OGH 4Ob54/21a

OGH4Ob54/21a27.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin Ö* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Tautschnig Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen den Erlagsgegner A* O*, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, wegen Gerichtserlag (hier: grundbücherliche Anmerkung nach § 34 Abs 2 EisbEG), über den Revisionsrekurs des Erlagsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 22. Jänner 2021, GZ 22 R 237/20m‑16, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hallein vom 8. Oktober 2020, GZ 39 Nc 49/20b‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132111

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Mit rechtskräftigem Beschluss vom 2. 10. 2020 nahm das Erstgericht den von der Erlegerin wegen § 34 EisbEG vorgenommenen Gerichtserlag einer Enteignungsentschädigung in Höhe von 108.800 EUR gemäß § 1425 ABGB zu Gericht an.

[2] In der Folge wies das Erstgericht seine Grundbuchsabteilung (vor Rechtskraft des Enteignungsbescheids) gemäß § 34 EisbEG von Amts wegen an, die Annahme des Erlags im Rang der Anmerkung der Einleitung des Enteignungsverfahrens hinsichtlich näher genannter Grundstücke im Grundbuch anzumerken.

[3] Das vom Erlagsgegner angerufene Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es die Anmerkung nicht im Rang der Anmerkung der Einleitung des Enteignungsverfahrens gemäß § 13 Abs 1 EisbEG, sondern erst nach dem Erlag, somit im laufenden Rang, anordnete. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil zur Frage, ob die Anmerkung des Erlags der Entschädigung nach § 34 Abs 2 EisbEG die Rechtskraft des Enteignungsbescheids voraussetze, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe. Der Anmerkung kämen gemäß § 34 Abs 3 EisbEG die mit der Anmerkung der Erteilung des Zuschlags im Versteigerungsverfahren verbundenen Wirkungen (§ 183 Abs 3 EO) zu. Die Anmerkung des Erlags der Entschädigung nach § 34 Abs 2 EisbEG habe somit im Sinn des § 72 Abs 2 GBG die Folge, dass spätere Eintragungen gegen den bisherigen Eigentümer nur dann fortbestehen, wenn es zur Aufhebung der Enteignung komme. Eine solche setze aber voraus, dass der Enteignungsbescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Auch komme der Anmerkung des Erlags der Entschädigung gemäß § 34 Abs 2 EisbEG nicht die Wirkung der Vormerkung zu. Auch aus diesem Grund bedürfe es daher für diese Anmerkung nicht der Rechtskraft des Enteignungsbescheids.

[4] Der Erlagsgegner beantragt mit seinem Revisionsrekurs den Ausspruch, dass die Annahme des Erlags grundbücherlich nicht angemerkt bzw der Beschluss ersatzlos aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen werde, keine Anmerkung der Annahme des Erlags vor Rechtskraft des Enteignungsbescheids grundbücherlich durchzuführen.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

[6] 1.1. Gemäß § 34 Abs 2 2. Satz EisbEG ist der Erlag der Entschädigung, wenn es sich um den Gegenstand eines öffentlichen Buches handelt, von Amts wegen bücherlich anzumerken.

[7] 1.2. Der Erlagsgegner argumentiert, die Anmerkung setze die Rechtskraft des Bescheids über die Enteignung voraus. Dies ergebe sich aus § 35 Abs 2 EisbEG, wonach die Einverleibung des Eigentumsrechts die Rechtskraft des Enteignungsbescheids und die Hinterlegung voraussetze. Die Eintragung des Erlags vor Rechtskraft würde suggerieren, dass Eigentum bereits übergegangen sei. Zudem sei der Erlag gemäß § 1425 ABGB unzulässig, weil er vor Fälligkeit der Entschädigungszahlung geleistet worden sei. Schon aus diesem Grund sei der Erlag nicht grundbücherlich anzumerken.

[8] 2. Diese Argumente überzeugen nicht.

[9] 2.1. Das Eigentumsrecht des Enteigners wird nicht vom Enteigneten abgeleitet, sondern entsteht originär (RIS‑Justiz RS0010847 [T2]). Der Enteignungsbescheid bildet dafür nur den Rechtsgrund (RS0010847 [T3]). Für die Begründung des Eigentums des Enteigners bedarf es gemäß § 35 Abs 1 EisbEG noch des Vollzugs der Enteignung als Modus des Rechtserwerbs iSd § 380 ABGB. Der Erlag der Entschädigung ist kein tauglicher Vollzugsakt, anders als die freiwillige Besitzübertragung oder die zwangsweise Besitzeinweisung. Für letztere ist wiederum die Leistung oder der Erlag der im Bescheid festgesetzten Entschädigung Voraussetzung (RS0010841 [T8]; 5 Ob 179/16h [5.1.2]).

[10] Die Einverleibung durch zwangsweisen Vollzug wirkt konstitutiv (RS0010841 [T9]; 5 Ob 187/17m [1.4]) und erfordert den Nachweis der Vollzugsvoraussetzungen, wobei die Annahme des Entschädigungserlags die Rechtmäßigkeit des Erlags nicht dartut und daher keine Einverleibung erlaubt (5 Ob 108/12m [4.]; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 365 Rz 5 mwN). Es ist daher unrichtig, die Anmerkung des Erlags der Entschädigung würde suggerieren, das Eigentum sei bereits übergegangen.

[11] 2.2. Zudem trifft es zwar für den Regelfall zu, dass die Rechtskraft des Enteignungsbescheids Voraussetzung für den Vollzug der Enteignung ist (vgl RS0010847 [T3]). Doch ist dies dann nicht der Fall, wenn der Bescheid ausnahmsweise schon vor Rechtskraft vollstreckbar ist (Probst, Grundeinlöse und Enteignung [2017], Rz 3.293; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 365 Rz 5; Spielbüchler in Rummel 3 § 365 ABGB Rz 5).

[12] 2.3. Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B‑VG (Bescheidbeschwerde) aufschiebende Wirkung. Damit werden die Vollstreckung von Leistungsbescheiden sowie die Wirkungen von Rechtsgestaltungs- und Feststellungsbescheiden und damit generell die „Umsetzung des angefochtenen Bescheids in die Wirklichkeit“ bzw dessen „Verbindlichkeit“ aufgeschoben (Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely, VwGVG § 13 Rz 20). Fehlt die aufschiebende Wirkung, wird der Bescheid bereits mit seiner Erlassung vollstreckbar (VwGH Ra 2018/02/003).

[13] Im vorliegenden Fall hat die Behörde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer (allfälligen) Beschwerde gegen den Bescheid ausgeschlossen und damit den sofortigen Vollzug der Maßnahme ermöglicht (vgl VwGH Ra 2019/21/0354), weil überwiegende öffentliche Interessen diesen dringend gebieten (vgl VwGH Ra 2020/11/0207). Der Bescheid ist damit – ausnahmsweise – schon vor seiner Rechtskraft vollstreckbar.

[14] 2.4. Damit wäre im vorliegenden Fall die Anmerkung selbst dann vorzunehmen gewesen, wenn man den grundsätzlichen Standpunkt der Revisionsrekurswerberin teilte.

[15] 3.1. Nach § 34 Abs 2 2. Satz EisbEG ist der Erlag bücherlich anzumerken. Dass dies nur dann zu geschehen habe, wenn der der Enteignung zugrunde liegende Bescheid rechtskräftig geworden ist, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Vielmehr kommen gemäß § 34 Abs 3 EisbEG der Anmerkung des Erlags der Entschädigung die mit der Anmerkung der Erteilung des Zuschlags im Versteigerungsverfahren verbundenen Wirkungen zu (§ 183 Abs 3 EO). Die Erteilung des Zuschlags ist ebenfalls im Grundbuch anzumerken (§ 72 Abs 1 GBG), und zwar vor dessen Rechtskraft (vgl RS0117693; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 72 GBG Rz 1). Sie hat zur Folge, dass weitere Eintragungen gegen den bisherigen Eigentümer nur für den Fall ein Recht bewirken, als die Enteignung für unwirksam erklärt oder aufgehoben wird (Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 365 Rz 6; vgl RS0003162).

[16] 3.2. In diesem Zusammenhang ist allgemein darauf hinzuweisen, dass die bloße Anmerkung aufgrund einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung deren Rechtskraft nicht voraussetzt (vgl Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 20 GBG Rz 45, 103).

[17] 4.1. Letztlich überzeugt auch der Einwand nicht, die Leistung der Entschädigung sei gemäß § 33 EisbEG nicht fällig, weshalb mangels Gläubigerverzugs gar kein Fall des § 1425 ABGB vorgelegen und die Anmerkung auch deswegen nicht habe bewilligt werden dürfen.

[18] 4.2. Das Erstgericht hat den Erlag mit rechtskräftigem Beschluss angenommen. Allgemein gilt, dass der Erlag ohne weitere Untersuchung seiner Rechtmäßigkeit anzunehmen ist; dies gilt auch für den Erlag der Entschädigungssumme im Enteignungsverfahren (RS0033524). Selbst wenn man daraus ableiten wollte, das Grundbuchsgericht habe deshalb die Zulässigkeit des Erlags iSd § 1425 ABGB anhand unbedenklicher Urkunden zu prüfen (vgl 5 Ob 56/85), wäre für den Revisionsrekurswerber nichts gewonnen. Dass der Beginn der Frist für die Leistung der Entschädigung mit dem ungenützten Ablauf der dreimonatigen Frist zur Anrufung des Gerichts (§ 18 Abs 1 EisbEG), mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die Entschädigung oder – sofern die Parteien nicht etwas anderes vereinbart haben – mit dem Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs beginnt (§ 33 EisbEG), bedeutet nicht, dass die Entschädigung bei (hier unstrittig vorliegender) Annahmeverweigerung nicht bereits zuvor hinterlegt werden könnte. Das ergibt sich aus § 35 Abs 4 EisbEG, wonach der zwangsweise Vollzug durch die Anrufung des Gerichts zur Entscheidung über die zu leistende Entschädigung nicht aufgehalten werden kann. Der zwangsweise Vollzug setzt nämlich – wie dargelegt – die Leistung oder Hinterlegung der im Bescheid festgesetzten Entschädigung voraus. Könnte diese erst nach Vorliegen der gerichtlichen Entscheidung über die Höhe der endgültigen Entschädigungssumme hinterlegt werden, weil es vorher an der Fälligkeit mangelt, würde § 35 Abs 4 EisbEG ins Leere laufen.

[19] Die Vorinstanzen haben daher zu Recht die grundbücherliche Anmerkung der Annahme des Erlags angeordnet. Dem Revisionsrekurs des Erlagsgegners ist somit nicht Folge zu geben.

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