OGH 7Ob127/21h

OGH7Ob127/21h14.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Stefula und Dr. Weber als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache der Bewohnerin A***** L*****, geboren am ***** 1937, *****, vertreten durch den Verein Institut für Sozialdienste ifs Bewohnervertretung (Bewohnervertreter Dr. K***** S*****), *****, vertreten durch Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, Einrichtungsleiterin DGKP T***** R*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vereins gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 10. Juni 2021, GZ 3 R 219/21k‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0070OB00127.21H.0714.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann dem Willen des Gesetzgebers entsprechend eine Freiheitsbeschränkung im Sinn des HeimAufG nur an jemanden vorgenommen werden, der grundsätzlich (noch) über die Möglichkeit zu einer willkürlichen körperlichen (Fort‑)Bewegung (mit Ortsveränderung) verfügt. Eine Freiheitsbeschränkung kann demnach nur an jemandem nicht vorgenommen werden, der überhaupt keine Möglichkeit zur willkürlichen Bewegungssteuerung mehr hat, das heißt, dem die Fortbewegungsfähigkeit völlig fehlt und der auch keinen Fortbewegungswillen bilden kann (vgl 7 Ob 33/14z, 7 Ob 193/16g = RS0121662 [T12], 7 Ob 24/18g, 7 Ob 25/18d).

[2] 1.2 Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen ist die Bewohnerin zu bewussten Bewegungen nicht mehr in der Lage. Sie ist weder zu einer willkürlichen körperlichen Fortbewegung mit Ortsveränderung fähig, noch kann sie einen Fortbewegungswillen fassen und ihn kund tun.

[3] 1.3 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass im hier konkret vorliegenden Fall die Bewohnerin durch die Maßnahme (Anbringung von Bettseitenteilen) in ihrem Bewegungs‑ und Handlungsspielraum nicht eingeschränkt werde, sodass eine Freiheitsbeschränkung im Sinn des § 3 HeimAufG zu verneinen sei, hält sich im Rahmen der bestehenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung.

[4] 1.4 Der Verein vertritt unter Verweis auf die Entscheidung 7 Ob 25/18d, dass die für die Nichtanwendung des HeimAufG kumulativ erforderliche Voraussetzung der Fortbewegungsunfähigkeit fehle, weil die Bewohnerin zu unwillkürlichen Bewegungen fähig sei. Hier übergeht er, dass in dieser Entscheidung ausschließlich Ausführungen zur – dort nicht ausgeschlossenen – Wahrscheinlichkeit der Äußerung eines Fortbewegungswillens getroffen wurden. Die von ihm unterstellte Aussage dahin, dass spontane Bewegungen, die zu einer fortbewegungsähnlichen Situation führen können, die Annahme der (willkürlichen) Fortbewegungsfähigkeit rechtfertigen, wurde hingegen nicht getätigt.

[5] 2. Da sich somit die Entscheidungen der Vorinstanzen im Rahmen der maßgeblichen Rechtsprechungslinie des Fachsenats halten, fehlt es an den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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