OGH 6Ob80/21i

OGH6Ob80/21i23.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. R*, sowie 2. G*, beide vertreten durch Veronik & Primus Rechtsanwälte OG in Eibiswald, gegen die beklagte Partei B* AG, FN *, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Vertragsaufhebung und 16.334,19 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. Jänner 2021, GZ 4 R 133/20s‑32, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 3. Juli 2020, GZ 61 Cg 7/19v‑28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132305

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Kläger sind seit 1. 4. 2014 (Erstklägerin) bzw 1. 6. 2016 (Zweitkläger) Pensionisten. Im Jahr 2015 zog der Zweitkläger zur Erstklägerin. Sie teilten sich in der Folge die Kosten für Wohnen und Lebensmittel.

[2] Die Beklagte ist eine österreichweit tätige Bank mit eigenem Filialnetz.

[3] Am 1. 2. 2017 schlossen die Kläger mit der Beklagten einen gemeinsamen Kreditvertrag („SuperschnellKredit“) über 70.000 EUR mit einem Zinssatz von 6,97 % p.a. (Effektivzinssatz 10,5 % p.a.) und einer Laufzeit von 120 Monaten ab. Nach Abdeckung aushaftender anderer Kredite bei anderen Banken wurde der Restbetrag von 39.196,53 EUR vereinbarungsgemäß auf das Konto des Zweitklägers überwiesen. Von 1. 3. bis 1. 12. 2017 zog die Beklagte vom Konto des Zweitklägers insgesamt 9.261,30 EUR (= 926,13 EUR mtl) an Kreditraten ein und schrieb diese am Kreditkonto der Kläger gut. Im Oktober 2017 zog der Zweitkläger bei der Erstklägerin aus. Ab Jänner 2018 stellte er die Zahlung der monatlichen Kreditraten ein bzw wurden die Lastschriften mangels Kontodeckung von der Hausbank des Zweitklägers nicht mehr durchgeführt.

[4] Die Kläger begehren, gestützt auf „List, Irrtum, culpa in contrahendo, Schadenersatz, VKrG, KSchG, BWG“, die Aufhebung des Kreditvertrags und die Zahlung von 11.722,89 EUR sA an die Erstklägerin bzw 4.611,30 EUR sA an den Zweitkläger. Hilfsweise stellen die Kläger die Begehren, der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Kreditvertrag werde aufgehoben und zwischen der Beklagten und der Erstklägerin einerseits bzw zwischen der Beklagten und dem Zweitkläger andererseits je ein separater Kreditvertrag über je 35.000 EUR mit einem vereinbarten Fixzinssatz von 2,9 %, in eventu 6,97 %, und einer Laufzeit von 120 Monaten abgeschlossen. Sie seien von der Beklagten bzw der ihr zurechenbaren Kreditvermittlerin nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Von den Klägern sei zu keinem Zeitpunkt angedacht gewesen, eine Solidarhaftung einzugehen; vielmehr sei der Kredit gesondert und unabhängig zu je 35.000 EUR abgeschlossen worden. Der Kredit hätte unter Bedachtnahme auf die finanzielle Situation der Kläger nicht gewährt werden dürfen; die Beklagte habe ihre Warnpflicht nach § 7 VKrG verletzt. Die Kläger hätten den Kreditvertrag bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Solidarhaftung, die Höhe der Provision der Kreditvermittlerin, die überhöhten Nebengebühren sowie Zinsbelastungen und über „unzulässige und sittenwidrige Klauseln“ nicht abgeschlossen, in eventu nur zwei gesonderte Kreditverträge über je 35.000 EUR. Sie seien auch nicht informiert worden, dass eine Ablebensrisikoversicherung nur für die Erstklägerin abgeschlossen werde, und nicht auch für den Zweitkläger; es sei nicht nachvollziehbar, weshalb nicht auch für den Zweitkläger eine Ablebensversicherung zur Sicherung des Kredits erfolgte.

