OGH 3Ob87/21x

OGH3Ob87/21x24.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des Dr. P* F*, geboren am *, verstorben am *, zuletzt wohnhaft in *, hier wegen Akteneinsicht, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin und Erbin M* L*, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. April 2021, GZ 45 R 133/21y‑98, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 19. Februar 2021, GZ 2 P 172/16z‑95, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E132443

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird hinsichtlich der Spruchpunkte 2 und 3 des Beschlusses des Erstgerichts dahin abgeändert, dass der Antragstellerin Akteneinsicht in den Erwachsenenschutzakt ihres verstorbenen Ehegatten auch hinsichtlich folgender weiterer Aktenbestandteile bewilligt wird:

‑ Befundbericht vom 11. Jänner 2016 (ON 12)

‑ psychiatrisch‑neurologisches Gutachten des Sachverständigen Dr. M* vom 13. September 2017 (ON 42)

‑ psychiatrisches Ergänzungsgutachten vom 2. Oktober 2017 (ON 48)

‑ psychiatrisches Ergänzungsgutachten vom 18. Oktober 2017 (ON 52)

‑ psychiatrisches Ergänzungsgutachten vom 1. Dezember 2017 (ON 61)

‑ psychiatrisches Ergänzungsgutachten vom 18. Jänner 2018 (ON 67).

Die Spruchpunkte 1 und 4 des Beschlusses des Erstgerichts bleiben als unbekämpft unberührt.

Das Mehrbegehren der Antragstellerin auf uneingeschränkte Akteinsicht wird abgewiesen.

Der Antrag der Antragstellerin auf Zuspruch der Kosten des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin ist die Witwe nach ihrem verstorbenen Ehegatten, für den mit Beschluss vom 6. März 2018 ein Sachwalter (später gerichtlicher Erwachsenenvertreter) für folgende Angelegenheiten bestellt wurde:

‑ Einkommens- und Vermögensverwaltung;

‑ Vertretung bei Ämtern und Behörden, gegenüber Sozialversicherungsträgern und in Gerichtsverfahren;

‑ Vertretung gegenüber privaten Vertragspartnern;

zudem wurde ausgesprochen, dass der Betroffene im Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen am 4. 9. 2017 nicht in der Lage war, eine gültige letztwillige Verfügung zu errichten.

[2] Der Betroffene ist am 3. 4. 2019 gestorben. Mit Beschluss vom 13. 8. 2020 wurde die Verlassenschaft der Antragstellerin als testamentarischer Alleinerbin (rechtskräftig) eingeantwortet.

[3] Mit Schriftsatz vom 10. 11. 2020 begehrte die Antragstellerin (neuerlich), ihr Einsicht in den Pflegschaftsakt ihres verstorbenen Ehegatten einschließlich der darin befindlichen gesundheitlichen Unterlagen zu gewähren, weil sie diese Informationen über dessen Geschäftsfähigkeit zur Durchsetzung seines Willens gegen Dritte benötige, die inzwischen – von der Antragstellerin konkret bescheinigte – nachlassschmälernde Forderungen aus Rechtsgeschäften des Verstorbenen geltend machen würden. Die begehrte Akteneinsicht betreffe das Gutachten des medizinischen Sachverständigen und die damit zusammenhängenden Gesundheitsunterlagen.

