OGH 6Ob174/20m

OGH6Ob174/20m18.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Bernd Illichmann, Dr. Andreas Pfeiffer, Dr. Ferdinand Bachinger, Mag. Andreas Hertl, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Reinhard Bruzek, Dr. Hubertus Bruzek, Rechtsanwälte in Elsbethen, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. K*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Lahnsteiner, Rechtsanwalt in Ebensee, 2. B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hans‑Peter Neher, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen Räumung, Unterlassung und Duldung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 5. Juni 2020, GZ 22 R 109/20s‑25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 29. Jänner 2020, GZ 12 C 27/19y‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00174.20M.0218.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Ansprüche der Klägerin auf Unterlassung der Inbesitznahme des Kfz‑Stellplatzes „KFZ‑STP 7“ durch den Beklagten, auf Duldung der Alleinbenutzung dieses Stellplatzes durch die Klägerin und auf Duldung der Mitbenutzung des Gartens „G2“ durch die Klägerin.

[2] Der Klägerin und ihrem damaligen Ehegatten wurde im Jahr 1985 von ihrem damaligen Dienstgeber eine Wohnung als Werkswohnung in einem Arbeiterwohnhaus gegen Zahlung eines monatlichen Mietzinses zugewiesen, wobei alle Hausbewohner sämtliche Gärten der Liegenschaft nutzen durften. Im Jahr 2007 kaufte W***** H***** die Liegenschaft. Er vereinbarte mit der Klägerin, dass sie und ihre Besucher künftig anstelle des bisher verwendeten Abstellplatzes den Kfz-Stellplatz Nr 7 verwenden dürften. Nach H*****s Tod verkauften seine beiden Erbinnen (die Erstnebenintervenientin und ihre Stiefmutter) ihre Liegenschaftsanteile im Jahr 2017 zu je einem Viertel an vier Erwerber, darunter den Beklagten. In den Verkaufsgesprächen mit dem Beklagten wurde im Hinblick auf eine spätere Wohnungseigentumsbegründung erörtert, dass er den Stellplatz Nr 7 erwerben sollte; hinsichtlich der Gärten wurde davon ausgegangen, dass diese weiter allen Bewohnern dienen sollten. Nach dem Kaufvertrag übernahm der Beklagte den Liegenschaftsanteil „samt allem tatsächlichen und rechtlichen Zubehör und allen Rechten und Pflichten, wie die verkaufende Partei diese Liegenschaftsanteile bisher besessen und benützt hat bzw zu besitzen und benützen berechtigt war“. Die Verkäuferinnen leisteten Gewähr dafür, dass die Liegenschaftsanteile „vollkommen lastenfrei und frei von Nutzungsrechten dritter Personen“ ins Eigentum der Käufer übergingen; zu diesem Zweck sollten laut Kaufvertrag die auf der Liegenschaft haftenden Pfandrechte gelöscht werden. Die Erwerber wussten, dass die Klägerin aufgrund eines Dienstvertrags mit der ursprünglichen Eigentümerin in der Wohnung Top 3 wohnte; die Übernahme des Nutzungsrechts an der Wohnung ist nicht strittig.

[3] Im Jahr 2019 schlossen die vier Miteigentümer einen Wohnungseigentumsvertrag, mit dem hinsichtlich der Kfz-Stellplätze eigene Wohnungseigentumsobjekte geschaffen wurden. Dem Beklagten wurde das Wohnungseigentum an der Wohnung Top 2 mit dem Garten „G2“ als Zubehör, sowie das Wohnungseigentum am Stellplatz „KFZ‑STP 7“ zugeordnet.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung hinsichtlich der noch strittigen Ansprüche mit zwei alternativen Begründungen.

[5] Es ging einerseits davon aus, dass infolge des Verkaufs der Liegenschaft durch die ehemalige Dienstgeberin der Klägerin an W***** H***** ein konkludenter Mietvertrag zwischen der Klägerin und H***** zustande gekommen sei, der in den Geltungsbereich des MRG falle. Die Erbinnen nach W***** H***** und in der Folge der Beklagte seien gemäß § 2 Abs 1 MRG und § 4 Abs 1 WEG in den Mietvertrag eingetreten.

[6] Dasselbe Ergebnis leitete das Berufungsgericht auch aus folgenden Erwägungen ab: Selbst wenn man mit der Rechtsprechung davon ausgehe, dass ein Eigentümerwechsel am Vorliegen einer – vom Anwendungsbereich des MRG ausgenommenen (§ 1 Abs 2 Z 2 MRG) – Dienstwohnung nichts ändere, sei das Benützungsrecht nicht erloschen. Aus dem Mitteilungsschreiben der früheren Dienstgeberin an die Klägerin, dass trotz der Veräußerung der Liegenschaft an W***** H***** ihr „Dienstwohnungsstatus“ erhalten bleibe, ergebe sich, dass sich die Verkäuferin gegenüber H***** dessen Eintritt in das Dienstwohnungsverhältnis ausbedungen habe. Die Klägerin hätte daher ihr Nutzungsrecht auch ohne konkludenten Mietvertragsabschluss nicht verloren. Die Nutzungsrechte der Klägerin seien dem Beklagten von den Erbinnen W***** H*****s vertraglich überbunden worden. Dem stehe die Gewährleistung für die Lastenfreiheit und Freiheit von Nutzungsrechten Dritter nicht entgegen, weil damit die Löschung der Pfandrechte angesprochen worden sei und weil die Erwerber von der Überlassung einer Wohnung an die Klägerin durch ihre frühere Dienstgeberin gewusst hätten. Der Beklagte sei daher unabhängig von seiner Kenntnis auch an die zwischen der Klägerin und W***** H***** getroffene Änderungsvereinbarung hinsichtlich des mitgemieteten Kfz-Abstellplatzes gebunden. Ein konkludenter Verzicht der Klägerin auf ihr Mitbenutzungsrecht am Garten „G2“ ergebe sich nicht.

[7] Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, es sei von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, nach der bei einem Eigentümerwechsel an einer Dienstwohnung für den konkludenten Abschluss eines Mietvertrags ein strenger Maßstab anzulegen sei; es sei auch unklar, unter welchen Voraussetzungen der Erwerber das Benützungsverhältnis mit dem Dienstnehmer seines Rechtsvorgängers auflösen könne, wenn sich am Charakter der Dienstwohnung nichts geändert habe.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision des Beklagten ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.

[9] 1. Wohnungen, die aufgrund eines Dienstverhältnisses oder im Zusammenhang mit einem solchen als Dienst-, Natural- oder Werkswohnung überlassen werden, fallen nicht in den Anwendungsbereich des MRG (§ 1 Abs 2 Z 2 MRG). Hier ist nicht strittig, dass die Wohnung der Klägerin als Werkswohnung, auch über den Zeitpunkt ihres Pensionsantritts hinaus, überlassen wurde.

[10] Nach der Rechtsprechung vermag ein Eigentümerwechsel allein der Wohnung nicht den Charakter einer Werkswohnung iSd § 1 Abs 2 Z 2 MRG zu nehmen (RS0069511). Der Eigentümerwechsel führt also nicht zur Umwandlung eines von den Bestimmungen des MRG ausgenommenen Benützungsverhältnisses in einen nach dem MRG geschützten Mietvertrag. Eine derartige Umwandlung kann zwar nach der Rechtsprechung auch konkludent erfolgen, dafür sind aber strenge Maßstäbe anzusetzen (9 ObA 146/15h; aM Werkusch , Zum Wechsel des Eigentümers einer Dienstwohnung iSv § 1 Abs 2 Z 2 MRG, wobl 2002, 33, 36 ff, nach der die Veräußerung unter bestimmten Voraussetzungen ex lege die Anwendbarkeit des MRG nach sich zieht).

[11] Nach der Rechtsprechung gilt auch § 1120 ABGB – wonach der Erwerber einer Bestandsache unter bestimmten Voraussetzungen ex lege in den Bestandvertrag eintritt – nicht für den Erwerb eines Hauses, in dem jemand aufgrund eines Dienstverhältnisses eine Naturalwohnung oder eine Dienstwohnung benutzt (RS0026051).

[12] 2. Dazu wurde in der Lehre herausgearbeitet, dass § 1 Abs 2 Z 2 MRG nicht nur solche Fälle erfasst, in denen gar kein Mietvertrag vorliegt, weil der Arbeitsvertrag die Rechtsgrundlage der Wohnraumüberlassung bildet, oder weil ein gemischter Vertrag mit arbeits- und mietrechtlichen Elementen vorliegt, sondern auch Fälle, in denen ein vom Arbeitsvertrag abgrenzbarer, aber mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehender Bestandvertrag geschlossen wurde. In solchen Fällen stehe der Anwendung des § 1120 ABGB nichts im Weg ( Werkusch , wobl 2002, 33, 34 f).

[13] 3. Die in der Revision aufgeworfene Frage muss aber, um als Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO gelten zu können, zur Lösung des konkreten Falles erforderlich sein (RS0088931 [T4]).

[14] Darauf, ob hier ein Fall vorliegt, in dem die Klägerin bereits mit ihrem ursprünglichen Dienstgeber ein Bestandverhältnis iSd §§ 1090 ff ABGB begründete (das ursprünglich unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 MRG fiel), sowie auf die Frage, ob im Sinn der Ausführungen von Werkusch in einem solchen Fall § 1120 ABGB sehr wohl (entgegen RS0026051) für den Erwerb einer Liegenschaft gilt, auf der jemandem eine Dienstwohnung überlassen wurde, kommt es hier jedoch nicht an.

[15] Ebenso wenig sind die Voraussetzungen eines konkludenten Mietvertragsabschlusses im Fall des Verkaufs einer Werkswohnung maßgeblich für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits.

[16] Das Berufungsgericht begründete den Übergang des „Dienstwohnungsverhältnisses“ zwischen der Klägerin und ihrer früheren Dienstgeberin auf W***** H***** und in der Folge von dessen Erbinnen auf den Beklagten nämlich auch mit einer rechtsgeschäftlichen Überbindung des Rechtsverhältnisses.

[17] 4. Der Revisionswerber wendet sich zwar auch gegen den vom Berufungsgericht angenommenen Vertragsübergang. Er zeigt in diesem Zusammenhang aber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[18] 5. Obligatorische Rechtsverhältnisse gehen bei einer Einzelrechtsnachfolge grundsätzlich nur bei einer entsprechenden Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger über (RS0011871).

[19] Eine derartige Vereinbarung wird von der Rechtsprechung insbesondere im Bereich des Bestandrechts auch im vertraglichen Eintritt des Erwerbers in sämtliche Rechte und Pflichten des Veräußerers angesehen (1 Ob 300/01a mwN; vgl RS0011871 [T3, T6, T12]).

[20] Das Berufungsgericht bejahte eine solche Überbindung, die nicht nur die Verpflichtung zur Überlassung der Wohnung Top 3, sondern auch des Stellplatzes Nr 7 an die Klägerin, sowie die Verpflichtung, die Mitbenutzung des Gartens „G2“ durch die Klägerin zu dulden, umfasste. Es begründete dies mit der Auslegung des Liegenschaftskaufvertrags des Beklagten.

[21] 6. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, oder ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042776 [T2]).

[22] Ein solches wird in der Revision nicht aufgezeigt. Es trifft zwar zu, dass eine Vertragsübernahme ohne Vertragswillen nicht in Betracht kommt. Hier steht aber fest, dass der Beklagte, als er einen Viertelanteil der Liegenschaft erwarb, wusste, dass die Klägerin aufgrund eines Dienstvertrags in einer der Wohnungen wohnte; sein Vertragswille war auch darauf gerichtet, dieses Rechtsverhältnis zu übernehmen. Er konnte daher die Zusicherung der Verkäuferinnen, die Liegenschaft sei frei von Nutzungsrechten Dritter, nur so verstehen, dass damit andere Nutzungsrechte als jenes der Klägerin gemeint waren. Vor diesem Hintergrund ist die Vertragsauslegung der Vorinstanzen, dass von der Vertragsübernahme auch das Nutzungsrecht am Stellplatz Nr 7 umfasst war, vertretbar. Die Auslegung, dass der Beklagte auch das Mitbenutzungsrecht der Klägerin am Garten „G2“ übernommen habe, begründet schon deshalb keine grobe Fehlbeurteilung, weil zum Zeitpunkt des Erwerbs des Liegenschaftsanteils des Beklagten noch geplant war, dass die Gärten weiterhin der Nutzung durch alle Bewohner dienen sollten.

[23] Eine erhebliche Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Auslegung des Kaufvertrags wird daher nicht aufgezeigt.

[24] 7. Auf die weitere vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen der Erwerber einer Dienstwohnung das Nutzungsverhältnis auflösen könne, kommt es nicht an, weil der Beklagte eine Kündigung des Rechtsverhältnisses nicht behauptete.

[25] 8. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

[26] 9. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Ihr steht für ihre Revisionsbeantwortung aber kein Streitgenossenzuschlag nach § 15 RATG zu, weil sich die Nebenintervenientinnen nicht am Revisionsverfahren beteiligten (RS0036223; Obermaier , Kostenhandbuch 3 Rz 3.25).

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