OGH 6Ob181/15h

OGH6Ob181/15h21.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S***** L*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der R***** GmbH & Co KG (AZ ***** des Handelsgerichts Wien), vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei R***** T*****, vertreten durch Dr. Gottfried Thiery, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenientinnen 1. Mag. G***** H*****, 2. H***** & Co OG, beide *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, 3. E***** K*****, 4. J***** M*****, beide vertreten durch Dr. Hans Rant & Dr. Kurt Freyler Rechtsanwalt KG in Wien, wegen 121.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Juli 2015, GZ 1 R 238/14y‑33, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Laut Gesellschaftsvertrag der R***** GmbH & Co KG (kurz Schuldnerin) vom 9. 4. 1975 waren für die Komplementär‑GmbH und die vier Kommanditisten (darunter der Beklagte) zum einen starre Kapitalkonten und zum anderen Privatkonten eingerichtet. Letzteren wurden Reingewinne und Einlagen zugeschrieben sowie Verluste und Entnahmen von diesen abgeschrieben.

Rechtliche Beurteilung

1. Der erkennende Senat hat zu einer solchen gesellschaftsvertraglichen Regelung eines Zweikontenmodells in der Entscheidung 6 Ob 39/10v (GesRZ 2011, 35 [Artmann]) bereits klargestellt, dass zwar ‑ entsprechend der (nunmehrigen) gesetzlichen Regelung des § 109 UGB ‑ die Kapitalanteile der Gesellschafter durch Zu- oder Abflüsse von Vermögenswerten nicht verändert werden dürfen, das Kapitalkonto II (Privatkonto, Verrechnungskonto) aber einen Teil der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung oder eine rein schuldrechtliche Forderung ausweisen kann. Der Rechtscharakter des Kapitalkontos II richtet sich dabei nach dem Gesellschaftsvertrag, nach den Gesellschafterbeschlüssen und nach der Art der ihrer Bildung zugrundeliegenden Geschäftsvorgänge; eine stillschweigende Vereinbarung der Gesellschafter kann insbesondere auch durch ständige Übung über die Verbuchung bestimmter Beträge und die Zweckbestimmung bestimmter Konten begründet werden. Die Buchung von Verlusten auf dem Kapitalkonto II spricht dabei dafür, dass diesem die Funktion eines echten Einlagekontos zukommt, weshalb das Kapitalkonto II des Kommanditisten dann ein Forderungskonto darstellt, wenn darauf Gewinne und Entnahmen verbucht werden; werden auch Verluste auf dem Konto verbucht, ist es hingegen ein Einlagenkonto. Durch die unterschiedslose Erfassung aller für den Kommanditisten relevanten Buchungsvorgänge über das Kapitalkonto II wird die Grenzziehung zwischen Fremd‑ und Eigenkapital allerdings verwässert beziehungsweise nahezu unmöglich. Deshalb ist das verbuchte Vermögen als Eigenkapital der Gesellschaft zu qualifizieren, wenn im System fester Kapitalanteile sämtliche Gewinne, Verluste und Entnahmen auf dem Kapitalkonto II verbucht werden. In einem solchen Fall führt die Verbuchung von Verlusten auf einem Konto zusammen mit der Verbuchung von entnahmefähigen und nicht entnahmefähigen Gewinnen zu einer eigenkapitalbezogenen „Infizierung“ des gesamten Kontos. Daraus folgt, dass dem Kommanditisten auch bei einem positiven Saldo kein unmittelbares Forderungsrecht zukommt; vielmehr ist ein Gesellschafterbeschluss erforderlich, der den Entnahmebeschränkungen des § 122 UGB unterliegt. Umgekehrt ist ein Debet keine auszugleichende Verbindlichkeit, dies jedenfalls solange sie auf der Verbuchung von Verlusten beruht. Der Gesellschafter ist ‑ mit Ausnahme unbefugter Entnahmen ‑ auch nicht verpflichtet, während des Bestehens der Gesellschaft dieses negative Kapital auszugleichen; eine unberechtigte Entnahme beziehungsweise Auszahlung begründet hingegen einen jederzeitigen Rückforderungsanspruch der Gesellschaft.

Hier ist es unstrittig, dass auf den Privatkonten der Gesellschafter (also auch des Beklagten) Gewinne, Verluste, Entnahmen und Einlagen gebucht wurden, wobei eine detaillierte Kontenhistorie von den Vorinstanzen nicht festgestellt wurde. Im Sinne der dargestellten Grundsätze der Entscheidung 6 Ob 39/10v handelt es sich somit beim Privatkonto des Beklagten um ein Einlagenkonto, weshalb ein Debet vom Beklagten nicht auszugleichen wäre.

2. Allerdings entspricht es auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass von den Gesellschaftern mit Wirkung im Innenverhältnis vereinbart werden kann, dass ein Kommanditist über seine Einlage hinaus am Verlust der Gesellschaft teilzunehmen hat; im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft kann dieser Anspruch vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (7 Ob 559/90 SZ 63/94; 6 Ob 39/10y). Eine derartige Vereinbarung haben die Vorinstanzen dem Gesellschaftsvertrag der Schuldnerin entnommen und der Zahlungsverpflichtung des Beklagten zugrunde gelegt.

2.1. Der Beklagte bekämpft dies in seiner außerordentlichen Revision. Er übersieht dabei allerdings, dass sich die Auslegung von Vereinbarungen immer nach den Umständen des Einzelfalls zu richten hat und an Bedeutung über den konkreten Fall regelmäßig nicht hinausgeht (RIS‑Justiz RS0044298 [T1]); dies gilt auch für die Auslegung von Gesellschaftsverträgen (6 Ob 231/05x). Auch ist der Beklagte, der sich insbesondere auf den ‑ im Unterschied zur Komplementärin ‑ mangelnden Einfluss als Kommanditist auf die Geschäftsführung, die Feststellung der Jahresabschlüsse und die Verbuchung von Gewinnen und Verlusten auf den Privatkonten beruft, auf seine Funktion als Geschäftsführer der Komplementär‑GmbH der Schuldnerin (und damit der Schuldnerin selbst) zu verweisen; in seiner außerordentlichen Revision führt er dazu auch selbst aus, die Schuldnerin sei „nur von einer Person (nämlich dem Beklagten) geführt worden“ (Revision des Beklagten S 13). Worin bei dieser Konstellation seine mangelnde Einflussmöglichkeit bestanden haben soll, ist nicht erkennbar.

2.2. Dies gilt auch für die Überlegung des Beklagten, es habe für ihn als Kommanditisten „jeder rechtsgeschäftliche Akt [gefehlt], eine Haftung mit seinem gesamten Privatvermögen in der Höhe eines unbestimmten negativen Saldos in der Zukunft gegenüber der Gesellschaft begründen zu wollen“. Dem Gesellschaftsvertrag ist vielmehr zu entnehmen, dass der Beklagte diesen zum einen als Geschäftsführer der Komplementär‑GmbH und zum anderen als Kommanditist unterfertigt hat (Beilage ./A).

2.3. Wenn der Beklagte in der außerordentlichen Revision neuerlich meint, die Gesellschafter seien von den entsprechenden Vertragsbestimmungen konkludent abgegangen, so entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt. Im Übrigen sieht der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vor, dass Abänderungen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform bedurft hätten.

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