[4] Das Erstgericht gab dem Antrag hinsichtlich einzelner konkret bezeichneter Aktenstücke zur Vermögenssituation des Betroffenen statt (Pkt 1 des Spruchs). Den darüber hinausgehenden Antrag auf Akteneinsicht wies es zurück (Pkt 2); dazu sprach es aus, dass bestimmte näher bezeichnete Aktenstücke – wie insbesondere das medizinische Sachverständigengutachten – von der Akteneinsicht ausgenommen bleiben (Pkt 3). In Pkt 4 wurde die einzuhaltende Vorgangsweise bei der Akteneinsicht geregelt.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. In der Literatur werde § 141 Abs 1 AußStrG idF des 2. ErwSchG so verstanden, dass es sich bei der „Durchsetzung des letzten Willens“ ausschließlich um einen Erbschaftsstreit handeln könne. Auch nach den Gesetzesmaterialien sei davon auszugehen, dass das Recht auf Akteneinsicht in gesundheitsbezogene Unterlagen auf den Zusammenhang mit einem Erbrechtsstreit beschränkt sein sollen. Die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung zu 4 Ob 238/17d sei durch das 2. ErwSchG überholt. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG im Hinblick auf die seit dem 2. ErwSchG klargestellte Rechtslage nicht zu lösen seien.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts zulässig und teilweise auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Zum Recht auf Akteneinsicht im Kindschafts- und Erwachsenenschutzverfahren besteht in § 141 Abs 1 AußStrG eine spezielle gesetzliche Regelung, die durch das 2. ErwSchG insbesondere für Informationen zum Gesundheitszustand der vertretenen Person modifiziert wurde. Diese Regelung ist am 1. 7. 2018 in Kraft getreten und auf Verfahren anzuwenden, die nach dem 30. 6. 2018 anhängig sind oder anhängig werden (§ 207m Abs 1 AußStrG).

[7] 2.1 Zur früheren Fassung des § 141 AußStrG lehnte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 4 Ob 38/13m die Einsichtnahme eines potentiellen Erben in das im Sachwalterschaftsakt enthaltene psychiatrische Gutachten des verstorbenen Betroffenen ab, weil Dritten im Anwendungsbereich des § 141 AußStrG grundsätzlich kein Recht auf Akteneinsicht zukomme, zumal für die Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte von einem absoluten Weitergabeverbot auszugehen sei. Die Rechtsprechung verweigere daher auch nahen Angehörigen die Einsicht in einen Sachwalterschaftsakt, soweit es um Daten gehe, die sich auf den Geisteszustand der betroffenen Person beziehen (RS0116925).

[8] 2.2 In der Entscheidung zu 2 Ob 194/14i relativierte der Oberste Gerichtshof die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts in Bezug auf gesundheitsbezogene Informationen für den Fall, dass in einem Verlassenschaftsverfahren einander widersprechende Erbantrittserklärungen abgegeben werden und ein Einigungsversuch des Gerichtskommissärs scheitert. Dies wurde damit begründet, dass es Ziel des Sachwalterschaftsverfahrens sei, den Wünschen und Vorstellungen der betroffenen Person gerecht zu werden. Dies umfasse auch die Durchsetzung des letzten Willens. In einem solchen Fall erscheine es daher sinnvoll, die Akteneinsicht eines Erbansprechers auch in bestimmte gesundheitsrelevante Bestandteile des Sachwalterschaftsakts zu gewähren, die einzeln oder zumindest nach Gattungsmerkmalen zu bezeichnen seien.

[9] 3. Der Gesetzgeber nahm das 2. ErwSchG (BGBl I 2017/59) zum Anlass, das Recht auf Akteneinsicht in einen Pflegschaftsakt auch in Bezug auf gesundheitsbezogene Informationen der vertretenen Person ausdrücklich zu regeln. § 141 Abs 1 AußStrG lautet nunmehr:

„Auskünfte über Einkommens- und Vermögensverhältnisse der vertretenen Person sowie Informationen zu deren Gesundheitszustand darf das Gericht nur dieser und ihrem gesetzlichen Vertreter erteilen. Nach dem Tod der vertretenen Person dürfen Erben und erbantrittserklärten Personen (§ 157) Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der verstorbenen Person und – soweit dies der Durchsetzung ihres letzten Willens dient – über Informationen zu ihrem Gesundheitszustand erteilt werden.“

[10] In den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP  76 f) wird unter Bezugnahme auf die Entscheidung zu 2 Ob 194/14i ausgeführt, dass diese überzeugende Argumentation aufgenommen wurde und das Recht auf Akteneinsicht den Erben und erbantrittserklärten Personen nach der verstorbenen ehemals vertretenen Person auch zu Informationen zum Gesundheitszustand zukommen soll, „wenn dadurch ihrem wahren Willen zum Durchbruch verholfen werden kann“.

