgericht hinsichtlich des Betrags von 5.188,07 EUR sA die Wiedereröffnung des Verfahrens an. Gegen das Teilurteil wurde kein Rechtsmittel erhoben. Mit Endurteil vom 28. 12. 2020, ON 79, wies das Erstgericht auch die restliche Klagsforderung von 5.188,07 EUR sA ab.
[3] Zusammen mit der Berufung erhob die Klägerin Rekurs gegen den Beschluss vom 30. 9. 2020, mit dem das Verfahren teilweise wiedereröffnet wurde. Dieser Rekurs wurde vom Rekursgericht zurückgewiesen, das Berufungsverfahren wurde bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rekurs unterbrochen. Der Beschluss über die Wiedereröffnung sei nicht abgesondert anfechtbar. Damit könne ein Rekurs mit der nächstanfechtbaren Entscheidung verbunden werden. Es könne mit der Anfechtung aber auch bis zur Endentscheidung zugewartet werden. Ein Rekurs müsse aber jedenfalls mit einer – nächstmöglichen – Berufung verbunden werden, damit im vorliegenden Fall mit einer Berufung gegen das Teilurteil. Allein dass die Klägerin gegen das klagsabweisende Teilurteil keine Berufung habe erheben wollen, ändere daran nichts, weil zu diesem Zeitpunkt jedenfalls ein selbständiger Rekurs möglich gewesen wäre. Der Rekurs sei daher als verspätet zurückzuweisen.
[4] Der Revisionsrekurs wurde vom Rekursgericht zugelassen, weil zur Frage, ob ein nicht abgesondert anfechtbarer, aber gleichzeitig mit einem Teilurteil ergangener Beschluss auf Wiedereröffnung der Verhandlung auch erst mit dem in der Folge ergehenden Endurteil angefochten werden könne, soweit überblickbar keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
[5] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach sowie das Endurteil ersatzlos zu beheben und die Rechtssache zur neuerlichen Endentscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. In eventu wird beantragt, den Beschluss des Rekursgerichts zu beheben und die Rechtssache an dieses zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
[6] Der Beklagte beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.
[7] Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[8] 1. Der Wiedereröffnungsbeschluss ist ebenso wie die in § 194 ZPO an sich nicht vorgesehene Abweisung der Wiedereröffnung nicht abgesondert anfechtbar (10 ObS 166/03i; 7 Ob 303/00k; Höllwerth in Fasching/Konecny 3 § 194 Rz 13 mwN). Im Fall eines aufgeschobenen Rekurses kann die Partei ihre „Beschwerde“ gegen den Beschluss gemäß § 515 ZPO mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel zur Geltung bringen. Das Rechtsmittel bleibt aber in jedem Fall ein Rekurs, auch wenn es mit einer Berufung einzubringen ist (RIS‑Justiz RS0108617 [T4]).
[9] 2. Bei Verbindung des Rekurses mit der nächstfolgenden anfechtbaren Entscheidung richtet sich die Rechtsmittelfrist danach, mit welchem Rechtsmittel der Rekurs verbunden wird (10 ObS 166/03i; 5 Ob 21/97t).
[10] 3. Die Vorschrift des § 515 ZPO soll bei grundsätzlichem Bestehenbleiben der Anfechtungsmöglichkeit eine Prozessverzögerung dadurch verhüten, dass der Rekurs erst erhoben werden darf, wenn eine weitere Entscheidung zulässigerweise angefochten wird. Mit dem Sonderfall, dass die durch den Beschluss beschwerte Partei gegen das als nächste Entscheidung folgende Urteil mangels Beschwer kein Rechtsmittel erheben kann, beschäftigt sich das Gesetz nicht. Die Lösung liegt darin, dass ein bis zur nächstfolgenden anfechtbaren Entscheidung aufgeschobener Rekurs auch selbständig überreicht werden kann, wenn infolge Abschlusses der Hauptsache eine weitere anfechtbare Entscheidung nicht mehr erfließen kann. Ebenso ist der Fall zu beurteilen, dass die Partei, weil sie in erster Instanz obsiegt hat, gegen das Urteil kein Rechtsmittel hat. Auch hier beginnt nach der Rechtsprechung die Frist für den aufgeschobenen Rekurs mit der Zustellung des Urteils. Dieses Ergebnis ist auch sachgemäß, weil durch den nunmehr zu erhebenden Rekurs das Verfahren nicht mehr verzögert werden kann. Darüber hinaus ist aber dann die Rekurserhebung, wenn sie überhaupt geschehen soll, auch notwendig, weil spätestens bei der Überprüfung des Urteils auch diejenigen Beschlüsse überprüft werden müssen, welche in dem dem Urteil vorausgegangenen Verfahren erlassen wurden (8 Ob 581/86 mwN).
[11] Ein aufgeschobener Rekurs kann daher dann selbständig überreicht werden, wenn infolge des vorherigen Abschlusses der Hauptsache eine weitere anfechtbare Entscheidung nicht ergehen kann (RS0035518; Sloboda in Fasching/Konecny 3 § 515 Rz 24). In diesem Fall ist die vierzehntägige Rekursfrist einzuhalten.
[12] 4. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht über einen Teil des Klagebegehrens mit Teilurteil abgesprochen, hinsichtlich des anderen Teils des Klagebegehrens das Verfahren wiedereröffnet. Das bedeutet aber, dass hinsichtlich des Teils des Klagebegehrens, der vom Wiedereröffnungsbeschluss betroffen war, das Verfahren gerade nicht abgeschlossen war und eine Verbindung des Rekurses gegen diesen Beschluss mit einer nachfolgenden anfechtbaren Entscheidung noch möglich war. In einem solchen Fall ist daher entgegen der Ansicht des Rekursgerichts eine abgesonderte Anfechtung vorweg nicht möglich. Damit konnte der Rekurs aber zulässigerweise mit der Berufung gegen das Endurteil verbunden werden und ist damit rechtzeitig.
[13] 5. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über den Rekurs an das Rekursgericht zurückzuverweisen.
[14] 6. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.
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