European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E131472
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Klägerin macht (als Zessionarin) an sie abgetretene Ansprüche der W*-Gesellschaft mbH & Co KG (Bodenlegerin) im Zusammenhang mit der Errichtung eines Bodenaufbaus (mit Terrazzoplatten) in einer Werkshalle der A* GmbH & Co KG (Bauherrin bzw Bestellerin) geltend. Für die Arbeiten hat die Bodenlegerin den von der Beklagten (Lieferantin) gelieferten Bettungsmörtel (der eine bestimmte Druckfestigkeit haben sollte) verwendet.
[2] Die Verkaufs- und Lieferbedingungen (AGB) der Beklagten enthalten unter anderem folgende Bestimmungen:
„9. Gewährleistung ...
9.6 Die Gewährleistungsfrist beträgt zwölf Monate für bewegliche Sachen ab Lieferung/Übergabe, bei unbeweglichen Sachen 24 Monate. Regressansprüche, insbesondere nach § 933b ABGB, sind in drei Jahren ab Lieferung/Übergabe verjährt.
10. Haftung und Schadenersatz ...
10.3 Schadenersatzansprüche eines Unternehmers wegen eines Mangels verjähren innerhalb eines Jahres ab Kenntnis des Schadens, spätestens aber innerhalb von fünf Jahren nach Auslieferung und Übergabe der Ware.“
[3] Die Beklagte schickte der Bodenlegerin am 20. 4. 2016 das (mit 8. 3. 2016) datierte Angebot, das den Vermerk enthielt: „Ergänzend zu den vorliegenden Preisen gelten die Verkaufs- und Lieferbedingungen laut R* 2016.“ Ein solcher Hinweis war auch in der E‑Mail der Beklagten vom 9. 5. 2016 enthalten. Am 10. 5. 2016 wurde der Vertrag zwischen der Bodenlegerin und der Bauherrin unterfertigt. In der Folge bestellte die Bodenlegerin bei der Beklagten auf Basis des mit 8. 3. 2016 datierten Angebots den angebotenen Bettungsmörtel.
[4] Die Bodenlegerin und die Beklagte standen schon zuvor bei zumindest zehn unterschiedlichen Bauvorhaben in Geschäftsbeziehung, wobei die Beklagte jeweils auf die Geltung ihrer Verkaufs- und Lieferbedingungen hinwies. Ob auch die Bodenlegerin die Beklagte auf ihre AGB hinwies, steht nicht fest.
[5] Die Beklagte lieferte den Bettungsmörtel (erstmals) am 3. 6. 2016 auf die Baustelle. Anfang August 2016 erhob die Bauherrin gegenüber der Bodenlegerin eine Mängelrüge. In der Folge führte die Bodenlegerin Sanierungsarbeiten durch, wobei der Bodenaufbau neu errichtet wurde. Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin den (zedierten) Aufwand der Bodenlegerin gegenüber der Bauherrin gegen die beklagte Lieferantin geltend.
[6] Die Klägerin begehrte mit Klage vom 31. 5. 2019 599.269,25 EUR sA. Zudem erhob sie ein Feststellungsbegehren im Hinblick auf künftige Schäden. Die Bodenlegerin habe gegenüber der Bauherrin Schadenersatz leisten müssen, indem sie – nach den Vorgaben des Sachverständigen der Bauherrin – die Mängel in natura behoben habe. Schadensursächlich sei ausschließlich das von der Beklagten gelieferte mangelhafte Produkt gewesen. Auf den Gesamtschaden habe die Betriebshaftpflichtversicherung der Bodenlegerin 116.000 EUR gezahlt; der verbleibende Schaden sei der Klagsbetrag.
[7] Die Beklagte wendete unter anderem Verjährung ein. Die Bodenlegerin habe schon vor dem Jahr 2016 Kenntnis davon gehabt, dass die Beklagte nur auf der Grundlage ihrer Verkaufs- und Lieferbedingungen kontrahiere. Die Gewährleistungsfrist sowie die Frist für Schadenersatzansprüche betrage demnach zwölf Monate ab Lieferung bzw Kenntnis des Schadens.
[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Die AGB der Beklagten seien wirksam in den gegenständlichen Liefervertrag einbezogen worden. Die Regelungen über die Verjährung (Pkt 9.6 bzw 10.3 der AGB) seien auch wirksam. Im Anlassfall mache die Klägerin Schadenersatzansprüche geltend, weshalb die Verjährungsfrist nach Pkt 10.3 der AGB zur Anwendung gelange. Die geltend gemachten Ansprüche seien daher verjährt.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und sprach – mit Zwischenurteil nach § 393a ZPO – aus, dass „die von der klagenden Partei klagsweise geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt sind“. Die AGB der Beklagten seien mangels eines Widerspruchs wirksam in den Liefervertrag einbezogen worden. Mit der Klage würden Regressansprüche geltend gemacht. Dabei handle es sich zwar nicht um solche nach § 933b ABGB, weil die Bodenlegerin nicht einem Verbraucher, sondern einem Unternehmer Gewähr geleistet habe. Es handle sich aber um Regressansprüche im Sinn des § 1313 Satz 2 ABGB. Auch solche Regressansprüche seien von der Klausel in Pkt 9.6 der AGB der Beklagten erfasst, weil Regressansprüche nach § 933b ABGB nur demonstrativ hervorgehoben seien. Nach Pkt 9.6 zweiter Satz der AGB seien die geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt, weil die Beklagte am 3. 6. 2016 mit der Lieferung begonnen habe und die 3‑jährige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 31. 5. 2019 daher noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig.
[10] Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die auf die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.
[11] Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
[12] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil das Berufungsgericht die Verjährungsfrage hinsichtlich der geltend gemachten Gewährleistungsansprüche unrichtig beurteilt hat. Die Revision ist im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[13] Die Beklagte führt in ihrer Revision aus, dass es im Anlassfall um keinen Regressanspruch nach § 1313 ABGB gehe. Die Klägerin mache in Wirklichkeit keinen Regressanspruch aus Gewährleistung, sondern einen eigenen Schadenersatzanspruch geltend. Es liege daher ein Anspruch vor, der nach dem zwischen den Parteien geltenden Liefervertrag zu beurteilen und nach den zugrunde liegenden AGB verjährt sei. § 933b ABGB sei nicht einschlägig, weil die Bodenlegerin einem Unternehmer und keinem Verbraucher Gewähr geleistet habe.
[14] Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
Rechtliche Beurteilung
[15] I. Geltend gemachte Ansprüche:
[16] 1. Im Anlassfall ist die Frage zu klären, ob die geltend gemachten Ansprüche nach Maßgabe der Verjährungsregelungen in den AGB der Beklagten (Pkt 9.6 bzw 10.3) verjährt sind. Das Erstgericht bejahte diese Frage, das Berufungsgericht verneinte sie, ohne nach den einzelnen geltend gemachten Ansprüchen zu differenzieren.
[17] Inhaltlich geht es um die Ansprüche der Bodenlegerin gegen die Lieferantin des nach den Behauptungen der Klägerin mangelhaften Bettungsmörtels. Die (an die Klägerin zedierten) Ansprüche der Bodenlegerin resultieren daraus, dass diese bei der Bestellerin Mängel behoben und zu diesem Zweck den Bodenaufbau samt Bodenbelag neu errichtet hat.
[18] II. Einbeziehung der AGB der Beklagten in den Liefervertrag:
[19] 2. Die Vorinstanzen gehen übereinstimmend davon aus, dass die AGB der Beklagten in den Liefervertrag wirksam einbezogen wurden und daher maßgebend sind. Dies ist zutreffend:
[20] Nach ständiger Rechtsprechung gelten AGB kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Parteienvereinbarung. Dabei genügt es, wenn der Unternehmer ausreichend deutlich – etwa durch einen Hinweis – zu erkennen gibt, nur zu seinen AGB kontrahieren zu wollen, und der Geschäftspartner zumindest die Möglichkeit hat, vom Inhalt dieser Bedingungen Kenntnis zu nehmen (RIS‑Justiz RS0014506).