[11] 4. Am 21. 12. 2017, also nach Zuleitung der Regierungsvorlage zum 2. ErwSchG an das Parlament im Jänner 2017 fällte der Oberste Gerichtshof – noch zur früheren Rechtslage – die Entscheidung zu 4 Ob 238/17d. In diesem Fall führten die bereits eingeantworteten Erben ein Verfahren zur Anfechtung eines vor dem Tod des Betroffenen abgeschlossenen Kaufvertrags, wobei das Begehren darauf gestützt war, dass der Betroffene bei Abschluss des Vertrags geschäftsunfähig war. Der Oberste Gerichtshof bejahte auch in diesem Fall das Recht der Erben auf Akteneinsicht in Aktenbestandteile des Sachwalterschaftsakts zum Gesundheitszustand des Betroffenen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass durch die Einsicht in gesundheitsrelevante Aktenbestandteile die Nutzung sämtlicher erheblicher Erkenntnisquellen zum Willen des Verstorbenen bei der Entscheidung über das Erbrecht sichergestellt und im Zusammenhang mit einem Erbrechtsstreit zur Erforschung des wahren Willens des Verstorbenen die von ihm gewünschte Zuordnung von Nachlassgegenständen nach seinem Tod gewährleistet werden. Verschenke oder verschleudere eine geschäftsunfähige Person große Teile ihres Vermögens, so könne dies zur Folge haben, dass ihr potentieller Nachlass massiv reduziert werde, was ihren letzten Willen stark relativiere. Wollten Erben aufzeigen, dass die Handlungen der betroffenen Person ihrem wahren (nicht durch eine allfällige Erkrankung beeinflussten) Willen widersprechen, so sei diese Konstellation mit jener vergleichbar, die der Entscheidung zu 2 Ob 194/14i zugrunde gelegen sei, weshalb ihnen auch Einsicht in jene Aktenbestandteile zu gewähren sei, die den Gesundheitszustand des Erblassers betreffen.

[12] 5. In der Literatur wird die Reichweite des Rechts auf Akteneinsicht in gesundheitsbezogene Unterlagen des Erblassers nach § 141 AußStrG idF des 2. ErwSchG nicht einheitlich beurteilt.

[13] Beck (in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 § 141 Rz 29) führt aus, dass die neue Rechtslage die Möglichkeit zu ausreichend verlässlichen Sachverhaltsfeststellungen zur Testierfähigkeit des Verstorbenen verbessere, die Akteneinsicht aber gleichzeitig auf die Frage der Testierfähigkeit im Interesse der Durchsetzung seines letzten Willens einschränke. Die darüber hinausgehende Wertung aus der Entscheidung zu 4 Ob 238/17d sei vom Gesetzgeber – der in den Gesetzesmaterialien nur auf die Entscheidung zu 2 Ob 194/14i Bezug nehme, die Entscheidung 4 Ob 238/17d hingegen nicht erwähne – nicht übernommen worden. § 141 Abs 1 Satz 2 AußStrG schränke das Akteneinsichtsrecht aus Anlass eines Verfahrens über das Erbrecht überdies auf jene Aktenbestandteile ein, aus denen sich Erkenntnisse über die Testierfähigkeit des Verstorbenen ergeben. Nach der neuen Rechtslage bewirkten daher die Abgabe einer Erbantrittserklärung und die Einleitung eines Verfahrens über das Erbrecht und insbesondere ein rechtliches Interesse am Gesundheitszustand des Verstorbenen zur Durchsetzung seines letzten Willens die abstrakte Berechtigung zur Einsicht in den Pflegschaftsakt.

[14] Nach Schoditsch (in Schneider/Verweijen, AußStrG § 141 Rz 13; ders, Akteneinsicht und Amtshilfe nach dem neuen § 141 AußStrG, EF‑Z 2019/32, 52) ist es das rechtliche Interesse des Verstorbenen an der Erfüllung seines letzten Willens, das es von den Gerichten zu schützen gelte. Zu solchen Informationen im Sinn des § 141 Abs 1 Satz 2 AußStrG gehörten etwa der Name des Sachverständigen, Informationen über Befundung, ein allfälliges Gutachten oder sonstige Hinweise auf die Geschäftsunfähigkeit. Gerade im Erbschaftsstreit könnten diese Informationen Rückschlüsse auf die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung und dadurch die Durchsetzung des letzten Willens der verstorbenen Person ermöglichen.

