European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00122.21D.0721.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen
Begründung:
[1] Die Mutter wendet sich in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs (nur) dagegen, dass von den Vorinstanzen (bei gemeinsamer Obsorge der Eltern für die beiden Kinder) als Ort der hauptsächlichen Betreuung der Haushalt des Vaters festgelegt wurde.
Rechtliche Beurteilung
[2] Sie kann in ihrem Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen:
[3] 1. Auch im Verfahren außer Streitsachen kann eine vom Rekursgericht verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz – hier die unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens – im Revisionsrekurs‑ verfahren grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0030748; RS0050037). Dieser Grundsatz ist im Pflegschaftsverfahren (ausnahmsweise) dann nicht anzuwenden, wenn das Aufgreifen eines solchen Verfahrensfehlers zur Wahrung des Kindeswohls erforderlich ist (RS0030748 [T2, T5, T18]; RS0050037 [T1, T4, T8]). Ob das Aufgreifen eines vom Rekursgericht verneinten Verfahrensmangels aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist, bildet eine Frage des Einzelfalls (RS0050037 [T18]).
[4] 2. Zur (von der Mutter schon im Rekurs relevierten und vom Rekursgericht als Mangel verneinten) Unterlassung der Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens kann sie mit der pauschalen Unterstellung, die Entscheidung entspreche nicht dem Kindeswohl, und dem nicht näher spezifizierten Verweis darauf, dass sie ihren Antrag in einer mündlichen Verhandlung „mit entsprechendem Vorbringen begründet“ habe, nicht aufzeigen, inwiefern der behauptete Mangel geeignet gewesen wäre, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen (RS0043027 [T13]).
[5] 3. Soweit man ihre Ausführungen (auch) der Begründung einer angeblichen Mangelhaftigkeit des Verfahrens zuordnet, argumentiert sie dazu – wie auch zum Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – auf Basis eines nicht (oder gerade gegenteilig) festgestellten Sachverhalts; so etwa mit der Behauptung, sie sei über „viele Jahre hindurch die hauptsächliche Betreuungsperson der Kinder gewesen“ und die angeordnete (vorläufige) Doppelresidenz sei zu keinem Zeitpunkt tatsächlich in die Realität umgesetzt worden. Ihre Kritik, die Entscheidung widerspreche daher dem „Prinzip der Kontinuität der Obsorgeregelung“, lässt sich nicht nachvollziehen, wenn doch tatsächlich feststeht, dass das „vorläufige Doppelresidenzmodell“ (wenn auch für kurze Zeit, und zwar so lange, als der Mutter noch die „große“ Wohnung zur Verfügung stand) „tatsächlich gelebt“ wurde und die Kinder bereits seit August 2020 (auch über den Wunsch der Mutter, die nun in einer für die dauerhafte Unterbringung der beiden Kinder nicht geeigneten 28 m²‑Wohnung lebt) faktisch beim Vater wohnen. Trotz gegenteiliger Feststellungen hält sie gegenüber dem Vater erhobene Vorwürfe in dritter Instanz aufrecht und führt damit ihre Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus (vgl RS0043312 [T12, T14]; RS0043603 [T2, T8]).
[6] Wenn die Mutter behauptet, die Festlegung des Orts der hauptsächlichen Betreuung im Haushalt des Vaters widerspreche dem Kindeswohl, führt sie dazu auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keine Argumente an. Danach ist der Vater uneingeschränkt erziehungsfähig, verlässlicher, erziehungskompetenter und kooperations‑ bereiter als die Mutter und weist zudem eine höhere Bindungstoleranz auf.
[7] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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