European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132246
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.369,70 EUR (darin enthalten 394,95 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Beklagte wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 10. 1. 1975 errichtet. Je zur Hälfte als Kommanditisten beteiligt waren S* und M*, die Eltern des Klägers, die auch Gesellschafter der Komplementärin S. * Gesellschaft mbH waren. Diese war zunächst eine reine Arbeitsgesellschafterin; mit Gesellschafterbeschluss vom 2. 3. 1982 wurde sie (mit 50.000 ATS) am Kapital der Beklagten beteiligt. S* übertrug seine Kommanditbeteiliung an der Beklagten mit Notariatsakt vom 20. 1. 1998 an den Kläger.
[2] Der Gesellschaftsvertrag vom 10. 1. 1975 lautet auszugsweise:
„V.
1.) Die Gesellschafter übernehmen folgende Einlagen:
Die [Komplementärgesellschaft] ihre Tätigkeit als Geschäftsführer,
S* S 250.000,--
M* S 250.000,--
2.) Die Kapital-(Einlagen‑)konten werden unverändert geführt.
3.) Die Gewinn- und Verlustanteile, der Gewinnvorweg und die sonstigen Entnahmen und Einlagen werden über Privat‑(Verrechnungs‑)konten der Gesellschafter geführt. Die darauf bestehenden Salden werden mit der jeweils am Beginn des Geschäftsjahres festgesetzten Nationalbankrate zuzüglich 2 % (zwei Prozent) verzinst. Grundlage der Verzinsung ist der Kontostand am Beginn des jeweiligen Geschäftsjahres.
4.) Zu Lasten dieser Privatkonten können so lange, als die übernehmenden Gesellschaftsanteile nicht voll eingezahlt sind, keine Entnahmen getätigt werden. Nach Abdeckung der ausstehenden Anteile sind zu Lasten der Privatkonten Entnahmen einvernehmlich zwischen den Gesellschaftern zu beschließen.
[…]
VIII.
Am Schlusse eines Geschäftsjahres hat der geschäftsführende Gesellschafter die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung für das abgelaufene Geschäftsjahr aufzustellen und einen Bericht zu legen. Eine Abschrift dieser Bilanz-, Gewinn- und Verlustrechnung ist jedem Gesellschafter sogleich nach Fertigstellung zuzusenden. Der Gewinn – (Verlust) wird nach der Höhe der Gesellschaftsanteile im Verhältnis der starren Kapitalkonten nach Abzug vom Gewinnvorweg, insbesondere des Aufwandes für die Geschäftsführung, verteilt.“
[3] Aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 2. 3. 1982 waren die Komplementärgesellschaft mit 5 % sowie S* und M* mit jeweils 47,5 % an Gewinn und Verlust der Beklagten beteiligt.
[4] Die Einlage des Klägers ist voll aufgebracht und einbezahlt. Dies ergibt eine Substanzbeteiligung von 45,45 %. Am laufenden Gewinn und Verlust der Beklagten ist er mit 47,5 % beteiligt. Gleiches gilt für die zweite Kommanditistin M*.
[5] Die Komplementärgesellschaft ist an der Substanz der Beklagten mit 9,09 % und an ihrem laufenden Gewinn und Verlust mit 5 % beteiligt. Ihre Gesellschafter sind M* mit einer zur Hälfte einbezahlten Stammeinlage von 375.000 ATS (75 %) und der Kläger mit einer zur Hälfte einbezahlten Stammeinlage von 125.000 ATS (25 %).
[6] Der Kläger war von Anfang 1998 bis Anfang 2012 Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft. Seitdem übt sein Bruder Mag. M* diese Funktion aus.
[7] Mit Gesellschafterbeschluss vom 26./27. 9. 2019 wurde der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2018 (zum 31. 12. 2018) genehmigt und festgestellt. Der festgestellte Jahresabschluss wies einen „Kassenbestand, Guthaben bei Kreditinstituten“ von 2.497.172,08 EUR und einen den Gesellschaftern zuzurechnenden Gewinn von 1.241.147,54 EUR auf; der Anteil des Klägers an diesem Gewinn beträgt 589.545,08 EUR. Zum 31. 12. 2018 betrug der Einlagestand am Verrechnungskonto des Klägers 928.200,84 EUR. Das Verrechnungskonto des Klägers ist auf der Passivseite unter Punkt C. „Verbindlichkeiten“ Unterpunkt 2. „sonstige Verbindlichkeiten“ in der Bilanz ausgewiesen. Der Gewinnanteil des Klägers aus dem Jahr 2017 ist in den Gewinnrücklagen nicht erfasst.
[8] In der Generalversammlung vom 18. 12. 2019 beantragte der Kläger die vollständige Ausschüttung und Entnahme des Jahresüberschusses laut Jahresabschluss zum 31. 12. 2018 an die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitalanteile. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der Kommanditistin M* und der Komplementärgesellschaft gegen die Stimme des Klägers abgelehnt. Dagegen wurde der zur Sicherung der Liquidität der Beklagten gestellte Antrag des Geschäftsführers der Komplementärgesellschaft und der Kommanditistin M* auf vollständige Thesaurierung des Jahresüberschusses mit deren Stimmen und gegen die Stimme des Klägers angenommen.
[9] Nach Gründung der Gesellschaft erfolgten Auszahlungen aus den Privatverrechnungskonten der Gesellschafter S* und M* so, dass S* seine Wünsche äußerte und M* sich dem fügte. Auszahlungen an die Gesellschafter legten sie nach Bedarf fest. Nach dem Ausscheiden von S* nahm M* seine bisherige Rolle ein und entschied über die Ausschüttungen. Die Salden auf den Verrechnungskonten wurden nicht verzinst.
