OGH 1Ob22/21y

OGH1Ob22/21y21.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H***** S*****, vertreten durch Dr. Gerit Katrin Jantschgi, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Wassergenossenschaft U*****, vertreten durch Dr. Mario Petutschnig, Rechtsanwalt in Villach, wegen 73.029,29 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 4.958,42 EUR sA), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. November 2020, GZ 2 R 106/20f‑156, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 8. Juni 2020, GZ 25 Cg 14/14i‑147, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00022.21Y.0721.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts teilweise ab und bejahte die Haftung der Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Schaden, der im Wesentlichen daraus resultierte, dass er wegen des von der Beklagten zur Verfügung gestellten aggressiv-korrosiven Trinkwassers die Verrohrung seines Hauses, die bei dessen Errichtung dem Stand der Technik entsprochen hat, frühzeitig erneuern musste. Die Bestimmung des § 26 Abs 1 WRG verweise für den Ersatz des Schadens, der aus dem Bestand oder dem Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage entstehe, auf die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Bestimmungen der §§ 1293 ff ABGB. Die Beklagte habe die im Bewilligungsbescheid des Jahres 1957 erteilte Auflage zur Ausgestaltung der Entsäuerungskammer nicht erfüllt und damit rechtswidrig gehandelt. Dieser Umstand sei kausal dafür gewesen, dass das Wasserleitungssystem des Klägers vorzeitig Schaden genommen habe. Es verneinte wie das Erstgericht eine Verjährung des geltend gemachten Anspruchs und bestimmte die Schadenshöhe gemäß § 273 ZPO mit 4.958,42 EUR.

[2] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen kann.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der von der Beklagten zitierten Entscheidung zu 1 Ob 2304/96x (RIS‑Justiz RS0106743) betont, dass § 26 Abs 1 WRG nur ganz allgemein auf das Schadenersatzrecht des ABGB verweist und andere Anspruchsgrundlagen nicht ausschließt. Dass „eine Abfrage des Rechtsinformationssystems des Bundes zu den Suchargumenten ′Rechtssätze′ sowie ′Entscheidungstexte′ und dem Suchwort ′Schutzzweck′ sowie der ′Norm WRG § 26 Abs 1′ keine Treffer“ ergab, wie die Beklagte unter Verweis auf fehlende Rechtsprechung zum Schutzzweck dieser Norm meint, vermag keine Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO zu begründen. Die Revisionswerberin stellt zwar in Frage, ob sich die mit dieser Norm angeordnete Haftung für den Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage auch auf das mit Hilfe einer solchen Anlage hergestellte Produkt erstrecken soll. Gegen eine Haftung nach allgemeinen Schadenersatzrecht führt sie aber – mit Ausnahme eines vermeintlichen Haftungsausschlusses (dazu unten Punkt 2.2) – nichts ins Treffen.

[4] 2.1 Der Umstand, dass es sich bei der beklagten Wassergenossenschaft um eine Körperschaft öffentlichen Rechts handelt, stand nie in Zweifel (vgl dazu nur 1 Ob 27/76 = SZ 49/162). Der zur Bildung einer solchen Körperschaft erforderliche Bescheid der Wasserrechtsbehörde schließt die Genehmigung der Satzung in sich (§ 74 Abs 2 WRG), die ab deren bescheidförmiger Anerkennung durch die Verwaltungsbehörde eine öffentlich-rechtliche Rechtsquelle darstellt. Satzungen von Genossenschaften sind gemäß § 6 ABGB – also wie generelle Normen – auszulegen (VwGH 26. 6. 2012, 2012/07/0045).