[15] Mondel (in Rechberger/Klicka, AußStrG3 Rz 5) schließt sich der Meinung von Schoditsch an.

[16] Nach Häusler (Information über den Geisteszustand: Zwischen der Erforschung des Willens eines Verstorbenen und dem Schutz seiner Geheimnisse, ZfG 2020, 40) ändere die neue Rechtslage nichts an der Anwendbarkeit des § 141 AußStrG auf andere als letztwillige Willenserklärungen, weil kein Grund ersichtlich sei, warum die neue Norm nicht analogiefähig sei. Für die Wertung, dass es im Interesse der betroffenen Person liege, wenn ihr tatsächlicher, unverfälschter Wille ans Tageslicht kommt, sei es gleichgültig, ob es sich um die Erklärung eines letzten Willens oder eine vertragliche Willenserklärung handle.

[17] Weerkamp äußert sich in einer Anmerkung zu 4 Ob 238/17d (Zak 2018/152, 84) ähnlich. Der wahre Wille eines verstorbenen Betroffenen sei für die Erben – und ein angerufenes Gericht – mitunter nicht anders zu ermitteln als durch Einsicht in jene Aktenteile, die die psychische Verfassung des Verstorbenen betreffen. Als Rechtsnachfolger des Verstorbenen obliege es den Erben, den wahren Willen des Verstorbenen zu ermitteln und allenfalls durchzusetzen.

[18] 6.1 Der erkennende Senat erachtet die Beschränkung des Rechts auf Akteneinsicht der Erben in gesundheitsbezogene Aktenbestandteile des verstorbenen Betroffenen auf die Frage der Testierfähigkeit in einem Erbrechtsstreit als zu eng. Die Begründung von Beck für ihre restriktive Haltung, wonach die Gesetzesmaterialien zwar auf die Entscheidung zu 2 Ob 194/14i, nicht aber auf jene zu 4 Ob 238/17d Bezug nehmen, ist nicht überzeugend. Wie bereits erwähnt, wurde die Entscheidung zu 4 Ob 238/17d erst am 21. 12. 2017 gefällt, während die Regierungsvorlage zum 2. ErwSchG bereits im Jänner 2017 dem Parlament zugeleitet wurde. Bei Abfassung der Regierungsvorlage war diese Entscheidung somit noch nicht existent und konnte demnach vom Gesetzgeber auch nicht aufgegriffen werden.

[19] Entgegen dieser Ansicht sollte mit der neuen Regelung in § 141 AußStrG auch nicht exakt der Anlassfall zu 2 Ob 194/14i im Gesetz festgeschrieben werden. Vielmehr sollten nach den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien die Argumente aus dieser Entscheidung aufgenommen und das Recht der Erben auf Akteneinsicht auch in gesundheitsbezogene Aktenbestandteile erweitert werden, wenn dadurch dem wahren Willen des verstorbenen Betroffenen zum Durchbruch verholfen werden kann. Hätte der Gesetzgeber eine Einschränkung auf einen Erbrechtsstreit oder die Feststellung der Testierfähigkeit vornehmen wollen, so hätte er – im Hinblick auf die ausführliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung – eine klare Anordnung getroffen und nicht in einer allgemeineren Formulierung auf die Durchsetzung des Willens des Erblassers abgestellt, was in den Gesetzesmaterialien durch die Bezugnahme auf den „wahren Willen“ nochmals verdeutlicht wird.

[20] Gegen die Einschränkung auf einen Erbrechtsstreit spricht letztlich auch der Umstand, dass das Recht auf Akteneinsicht nicht nur zu Gunsten von erbantrittserklärten Personen, sondern auch zu Gunsten von Erben normiert wurde, was voraussetzt, dass die Einantwortung bereits erfolgt ist.

