European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130957
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist der Leitungswasserschadenversicherer des gegenständlichen Gebäudes, in dem sich Wohnungseigentumsobjekte befinden. Die Tochter des Beklagten hat in diesem Gebäude eine Wohnung gemietet. Der Beklagte hat in dieser Wohnung aus Gefälligkeit eine neue Armatur bei der Küchenspüle montiert.
[2] Die Tochter des Beklagten vereinbarte mit der Hausverwaltung, dass sie sich in einem Baumarkt eine neue Armatur aussuchen solle; die Vermieterin übernehme die Kosten. Auf die Frage der Hausverwaltung, wer die Armatur einbauen werde, erklärte die Mieterin, dass dies ihr Vater mache. Über dessen Fähigkeiten und die Eignung der Armatur wurde nicht gesprochen. Der Beklagte verfügt zwar über handwerkliche Erfahrung, hat aber keine Fachkenntnisse im Installationsbereich.
[3] Bei der von der Mieterin besorgten Armatur handelte es sich um eine Hochdruckarmatur, die nicht zum Untertisch‑Warmwasserspeicher in ihrer Wohnung passte; tatsächlich hätte eine Niederdruckarmatur verwendet werden müssen. In der Rechnung war die EAN‑Nummer der Armatur enthalten, mittels derer bei entsprechender Recherche zu eruieren gewesen wäre, dass es sich um eine Hochdruckarmatur handelt.
[4] Einige Zeit nach der Montage kam es zu einem Wasseraustritt, wodurch Schäden in mehreren Wohnungen des Hauses, darunter auch in der Wohnung der Tochter des Beklagten verursacht wurden.
[5] Die Klägerin begehrte unter Bezugnahme auf § 67 VersVG die Zahlung von 70.851,12 EUR sA. Dem Beklagten habe es an den nötigen Fachkenntnissen für die Montage der Armatur gefehlt.
[6] Der Beklagte entgegnete, dass er unentgeltlich und aus reiner Gefälligkeit gehandelt habe. Er sei nicht verpflichtet gewesen, die Armatur auf deren Eignung hin zu prüfen. Mangels installationstechnischer Ausbildung habe er weder erkannt noch erkennen müssen, dass eine Niederdruckarmatur notwendig sei und es sich bei dem bereitgestellten Modell um eine Hochdruckarmatur handle. Die Hausverwaltung habe es vorgezogen, eine in die Erhaltungspflicht der Vermieterin fallende Maßnahme der Mieterin bzw ihrem Vater zu überlassen.
[7] Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten liege darin, dass er trotz fehlender Installationsfachkenntnisse den Einbau der Armatur übernommen habe. Die Hausverwaltung sei nicht zur Kontrolle der EAN‑Nummer verpflichtet gewesen und habe darauf vertrauen dürfen, dass jemand, der eine Installationstätigkeit übernehme, auch die dafür notwendigen Fachkenntnisse aufweise.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und sprach aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu 50 % zu Recht bestehe, soweit es sich auf Schäden der Vermieterin der Tochter des Beklagten beziehe, und im Übrigen zu 100 % zu Recht bestehe. Zu den geschädigten Wohnungseigentümern sei der Beklagte in keiner Vertragsbeziehung gestanden, weshalb er nur deliktisch hafte. Dafür sei vorausgesetzt, dass er die erforderliche und zumutbare Sorgfalt zur Vermeidung der Gefährdung fremder Güter außer Acht gelassen habe. Dies sei hier zu bejahen. Es sei allgemein bekannt, dass Arbeiten an Wasserleitungssystemen, wenn sie unfachmännisch erfolgen, zu Undichtheiten und damit zum Austritt von auch großen Wassermengen führen könnten. Das Gleiche gelte für den Umstand, dass daraus erhebliche Schäden resultieren könnten. Der Beklagte hätte sich die Montage der neuen Armatur daher nicht zutrauen dürfen. Die Hausverwaltung treffe ein gleichteiliges Mitverschulden, weil sie der fachlichen Kompetenz des Vaters der Beklagten kein Augenmerk geschenkt und sich nicht darum gekümmert habe, ob dieser überhaupt die nötige fachliche Qualifikation aufweise. Das Tätigwerden der Hausverwaltung könne jedoch nur der Eigentümerin der von der Tochter des Beklagten gemieteten Wohnung zugerechnet werden, weil die Hausverwaltung im Anlassfall nur die Vermieterin vertreten habe.
[9] In der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision führt der Beklagte aus, dass die vom Berufungsgericht herangezogene Judikatur nicht einschlägig sei. Darin habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass eine Haftung als Sachverständiger nur gegenüber dem Vertragspartner bestehe. Die Haftung des Beklagten, dem keine Sachkunde zukomme, könne nicht weiter als die Haftung eines Sachverständigen gehen. Derjenige, dem keine besondere Sachkunde zukomme, könne nicht nach § 1299 ABGB haften. Das Mitverschulden der Hausverwaltung habe das Berufungsgericht zu Unrecht nur der Vermieterin der Wohnung der Tochter des Beklagten angerechnet. Warum die Sorglosigkeit der Hausverwaltung, die ja für alle Wohnungseigentümer tätig werde, nur der Vermieterin anzulasten sei, sei nicht erkennbar.