[10] Es steht nicht fest, dass die Gesellschafter vor Jahrzehnten den Gesellschaftsvertrag formlos und mündlich dahin abgeändert hätten, dass Entnahmen von den Verrechnungskonten keines einstimmigen Beschlusses der Gesellschafter mehr bedürften, sondern lediglich mit der Komplementärgesellschaft abzustimmen wären. Während der Kläger die Geschäftsführung ausübte, fassten die Gesellschafter keine Beschlüsse über Entnahmen.
[11] Der Ausweis der Privatverrechnungskonten im Fremdkapital der Bilanz ist unter den Gesellschaftern der Beklagten ständige Übung.
[12] Der Kläger drängte auf Ausschüttung und Auszahlung der in der Komplementärgesellschaft vorgetragenen Bilanzgewinne. Da die Komplementärgesellschaft die Ausschüttung fremdfinanzieren musste, gewährte ihr die Beklagte mit Vertrag vom 26./27. 9. 2019 ein Darlehen über 700.000 EUR mit einem Zinssatz von 1,5 % pa über dem jeweiligen 6‑Monats-EURIBOR.
[13] M* tätigte erhebliche Entnahmen aus der Gesellschaft ohne Gesellschafterbeschluss. Vor dem Ausbrechen des Konflikts zwischen den Gesellschaftern kam es durch diese zu unterjährigen Vorwegentnahmen aus dem Vermögen der Beklagten, die nach Bilanzfeststellung durch Aufrechnung glattgestellt wurden. In früheren Jahren wiesen die Privatverrechnungskonten negative Salden auf.
[14] Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von 100.000 EUR als Teil der ihm zustehenden Gewinnauszahlung. In der beklagten Gesellschaft gelte das Prinzip der Vollausschüttung. Mit Feststellung und Genehmigung des Jahresabschlusses sei sein Anspruch auf Auszahlung des Bilanzgewinns entstanden; eines gesonderten Beschlusses der Gesellschafter oder einer Zustimmung zur Gewinnausschüttung bedürfe es nicht. Die Beklagte verweigere die Auszahlung des festgestellten Gewinns des Geschäftsjahres 2018 von 589.545,08 EUR. Auch die Vorjahresgewinnanteile von 928.200,84 EUR seien trotz Aufforderung nicht ausbezahlt worden. Seine Einlage sei voll aufgebracht und einbezahlt. Es gebe keine Verluste, sondern erhebliche Gewinne und einen erheblichen freien Cashbestand in der Gesellschaft; die Beklagte prosperiere. Die Ablehnung der Auszahlung durch die Beklagte sei gesellschaftsvertrags- und treuwidrig.
[15] Die Beklagte hält dem entgegen, die Verteilung des Gewinns sei von dessen Auszahlung zu unterscheiden. Nach Punkt V.4. des Gesellschaftsvertrags stehe die Entnahme von Gewinnanteilen zu Lasten der Privatverrechnungskonten der Gesellschafter unter dem Vorbehalt des Einvernehmens der Gesellschafter. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Die Beklagte sei verpflichtet, die gesellschaftsvertraglichen Regelungen einzuhalten. Ohne vorhergehendes Einvernehmen zwischen den Gesellschaftern könne eine Auszahlung nicht veranlasst werden.
[16] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Privatverrechnungskonten der Gesellschafter seien als Einlagenkonten zu verstehen. Die Übung zwischen den Gesellschaftern lasse den Vertragswillen erkennen, dass der bei der Gesellschaft zurückbehaltene Gewinn(‑anteil) seinen Charakter behalten und nur vorerst nicht ausbezahlt werden solle. Ausbezahlt werden solle erst dann, wenn das Bedürfnis für eine Rücklage weggefallen sei. Dafür spreche, dass die Salden entgegen der gesellschaftsvertraglichen Regelung nicht verzinst worden, auch Verlustanteile über die Privatverrechnungskonten zu führen, die Entnahmen immer unter den Gesellschaftern festgelegt worden, bis zum Ausbruch des Konflikts zwischen den Gesellschaftern auch unterjährige Vorwegentnahmen getätigt worden seien und die Auszahlung aus den Konten eines Gesellschafterbeschlusses bedürfe. Somit komme den Privatverrechnungskonten kein bloßer Forderungscharakter zu, sondern es handle sich um Einlagekonten. Abgesehen davon, dass sich aus der Qualifikation als Fremdkapital allein noch nicht die Fälligkeit der Forderung ergebe, ändere die Bilanzierung der Privatverrechnungskonten als Fremdkapital nichts daran, dass die Behandlung dieser Konten durch die Gesellschafter – insbesondere bei der potentiellen Verlustbuchung, Entnahmeregelung und -übung – zu einer eigenkapitalbezogenen „Infizierung“ des gesamten Kontos geführt habe. Auch wenn man diese Auffassung nicht teile, sei die gesellschaftsvertragliche Bestimmung zulässig, dass die Auszahlung aus dem Privatverrechnungskonto einem einstimmigen Gesellschafterbeschluss vorbehalten bleibe. Es sei in diesem Verfahren nicht zu beurteilen, ob das Verhalten der anderen Gesellschafter gegenüber dem Kläger treuwidrig sei. Ein konkludentes Abgehen vom Gesellschaftsvertrag liege nicht vor. Selbst wenn man das Vorbringen des Klägers in diese Richtung verstehe, führe die Vorgehensweise der Gesellschafter in der Vergangenheit im Hinblick auf die Verlustbuchung und Entnahmeregelung und -übung zu einer eigenkapitalbezogenen „Infizierung“ des gesamten Kontos, weshalb die Auszahlung aus diesem Konto eines Gesellschafterbeschlusses bedürfe.
[17] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Nach einem Wechsel im Mitgliederbestand einer Personengesellschaft sei ihr Gesellschaftsvertrag nach seinem Wortlaut und Zweck im systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) auszulegen. Im vorliegenden Fall seien gemäß § 907 Abs 9 UGB die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs zur Ermittlung von Gewinn und Verlust sowie zur Beteiligung der Gesellschafter daran und zum Entnahmerecht maßgeblich. § 168 HGB betreffe die Verteilung des Jahresgewinns oder -verlusts an die Gesellschafter, § 169 HGB den Anspruch des Kommanditisten auf die Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns. Das Gesetz unterscheide also zwischen dem Anspruch des Kommanditisten auf Zuteilung eines Gewinnanteils und seinem Anspruch auf dessen Auszahlung. Gemäß § 163 HGB könne der Gesellschaftsvertrag das Entnahmerecht der Gesellschafter abweichend regeln, also etwa vorsehen, dass über Entnahmen jeweils durch Gesellschafterbeschluss entschieden werde. Der vorliegende Gesellschaftsvertrag sehe zwei Arten von Konten der Gesellschafter vor: ein festes Kapital‑(Einlagen‑)konto (Punkt V.2.) und ein Privat‑(Verrechnungs‑)konto, über das die Gewinn- und Verlustanteile, der Gewinnvorweg und die sonstigen Entnahmen und Einlagen der Gesellschafter geführt werden (Punkt V.3.). Der Systematik des Gesetzes folgend unterscheide der Gesellschaftsvertrag zwischen der Verteilung des Gewinns und dem Anspruch der Gesellschafter auf Auszahlung ihres Gewinnanteils: Punkt VIII. regle die erste, Punkt V.4. die zweite Frage. Für die vom Kläger angestrebte Auslegung dieses letztgenannten Punktes sei kein Raum; vielmehr sei der Ansicht des Erstgerichts beizutreten, dass der vom Kläger geltend gemachte Auszahlungsanspruch einen einvernehmlichen Gesellschafterbeschluss voraussetzt. Aus der Formulierung „zu Lasten der Privatkonten“ sei nicht abzuleiten, dass Punkt V.4. letzter Satz das Einvernehmen der Gesellschafter lediglich für nicht gewinngedeckte Entnahmen vorsehe, zumal ganz generell „Entnahmen“ – und nicht bloß „sonstige Entnahmen“ – an das Erfordernis eines einvernehmlichen Gesellschafterbeschlusses geknüpft seien. Mangels einvernehmlichen Gesellschafterbeschlusses bestehe somit kein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Gesellschaft auf Auszahlung seiner Gewinnanteile. Da es auf die Qualifikation des Privatverrechnungskontos als Eigenkapital oder „eigenkapitalinfiziert“ nicht ankomme, begründe die vom Kläger in diesem Zusammenhang behauptete Verletzung der Erörterungspflicht keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens.
Rechtliche Beurteilung
[18] Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
[19] 1.1. Vom Erstgericht konnte nicht festgestellt werden, dass die Gesellschafter vor Jahrzehnten den Gesellschaftsvertrag im Zusammenhang mit Entnahmen der Geschäftsführung formlos und mündlich abgeändert hätten, nämlich dahin, dass Entnahmen von den Verrechnungskonten keines einstimmigen Beschlusses aller Gesellschafter der Kommanditgesellschaft mehr bedürfen, sondern lediglich mit der Komplementär‑GmbH abzustimmen waren bzw sind.
[20] 1.2. Der Kläger beruft sich zwar auf eine konkludente Abänderung des Gesellschaftsvertrags. Dazu verweist er auf die Urteilsfeststellungen zur jahrelangen losen Handhabung der Gewinnauszahlung in der Gesellschaft. Die Beurteilung der Konkludenz eines Verhaltens auf Basis eines bestimmten Sachverhalts stellt (anders als der betreffende Sachverhalt selbst) keine Tat-, sondern eine (idR nicht erhebliche) Rechtsfrage dar (vgl nur RS0043253 [T1, T18]). Allerdings hat sich der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht, auch nicht sinngemäß, auf ein konkludentes Abgehen der Gesellschafter von der Regelung des Punktes V.4. des Gesellschaftsvertrags durch langandauernde abweichende Übung berufen; mit dem entsprechenden Vorbringen in der Revision verstößt er daher gegen das Neuerungsverbot. Im Übrigen kann auf die zutreffenden diesbezüglichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen werden (vgl § 510 Abs 3 ZPO).
[21] 2.1. Die Revision versucht darzulegen, dass Punkt V.4. des Gesellschaftsvertrags so zu verstehen sei, dass er nur Entnahmen über die festgestellten Gewinnanteile hinaus umfasse und nur dafür ein einstimmiger Beschluss erforderlich sei. Die Begründung liege in der Anlehnung an den Wortlaut des § 169 HGB.
[22] 2.2. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach einem Wechsel im Mitgliederbestand der Gesellschaft ist der Gesellschaftsvertrag objektiv auszulegen, weil dem neu hinzutretenden Gesellschafter nur die Erklärungstatbestände, auf denen die Gesellschaft beruht, als Vertrauensgrundlage zur Verfügung stehen (6 Ob 145/19w; 6 Ob 96/20s). In der Gesellschaft hat ein Mitgliederwechsel stattgefunden, weshalb die Bestimmung objektiv auszulegen ist.
[23] 2.3. Die Formulierung „zu Lasten der Privatkonten“ ist unmissverständlich. Jeglicher Vermögensabfluss im Sinne einer „Entnahme“ vom Privatkonto geht zu Lasten desselben, weil sich die Höhe des Kontos mindert. Hierbei ist es völlig unerheblich, ob es sich um einen Gewinnanteil oder sonstige Abflüsse handelt. Wollte man den Gewinnanteil ausnehmen, hätte eine andere Formulierung (bspw „sonstige Entnahmen“) gewählt werden können. Daher ist der Beurteilung der Vorinstanzen zuzustimmen, dass es sich hierbei nicht um eine unklare Bestimmung handelt und jede Entnahme zulasten des Privatkontos eines einstimmigen Beschlusses bedarf. Der Beschluss ist grundsätzlich unabhängig von der Qualifikation des Kapitalkontos erforderlich. Nach den Feststellungen liegt dieser einstimmige Beschluss aber nicht vor.
[24] 3.1. Die Beteiligung des Gesellschafters einer OG oder einer KG kommt in seinem Kapitalanteil zum Ausdruck. Wird die Unveränderlichkeit des Kapitalkontos vereinbart und werden auf dem Kapitalkonto I nach Berechnung der Einlage, die den Kapitalanteil bildet, sonst keine weiteren Buchungen mehr vorgenommen, so werden Gewinne, Verluste und Entnahmen auf einem zweiten Konto gebucht, das in der Praxis als Kapitalkonto II, Verrechnungskonto, Privatkonto, Darlehenskonto oder Separatkonto bezeichnet wird (1 Ob 141/02w).
[25] 3.2. Zur gesellschaftsvertraglichen Regelung eines Zweikontenmodells besteht eine gefestigte Rechtsprechung (1 Ob 141/02w; 6 Ob 39/10v; 6 Ob 181/15h; jüngst 6 Ob 254/20a). Kapitalanteile der Gesellschafter dürfen durch Zu- oder Abflüsse von Vermögenswerten nicht verändert werden; das Kapitalkonto II kann aber einen Teil der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung oder eine rein schuldrechtliche Forderung ausweisen.
[26] 3.3. In der Entscheidung 1 Ob 141/02w hatte der Oberste Gerichtshof das Zweikontenmodell einer GmbH & Co KG zu beurteilen. Die Einführung des Systems fester Kapitalanteile und getrennter Kapitalkonten werde vielfach dahin gewertet, dass ein Guthaben auf dem Kapitalkonto II eine gewöhnliche Geldforderung gegen die Gesellschaft darstelle. Der Trennung zwischen Kapitalkonto I und Kapitalkonto II entspreche dann die Unterscheidung in Eigenkapital und Fremdkapital. Es könne aber auch (stillschweigend) vereinbart sein, dass der nach den allgemeinen Grundsätzen als Gewinn zu behandelnde Vermögensüberschuss überhaupt nicht als Gewinn behandelt werden, sondern dauernd im Vermögen der Gesellschaft bleiben soll; er verliere dann den Rechtscharakter als Gewinn mit den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, insbesondere dass die Auszahlung nicht einseitig gefordert werden könne; der Vertragswille könne aber auch dahin gehen, dass der bei der Gesellschaft zurückbehaltene Gewinn oder Gewinnanteil seinen Rechtscharakter behalten soll und der Gewinn nur vorerst nicht und etwa erst, wenn das Bedürfnis für eine Rücklage weggefallen ist, ausbezahlt werden soll.
[27] Die Bedeutung der Konten richte sich nach dem Gesellschaftsvertrag, nach den Gesellschafterbeschlüssen und nach der Art der ihrer Bildung zugrundeliegenden Geschäftsvorgänge. Die rechtliche Tragweite der Trennung des einheitlichen Kapitalkontos könne im Zweifelsfall nur aufgrund der zwischen den Gesellschaftern ausdrücklich oder schlüssig getroffenen Vereinbarungen beurteilt werden. Eine stillschweigende Vereinbarung der Gesellschafter könne insbesondere auch durch ständige Übung über die Verbuchung bestimmter Beträge und die Zweckbestimmung bestimmter Konten begründet werden. Im Allgemeinen werde aber schon die Trennung der Kapitalkonten die Annahme nahelegen, dass damit auch andere rechtliche Wirkungen verbunden sein sollen. Im Einzelfall würde allerdings etwa die Buchung von Verlusten auf dem Kapitalkonto II darauf hindeuten, dass diesem doch die Funktion eines echten Einlagekontos zukommt, weil mit dem Begriff des Darlehens eine Verlustbeteiligung nicht vereinbar, sondern die Rückzahlungspflicht wesentlich ist. Ein weiteres Merkmal der Einlage bestehe darin, dass sie im Regelfall erst im Rahmen der Auseinandersetzung, also nicht früher und nicht unabhängig vom Gesellschaftsverhältnis, zurückzuzahlen ist.
[28] 3.4. In der Entscheidung 6 Ob 39/10v führte der erkennende Senat zu einer (nicht bilanzierungspflichtigen) KEG aus, ein Abgrenzungskriterium zwischen Einlage und Forderung sei die Verzinsung, wobei die feste Verzinsung von auf dem Kapitalkonto II ausgewiesenen Beträge für deren Forderungscharakter spreche, wenngleich das Gesetz auch eine Verzinsung des Kapitalanteils vorsehe; ebenso könne die Befugnis, das Guthaben jederzeit oder nach Kündigung abzuheben, für das Vorliegen einer Forderung sprechen, wobei die Beschränkung von Entnahmen allerdings nicht ohne weiteres den Einlagencharakter andeute, weil sie auch bei Darlehen vorgesehen werden könne. Gegen die Annahme von Fremdkapital spreche aber, wenn keine Bestimmungen über die Höhe und den Termin der Rückzahlung getroffen werden.
[29] Die Buchung von Verlusten auf dem Kapitalkonto II spreche dafür, dass diesem die Funktion eines echten Einlagekontos zukommt, weshalb das Kapitalkonto II des Kommanditisten dann ein Forderungskonto darstellt, wenn darauf Gewinne und Entnahmen verbucht werden; werden auch Verluste auf dem Konto verbucht, sei es hingegen ein Einlagenkonto.
[30] Durch die unterschiedslose Erfassung aller für den Kommanditisten relevanten Buchungsvorgänge über das Kapitalkonto II werde die Grenzziehung zwischen Fremd- und Eigenkapital allerdings verwässert beziehungsweise nahezu unmöglich. Deshalb sei das verbuchte Vermögen als Eigenkapital der Gesellschaft zu qualifizieren, wenn im System fester Kapitalanteile sämtliche Gewinne, Verluste und Entnahmen auf dem Kapitalkonto II verbucht werden. In einem solchen Fall führe die Verbuchung von Verlusten auf einem Konto zusammen mit der Verbuchung von entnahmefähigen und nicht entnahmefähigen Gewinnen zu einer eigenkapitalbezogenen „Infizierung“ des gesamten Kontos. Ein Guthaben auf dem Kapitalkonto II sei daher mangels abweichender Vereinbarung seiner Rechtsnatur nach keine Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft, sondern Einlage.
[31] Daraus folge, dass dem Kommanditisten auch bei einem positiven Saldo kein unmittelbares Forderungsrecht zukommt; vielmehr sei ein Gesellschafterbeschluss erforderlich, der den Entnahmebeschränkungen des § 122 UGB unterliege. Umgekehrt sei ein Debet keine auszugleichende Verbindlichkeit, dies jedenfalls solange sie auf der Verbuchung von Verlusten beruht. Der Gesellschafter sei – mit Ausnahme unbefugter Entnahmen – auch nicht verpflichtet, während des Bestehens der Gesellschaft dieses negative Kapital auszugleichen; eine unberechtigte Entnahme beziehungsweise Auszahlung begründe hingegen einen jederzeitigen Rückforderungsanspruch der Gesellschaft. Allerdings wäre auch bei einer Qualifikation als Fremdkapital eine Entnahmebeschränkung möglich.
[32] 3.5. In der Entscheidung 6 Ob 181/15h wendete der erkennende Senat die zuvor erläuterten Prinzipien auch auf eine GmbH & Co KG an. Im Gesellschaftsvertrag waren zum einen starre Kapitalkonten und zum anderen Privatkonten eingerichtet. Letzteren wurden Reingewinne und Einlagen zugeschrieben sowie Verluste und Entnahmen von diesen abgeschrieben. Es war unstrittig, dass auf den Privatkonten der Gesellschafter Gewinne, Verluste, Entnahmen und Einlagen gebucht wurden. Im Sinne der dargestellten Grundsätze der Entscheidung 6 Ob 39/10v handelte es sich beim Privatkonto des Beklagten um ein Einlagenkonto.
[33] 3.6. In dem der Entscheidung 6 Ob 254/20a zugrundeliegenden Fall wurde im Gesellschaftsvertrag einer KEG ausdrücklich vereinbart, dass auf den Verrechnungskonten „Gewinne, Verluste der Gesellschaft und sonstige Beträge zugunsten oder zulasten der Gesellschaft“ zu buchen seien; darüber hinaus stand der Kommanditistin gerade nicht die Möglichkeit offen, ein „Guthaben jederzeit oder nach Kündigung abzuheben“, und waren auch „keine Bestimmungen über die Höhe und den Termin der Rückzahlung getroffen“ worden. Die ab dem Wirtschaftsjahr 2008/2009 vereinbarte Verzinsung eines „allfällig positive[n]“ Kontos spreche nicht zwingend für den Forderungscharakter. Ob faktisch nur Gewinne und Entnahmen verbucht wurden, sei nicht entscheidungsrelevant, richte sich der Rechtscharakter des Verrechnungskontos doch primär nach dem Gesellschaftsvertrag, nach den Gesellschafterbeschlüssen und nach der Art der ihrer Bildung zugrundeliegenden Geschäftsvorgänge; dass faktisch möglicherweise keine Verluste angefallen sind, die zu verbuchen gewesen wären, könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Das auf dem Verrechnungskonto der Klägerin als damalige Kommanditistin verbuchte Guthaben sei demnach als Eigenkapital der Gesellschaft zu qualifizieren.
[34] 3.7. Zusammenfassend richtet sich somit der Rechtscharakter des Verrechnungskontos primär nach dem Gesellschaftsvertrag, nach den Gesellschafterbeschlüssen und nach der Art der ihrer Bildung zugrundeliegenden Geschäftsvorgänge: Eine stillschweigende Vereinbarung der Gesellschafter kann insbesondere auch durch ständige Übung über die Verbuchung bestimmter Beträge und die Zweckbestimmung bestimmter Konten begründet werden. Für die Qualifikation als Eigenkapital bzw „eigenkapitalinfiziert“ spricht etwa die Verbuchung von Gewinnen, Entnahmen und Verlusten („Infizierung“), das Fehlen einer Verzinsung (vgl aber 6 Ob 254/20a: „nicht zwingend“), das Fehlen von Bestimmungen über die Höhe und den Termin der Rückzahlung und das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses, der den Entnahmebeschränkungen des § 122 UGB unterliegt, als Voraussetzung für die Auszahlung.
[35] In Fällen, in denen die Grenzziehung zwischen Fremd- und Eigenkapital verwässert bzw nahezu unmöglich ist, weil etwa im System fester Kapitalanteile sämtliche Gewinne, Verluste und Entnahmen auf dem Kapitalkonto II verbucht werden, führt die Verbuchung von Verlusten auf einem Konto zusammen mit der Verbuchung von entnahmefähigen und nicht entnahmefähigen Gewinnen zu einer eigenkapitalbezogenen „Infizierung“ des gesamten Kontos (6 Ob 39/10v).
[36] 4.1. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten werden die Gewinn- und Verlustanteile, der Gewinnvorweg und die sonstigen Entnahmen und Einlagen über Privat‑(Verrechnungs‑)konten der Gesellschafter geführt (V.3.). Zu Lasten dieser Privatkonten können solange, als die übernehmenden Gesellschaftsanteile nicht voll eingezahlt sind, keine Entnahmen getätigt werden. Nach Abdeckung der ausstehenden Anteile sind zu Lasten der Privatkonten Entnahmen einvernehmlich zwischen den Gesellschaftern zu beschließen (V.4.). Die Salden sollen nach dem Gesellschaftsvertrag zwar verzinst werden, jedoch ist dies nach den Feststellungen tatsächlich nicht erfolgt (ErstU S 6 und 14). Die Verlustzurechnung und die Immobilisierung (Erschwerung von Entnahmen) sprechen somit für eine Einordnung als Eigenkapital (Einlagenkonto).
[37] 4.2. In der Bilanz der Beklagten werden die Privatverrechnungskonten im Fremdkapital geführt. Die Gesellschafterin M* hat erhebliche Entnahmen aus der Gesellschaft ohne Gesellschafterbeschluss getätigt. Vor Ausbrechen des Konflikts unter den Gesellschaftern wurden von den Gesellschaftern unterjährige Vorwegentnahmen getätigt. Auf Basis der ständigen Übung wäre das Konto demnach als Forderung (Fremdkapital) zu qualifizieren. Eine stillschweigende Vereinbarung zur Qualifikation als Fremdkapital, für deren tatsächliche Voraussetzungen den Kläger die Beweislast trifft (vgl RS0106638), liegt nach den Feststellungen aber nicht vor.
[38] 4.3. Damit ist im vorliegenden Fall die Grenzziehung zwischen Fremd- und Eigenkapital verwässert. Die Vorinstanzen qualifizierten die Verrechnungskonten zurecht (vgl 6 Ob 39/10v) als „eigenkapitalinfizierte Einlagekonten“. Eine Auszahlung wäre demnach grundsätzlich möglich, unterliegt jedoch den Entnahmebeschränkungen des § 122 UGB.
[39] 4.4. Entgegen den Revisionsausführungen hat das Erstgericht das Verrechnungskonto nicht fälschlich als „Eigenkapital“ klassifiziert. Das Erstgericht spricht lediglich von einer „eigenkapitalbezogenen Infizierung des Kapitalkontos“. Dabei handelt es sich in gewisser Weise um eine Art von „Mezzaninkapital“, weil dieses Konto Elemente des Eigen- und Fremdkapitals aufweist und eine eindeutige Zuordnung gerade nicht möglich ist. Dies deckt sich jedoch mit der mittlerweile ständigen Rechtsprechung zum Zweikontenmodell. Bei einer eigenkapitalbezogenen „Infizierung“ des Kontos kommt dem Kommanditisten auch bei einem positiven Saldo kein unmittelbares Forderungsrecht zu; vielmehr ist ein Gesellschafterbeschluss erforderlich, der den Entnahmebeschränkungen des § 122 UGB unterliegt (6 Ob 39/10v). Damit wichen die Vorinstanzen aber nicht von der bisherigen Rechtsprechung zum Zweikontenmodell in der KG bzw GmbH & Co KG ab.
[40] 4.5. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers trifft die Entscheidung 1 Ob 141/02w auch keine Aussage darüber, dass es bei einer eindeutigen Bilanzierung auf die anderen Abgrenzungsmerkmale nicht mehr ankomme. Vielmehr begründete der Senat seine Entscheidung anhand der Bilanzierung und thematisierte den Gesellschaftsvertrag gar nicht. Jedenfalls kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, einem bestimmten Kriterium komme der Vorzug gegenüber anderen Abgrenzungskriterien zu. Vielmehr sind die Kriterien gleichrangig, und es ist anhand einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung abzugrenzen. Dabei ist auf das Überwiegen der Merkmale im Einzelfall abzustellen.
[41] 4.6. Letztlich kommt es jedoch auf die Frage der Behandlung des vorliegenden Privatverrechnungskontos als Fremd- oder Eigenkapital bzw auf eine eigenkapitalbezogene „Infizierung“ für die abschließende rechtliche Beurteilung des Streitfalls nicht an, weil bilanzrechtliche Erwägungen der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Auszahlungsbeschränkung unabhängig vom allfälligen Fremdkapitalcharakter des im Privatverrechnungskonto eingestellten Gewinnanteils von vornherein nicht entgegenstehen. Aus dieser Erwägung geht letztlich auch der Vorwurf des Klägers ins Leere, das Berufungsverfahren sei aufgrund der unterbliebenen inhaltlichen Behandlung der in der Berufung erhobenen Verfahrensrüge mangelhaft geblieben.
[42] 5.1. Für die Gewinnverteilung ist im vorliegenden Fall § 907 Abs 9 UGB maßgeblich. Demnach sind die §§ 167 bis 169 UGB auf nach dem 31. 12. 2006 errichtete Personengesellschaften anzuwenden, sofern unter den Gesellschaftern nichts anderes vereinbart wurde. Auf vor diesem Zeitpunkt errichtete Gesellschaften sind die bisher geltenden Bestimmungen im Handelsgesetzbuch weiter anzuwenden (vgl Artmann in Artmann, UGB I3 [2019] § 168 UGB Rz 2).
[43] 5.2. Bei der Kapitalgesellschaft & Co KG richtet sich die Ermittlung des Gewinns und des Verlusts nach den für den Grundtypus der Kommanditgesellschaft geltenden Grundsätzen. Im Gesellschaftsvertrag kann von § 167 UGB abgewichen werden. Dabei kann auch ein vollständiger Verzicht einer Zuweisung eines Teils des Gewinns vereinbart werden. Der Umstand, dass es sich beim Komplementär um eine Kapitalgesellschaft handelt, steht dem nicht entgegen, auch wenn sich die finanzielle Situation der Kapitalgesellschaft aufgrund der in der Regel anderweitig nicht bestehenden Einkunftsmöglichkeiten dadurch nicht verbessern kann (dazu Mock in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 167 Rz 78 ff).
[44] 5.3. Die maßgeblichen Normen zur Gewinnverteilung und -entnahme sind die §§ 167 bis 169 iVm §§ 120 bis 122 HGB. § 167 iVm § 120 HGB regelt in einem ersten Schritt die Ermittlung des Ergebnisses (Gewinn oder Verlust) der Gesellschaft. § 168 iVm § 121 HGB regelt daraufhin die Verteilung dieses Ergebnisses zwischen den Gesellschaftern, indem den Gesellschaftern ein Anteil am erzielten Gewinn bzw Verlust zugewiesen wird. § 169 iVm § 122 HGB legt schließlich fest, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschafter die Auszahlung des an sie zugewiesenen Gewinns verlangen können (Schauer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 121 Rz 5). Die in § 167 HGB geregelte Gewinn- und Verlustbeteiligung steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit § 168 HGB, der die Gewinnausschüttung an den Kommanditisten regelt und tatbestandlich auf § 167 HGB aufbaut (Mock in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 167 Rz 6; zur Systematik ebendort Rz 9). Daraus ergibt sich die Unterscheidung zwischen Gewinnverteilung in einem ersten Schritt und der Gewinnentnahme in einem davon gesondert zu behandelnden zweiten Schritt (Krejci in Krejci, Reform-Kommentar UGB [2007] § 167 Rz 1).
[45] 5.4. Die Regelungen zur Gewinnverteilung und-entnahme sind gemäß §§ 109, 163 HGB dispositiv. Abweichungen von der Verteilung sind im Gesellschaftsvertrag oder auch konkludent möglich, worauf unter Umständen eine langjährige vom Gesetz abweichende Übung schließen lässt. Eine nachträgliche Änderung der Verteilungsregelung ist eine Gesellschaftsvertragsänderung, sodass es grundsätzlich eines einstimmigen Beschlusses bedarf (Kraus in U. Torggler, UGB3 § 121 Rz 9 ff). Die Gesellschafter können das Entnahmerecht nach ihren Bedürfnissen erweitern oder weiteren Beschränkungen unterwerfen (Schauer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 122 Rz 24). Es kann etwa auch vereinbart werden, dass der nach den allgemeinen Grundsätzen als Gewinn zu behandelnde Vermögensüberschuss dauernd im Vermögen der Gesellschaft bleiben soll; er verliert dann den Rechtscharakter als Gewinn mit den sich daraus ergebenden Folgen, insbesondere dass die Auszahlung nicht einseitig gefordert werden kann (RS0061874). Ebenso ist es zulässig, die Gewinnausschüttung generell unter den Vorbehalt eines Gesellschafterbeschlusses zu stellen (Mock in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 168 Rz 49). Praktisch bedeutsam sind auch Einschränkungen des auf Vollausschüttung gerichteten gesetzlichen Gewinnentnahmerechts, um eine Verbesserung der Eigenkapitalbildung zu bewirken und damit die Selbstfinanzierung der Gesellschaft zu stärken (Artmann in Artmann, UGB I3 [2019] § 168 UGB Rz 16).
[46] 6.1. Ein wesentliches Argument des Klägers in der Revision ist die vermeintliche Maßgeblichkeit der Bilanzierung. So versucht die Revision dazulegen, wenn man der „krass unrichtigen“ Rechtsansicht der Vorinstanzen folge, führe dies zu Ergebnissen, die grundlegende bilanzierungsrechtliche Grundsätze außer Kraft setzen würden. Fraglich sei also, ob die einstimmig festgestellte Bilanz und die damit verbundene bilanzielle Behandlung von Vorjahresgewinnen als Verbindlichkeit zu einem unbedingten, fälligen Anspruch auf Auszahlung dieser Gewinne führt.
[47] 6.2. Für den Gewinn- und Verlustausweis der GmbH & Co KG bestehen keine besonderen gesetzlichen Regelungen (vgl Nowotny, Gewinn, Entnahmen und Eigenkapital bei der GmbH & Co KG, in GS Arnold2 [2016] 63 [73]; Mock in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 167 Rz 75). Liegen keine gesonderten gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen vor, entsteht der Gewinnanspruch des Gesellschafters erst bei Feststellung, ansonsten frühestens mit Aufstellung des Jahresabschlusses, woraus das AFRAC folgert, dass das Ergebnis des bilanzierten Geschäftsjahrs jedenfalls als Gewinn/Verlust der Gesellschaft (also in deren Eigenkapital) auszuweisen ist. Ein Ausweis als Verbindlichkeit kommt erst in den Folgejahren in Betracht. Als Verbindlichkeit ursprünglich ausgewiesene, jedoch nicht entnommene Gewinnanteile aus Vorjahren können in Folgeperioden den Kapitalrücklagen zugeführt werden (zu allem Hofians/Ressler in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 229 Rz 8).
[48] 6.3. Davon strikt zu unterscheiden ist der Anspruch auf tatsächliche Auszahlung, der hier gerade im Gesellschaftsvertrag dahin geregelt wird, dass dafür ein gesonderter einstimmiger Beschluss erforderlich ist. So wird in der AFRAC‑Stellungnahme 18 davon gesprochen, die §§ 105 ff UGB über die eingetragenen Personengesellschaften würden weitgehend dispositives Recht darstellen, weshalb Modifikationen im Gesellschaftsvertrag möglich und in der Praxis üblich seien (AFRAC‑Stellungnahme 18, S 4).
[49] Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 3 Ob 89/97b ausgesprochen: „Wie das gesetzliche Entnahmerecht des Komplementärs nach § 122 HGB kann selbstverständlich auch das vertragliche des Kommanditisten eingeschränkt werden, ersetzt es doch dessen ebenfalls disponiblen Gewinnauszahlungsanspruch. Eine solche Einschränkung geschieht durch den Gesellschaftsvertrag oder im Einzelfall mit Zustimmung der betroffenen Gesellschafter.“
[50] 6.4. Der aufgrund der Bilanzierung ermittelte Gewinn bildet die Grundlage für eine mögliche Ausschüttung (§ 167 iVm § 120 HGB). Nicht zuletzt räumt das Gesetz auch bestimmte Bilanzierungswahlrechte ein, die die Höhe des potentiell ausschüttbaren Gewinns beeinflussen können. Den Gesellschaftern wird in einem nächsten Schritt der jeweilige Gewinn- oder Verlustanteil zugewiesen. Gegenständlich wurde die Gewinnverteilung gesellschaftsvertraglich geregelt (Punkt VIII. iVm Punkt V.3.). Diese Regelung zur Gewinnverteilung ist ausweislich § 163 HGB möglich. Aus bilanzrechtlicher Sicht kann der Gewinn nun an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Ein unbedingt auszahlbarer Bilanzgewinn – wie vom Kläger mehrmals behauptet – liegt zu diesem Zeitpunkt jedoch trotz einstimmiger Feststellung des Jahresabschlusses bzw der Bilanz noch nicht vor. Bilanzierung und Gewinnverteilung sind vielmehr vom nächsten Schritt der tatsächlichen Auszahlung zu trennen.
[51] 6.5. Die Voraussetzungen der tatsächlichen Ausschüttung (somit der Auszahlung im Sinne einer Tilgung von Fremdkapital) stehen ebenfalls zur Disposition der Gesellschafter (§ 163 HGB) und richten sich nach dem Gesellschaftsvertrag. Im Gesellschaftsvertrag ist in Punkt V.4. für Entnahmen zulasten der Privatkonten ein einstimmiger Beschluss vorgesehen, wodurch vom Prinzip der Vollausschüttung abgewichen wurde (vgl Artmann in Artmann, UGB I3 [2019] § 168 UGB Rz 16). Dabei handelt es sich um eine zulässige Selbstbindung der Gesellschafter. Dieser (gesonderte) einstimmige Beschluss ist nach den Feststellungen mangels Einvernehmens bislang nicht zustande gekommen.
[52] 7.1. Die einstimmig festgestellte Bilanz und die damit verbundene bilanzielle Behandlung von Vorjahresgewinnen als Verbindlichkeit führt demnach noch nicht zu einem unbedingten, fälligen Anspruch auf Auszahlung dieser Gewinne. Vielmehr ist für die Auszahlung ein gesonderter einstimmiger Beschluss gemäß Punkt V.4. des Gesellschaftsvertrags notwendig. Nicht zuletzt folgt die Beklagte ohnehin dieser Praxis, wonach der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr mit Gesellschafterbeschluss vom 26./27. 9. 2019 einstimmig genehmigt und festgestellt wurde, über die Ausschüttung des Jahresüberschusses aber gesondert am 18. 12. 2019 abgestimmt wurde, jedoch keine Einstimmigkeit erreicht werden konnte. Da die Bilanzierung demnach vom Gesellschaftsvertrag zu trennen ist, liegt auch kein sekundärer Feststellungsmangel vor.
[53] Die in der Revision vertretene Auffassung, jedenfalls durch den einstimmig gefassten Bilanzfeststellungsbeschluss seien die Gesellschafter von der in Punkt V.4. des Gesellschaftsvertrags getroffenen Beschränkung des Gewinnauszahlungsanspruchs einvernehmlich abgegangen, liege doch in der Feststellung des Jahresabschlusses ein materiell‑rechtliches Anerkenntnis nicht nur der Richtigkeit der Bilanz, sondern auch der darin gebuchten Positionen, trifft daher nicht zu.
[54] 7.2. Der erkennende Senat hat sich in der Entscheidung 6 Ob 219/19b umfassend mit dem Meinungsstand zur Wirkung der Feststellung des Jahresabschlusses auseinandergesetzt. Ausgehend von der Festlegung, dass es sich bei dieser Feststellung um ein privatrechtliches Rechtsgeschäft mit verbindlicher Wirkung zwischen den Gesellschaftern handelt, geht der Senat in Ansehung der konkreten Folgen des Rechtsgeschäfts mit der herrschenden Lehre davon aus, dass hinsichtlich aller Fragen, für die der Jahresabschluss oder einzelne Positionen daraus von Bedeutung sind, eine für alle Gesellschafter verbindliche Determinante geschaffen wird, und folgert daraus, dass der Anspruch auf Gewinnauszahlung grundsätzlich (erst) mit der Feststellung des Jahresabschlusses entsteht (ErwGr 3.1. ff, insb 3.8. f). Aus diesen Erwägungen lässt sich aber entgegen der Auffassung des Klägers nicht ableiten, dass spätestens mit Bilanzfeststellung jeder Gesellschafter der Beklagten auch „ein einklagbares (fälliges) Forderungsrecht“ auf Auszahlung des Gewinns erworben hat. Die Auffassung des Klägers läuft auf eine unzulässige Gleichsetzung von Fälligkeit und Entstehung der Forderung auf Gewinnauszahlung hinaus (dazu statt vieler Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4§ 904 ABGB Rz 2).
[55] 7.3. An diesem Ergebnis vermag die allfällige Bilanzierung des Gewinnanteils in der Komplementärgesellschaft als Forderung nichts zu ändern. Auf die vom Kläger aufgeworfene hypothetische Überlegung, wonach die Rechtsansicht des Berufungsgerichts das Bilanzieren von „Scheingewinnen“ in der Komplementärgesellschaft ermöglichen würde, muss mangels Relevanz nicht eingegangen werden, zumal er sich damit vom festgestellten Sachverhalt entfernt. Im Übrigen wäre eine Bilanzierung des vermeintlichen Gewinnanspruchs in der Komplementärgesellschaft unter den Forderungen (Verrechnungskonto) nicht zutreffend, weil bis zum Ausschüttungsbeschluss kein Forderungsrecht vorliegt.
[56] 8. Zusammenfassend ist somit der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen beizupflichten, wonach der Anspruch des Klägers am fehlenden einstimmigen Beschluss scheitert. Auf einen allfälligen Verstoß gegen die Treuepflicht beruft sich der Kläger nicht. Es wäre an ihm gelegen, ausreichende Beweise für einen Verstoß gegen die Treuepflicht zu liefern (RS0106638).
[57] 9. Zusammenfassend erweisen sich die Entscheidungen der Vorinstanzen sohin als frei von Rechtsirrtum, sodass der Revision ein Erfolg zu versagen war.
[58] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)