[21] 6.2 Die (in seinem Beitrag in der EF‑Z leicht modifizierte) Ansicht von Schoditsch steht mit dieser Beurteilung durchaus im Einklang, zumal dieser nicht mehr von Rückschlüssen auf die Testier‑(un‑)fähigkeit der verstorbenen Person, sondern allgemeiner von Rückschlüssen auf die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung spricht. Er bezieht sich auch nicht auf einen Erbrechtsstreit, sondern verwendet nur die beispielhafte und auch weitere Formulierung „gerade im Erbschaftsstreit“. Die übrigen zitierten Literaturmeinungen gehen ohnedies von einer weiteren Sichtweise aus und beschränken das Recht auf Akteneinsicht explizit nicht auf einen Erbrechtsstreit und die Frage der Testierfähigkeit.

[22] 6.3 Nach Auffassung des erkennenden Senats hat sich der Gesetzgeber mit der neuen Regelung in § 141 Abs 1 AußStrG idF des 2. ErwSchG zum Ziel gesetzt, das Recht auf Akteneinsicht bestimmter Personen, die eine enge Nahebeziehung zum verstorbenen Betroffenen aufgewiesen haben – namentlich die Erben und erbantrittserklärte Personen – in Bezug auf gesundheitsbezogene Informationen der betroffenen Person auszudehnen, um deren unverfälschtem Willen auch nach dem Tod zum Durchbruch zu verhelfen. Eine Einschränkung auf einen Erbrechtsstreit oder die Frage der Testierfähigkeit lässt sich weder aus dem Gesetz noch aus den Gesetzesmaterialien ableiten.

[23] Die Entscheidung zu 4 Ob 238/17d findet in der Zweckbestimmung auch der neuen Regelung Deckung, weshalb der daraus ableitbare Grundsatz weiterhin maßgebend ist. Demnach ist Erben oder erbantrittserklärten Personen auch dann Einsicht in jene Aktenbestandteile zu gewähren, die sich auf den geistigen Gesundheitszustand des verstorbenen Betroffenen beziehen, wenn sie in einem gerichtlichen Verfahren aufzeigen wollen, dass vermögensmindernde Handlungen der betroffenen Person nicht deren wahrem und unbeeinflussten Willen entsprochen haben.

[24] 7.1 In formeller Hinsicht muss der Antragsteller darlegen, warum die von ihm zu benennenden Aktenbestandteile geeignet sind, dem wahren Willen des verstorbenen Betroffenen zum Durchbruch zu verhelfen (vgl ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP  76 f). Dazu genügt es, wenn sich aus dem Vorbringen ergibt, welche Art von gesundheitsbezogenen Informationen aus dem jeweiligen Aktenstück von Interesse sind und warum diese für den Antragsteller zur Erforschung oder Durchsetzung des wahren Willens des verstorbenen Betroffenen erheblich sind.

[25] 7.2 Die Antragstellerin hat sich in ihrem Vorbringen auf gesundheitsbezogene Unterlagen zur Geschäftsfähigkeit des Betroffenen, insbesondere auf das Gutachten des medizinischen Sachverständigen gestützt. Diesem Vorbringen zum rechtlichen Interesse an der Akteneinsicht sind der Befundbericht und das medizinische Sachverständigengutachten samt Ergänzungsgutachten eindeutig zuordenbar. Der Antragstellerin war daher die Akteneinsicht auch hinsichtlich dieser Aktenbestandteile aus dem Erwachsenenschutzakt ihres früheren Ehegatten zu gewähren.

[26] 8. Damit hält die Entscheidung des Rekursgerichts der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht Stand. In Stattgebung des Revisionsrekurses war die angefochtene Entscheidung abzuändern und der Antragstellerin die beantragte Akteneinsicht auch hinsichtlich der genannten gesundheitsbezogenen Unterlagen zu bewilligen.

[27] Ein im jeweils anzuwendenden Verfahrensgesetz vorgesehener Anspruch auf Kostenersatz besteht grundsätzlich – ohne Sonderregelung – nur zwischen den Parteien. Ein Kostenersatzanspruch des Akteneinsicht begehrenden Dritten besteht daher auch im Außerstreitverfahren nicht (vgl 6 Ob 45/19i).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte