OGH 6Ob50/21b

OGH6Ob50/21b15.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Kodek, die Hofrätin Dr. Faber und die Hofräte Mag. Pertmayr und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. N*****, vertreten durch Dr. Christoph Völk, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. W*****, 2. A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Widerrufs, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2021, GZ 1 R 140/20w‑15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00050.21B.0415.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung hängt stets von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang, ab (RS0031883 [T6]; RS0115693 [T1]). Dies gilt auch für die Frage, ob Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Äußerung vorliegt (RS0113943 [T1]; RS0031883). Ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0107768).

[2] 2. Das Berufungsgericht legte die vom Erstbeklagten in einer TV‑Sendung getätigte Äußerung, der Kläger werde in die „Adolf‑Hitler‑Halle“ (als Redner bei einer Parteiveranstaltung) einziehen, was der Erstbeklagte in der Folge dahin korrigierte, dass es sich um die „Jahn‑Turnhalle“ handle, dahin aus, dass die Veranstaltung an einem mit dem Nationalsozialismus in Verbindung stehenden Ort stattfinde. Damit werde dem Kläger als Vorsitzenden einer politischen Partei implizit der Vorwurf gemacht, der Veranstaltungsort sei wegen oder trotz des Umstands gewählt worden, dass dem Kläger eine Verbindung des Orts zum Nationalsozialismus bewusst sein müsse. Dafür bestehe jedoch kein Tatsachensubstrat.

[3] 3. Die Revision zeigt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung im Einzelfall auf.

[4] 3.1. Es trifft zwar zu, dass dann, wenn ein bestimmter Tatsachenkern nahe liegt, der wahr ist und die damit verbundenen Werturteile als nicht exzessiv rechtfertigt, die entfernte Möglichkeit einer den Kläger noch stärker belastenden Deutung unbeachtlich bleiben muss (RS0121107).

[5] Von diesem Grundsatz – und von der von den Beklagten in diesem Zusammenhang zitierten – Entscheidung 4 Ob 132/09d sind die Vorinstanzen nicht abgewichen. Die Auslegung, dass die beanstandete Äußerung impliziere, der Kläger trete bewusst an einem mit dem Nationalsozialismus im Zusammenhang stehenden und diesen Zusammenhang nach wie vor hoch haltenden Ort auf, ist angesichts der Nennung des Namens „Adolf Hitler“ vertretbar.

[6] Es ist auch vertretbar, dass die Vorinstanzen die inkriminierten Äußerungen nicht auf eine scherzhafte Auseinandersetzung mit der nationalen Gesinnung von Friedrich Ludwig Jahn reduzierten. Die Äußerung des Erstbeklagten beschränkte sich nämlich nicht darauf, dass die Bezeichnungen als „Adolf‑Hitler‑Halle“ oder „Jahn‑Turnhalle“ ohnehin nicht weit auseinander lägen, sondern steht im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Auftritt des Klägers bei einer Parteiveranstaltung. Gerade weil dem durchschnittlichen Medienkonsumenten in Österreich klar ist, dass im Jahr 2020 kein nach Adolf Hitler benannter Veranstaltungsort existiert, wird die Äußerung nicht als Information, sondern als implizite Herstellung einer Verbindung der Veranstaltung mit dem Gedankengut Adolf Hitlers aufgefasst.

[7] 3.2. Mit mit dem weiteren Vorbringen, es handle sich um eine humoristische oder satirische Äußerung, zeigt die Revision ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf. Auch bei satirischen Äußerungen ist nämlich deren Aussagekern zu ermitteln (vgl RS0031735). Dass die Vorinstanzen dabei den ihnen eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hätten, wird nicht aufgezeigt.

[8] Insgesamt bringt die außerordentlicheRevision daher keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung.

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