[21] Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Liefervertrag wurde nach den Feststellungen „auf Basis des mit 8. 3. 2016 datierten Angebots der Beklagten“ abgeschlossen, das auf die Geltung der Verkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten hingewiesen hat. Außerdem wurde auch im Rahmen der bereits bestehenden Geschäftsbeziehung zwischen der Bodenlegerin und der Beklagten auf diese Weise verfahren (vgl 3 Ob 243/18h). Dass die Bodenlegerin etwa ihrerseits auf ihre eigenen AGB hingewiesen hat, steht nicht fest. Aus diesem Grund liegt auch kein „AGB‑Dissens“ vor (vgl 5 Ob 286/08g).
[22] III. Geltungskontrolle und Inhaltskontrolle der AGB‑Verjährungsbestimmungen:
[23] 3. Die Vorinstanzen haben zutreffend beurteilt, dass die fraglichen Verjährungsregelungen in den AGB der Beklagten weder einen ungewöhnlichen Inhalt aufweisen noch sich an einer ungewöhnlichen Stelle befinden. Es handelt sich damit um keine ungewöhnlichen Klauseln im Sinn des § 864a ABGB.
[24] Das Berufungsgericht hat sich inhaltlich nur auf die Regelung über die Verjährung von Regressansprüchen „insbesondere nach § 933b ABGB“ (Pkt 9.6 Satz 2 der AGB) bezogen und beurteilt, dass „die geltend gemachten Ansprüche“ nach dieser Bestimmung nicht verjährt seien, weshalb – mangels Nachteiligkeit für die Klägerin – eine Inhaltskontrolle entbehrlich sei.
[25] Auf die Verjährung von Schadenersatzansprüchen (Pkt 10.3 der AGB) hat das Berufungsgericht nicht Bedacht genommen. Auch diese Bestimmung ist allerdings nicht gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Die Vereinbarung einer kürzeren als der gesetzlichen Verjährungsfrist ist grundsätzlich zulässig, unterliegt aber der Inhaltskontrolle gemäß § 879 Abs 3 ABGB, wenn sie in AGB erfolgt (RS0034782 [T4]; 6 Ob 179/20x). Während bei Verbraucherverträgen die pauschale Verkürzung der Verjährungsfrist eine im Sinn des § 6 Abs 1 Z 9 KSchG unzulässige Beschränkung der Schadenersatzpflicht bewirkt (vgl 1 Ob 243/16s), ist die Vereinbarung einer kürzeren Verjährungsfrist jedenfalls dann uneingeschränkt zulässig, wenn die Fristverkürzung zwischen zumindest annähernd gleich starken Vertragspartnern individuell vereinbart wurde (RS0034782; 2 Ob 50/05z; 5 Ob 286/08g). Auch im Zusammenhang mit AGB-Regelungen ist die Rechtsprechung in dieser Hinsicht großzügig und akzeptiert in der Regel eine Verkürzung der subjektiven Verjährungsfrist auf sechs Monate (vgl RS0114323; 3 Ob 206/13k), und zwar auch im Verhältnis zu Verbrauchern (vgl 9 Ob 40/06g); im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden noch kürzere Verfallsfristen akzeptiert (vgl 9 Ob 67/18w).
[26] Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die Verkürzung der Verjährungsfrist aus der Lieferung von Baumaterialien im Verhältnis zu einem professionellen Verarbeiter (hier Bodenlegerin) auf ein Jahr nicht als ungerechtfertigte Erschwerung der Rechtsdurchsetzung betrachtet werden. Solche Regelungen sind zwischen verarbeitenden Unternehmen und Lieferanten durchaus üblich. Die in Rede stehenden Regelungen in den AGB der Beklagten sind daher als zulässig zu qualifizieren.
[27] IV. Regressansprüche der Bodenlegerin nach § 1313 ABGB:
[28] 4.1 Das Berufungsgericht differenziert nicht zwischen den konkret geltend gemachten Ansprüchen und beurteilt die Ansprüche einheitlich als Regressansprüche nach § 1313 ABGB, die unter Pkt 9.6 Satz 2 der AGB fielen. Dem kann nicht gefolgt werden:
[29] 4.2 § 1313 Satz 2 ABGB bezieht sich auf Fälle, in denen das Gesetz ausnahmsweise eine Haftung für fremdes Verhalten (Verschulden) vorsieht. Dabei geht es somit um Fälle des Gehilfenregresses vor allem nach §§ 1313a und 1315 ABGB.
[30] 4.3 Die Beklagte ist im Anlassfall nicht Erfüllungsgehilfin der Bodenlegerin im Verhältnis zur Bauherrin (wovon aber das Berufungsgericht offenbar ausgeht). Erfüllungsgehilfe nach § 1313a ABGB ist nämlich nur, wer mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeiten als seine Hilfsperson tätig wird (1 Ob 265/03g; 2 Ob 223/14d). Dies bedeutet, dass der Erfüllungsgehilfe zur Erfüllung der Leistungspflichten gegenüber dem Besteller herangezogen wird, also beim Besteller als Leistungsempfänger Arbeiten ausführt. Demgegenüber ist der bloße Lieferant des Rohstoffs für das vom Werkunternehmer herzustellende Werk nicht dessen Erfüllungsgehilfe (1 Ob 265/03g; vgl auch Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 933b Rz 34). Hat also der Werkunternehmer (hier: die Bodenlegerin) das Material bzw hier den Baustoff beizustellen, so ist er dem Besteller gegenüber aus dem Werkvertrag aus eigenem Handeln verantwortlich. Der Lieferant des Baustoffs spielt im Verhältnis „Werkunternehmer zu Besteller“ keine Rolle. Es handelt sich daher auch nicht etwa um den Fall der gemeinsamen Herstellung eines Werks durch mehrere selbständige Werkunternehmer (vgl 2 Ob 223/14d). Die Bodenlegerin ist im Verhältnis zur Lieferantin auch nicht etwa Generalunternehmerin, weil auch dies erfordern würde, dass der Subunternehmer (über Weisungen des Generalunternehmers) Arbeiten bei der Bestellerin verrichtet.
[31] V. Regressansprüche der Bodenlegerin nach § 933b ABGB:
[32] 5.1 Im Anlassfall ist somit ausschließlich das Vertragsverhältnis zwischen der Bodenlegerin und der beklagten Lieferantin maßgebend. Die Klägerin macht somit ausschließlich (an sie zedierte) Ansprüche der Bodenlegerin gegen deren Lieferantin geltend. Streng genommen ist dies kein Regress (bzw Rückgriff) im eigentlichen Sinn; die Ansprüche resultieren allein aus dem Vertrag zwischen der Bodenlegerin und der Lieferantin (vgl 3 Ob 243/18h).
[33] 5.2 Diese Konstellation liegt der Bestimmung des § 933b ABGB zugrunde. Sie normiert eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist bei Gewährleistungsrückgriffen in einer Vertragskette. Macht also der Endabnehmer Gewährleistungsansprüche gegen seinen Vertragspartner geltend und erfährt Letzterer („der Letztverkäufer“) auf diese Weise davon, dass ihm sein Vormann mangelhaft geleistet hat, so kann der Letztverkäufer seine Gewährleistungsansprüche trotz eigentlichen Ablaufs der Gewährleistungsfrist aus dem Vertrag zu seinem Vormann weiterhin in Anspruch nehmen. § 933b ABGB gelangt auch auf Schadenersatzansprüche nach § 933a ABGB (Mangelschaden) zur Anwendung und gilt nach § 1167 ABGB auch beim Werkvertrag (Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 933b Rz 17 und 33). Nach dieser Bestimmung kann der Rückgriffsgläubiger (ursprünglicher Gewährleistungsschuldner) seine eigenen Gewährleistungsansprüche nach § 932 ABGB (oder § 933a ABGB) gegen seinen Vormann geltend machen, also Verbesserung oder Austausch (primäre Rechtsbehelfe) oder – bei Vorliegen der Voraussetzungen – Preisminderung oder Wandlung (sekundäre Rechtsbehelfe) verlangen. Sein Gewährleistungsregress ist nach § 933b Abs 1 letzter Satz ABGB mit der Höhe des eigenen finanziellen Aufwands gegenüber seinem Gewährleistungsgläubiger (Nachmann) beschränkt (RV 422 BlgNR XXI. GP 22; vgl Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 933b Rz 19 und 22 f).