[10] Damit zeigt der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:
Rechtliche Beurteilung
[11] 1.1 Das Berufungsgericht hat sich vor allem auf die Entscheidung zu 5 Ob 536/76 bezogen. Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt kaufte der dortige Erstkläger (Mieter) bei einem Fachunternehmen einen Geschirrspüler, der von einem Serviceunternehmen eingebaut werden sollte, das einen Nichtfachmann (den dortigen Beklagten) die Anschlussarbeiten ausführen ließ. Der Oberste Gerichtshof beurteilte das Serviceunternehmen und den Beklagten als Erfüllungsgehilfen des Verkäufers. Nach allgemeinen Überlegungen zur vertraglichen Haftung des Verkäufers hielt der Oberste Gerichtshof – im Hinblick auf den Zweitkläger (Mieter einer anderen Wohnung) und den Drittkläger (Eigentümer des Hauses) – fest, dass von ihnen nicht der Vertragspartner des Erstklägers (also der Verkäufer des Geschirrspülers), sondern der Beklagte als Dritter (Erfüllungsgehilfe hinsichtlich des Erstklägers) geklagt worden sei, weshalb die vertragliche Haftung nicht zu beurteilen sei. Der Dritte hafte vielmehr nur dann, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses rechtswidrig sei, er also deliktisch handle. In der Folge nahm der Oberste Gerichtshof zur deliktischen Haftung des dortigen Beklagten (Dritter, der den Wasseranschluss ohne die erforderliche Sachkenntnis vorgenommen hatte) Stellung.
[12] 1.2 Die zuletzt angesprochenen Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zur deliktischen Haftung auf der Grundlage des § 1297 ABGB gelten allgemein für jeden Schädiger, der außerhalb eines Vertragsverhältnisses Arbeiten ausführt, und daher auch für die Haftung des Beklagten im Anlassfall. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist für die Erwägungen zur deliktischen Haftung nach § 1297 ABGB keine „Sonderbeziehung“ zwischen Schädiger und Geschädigtem erforderlich.
[13] 2. In seinen Ausführungen zur deliktischen Haftung unterscheidet der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung zwei Fälle:
[14] 2.1 Der erste Fall bezieht sich auf die Haftung als Sachverständiger nach § 1299 ABGB. Sie trifft denjenigen, der eine Tätigkeit geschäftlich anbietet, die besondere Fachkenntnisse erfordert, oder der als ein solcher Sachverständiger auftritt, also denjenigen, der eine besondere Sachkunde nach außen hin für sich in Anspruch nimmt (vgl 4 Ob 137/10s). Diese Haftung richtet sich nach einem objektiven Sorgfaltsmaßstab und macht daher grundsätzlich auch dann haftbar, wenn dem Sachverständigen gerade wegen seiner im konkreten Fall mangelnden Fähigkeiten kein subjektiver Vorwurf gemacht werden kann. Jeder, der eine solche besondere Tätigkeit, zum Beispiel als befugter Gewerbsmann ausübt, muss auch dafür einstehen, dass er die nötigen Fähigkeiten hat (vgl RS0022711; 5 Ob 131/16z).
[15] Zu dieser Sachverständigenhaftung hält der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung zudem fest, dass die herrschende Auffassung dahin gehe, dass § 1299 ABGB nur das Verhältnis zwischen dem Sachverständigen und seinem „Auftraggeber“ (im Rahmen eines besonderen Rechtsverhältnisses bzw einer Sonderbeziehung) regle (RS0022480; vgl auch 10 Ob 32/11w).
[16] Diese Einschränkung bezieht sich freilich nur auf die Haftung nach dem besonderen Sorgfaltsmaßstab nach § 1299 ABGB. Gegenüber Dritten bleibt es bei der Haftung nach den allgemeinen Regeln gemäß § 1297 ABGB.
[17] 2.2 Der zweite Fall, der in der zitierten Entscheidung behandelt wird, betrifft demgegenüber die Haftung desjenigen, der ohne Not ein Geschäft übernommen hat, dem er nicht gewachsen ist, weil das Geschäft besondere Fachkenntnisse erfordert. Hier haftet der Schädiger nicht deswegen, weil er bei der Ausführung etwas übersehen, sondern weil er das Geschäft übernommen hat. Bei dieser allgemeinen Haftung nach § 1297 ABGB richtet sich der Schuldvorwurf nach den allgemeinen Regeln, bei denen es auf die Einhaltung des gewöhnlichen Fleißes und der gebotenen Aufmerksamkeit nach den subjektiven Fähigkeiten und Kenntnissen ankommt.
[18] 2.3 Die Haftung des Beklagten im Vergleichsfall zu 5 Ob 536/76 wurde deshalb bejaht, weil er wissen musste, dass der Anschluss von Geschirrspülern wegen der damit verbundenen Gefahren in der Regel nicht von einem Laien vorgenommen wird; auch die besonderen Gefahren mussten ihm als Laien klar sein.
[19] 3.1 In der zitierten Entscheidung formulierte der Oberste Gerichtshof zum beschriebenen zweiten Fall folgende Rechtssätze, die auch für den Anlassfall maßgebend sind:
[20] Derjenige, der sich wissentlich oder fahrlässig an eine in der Regel von einem Fachmann durchzuführende, bei nicht fachgemäßer Ausführung erkennbar mit Gefahren verbundene Arbeit heranmacht, ohne über die erforderlichen Fachkenntnisse zu verfügen, die Arbeit also nicht unterlässt, handelt schuldhaft und haftet deliktisch (vgl RS00227209). Wer erkennbar gefährliche Arbeiten übernimmt, deren Konsequenzen er nicht abschätzen kann, verletzt im Allgemeinen die Verpflichtung der gewöhnlichen Aufmerksamkeit im Sinn des § 1297 ABGB. Eine Ausnahme kann aber dann bestehen, wenn dem Handelnden kein Vorwurf gemacht werden kann, beispielsweise wenn ein Dienstnehmer eine Anweisung seines Dienstgebers ausführt und daher nicht „freiwillig“ handelt. Erfolgt eine solche schädigende Handlung in einem Haus, in dem Schäden in erkennbarer Weise auch in anderen Wohnungen oder beim Hauseigentümer eintreten können, so befinden sich auch diese Personen im Kreis derjenigen, die durch das Gesetz geschützt werden sollen und sind daher ebenfalls unmittelbar Geschädigte (vgl RS0022806).
[21] 3.2 Den Vorinstanzen, die von diesen Grundsätzen ausgegangen sind und die deliktische Haftung des Beklagten bejaht haben, ist keine Fehlbeurteilung unterlaufen. Der Beklagte haftet nicht deshalb, weil er nicht erkannte, dass die Armatur ungeeignet war, sondern weil er das mit erkennbaren Gefahren verbundene Geschäft, dessen fachgemäße Durchführung besondere Fachkenntnisse erfordert hätte, als Laie übernommen hat.
[22] 4.1 Nach dem bisherigen Verfahrensstand ist als Streitpunkt geklärt, dass die Hausverwaltung ein gleichteiliges Mitverschulden trifft, weil sie sich nicht davon vergewissert hat, ob der Beklagte über die für die Montage der Armatur notwendige Sachkunde verfügt und nicht darauf bestanden hat, einen Fachmann beizuziehen (vgl dazu 1 Ob 27/95).
[23] Der Beklagte bestreitet, dass – wovon aber das Berufungsgericht ausgegangen ist – dieses Mitverschulden nur im Verhältnis zur Vermieterin der Wohnung der Tochter des Beklagten anzurechnen sei. Dies müsse für alle Geschädigte gelten.
[24] 4.2 Nach den Feststellungen ist es durch den Wasseraustritt in mehreren Wohnungen des Hauses zu Schäden gekommen. Bei den anderen Geschädigten handelt es sich somit um andere Wohnungseigentümer.
[25] Die Zurechnung des Verhaltens der Hausverwaltung zu diesen Geschädigten bedarf eines besonderen Zurechnungsgrundes. Einen solchen Zurechnungsgrund spricht der Beklagte in seinem Rechtsmittel nicht an. Damit zeigt er auch keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[26] 4.3 Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass im Fall einer deliktischen Schädigung dem Geschädigten das Mitverschulden von Hilfspersonen („Bewahrungsgehilfen“) nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1315 ABGB angerechnet werden kann (4 Ob 204/08s; 6 Ob 217/10w; 8 Ob 9/13a). Aus den Feststellungen ist ableitbar, dass die Hausverwaltung von der Vermieterin der Wohnung der Tochter des Beklagten im Zusammenhang mit dem Austausch der Armatur beauftragt war. Für die anderen geschädigten Wohnungseigentümer gilt dies allerdings nicht, weshalb es an einer Zurechnung nach § 1315 ABGB mangeln würde. Auch die Hausverwaltervollmacht nach dem WEG könnte nicht helfen. Die Hausverwaltung agiert im Rahmen der Verwaltervollmacht für die Eigentümergemeinschaft. Zwischen der Eigentümergemeinschaft und ihren Mitgliedern sowie deren Mietern besteht nach der Rechtsprechung aber keine Vertragsbeziehung oder sonstige rechtliche Sonderbeziehung (5 Ob 37/19f; vgl auch 5 Ob 76/12f).
[27] 5. Dem Beklagten gelingt es mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)