[5] Die Beklagte wandte ein, der Kreditvertrag sei vor Unterfertigung mit beiden Klägern ausführlich besprochen worden, diese hätten gewusst, dass ein gemeinsamer Kredit aufgenommen werde, zumal von zwei getrennten Krediten nie eine Rede gewesen sei. Welche internen Vereinbarungen die Kläger zur Rückzahlung geschlossen hatten, sei im Verhältnis zur Beklagten irrelevant. Eine Geschäftsverbindung zur Kreditvermittlerin bestehe nicht; diese sei ihr unbekannt, sie habe auch nie eine Vermittlungsprovision bezahlt. Die Bonität der Kläger sei vor Abschluss des Kreditvertrags geprüft worden, die Kreditrate aufgrund deren eigenen Angaben leistbar gewesen. Während aufrechter Lebensgemeinschaft der Kläger habe es mit der Rückzahlung keine Probleme gegeben; die Auflösung der Lebensgemeinschaft sei für die Beklagte nicht vorhersehbar gewesen und falle alleine in die Sphäre der Kläger. Die Ablebensversicherung diene der Beklagten als Sicherheit und werde immer mit der Person mit dem höheren Einkommen abgeschlossen. Es bleibe der Beklagten vorbehalten, welche Sicherheiten sie verlange. Weder für das (unschlüssige) Haupt‑ noch für die Eventualbegehren gebe es eine Rechtsgrundlage.

[6] Das Erstgericht wies das gesamte Begehren ab. Die Beklagte habe die Bonität des Klägers gemäß § 7 VKrG geprüft, wobei die Kreditwürdigkeit der Kläger im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegeben gewesen sei. Deren finanzielle Möglichkeiten hätten sich erst im Oktober 2017 mit dem Auszug des Zweitklägers verändert; diese Entwicklung könne aber nicht der Sphäre der Beklagten zugerechnet werden. Es sei gesetzlich nicht vorgeschrieben, dass bei einem gemeinsamen Kredit beide Kreditnehmer alleine eine ausreichende Bonität für den gewünschten Kreditbetrag aufweisen müssten. Den Klägern sei der Vertragsinhalt vor Unterfertigung durch den Bankangestellten erklärt worden; ein Erklärungsirrtum liege nicht vor. Das Leistungsbegehren sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Kläger die Kreditsumme erhalten haben, die geleisteten Raten kein positiver Schaden seien und die Kläger nicht behaupten, sie hätten bereits mehr zurückgezahlt als erhalten.

[7] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beklagte sei ihren Aufklärungspflichten nach den § 7 VKrG und § 25c KSchG nachgekommen. Jedenfalls bei solidarisch haftenden Kreditnehmern, die– nicht erkennbar nur befristet – in welchem Beziehungsstatus auch immer im gemeinsamen Haushalt leben und gemeinsam wirtschaften, könne die Kreditwürdigkeit nicht bereits dann verneint werden, wenn nicht jeder Person nach Abzug der Kreditrate und der Ausgaben der allgemeine Grundbetrag für alleinstehende Personen nach § 291a Abs 1 EO („Existenzminimum“) verbleibt. Auch könnten interne Vereinbarungen über die Tragung der Lebenserhaltungs- und Kreditkosten nicht außer Acht gelassen werden, soll doch der Verbraucher nicht bevormundet werden. Zu berücksichtigen sei das in der Lebensrealität bestehende Bedürfnis von Verbrauchern, die reale Kostenersparnis durch das gemeinsame Haushalten für Kreditaufnahmen auch zugunsten eines einkommensschwächeren Teils zu nützen und durch interne Vereinbarungen die Tragung der Lebenserhaltungs- und Kreditkosten zu regeln. Selbst wenn man davon ausginge, dass ein Regressverhältnis im Innenverhältnis bestand, von dem die Beklagte wusste, und somit die Kläger (zu je 50 % oder einem sonstigen bestimmten Verhältnis) Interzedenten wären, liege keine Warnpflichtverletzung nach § 25c KSchG vor.

[8] Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Kriterien für die Bonitätsprüfung von Solidarschuldnern iSd § 7 Abs 1 VKrG und – gegebenenfalls – zu den zivilrechtlichen Folgen einer mangelhaften Aufklärung fehle. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 30.000 EUR.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

[10] 1. Die Kläger werfen der Beklagten vor, diese habe sie nicht über die mangelnde Kreditwürdigkeit aufgeklärt. Konkret wäre es weder möglich gewesen, dass einer der Kläger den gesamten oder auch nur den halben Kreditbetrag allein zurückführt, noch dass beide Kläger den Kreditbetrag gemeinsam zurückbezahlen.

[11] 2.1. Nach § 7 Abs 1 VKrG hat der Kreditgeber vor Abschluss des Kreditvertrags die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers anhand ausreichender Informationen zu prüfen. Dies stellt eine Maßnahme zur Förderung verantwortungsvoller Verfahren bei der Kreditvergabe im Sinne von Erwägungsgrund 26 zur RL 2008/48/EG (Verbraucherkredit‑RL) dar.

[12] 2.2. Bei der Bonitätsprüfung handelt es sich um eine Prognose über die Ausfallswahrscheinlichkeit des Verbrauchers (Pesek in Fenyves/Kerschner/Vonkilch [Hrsg], Großkommentar zum ABGB – Klang-Kommentar – VKrG3 zu § 7 VKrG Rz 9). Sie dient einerseits dem allgemeinen Interesse an einer funktionstüchtigen Kreditwirtschaft, andererseits aber auch dem individuellen Schutz des Kreditnehmers (Dehn in Apathy/Iro/Koziol, BVR2 IV Rz 2/51; Zöchling-Jud in Wendehorst/Zöchling-Jud, Verbraucher-kreditrecht [2010] § 7 VKrG Rz 1).

[13] 2.3. Laut Erwägungsgrund 26 zur VKrRL sollen Kreditgeber dafür verantwortlich sein, in jedem Einzelfall die Bewertung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers zu prüfen. Zu den von den Mitgliedstaaten zu ergreifenden Maßnahmen verantwortungsvoller Verfahren in allen Phasen der Kreditvergabe könnten beispielsweise die Unterrichtung und Aufklärung der Verbraucher, einschließlich Warnungen vor dem Risiko des Zahlungsverzugs oder der Überschuldung, gehören. Die vorvertragliche Verpflichtung des Kreditgebers zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers trägt laut Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) insoweit, als sie den Schutz der Verbraucher vor der Gefahr der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit bezweckt, zur Verwirklichung des Ziels der Richtlinie 2008/48/EG bei, in Bezug auf Verbraucherkredite allen Verbrauchern in der Union ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern (vgl C‑656/12 [LCL Le Crédit Lyonnais SA], Rz 42). Die Verpflichtung zur Bewertung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vor Abschluss eines Kreditvertrags laut Art 8 Abs 1 der RL 2008/48/EG trage weiters zur Verwirklichung dieses Ziels bei, indem sie den Schutz der Verbraucher vor Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit bezweckt (C‑679/18 [OPR-Finance s.r.o.], Rz 20 f).

[14] 3.1. Nach den Materialien zum Verbraucherkreditgesetz (ErlRV 650 BlgNR 24. GP  17) ist „Kreditwürdigkeit“ iSd § 7 Abs 1 VKrG dahin zu verstehen, dass der Verbraucher bei einer ex-ante-Betrachtung voraussichtlich in der Lage sein wird, seine Zahlungspflichten aus dem Kreditvertrag vollständig zu erfüllen, ohne dadurch an den Rand seiner wirtschaftlichen Existenz gedrängt zu werden. Für ihre Prüfung sind die überblickbaren finanziellen Verhältnisse des Verbrauchers ebenso ins Kalkül zu ziehen wie die Höhe des Kreditbetrags sowie Höhe und Frequenz der vom Kreditnehmer zu leistenden Rückzahlungen und dessen bereits bestehende Verbindlichkeiten.

[15] 3.2. Demnach sind die laufenden Einkünfte und sonstigen liquiden Mittel des Verbrauchers heranzuziehen und mit den Kosten des Kredits und der laufenden Rückzahlungsverpflichtung in Relation zu setzen, wobei die Nachhaltigkeit der erzielbaren Mittel eine wesentliche Rolle spielt. Zu berücksichtigen sind auch Belastungen und Bedürfnisse des Verbrauchers (vgl Zöchling‑Jud aaO Rz 6, 9 f, 12).

[16] 4.1. Für die Definition der Kreditwürdigkeit im verbraucherschutzrechtlichen Sinn findet sich ein breites Meinungsspektrum. Nach überwiegender Auffassung ist darauf abzustellen, ob bei Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag Zahlungsunfähigkeit droht (Leupold/Ramharter, Die Verletzung der Pflicht zur Warnung vor mangelnder Kreditwürdigkeit nach dem Verbraucherkreditgesetz, ÖBA 2011, 469; ebensoPesek, Der Verbraucherkreditvertrag [2012] 116 ff; St. Foglar‑Deinhardstein, Die Bonitätsprüfung beim Verbraucherkredit [2013] Rz 222 ff; ders, ÖBA 2014, 699 [701]).

[17] 4.2. Nach Wendehorst (Was ist Bonität – zum Begriff der „Kreditwürdigkeit“ in § 7 VKrG, in Blaschek/Habersberger, Eines Kredites würdig? [2011] 11 [25]) ist die Warnpflicht hingegen bereits dann zu bejahen, wenn der Verlust des sozial adäquaten Mindeststandards droht. Dieser liege signifikant über dem Existenzminimum.

[18] 4.3. Teilweise wird auch vertreten, dass für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Zweck des Kredits maßgeblich sei (Zöchling‑Jud in Wendehorst/Zöchling‑Jud, Verbraucherkredit [2010] § 7 Rz 10; Dehn aaO Rz 2/55). Demnach sei der Verbraucher umso eher zu warnen, je objektiv unwichtiger die Kreditverwendung ist. Daher wurde vor Inkrafttreten des HIKrG als Beispiel angeführt, dass bei Finanzierung einer Urlaubsreise oder eines sonstigen Konsumgutes ein strengerer Maßstab anzulegen sei als bei Finanzierung einer neuen Eigentumswohnung.

[19] 4.4. Nach Heinrich (in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 7 VKrG Rz 7; dies, Bonitätsprüfung im Verbraucherkreditrecht [2014] 91 ff und JBl 2014, 367 f) würde ein nach dem Zweck der Kreditaufnahme differenzierendes Begriffsverständnis zu einer zu großen Beweglichkeit des Systems der Bonitätsprüfung führen (gegen Berücksichtigung des Kreditzwecks auch Pesek aaO 122 f; St. Foglar‑Deinhardstein aaO Rz 236). Selbst im Falle einer Exekution bzw einer Insolvenz könne dem Verbrauchernie mehr als das exekutionsfreie (richtig: exekutionsunterworfene) Vermögen genommen werden. Würde die Hinweispflicht erst bei drohender Zahlungsunfähigkeit einsetzen, wäre § 7 VKrG seines mittelbaren Schutzzwecks, den Verbraucher jedenfalls mehr als das exekutionsfreie Vermögen zu belassen, beraubt. Daher sei der Kreditgeber zur Warnung verpflichtet, wenn dem Verbraucher durch Abschluss des Kreditvertrags das Herabsinken auf bzw unter das exekutionsfreie Vermögen drohe. Heinrich schlägt vielmehr in Rz 7 ff folgende Formel als Orientierung zur Bewertung der Kreditwürdigkeit vor: Um keine Warnpflicht des Kreditgebers auszulösen, müssen die Mittel des Verbrauchers (M) abzüglich seiner sonstigen Belastungen (B) sowie seiner Verpflichtungen aus dem anvisierten Kreditvertrag (K) zumindest immer noch über dem exekutionsfreien Vermögen E liegen (E < M – B – K bzw K < M – B – E). Dabei werden die Mittel jedenfalls die nachhaltigen Einkünfte umfassen und Belastungen unabdingbare Verbindlichkeiten des Verbrauchers, sofern sie nicht bereits durch das Existenzminimum gedeckt sind. Dazu sollen etwa sämtliche bereits begründeten Forderungen anderer Gläubiger, wie etwa Forderungen aus weiteren Kreditverträgen, Rückstände aus Dauerschuldverhältnissen zählen. Das Existenzminimum soll alle lebensnotwendigen und damit angemessenen fixen und variablen (Lebenshaltungs‑)Kosten des Verbrauchers abdecken. Disponible künftig anfallende Ausgaben für Telefon, Fernsehen, Rundfunk, aber etwa auch für ein Fahrzeug, sind daher nicht im Rahmen der den Verbraucher treffenden Belastungen vollumfänglich von dessen Mitteln abzuziehen, sondern werden bereits durch die Größe des Existenzminimums ausreichende Berücksichtigung finden.