[34] 5.3 Das Berufungsgericht weist nun richtig darauf hin, dass die in Rede stehende Bestimmung nach ihrem Wortlaut darauf abstellt, dass es sich beim Endabnehmer (Letztkäufer bzw Letzt-Besteller) um einen Verbraucher handelt.
[35] Die Gesetzesmaterialien (RV 422 BlgNR XXI. GP 21 f) verweisen dazu auf Art 4 der Gewährleistungs‑RL (Verbrauchsgüterkauf-RL 1999/44/EG ) und führen aus, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten verpflichte, einen Rückgriff des Letztverkäufers innerhalb der Vertriebskette zu ermöglichen. Dem Letztverkäufer stünden gegen seinen Lieferanten zwar Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche zu, wenn er die Ware von diesem in mangelhaftem Zustand erhalten habe. Vielfach werde ein Gewährleistungsregress aber daran scheitern, dass im Verhältnis zwischen dem Letztverkäufer und seinem Vormann die relativ kurzen Fristen des § 933 ABGB abgelaufen seien, wenn der Letztverkäufer vom Mangel erfahre.
[36] Der Grund für die Bezugnahme auf den Verbraucher (als Endabnehmer) liegt also darin, dass § 933b ABGB in Umsetzung der Gewährleistungs-RL normiert wurde, bei der es sich um eine Verbraucherschutz‑RL handelt. Für die mit dieser Bestimmung verfolgte Zielsetzung, innerhalb einer Vertragskette den unternehmerischen Gewährleistungsregress zu ermöglichen bzw zu erleichtern, spielt der Umstand, ob der Endabnehmer Verbrauchereigenschaft hat oder nicht, an sich keine Rolle. Die Einschränkung auf Verbrauchergeschäfte am Ende der Absatzkette erscheint daher mit Blick auf die sachliche Rechtfertigung fragwürdig. Auch die Gesetzesmaterialien enthalten dazu keine Begründung. Aus diesem Grund wird in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, dass § 933b ABGB (analog) auf jene Fälle zu erstrecken sei, in denen der Endabnehmer kein Verbraucher, sondern ein Unternehmer sei (vgl dazu Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 933b Rz 8; P. Bydlinski in KBB6 § 933b ABGB, Rz 7; Krejci, VR 2001, 211; Perner,Erweiternde Umsetzung von Richtlinien des Europäischen Verbraucherrechts, ZfRV 2011, 288; Augenhofer,Skizzen zum Händlerregress und zur Direktklage, in FS Krejci [2001] 1028).
[37] 5.4 Diese Frage muss aber nicht abschließend geklärt werden, weil es im Anlassfall entscheidend auf die Auslegung der Regelung in Pkt 9.6 zweiter Satz der zugrunde liegenden AGB ankommt, wonach Regressansprüche (aus dem Titel der Gewährleistung), insbesondere nach § 933b ABGB, in drei Jahren ab Lieferung/Übergabe verjährt sind.
[38] Die Bestimmung des § 933b ABGB betrifft den unternehmerischen Regress aus dem Titel der Gewährleistung und ist zwischen den Mitgliedern der Vertriebskette dispositiv (RV 422 BlgNR XXI. GP 22). Sie kann von diesen daher modifiziert und damit auch erweitert werden. Dies ist hier nach den zugrunde liegenden AGB der Beklagten auch erfolgt, weil die Verlängerung der Frist für den Gewährleistungsregress „insbesondere“ für Ansprüche nach § 933b ABGB gilt. Durch das Wort „insbesondere“ wird zum Ausdruck gebracht, dass diese Regelung für alle vergleichbaren Regressansprüche (also für solche aus dem Titel der Gewährleistung) maßgebend ist. Ob die Bodenlegerin einem Verbraucher oder Unternehmer als Endabnehmer Gewähr geleistet hat, bleibt unerheblich.
[39] 5.5 Daraus folgt, dass für jene Regressansprüche, die (abgesehen von der Verbrauchereigenschaft des Endabnehmers) inhaltlich unter § 933b ABGB zu subsumieren sind, die dreijährige Verjährungsfrist nach Pkt 9.6 zweiter Satz der zugrunde liegenden AGB der Beklagten gilt.
[40] Davon sind die eigenen Ansprüche der Bodenlegerin nach §§ 932 oder 933a ABGB gegenüber der Lieferantin erfasst, also nur solche Gewährleistungsansprüche, die sich auf den von der Beklagten gelieferten, nach den Behauptungen der Klägerin mangelhaften Bettungsmörtel beziehen. Der Regressanspruch der Bodenlegerin ist mit dem von ihr aufgrund dieses Mangels aus dem Titel der Gewährleistung (unter Außerachtlassung allfälliger Mangelfolgeschäden) an die Bestellerin geleisteten Aufwand limitiert.
[41] 5.6 Die darüber hinausgehenden Aufwendungen der Bodenlegerin, also jene Schadenspositionen, die sich etwa auf Sanierungsarbeiten, Aufschläge auf das Material oder Prozesskosten beziehen, sind als Mangelfolgeschäden zu qualifizieren (RS0018650; vgl auch RS0018627; RS0022885).
[42] Für diese Ansprüche gilt im Anlassfall die einjährige Verjährungsfrist nach Pkt 10.3 der AGB der Beklagten.
[43] VI. Unschlüssigkeit des Begehrens:
[44] 6.1 Wie bereits erwähnt, haben die Vorinstanzen zwischen den einzelnen geltend gemachten Ansprüchen nicht unterschieden. Es kann daher derzeit noch nicht beurteilt werden, welche Ansprüche im einzelnen konkret geltend gemacht wurden.
[45] 6.2 In der Klage sind zunächst Kosten für Fremdleistungen und Materialien angeführt, wobei sich die Materialkosten auf Positionen wie Zement, Sand, Beton, Terrazzoplatten oder Verlegematerial beziehen. Daraus ergibt sich nicht, welche Kosten sich konkret auf die Lieferung des Bettungsmörtels durch die Beklagte beziehen. Das Gleiche gilt für die in der Klage angeführten Transportkosten für Sand und Terrazzoplatten.
[46] 6.3 Bei den weiters angeführten Verlegekosten sowie Abbruch- und Entsorgungskosten handelt es sich um Kosten für Sanierungsarbeiten und daher um Mangelfolgeschäden. Das Gleiche gilt für die Reinigungskosten und die Kosten für die Baustelleneinrichtung sowie auch für die Eigenleistungen der Bodenlegerin im Zuge der Sanierung, die Rechtsanwalts- und Gutachterkosten und den entgangenen Gewinn.
6.4 Das Klagebegehren ist daher – auch im Hinblick auf die Beurteilung der Verjährung der einzelnen Ansprüche – unschlüssig geblieben. Dieser Umstand bildet keinen Grund für eine sofortige Abweisung des Klagebegehrens, sondern führt dazu, dass dieses mit der Klägerin erörtert werden muss. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.
[47] VII. Ergebnis:
[48] 7. Als Ergebnis folgt, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben werden müssen. Da eine weitere Erörterung der geltend gemachten Ansprüche erforderlich ist, war die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
[49] Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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