[5] 2.2 Der in den Feststellungen des Erstgerichts erwähnte Anhang I zur Satzung betrifft die Überwachung der Wasserabgabe und die Herstellung von Einzelanschlüssen und sieht vor, dass fehlerhafte oder nicht vorschriftsgemäße Anlagen auf Verlangen des Ausschusses sofort umzuändern sind. Richtig ist, dass der Ausschuss (der beklagten Genossenschaft) danach weder eine Gewähr für die hergestellte Arbeit, noch eine Entschädigungspflicht für etwa eintretende Schäden wegen Mangelhaftigkeit derselben übernimmt. Das betrifft allerdings den Ausschluss einer möglichen Haftung für Schäden aus der Mangelhaftigkeit der Anlage eines Abnehmers, nicht jedoch einen Haftungsausschluss der Beklagten aus dem mangelhaften Betrieb ihrer eigenen Anlagen, wie er hier der Lieferung aggressiv-korrosiven Trinkwassers zugrunde liegt. Einen solchen behauptet die Beklagte auch gar nicht und kann damit auch keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung der Auslegung ihrer Satzung durch die Vorinstanzen aufzeigen.

[6] 3.1 Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen. Der Ersatzpflichtige muss sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennen, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RS0034524). Die objektive Möglichkeit zur Klageführung ist gegeben, wenn dem Geschädigten der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden erkennbar war oder sein musste (RS0034366). Um mit Erfolg Klage erheben zu können, benötigt der Geschädigte bei der Verschuldenshaftung Kenntnis von der Schadensursache (RS0034951) und dem Verschulden des Schädigers (RS0034322).

[7] 3.2 Nach den Feststellungen wusste der Kläger aufgrund seines Fachwissens zwar bereits im Jahr 2009, dass eine Korrosion der verzinkten Stahlleitungen die bereits damals aufgetretenen Wasserleitungsschäden in seinem Haus verursacht hatte, und zog die Beklagte als mögliche Schädigerin in Betracht. Kenntnis von der eigentlichen Schadensursache, nämlich der aggressiv-korrosiven Eigenschaft des von der Beklagten gelieferten Trinkwassers, erlangte er aber erst durch die ihm im April 2011 von der Beklagten übermittelten Wasseranalysen, aus denen er als Chemiker den negativen Sättigungsindex (Unterschreitung des notwendigen Gehalts von Ca 2+ ) erkennen konnte. Dazu steht fest, dass allein aus diesem Wert „Warnungen vor einem drohenden Korrosionsangriff abzuleiten sind“. Auch wenn der Kläger die Beklagte als Schädigerin bereits im Jahr 2009 in Betracht gezogen hat und bestimmte andere Inhaltsstoffe als Korrosionsbedingung vermutete, geben die Feststellungen keinen Hinweis, dass er bereits damals auf die wahre Schadensursache und damit letztlich auch auf ein Verschulden der Beklagten (mangelhaft betriebene Entsäuerungskammer) hätte schließen können. Die Einbringung der Klage erfolgte am 14. 3. 2014, sodass in der Verneinung der Verjährung durch die Vorinstanzen eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erkennen ist; eine solche kann die Beklagte auch mit ihrem Hinweis darauf, dass der Kläger seinen Schaden bereits im April 2011 (pauschal) bezifferte, nicht aufzeigen.

[8] 4.1 Die bescheidwidrige Ausführung der Entsäuerungskammer war nach dem festgestellten Sachverhalt Ursache dafür, dass das Wasserleitungssystem im Haus des Klägers Schaden nahm und vor Ablauf seiner Lebensdauer ausgetauscht werden musste. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen der Revisionswerberin, § 273 Abs 1 ZPO hätte vom Berufungsgericht zur Ermittlung der Schadenshöhe nicht angewendet werden dürfen, weil der Anspruch des Klägers dem Grunde nach nicht besteht, nicht nachvollziehbar; der von ihr insoweit gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor.

[9] 4.2 Die nach § 273 ZPO erfolgte Betragsfestsetzung ist demgegenüber Teil der rechtlichen Beurteilung und damit grundsätzlich revisibel (RS0111576; RS0040341). Die vom Berufungsgericht als Grundlage für die Bemessung des Schadens herangezogene (rechnerische) Restlebensdauer des Leitungssystems begegnet keinen Bedenken. Einen gravierenden, an die Grenzen des Missbrauchs gehenden Fehler bei der Anwendung des richterlichen Ermessens zur Betragsfestsetzung (RS0007104), der an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden könnte, kann die Beklagte nicht aufzeigen.

[10] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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