[20] 5.1. Wenn die Prüfung der Kreditwürdigkeit erhebliche Zweifel an der Fähigkeit des Verbrauchers ergibt, seine Pflichten aus dem Kreditvertrag vollständig zu erfüllen, hat der Kreditgeber den Verbraucher nach § 7 Abs 2 VKrG auf diese Bedenken gegen dessen Kreditwürdigkeit hinzuweisen. Ergibt die Prüfung eine unzureichende Bonität, besteht eine Warnpflicht, aber kein Abschlussverbot (Zöchling-Jud aaO Rz 32; Dehn aaO Rz 2/60). Der Verbraucher soll laut Dehn (aaO) so informiert werden, dass ihm ein klares Bild darüber gegeben wird, wie sich der Kreditvertragsabschluss und die daraus resultierenden Zahlungspflichten auf seine finanzielle Lage auswirken.

[21] 5.2. Der Oberste Gerichtshof hatte sich bereits zu 8 Ob 76/16h mit § 7 VKrG auseinanderzusetzen und hat dabei ausgesprochen, dass die Warnpflicht den Schutz des Verbrauchers vor verantwortungsloser Kreditaufnahme erhöhen soll, ohne ihn jedoch diesbezüglich zu bevormunden.

[22] 5.3. Laut Pesek (aaO Rz 51) soll die Warnpflicht den präsumtiven Kreditnehmer in die Lage versetzen, seine Entscheidung über den Vertragsabschluss zu überdenken und so von der Aufnahme eines Kredits Abstand nehmen zu können, der seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt. Die Warnung bewirke natürlich keine Bevormundung des Verbrauchers, denn dieser trage sowohl die Letztverantwortung über den Abschluss des Vertrags als auch die daraus resultierenden Folgen. Wenn dem Kreditwerber also eine informierte Entscheidung über den Abschluss des Vertrags ermöglicht werde, könne trotz negativer Bewertung der Kreditwürdigkeit „getrost“ ein Kredit vergeben werden, der ihn in die Überschuldung treibt.

[23] 6.1. Tritt ein Verbraucher einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant bei (Interzession), so hat ihn der Gläubiger nach § 25c KSchG auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Unterlässt der Unternehmer diese Information, so haftet der Interzedent nur dann, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätte.

[24] 6.2. Der Anwendungsbereich des § 25c KSchG soll sich auf solche Mitschuldner beschränken, die einer materiell fremden Verbindlichkeit (Übernahme einer Haftung für Rechnung eines anderen und im fremden Interesse) beitreten. Personen, die gemeinsam und im gemeinsamen Interesse eine Verbindlichkeit als echte Mitschuld eingehen, sind nicht erfasst. In wessen Interesse die Übernahme einer Verbindlichkeit liegt, ist aus der Sicht des Schuldners zu beurteilen. Kommt die Kreditaufnahme auch dem Mithaftenden zugute, liegt keine „fremde Verbindlichkeit“ iSd § 25c KSchG vor (RS0119014). Für die Klärung der Frage, ob eine materiell fremde Schuld besichert oder eine „echte“ Mitschuld eingegangen werden soll, ist das dem Gläubiger bekannte oder von ihm leicht erforschbare Innenverhältnis der beiden Schuldner maßgeblich. Dabei lässt sich eine materiell fremde Schuld dadurch charakterisieren, dass dem Interzedenten im Fall seiner Inanspruchnahme ein Regressanspruch gegenüber dem Schuldner zustünde. Um dies zu beurteilen, ist der Parteiwille maßgeblich, der, wenn er nicht ausdrücklich erklärt wird, aus den Umständen beim Vertragsabschluss zu erschließen ist (5 Ob 103/13b; vgl auch RS0124822). Die mangelnde Offenlegung geht zu Lasten des Beweispflichtigen; dann kann es nur auf den Wortlaut der Erklärungen ankommen (RS0124822).

[25] 6.3. Eine Aufklärungsobliegenheit iSd § 25c KSchG besteht dann nicht, wenn der Interzedent selbst die Kreditverhandlungen für den Hauptschuldner eigenverantwortlich führt und über dessen Finanzlage zur Gänze unterrichtet ist (RS0120255). Auch wenn sonst feststeht, dass der Interzedent vollständige Kenntnis über die wirtschaftliche Lage des Hauptschuldners hat, besteht keine Aufklärungsobliegenheit (vgl 3 Ob 209/06s; 3 Ob 50/13v).

[26] 7.1. Wird ein Kredit zwei Verbrauchern eingeräumt, die solidarisch haften sollen, gebietet das Verbraucherschutzinteresse als Schutzzweck des § 7 VKrG die Prüfung der Bonität beider Verbraucher (vgl Dehn aaO Rz 2/52; Pesek aaO Rz 26).

[27] 7.2. Unterschiedlich diskutiert wird in der Literatur, ob zu prüfen ist, ob beide Kreditnehmer den Kredit gemeinsam zurückzahlen können oder ob jeder einzelne die gesamte Kreditrückzahlung auch allein tragen kann.

[28] 7.3. Dehn (aaO) hat dazu ausgeführt, jeder der beiden Verbraucher, die gemeinsam einen Kredit aufnehmen, soll beurteilen können, ob er zur Kreditrückzahlung – ungeachtet allfälliger Regressansprüche im Innenverhältnis – imstande sein wird. Diese Aussage wird von Pesek (aaO) und St. Foglar‑Deinhardstein (Die Bonitätsprüfung beim Verbraucherkredit [§ 7 VKrG], Rz 264) dahin verstanden, dass zu prüfen sei, ob sich jeder der Solidarschuldner den Kredit auch allein leisten kann. Dies leitet sich laut St. Foglar‑Deinhardstein aus dem Hinweis ab, dass Rückgriffsansprüche aus dem Innenverhältnis unberücksichtigt zu bleiben hätten. Allerdings könnte Dehn auch gemeint haben, der einzelne Kreditnehmer solle beurteilen können, ob er zur wie auch immer gestalteten gemeinsamen Kreditrückzahlung imstande sein wird: Eine allfällige Regressregelung, die eventuell erst später oder unter bestimmten Umständen schlagend wird, ist nicht unbedingt mit dem laufenden Beitrag der Kreditnehmer zur Bedienung der Rückzahlungsraten gleichzusetzen.

[29] 7.4. St. Foglar‑Deinhardstein (aaO Rz 265 ff) vertritt, es sei zu prüfen, ob sich der Verbraucher den Teil des Kredits leisten kann, den er – angesichts einer internen Regressregelung – endgültig selbst zu tragen hat. Hinsichtlich des anderen Teils des Kreditbetrags sei er als Interzedent im Sinne von § 25c KSchG anzusehen und diesbezüglich durch diese Bestimmung geschützt. Folgte man der Ansicht, die Prüfung nach § 7 VKrG müsse sich darauf beziehen, ob der Verbraucher sich den gesamten Kreditbetrag leisten könne, wäre der Verbraucher hinsichtlich des Betrags, für den er nur als Interzedent haftet, doppelt, nämlich nach § 25c KSchG und nach § 7 VKrG geschützt. Für ein derartiges Ergebnis würden Gesetz und Materialien keinen Anhaltspunkt liefern. Bei den praktischen Fällen, in denen die anderen Solidarschuldner nicht in Anspruch genommen werden können, handle es sich um Konstellationen, in denen die Inanspruchnahme scheitert, weil der andere insolvent, verschollen oder verstorben sei; es gehe um das typische, Solidarschuldverhältnissen innewohnende Risiko des Ausfalls des Mitschuldners, das nach allgemeinen Regeln den Mitschuldner treffe und welches man andernfalls auf den Kreditgeber überwälzte, wofür § 7 VKrG keinen Anhaltspunkt liefere.

[30] 7.5. Laut Kochist unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertungen in den §§ 25c, 25d KSchG folgende Lösung naheliegend: In Fällen der Interzession werde die Kreditwürdigkeitsprüfung allein auf den materiellen Kreditnehmer abzustellen haben. In allen anderen Fällen, in denen beide/alle Kreditnehmer einen gemeinschaftlichen Zweck verfolgen, werde es so wie bisher zulässig sein, darauf abzustellen, ob die Kreditnehmer gemeinsam die laufenden Kreditverbindlichkeiten „stemmen“ können. Die gemeinsame Kreditaufnahme entspreche dem Wesen der Ehe/der Partnerschaft und wohl auch der GesbR. Für einen ausreichenden Schutz der Kreditnehmer würden im Regelfall der hier behandelten Kredite an Ehegatten/Partner § 25a KSchG (Information) bzw § 98 EheG und § 41 EPG (Abstufung zur Ausfallsbürgschaft) sorgen (Koch, Das Hypothekar‑ und Immobilienkreditgesetz, immolex 2016, 102 [105]).

[31] 8.1. Das in vielen Bereichen vergleichbare Hypothekar‑ und Immobilienkreditgesetz regelt die Prüfung der Kreditwürdigkeit wie folgt:

§ 9 HIKrG

(1) Vor Abschluss eines Kreditvertrags hat der Kreditgeber eine eingehende Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vorzunehmen. Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung sind die Faktoren, die für die Prüfung der Aussichten relevant sind, dass der Verbraucher seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nachkommt, in angemessener Form zu berücksichtigen.

(...)

(5) Der Kreditgeber darf dem Verbraucher den Kredit nur gewähren, wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht, dass es wahrscheinlich ist, dass die Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag in der gemäß diesem Vertrag vorgeschriebenen Weise erfüllt werden.

[32] 8.2. Daraus ergibt sich im Gegensatz zum VKrG ein Kreditvergabeverbot für den Fall der mangelnden Bonität. Dehn vertritt zum HIKrG die Ansicht, es bestehe kein Kreditvergabeverbot, wenn die Kreditrückzahlung zwar nicht mit den finanziellen Mitteln eines – in der Regel ja zur Gänze haftenden – Solidarschuldners alleine, jedoch mit dem Einkommen aller Solidarschuldner gewährleistet ist. Der Wortlaut der im Passiv gehaltenen Formulierung des § 9 Abs 5 HIKrG spreche dafür, dass es nur darauf ankommt, dass die Verpflichtungen „in der gemäß diesem Vertrag vorgeschriebenen Weise“ und damit ex ante gesehen von den Schuldnern in ihrer Gesamtheit erfüllbar sein müssten (Dehn in Leupold, Forum Verbraucherrecht 2016, 65).

[33] 8.3. § 9 HIKrG steht einem Verständnis des § 7 VKrG dahin, dass jeder einzelne Solidarschuldner allein den Kredit zurückzahlen können müsse, entgegen. Vielmehr kann insoweit § 9 HIKrG, der nur darauf abstellt, ob die Schuldner gemeinsam zur Rückzahlung des Kredits in der Lage sind, insoweit auch zur Konkretisierung des § 7 VKrG herangezogen werden, ist doch nicht zu sehen, warum der Gesetzgeber für – typischerweise höhere Beträgebetreffende – Hypothekar‑ und Immobilienkredite weniger strenge Bonitätsanforderungen stellen sollte.

[34] 8.4. Dies muss umso mehr gelten, als vor Inkrafttreten des HIKrG (und der diesem zugrundeliegenden Hypothekarkredit‑RL 2014/17/EU ) das VKrG auch auf Immobilienkredite anwendbar war. Dass der Unions-Gesetzgeber mit der Hypothekarkredit‑RL die Vorschriften für die Bonitätsprüfung lockern wollte, kann nicht angenommen werden, zumal er ganz im Gegenteil sogar ein Verbot der Kreditvergabe an nicht ausreichend kreditwürdige Kunden einführte. Aus systematischen Erwägungen ist die nunmehr im HIKrG statuierte Vorgabe für die Bonitätsprüfung, dass mehrere solidarisch haftende Kreditnehmer lediglich gemeinsam zur Rückzahlung in der Lage sein müssen, auch auf das VKrG zu übertragen. Insoweit ist daher durch das HIKrG eine maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten.

[35] 8.5. Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtslage insofern besser, als beim Solidarschuldverhältnis nach § 891 ABGB sich die Schuldner verpflichten, die Schuld gemeinsam zu erfüllen. Schon dies legt nahe, dass es auch bei der Prüfung nach § 7 VKrG bloß relevant ist, ob sie sich den Kredit gemeinsam leisten können. Eine Prüfung der (alleinigen) Rückzahlungsfähigkeit von Personen, die nach dem maßgeblichen materiellen Recht gerade nicht zur (alleinigen) Rückzahlung verpflichtet sind, wäre sinnwidrig. Ein gegenteiliges Verständnis würde zudem in zahlreichen Fällen zu dem Ergebnis führen, dass Solidarschuldner als nicht ausreichend „kreditwürdig“ einzustufen wären, wenn sie den gemeinsam aufgenommenen Kredit nicht allein zurückzahlen können.

[36] 9.1. Zur behaupteten Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 25c KSchG kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Unabhängig davon, ob eine interne Regressregelung bestand oder eine solche gegenüber der Beklagten wirkte, können sich die Kläger auf diese Bestimmung schon deshalb nicht berufen, weil beide über die finanzielle Lage des jeweils anderen informiert waren.

[37] 9.2. Die Kläger begehren eine ergänzende Feststellung, wonach der Mitarbeiter der Beklagten ihnen mitgeteilt hätte, sie müssten je die Hälfte der Kreditrate und der Versicherungsprämie bezahlen, und die Erstklägerin habe ihren Anteil auf das Konto des Zweitklägers zu überweisen. Dieser Behauptung liegt kein Vorbringen in erster Instanz zugrunde. Zudem ist nicht erkennbar, welche Rechtsfolge aus einer derartigen Feststellung ableitbar wäre.

[38] Weiters begehren die Kläger eine ergänzende Feststellung, aus der sich ergibt, ihnen wäre mitgeteilt worden, dass auch der Zweitkläger eine Ablebensrisikoversicherung abgeschlossen habe. Der behauptete sekundäre Feststellungsmangel liegt schon deshalb nicht vor, weil die Kläger ihre Ansprüche in erster Instanz nicht auf einen derartigen Beratungsfehler stützten.

[39] Soweit die Kläger behaupten, die Erstklägerin habe nicht allein einen Kredit aufnehmen wollen, ist ihnen zu erwidern, dass die Vorinstanzen auch nicht davon ausgingen, dass sie allein einen Kredit aufgenommen hat.

[40] 10. Zusammenfassend erweisen sich die Urteile der Vorinstanzen daher als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.

[41] 11. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 40, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte