VwGH Ra 2021/17/0031

VwGHRa 2021/17/003117.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und den Hofrat Mag. Berger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. der N M und 2. der D GmbH, beide in W, beide vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 2. März 2020, 1. VGW‑002/085/321/2018 und 2. VGW‑002/V/085/322/2018, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGVG 2014 §47

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021170031.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 29. November 2018 wurde die Erstrevisionswerberin als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Zweitrevisionswerberin in ihrer Funktion als handelsrechtliche Geschäftsführerin der näher konkretisierten vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz ‑ GSpG schuldig erkannt und wurden über sie vier Geldstrafen sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Sie habe im Tatzeitraum am Tatort zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch zugänglich gemacht, indem sie es gestattet habe, dass in diesen Räumlichkeiten entgegen den Bestimmungen des GSpG die funktionsfähigen und in betriebsbereitem Zustand aufgestellten näher bezeichneten vier Geräte sowie ein Ein‑ und Auszahlungsgerät (Cash‑Center) aufgestellt und betrieben worden seien. Sie habe es geduldet, dass dadurch Personen die Möglichkeit zur Teilnahme vom Inland aus an Glücksspielen ermöglicht worden sei.

2 1.2. Der Erstrevisionswerberin wurde die Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 64 VStG vorgeschrieben; die Zweitrevisionswerberin wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung hiefür verpflichtet.

3 2. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) der von den revisionswerbenden Parteien dagegen erhobenen Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit näheren Maßgabebestätigungen keine Folge; das Verwaltungsgericht konkretisierte die angewendete Strafsanktionsnorm und die Fundstellen der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. verpflichtete das Verwaltungsgericht die Erstrevisionswerberin zur Zahlung der Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Zweitrevisionswerberin zur Haftung hiefür. Weiter sprach es u.a. aus, dass gegen dieses Erkenntnis gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei (Spruchpunkt IV).

4 3.1. Die Behandlung der von den revisionswerbenden Parteien gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 21. September 2020, E 1740/2020‑5, abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

5 3.2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 4.1. Die Revision erweist sich als unzulässig:

7 4.1.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision ‑ gesondert ‑ vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 4.1.2. Zur Zulässigkeit der Revision bringen die revisionswerbenden Parteien zunächst vor, es liege ein Verstoß gegen die ständige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur dynamischen Kohärenzprüfung vor. Das Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf die amtswegige Beurteilung der Unionsrechtskonformität des GSpG lediglich Unterlagen aus dem Zeitraum 2010 bis 2016 zu Grunde gelegt, die von den revisionswerbenden Parteien vorgelegten Unterlagen seien unberücksichtigt geblieben.

11 Dazu ist auszuführen, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C‑347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C‑390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C‑464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C‑3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C‑79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C‑390/12. Darüber hinaus wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht näher dargelegt (vgl. VwGH 20.7.2020, Ra 2020/17/0050).

12 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich daher in diesem Zusammenhang nicht.

13 4.1.3. Wenn in der Zulässigkeitsbegründung der Revision darüber hinaus vorgebracht wird, es sei keine mündliche Verkündung des Erkenntnisses erfolgt, weshalb das Verwaltungsgericht gegen näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen habe, genügt es, darauf hinzuweisen, dass nach dem Verhandlungsprotokoll zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. April 2019 der Rechtsvertreter der revisionswerbenden Parteien (diese selbst waren bei der mündlichen Verhandlung nicht anwesend) auf die Verkündung des Erkenntnisses verzichtet hat. Haben die Parteien aber, sei es auch durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter, in der mündlichen Verhandlung vor Schluss der Verhandlung ausdrücklich auf eine Verkündungstagsatzung ‑ und damit unmissverständlich auf die Verkündung des Erkenntnisses ‑ verzichtet, so können sie durch die Unterlassung der mündlichen Verkündung in ihren Rechten nicht verletzt sein (vgl. etwa VwGH 26.02.2019, Ra 2018/03/0134, mwN; VwGH 31.8.2020, Ra 2020/05/0160, mwN).

14 4.1.4. Zuletzt bringen die revisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit der Revision vor, es liege ein Verstoß gegen die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes „betreffend Spruchmangel“ vor. Es reiche nicht aus, die verba legalia zu wiederholen, ohne konkret anzugeben, durch welches Handeln der Beschuldigte zur Verletzung der herangezogenen Strafbestimmung gekommen sei. Es könne nicht geprüft werden, ob es zu einem Austausch des Tatvorwurfes gekommen sei. Die revisionswerbenden Parteien hätten daher ihre Verteidigungsrechte nicht wahren können und seien einer Doppelbestrafung ausgesetzt, zumal sie nicht konkret gewusst hätten, in welcher Funktion sie nunmehr verbotene Ausspielungen zugänglich gemacht hätten. Dies sei in der Verhandlung auch gerügt worden.

15 Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. z.B. VwGH 23.7.2020, Ra 2020/17/0051, mwN).

16 Anders als die revisionswerbenden Parteien vorbringen, enthält der vom Verwaltungsgericht durch Abweisung übernommene Spruch des Straferkenntnisses (vgl. etwa erneut VwGH 26.02.2019, Ra 2018/03/0134), nicht nur die verba legalia des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG, sondern eine konkrete Tatanlastung (siehe die Wiedergabe unter Rn. 1). Inwiefern durch die Abweisung der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien ein „Austausch der Tat“ stattgefunden habe, ist nicht nachvollziehbar. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird mit diesem Vorbringen daher nicht aufgezeigt.

17 4.2. In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

18 4.3. Die vorliegende Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 17. März 2021

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