OGH 4Ob143/20p

OGH4Ob143/20p26.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Stadt L*****, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Marco Nademleinsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin H***** Z*****, vertreten durch Dr. Peter Sellemond und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 25. Juni 2020, GZ 54 R 38/20i‑55, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 26. Februar 2020, GZ 41 Fam 5/19x‑50, teilweise abgeändert und teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00143.20P.0126.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich ihrer bestätigten und unangefochten gebliebenen Teile als Teilbeschluss wie folgt lautet:

„Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin 9.805,67 EUR binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren von 4.957,74 EUR wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Im Übrigen, also betreffend das Begehren auf Zahlung weiterer 1.712,13 EUR, werden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden insofern weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die antragstellende deutsche Stadt ist Trägerin von Alten‑ und Pflegeheimen, in denen die 1928 geborene Mutter der Antragsgegnerin von 1. 12. 2012 bis zu ihrem Ableben im Juli 2015 untergebracht war. Da das Eigeneinkommen der Mutter der Antragsgegnerin zur Deckung der Pflegekosten, der Kosten der Unterbringung im Wohnheim und zur Deckung ihres Grundsicherungsbedarfs nicht ausreichte, erbrachte die Antragstellerin im Zeitraum 1. 12. 2012 bis 31. 7. 2015 Leistungen der deutschen gesetzlichen Sozialhilfe von insgesamt 34.113,17 EUR.

[2] Die Antragsgegnerin lebt und arbeitet in Tirol und ist mit einem Österreicher verheiratet. Sie bezog von Dezember 2012 bis Juli 2015 ein Vollzeit‑Arbeitseinkommen von durchschnittlich 1.614 EUR netto monatlich. Weiters erzielte sie aus einem Miet‑Kaufverhältnis hinsichtlich einer Wohnung in Deutschland in folgenden Monaten folgende Einkünfte:

01/2012 ................……….............…   70 EUR

02/2012 ................……….............… 200 EUR

03/2012 ..............……...….........…... 270 EUR

04/2012 .......................………...…... 270 EUR

05/2012 ....................………......…... 270 EUR

06/2012 ..................……….........….. 170 EUR

08/2012 ...................……….........…. 370 EUR

10/2012 .................……….........…... 270 EUR

10/2013 .................……….........…... 270 EUR

03/2014 ................………..........…... 270 EUR

04/2014 ................………..........…... 270 EUR

05/2014 ................………..........…... 270 EUR

07/2014 ................………..........…... 270 EUR

 

[3] Die entsprechenden Beträge für 2012 teilte die Antragsgegnerin am 4. 3. 2013 dem Magistrat der Stadt Innsbruck, welcher von der Antragstellerin um Amtshilfe ersucht worden war, mit.

[4] Der Ehemann der Antragsgegnerin erzielte von Dezember 2012 bis Juli 2015 nur nachstehende Netto‑Arbeitseinkünfte:

12/2012 ..............................… 4.459,97 EUR

01/2013 ..............................… 2.731,84 EUR

02/2013 ..............................… 2.722,26 EUR

03/2013 ..............................… 4.735,41 EUR

04/2013 ..............................… 2.580,42 EUR

05/2013 ………………………… 2.580,42 EUR

06/2013 ..............................… 4.289,40 EUR

07/2013 ..............................… 2.921,61 EUR

08/2013 ..............................… 2.674,50 EUR

09/2013 ..............................… 4.575,12 EUR

10/2013 ..............................… 2.800,74 EUR

11/2013 ..............................… 2.946,33 EUR

12/2013 ..............................… 4.388,70 EUR

01/2014 ..............................… 2.866,80 EUR

02/2014 ..............................… 2.943,39 EUR

03/2014 ..............................… 4.812,17 EUR

04/2014 ..............................… 2.943,39 EUR

05/2014 ..............................… 2.924,24 EUR

06/2014 ..............................… 5.551,60 EUR

07/2014 ...........................…… 14.872,72 EUR

08/2014 ..............................… 2.837,02 EUR

09/2014 ..............................… 4.155,39 EUR

10/2014 ..............................… 3.025,65 EUR

11/2014 ..............................… 2.931,91 EUR

12/2014 ..............................… 4.100,06 EUR

01/2015 ..............................… 2.982,81 EUR

02/2015 ..............................… 2.984,30 EUR

03/2015 ..............................… 4.931,42 EUR

04/2015 ..............................… 3.002,43 EUR

05/2015 ..............................… 3.723,72 EUR

06/2015 ..............................… 4.885,23 EUR

07/2015 ..............................… 3.048,88 EUR

 

[5] Mit Schreiben vom 25. 7. 2003 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass deren Mutter Leistungen im Rahmen des deutschen Bundessozialhilfegesetzes beziehe und sie Unterhaltsansprüche gegen die Antragsgegnerin habe. Diese seien kraft Gesetzes bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Antragstellerin als Trägerin der Sozialhilfe ab Beginn der Hilfegewährung übergegangen. Gleichzeitig wurde die Antragsgegnerin aufgefordert, einen Ermittlungsbogen auszufüllen und mit entsprechenden Belegen zurückzusenden.

[6] Mit Schreiben vom 23. 10. 2012 schrieb die Antragstellerin der Antragsgegnerin, ihr sei mit Schreiben vom 21. 8. 2012 mitgeteilt worden, dass ihrer Mutter weiterhin Sozialhilfe gewährt werde. Sie solle den bereits übersandten Ermittlungsbogen wahrheitsgemäß ausfüllen und mit Unterlagen bis spätestens 16. 11. 2012 wieder zurückgeben.

[7] Mit Mail vom 4. 3. 2013 schrieb die Antragsgegnerin einem Mitarbeiter des Magistrats der Stadt Innsbruck, dass sie einen vereinbarten Termin nicht wahrnehmen könne, jedoch in der Anlage Unterlagen bzw Angaben übermittle. Zu ihren Vermögensverhältnissen teilte sie mit, dass auf ihrem Konto per 12/2012 ein Guthabensstand von ca 20.000 EUR sei. Weiters gab sie „Zahlungseingänge betr. Wohnung [...] 2012“ für den Zeitraum 6. 2. 2012 bis 12. 10. 2012 mit gesamt 1.820 EUR bekannt.

[8] Mit Schreiben vom 20. 7. 2013 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie ein Schreiben vom 21. 8. 2012 nicht erhalten und dass sie der Innsbrucker Behörde die angeführten Informationen übermittelt habe. Sie habe ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.614,19 EUR. Hinsichtlich der Wohnung habe sie am 3. 8. 2012 370 EUR und im Dezember 2012 270 EUR erhalten; seither habe der Käufer die Zahlungen eingestellt.

[9] Am 25. 7. 2013 beantwortete die Antragsgegnerin den „Fragebogen zur Auskunft über Einkommens- und Vermögensverhältnisse“, in welchem sie für die Zeit vom 1. 7. 2012 bis 30. 6. 2013 ein Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit von 1.614 EUR und Mieteinnahmen „p.a.“ von 640 EUR bekanntgab; dieser Fragebogen wurde von der Antragsgegnerin auch unterfertigt.

[10] Am 20. 9. 2013 richtete die Antragstellerin ein weiteres Schreiben an die Antragsgegnerin, in welchem sie diese zur Vorlage von Gehaltsabrechnungen hinsichtlich ihres Ehegatten aufforderte.

[11] Am 5. 10. 2013 antwortete die Antragsgegnerin, dass sie hinsichtlich des Einkommens ihres Gatten keine Auskünfte erteilen werde; die Antragstellerin solle sich an den Ehemann direkt wenden. Dieser weigerte sich in der Folge am 3. 2. 2014, der Antragstellerin Auskünfte über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu geben.

[12] Danach unternahm die Antragstellerin auch nach dem Ableben der Mutter der Antragsgegnerin im Juli 2015 keine weiteren Kontaktversuche zur Antragsgegnerin oder ihrem Ehegatten. Diese gingen davon aus, dass die Antragstellerin von der Geltendmachung allfälliger übergegangener Unterhaltsansprüche absehen werde.

[13] Am 24. 10. 2016 beantragte die Antragstellerin – vorerst noch unbeziffert –, die Antragsgegnerin dazu zu verpflichten, die von ihr im Zeitraum 1. 12. 2012 bis 31. 12. 2015 an die Mutter der Antragsgegnerin geleisteten „Sozialhilfebeträge im Umfang, wie er sich unter Anwendung deutschen Unterhaltsrechts ergibt“, zu ersetzen „bzw den auf die Antragstellerin übergegangenen Unterhalt zu leisten“, der erst nach Einlangen aussagekräftiger Einkommensunterlagen des Ehemanns der Antragsgegnerin beziffert werden könne. Zuletzt konkretisierte die Antragstellerin ihren Antrag dahin, die Antragsgegnerin habe ihr die im Zeitraum 1. 12. 2012 bis 31. 12. 2015 an die Mutter der Antragsgegnerin geleisteten Sozialhilfebeträge im Umfang von 16.475,54 EUR zu ersetzen. Dies errechne sich aus den auf die Antragstellerin ex lege nach dem 12. Teil des deutschen Sozialgesetzbuches (dSGB XII) übergegangenen monatlichen Unterhaltsan-sprüchen in Höhe von 383,94 EUR für 2012, von 389,82 EUR für 2013 und 2014 sowie 358,94 EUR für 2015. Da die Antragsgegnerin aufgrund ihres eigenen Einkommens gerade nicht unterhaltsleistungsfähig sei, wäre bei der nach deutschem Recht vorzunehmenden Unterhaltsberechnung aufgrund des Einkommens des Ehegatten der Antragsgegnerin das Familieneinkommen relevant, woraus sich in Anwendung der einschlägigen Rechtsprechung des BGH (XII ZR 140/07) die angeführten Unterhaltspflichten der Antragsgegnerin ergäben. Eine Verwirkung der Unterhaltsansprüche sei nicht eingetreten. Kosten für Altersvorsorge wären nur abzuziehen, wenn sie tatsächlich entstanden wären. Es sei davon auszugehen, dass die widersprüchlichen Angaben der Antragsgegnerin zu ihren Mieteinnahmen nicht der Wahrheit entsprächen. Dass die Antragsgegnerin aus ihrer Eigentumswohnung seit 2014 überhaupt keine Mieteinnahmen erzielt habe, sei unrealistisch; es seien „vermutete Mieteinnahmen“ von 350 EUR netto monatlich der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen.

[14] Die Antragsgegnerin brachte – soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Interesse – vor, ihre Mutter habe keinen Unterhaltsanspruch ihr gegenüber gehabt. Die Vorfrage eines Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin gegen ihren Ehemann sei dem Grunde und der Höhe nach österreichischem Recht zu beurteilen, allfällige deutsche Regeln über das Familieneinkommen seien nicht anzuwenden. Die Antragsgegnerin habe nach österreichischem Recht einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehegatten in Höhe von 229,32 EUR im Dezember 2012, 372,21 EUR im Jahr 2013, 440,52 EUR im Jahr 2014 und 500,50 EUR im Jahr 2015 gehabt. Daraus sei ein Gesamteinkommen der – wie eine deutsche Alleinverdienerin zu behandelnden – Antragsgegnerin zu bilden, nämlich monatlich 1.829,32 EUR im Dezember 2012, 1.972,21 EUR im Jahr 2013, 2.040,52 EUR im Jahr 2014 und 2.100,50 EUR im Jahr 2015. Weiters habe sie an Mieteinkünften in den Jahren 2012 640 EUR (53,33 EUR monatlich), 2013 270 EUR (22,50 EUR monatlich) und 2014 810 EUR (67,50 EUR monatlich) erzielt; es habe „keine steuerliche Befassung mit diesen Mieteinnahmen“ gegeben. In der zweiten Jahreshälfte 2014 seien die Mieter „einfach verschwunden“; ab dann habe die Antragsgegnerin keine Mieteinkünfte gehabt. Auf dieser Grundlage bestehe kein Unterhaltsanspruch der Mutter der Antragsgegnerin. An Abzügen seien 5 % vom Bruttoeinkommen (109,70 EUR) monatlich für private Altersvorsorge, 220 EUR monatlich (bzw 5 % des Bruttoeinkommens) für Berufsaufwendungen und 150 EUR Fahrtkosten zur Mutter „einzurechnen“. Unterhaltsansprüche seien nach der Rechtsprechung des BGH mangels Geltendmachung laufenden Unterhaltsanspruchs binnen eines Jahres verwirkt; die letzte Kontaktaufnahme der Antragstellerin sei mehr als ein Jahr vor Antragstellung erfolgt. Ansprüche aus dem Jahr 2012 seien verjährt. Seit 1. 1. 2020 sei in Deutschland das Angehörigen-Entlastungsgesetz wirksam, welches die rückwirkende Geltendmachung der Ansprüche in Fällen, in denen der Unterhaltsverpflichtete weniger als 100.000 EUR verdiene, verhindern solle.

[15] Das Erstgericht wies den Antrag zur Gänze ab. Zwar sei für den Unterhaltsanspruch selbst deutsches Recht anzuwenden, jedoch seien die für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Mutter auch relevanten Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin gegenüber ihrem Ehemann nach österreichischem Recht zu beurteilen, allfällige deutsche Regeln über das Familieneinkommen seien dabei nicht zu übernehmen. Schon weil die Antragstellerin ihr Vorbringen zur Berechnung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs nur auf deutsches Recht (insbesondere auf die Heranziehung des Familieneinkommens) gestützt habe, könne nicht über die tatsächliche Höhe eines allfälligen Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin entschieden werden. Der Anspruch aus 2012 sei nicht verjährt; alle Ansprüche seien aber verwirkt. Darüber hinaus seien aufgrund des deutschen Angehörigen‑Entlastungsgesetzes, das auf ein – wie hier – laufendes Verfahren zur Anwendung komme, Unterhaltsansprüche gegenüber Kindern nur zu berücksichtigen, wenn das Jahresgesamteinkommen des Kindes mehr als 100.000 EUR betrage; diese Voraussetzung liege hier nicht vor.

[16] Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung teilweise dahin ab, dass es die Antragsgegnerin zur Zahlung von 11.901,74 EUR verpflichtete; das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 4.573,80 EUR wies es – unangefochten – ab.

[17] Da es sich bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Mutter unter Berücksichtigung des individuellen Familienbedarfs nach deutschem Recht nur um eine Berechnungsmethode handle, eine verdeckte Haftung des besser verdienenden Schwiegerkindes ausgeschlossen sei und die Berechnung nur dazu diene, den der Antragsgegnerin aus ihrem eigenen Einkommen verbleibenden Betrag (und nicht ihren Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Gatten) zu ermitteln, sei die Berechnung gemäß Art 11 HUP nach deutschem Recht durchzuführen. Das Angehörigen-Entlastungsgesetz sei mangels Übergangsvorschriften auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anzuwenden. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung begründe keine Verwirkung. Die Antragsgegnerin sei hinsichtlich der monatlichen Mieteinnahmen auf 270 EUR anzuspannen.

[18] Im Einzelnen ergebe sich aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgende Berechnung:

[19] Bei der Berechnung des Unterhalts seien die von der Antragstellerin zugestandenen Abzüge in Abschlag zu bringen. Vom Familieneinkommen seien der Familienselbstbehalt und eine Haushaltsersparnis in der Höhe von 10 % abzuziehen. Der verbleibende Betrag sei zu halbieren und der Familienselbstbehalt wieder hinzuzurechnen.

 

2012

2013

2014

2015

Einkommen AG

1.614,00

1.614,00

1.614,00

1.614,00

Einkommen AG aus Miete

270,00

270,00

270,00

270,00

abzüglich Aufwand lt AS 267ff

-220,00

-220,00

-220,00

-220,00

verbleibendes Einkommen AG

1.664,00

1.664,00

1.664,00

1.664,00

Einkommen Ehegatte

4.459,97

3.328,89

4.497,02

3.651,26

abzüglich Aufwand lt AS 267ff

-148,67

-150,00

-150,00

-150,00

verbleibendes Eink. Ehegatte

4.311,30

3.178,89

4.347,02

3.501,26

Familieneinkommen

5.975,30

4.842,89

6.011,02

5.166,26*)

abzgl. Fam.Selbstbehalt

-2.700,00

-2.880,00

-2.880,00

-3.240,00

verbleibend

3.275,30

1.962,89

3.131,02

1.926,26*)

abzgl. 10% Haushaltsersparnis

-327,53

-196,29

-313,10

-192,63*)

Zwischensumme

2.947,77

1.766,60

2.817,92

1.733,63*)

davon verbleibende Hälfte

1.473,89

883,30

1.408,96

866,82*)

zzgl. Fam.Selbstbehalt

2.700,00

2.880,00

2.880,00

3.240,00

indiv. Familienbedarf

4.173,89

3.763,30

4.288,96

4.106,82*)

     

 

*) [2015 rechnerisch richtig:

Familieneinkommen 5.165,26

verbleibend 1.925,26

abzgl 10% Haushaltsersparnis -  192,53

Zwischensumme 1.732,73

davon verbleibende Hälfte 866,37

indiv. Familienbedarf 4.106,37]

 

[20] Vom individuellen Familienbedarf sei jener Anteil zu ermitteln, den die Antragsgegnerin mit ihrem Einkommen zum Familienbedarf im Verhältnis zum Einkommen ihres Ehegatten beitrage, und zwar im Verhältnis ihres Einkommens zu dem ihres Ehemannes (Anteil der Antragsgegnerin = individueller Familienbedarf / Gesamteinkommen x Einkommen der Antragsgegnerin gemäß der obigen Tabelle [1.664 EUR]):

2012: 4.173,89 / 5.975,30 x 1.664 = 1.162,34

2013: 3.763,30 / 4.842,89 x 1.664 = 1.293,06

2014: 4.288,96 / 6.011,02 x 1.664 = 1.187,29

2015: 4.106,82 / 5.166,26 x 1.664 = 1.322,76*)

*) [2015 rechnerisch richtig: 1.322,88]

 

[21] Ziehe man sodann vom Einkommen der Antragsgegnerin ihren verhältnismäßigen Anteil an der Deckung des Familienbedarfs ab, so verblieben folgende für den Elternunterhalt einsetzbare Beträge:

2012: 1.664 - 1.162,34 = 501,66

2013: 1.664 - 1.293,06 = 370,94

2014: 1.664 - 1.187,29 = 476,71

2015: 1.664 - 1.322,76 = 341,24*)

*) [2015 rechnerisch richtig: 341,12]

 

[22] Da jedoch die Antragstellerin monatlich für 12/2012 383,94 EUR, für 2013 und 2014 je 389,82 EUR und für 2015 je 358,94 EUR begehrt habe, könne über diese Beträge nicht hinausgegangen werden. Damit errechne sich der zuzusprechende Rückstand mit 1 x 383,94 EUR (für 12/2012) + 12 x 370,94 EUR (für 2013) + 12 x 389,82 EUR (für 2014) + 7 x 341,24 EUR [rechnerisch richtig: 341,12 EUR] (für 1‑7/2015), insgesamt 11.901,74 EUR [rechnerisch richtig: 11.900,97 EUR]; das Mehrbegehren von 4.573,80 EUR sei abzuweisen.

[23] Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil es zur Frage des bei Zusammenwirkens verschiedener Unterhaltsstatute im Rahmen einer Elternunterhaltsbemessung nach deutschem Recht bei Anwendbarkeit österreichischen Rechts auf die eigenen Unterhaltsansprüche des unterhaltspflichtigen erwachsenen Kindes gegen seinen Ehegatten keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.

[24] Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Antragsgegnerin die Abänderung dahin, den Antrag zur Gänze abzuweisen; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[25] Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[26] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist teilweise auch berechtigt.

[27] Der Senat hat erwogen:

[28] 1.1. Seit dem 18. 6. 2011 ist die Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUVO) in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden (Art 76 EuUVO). Nach Art 15 EuUVO bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für die Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll vom 23. 11. 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUP 2007) gebunden sind, nach jenem Protokoll. Nach Art 75 Abs 1 EuUVO ist diese Verordnung auf alle nach dem 18. 6. 2011 eingeleitete Verfahren anzuwenden. Das HUP 2007 ist in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) aufgrund des Ratsbeschlusses vom 30. 11. 2009, 2009/941/EG , jedenfalls ab dem 18. 6. 2011 anwendbar (vgl 3 Ob 234/16g; 7 Ob 116/12b; RIS‑Justiz RS0128213).

[29] 1.2. Der sachliche Anwendungsbereich der EuUVO umfasst nach ihrem Art 1 Abs 1 alle Unterhaltspflichten, die „auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen“, daher auch den hier auf die Antragstellerin übergegangenen Unterhaltsanspruch der Mutter der Antragsgegnerin gegenüber der Antragsgegnerin.

[30] 1.3. Für rückständigen Unterhalt gilt Art 4 Abs 3 Satz 1 HUP 2007 nicht; maßgeblich ist jenes Unterhaltsstatut, welches zu dieser Zeit (jeweils) die Unterhaltsbeziehung zwischen den Parteien regelte (6 Ob 224/18m = RS0132584).

[31] Nach Art 3 Abs 1 HUP 2007 ist für Unterhaltspflichten das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (

„Gläubigeraufenthaltsstatut“ – Fucik in Fasching/Konecny 2 Art 15 EuUVO [November 2010] Rz 16), hier daher zufolge des Aufenthalts der Mutter der Antragstellerin deutsches Recht.

[32] Dieses Recht bestimmt nach Art 11 HUP 2007 insbesondere, ob, in welchem Umfang und von wem der Unterhaltsberechtigte Unterhalt verlangen kann (lit a), in welchem Umfang die berechtigte Person Unterhalt für die Vergangenheit verlangen kann (lit b), die Grundlage für die Berechnung des Unterhaltsbetrags und für die Indexierung (lit c), die Verjährungsfristen oder die für die Einleitung eines Verfahrens geltenden Fristen (lit e) und den Umfang der Erstattungspflicht der verpflichteten Person, wenn eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung die Erstattung der der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachten Leistungen verlangt (lit f).

[33] Für das Recht einer öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtung, die Erstattung einer der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachten Leistung zu verlangen, ist nach Art 10 HUP 2007 das Recht maßgebend, dem diese Einrichtung untersteht, auch hier daher deutsches Recht.

[34] 1.4. Wie der Senat bereits zu 4 Ob 47/18t ausführte, kommt daher hier insgesamt deutsches Recht zur Anwendung.

[35] 2. Zur Bemessungsgrundlage führt die Antragsgegnerin ins Treffen, sie sei nach den deutschen Berechnungsmethoden wie eine Alleinverdienerin zu behandeln. Daraus ergibt sich, dass sie selbst von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgeht; warum sie als Verheiratete wie eine Alleinverdienerin zu behandeln wäre, legt sie aber nicht nachvollziehbar dar.

[36] 3. Soweit es um die Rechtsanwendung von fremdem Recht in seinem ursprünglichen Geltungsbereich geht, fehlt es an der im § 502 Abs 1 ZPO zugrunde gelegten Leitfunktion des Obersten Gerichtshofs (RS0042948 [T1]). Es ist nämlich nicht dessen Aufgabe, für die Einheitlichkeit oder gar Fortbildung ausländischen Rechts Sorge zu tragen (RS0042940 [T2, T3, T8, T19]). Eine erhebliche Rechtsfrage kann daher bei Anwendbarkeit fremden Rechts nur dann vorliegen, wenn dieses unzutreffend ermittelt oder eine in dessen ursprünglichem Geltungsbereich in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht missachtet wurde oder dem Rechtsmittelgericht grobe Subsumtionsfehler unterlaufen sind, die aus Gründen der Rechtssicherheit richtiggestellt werden müssen (RS0042948 [insb T3, T4, T21, T23]; RS0042940 [T9]).

[37] 4.1. Nach § 94 Abs 1 dSGB XII geht der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch eines Sozialhilfeberechtigten bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Als Folge des Anspruchsübergangs tritt ein Gläubigerwechsel ein, die Rechtsnatur des Anspruchs verändert sich nicht (4 Ob 47/18t; 7 Ob 143/16d).

[38] 4.2. Nach deutschem Recht ist im Lichte der Rechtsprechung des BGH (XII ZR 140/07 [= NJW 2010, 3161]; vgl auch XII ZB 25/13 = FamRZ 2014, 538; XII ZB 489/13 [= NZFam 2014, 986], XII ZR 43/11 = FamRZ 2013, 363, XII ZB 365/18 [= NJW 2019, 1074]; vgl Pfuhlmann-Riggert in Scholz/Kleffmann , Praxishandbuch Familienrecht, Teil L.1 [September 2020] Rn 158 mwN; Soyka in Scholz/Kleffmann , Teil J.1 [September 2020] Rn 57) die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt so zu ermitteln, dass vom Familieneinkommen der Familienselbstbehalt in Abzug gebracht und das verbleibende Einkommen um die Haushaltsersparnis vermindert wird. Die Hälfte des sich ergebenden Betrags kommt zuzüglich des Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute. Zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen. Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am Familienunterhalt einsetzen. Die Haushaltsersparnis, die bezogen auf das den Familienselbstbehalt übersteigende Familieneinkommen eintritt, ist regelmäßig mit 10 % dieses Mehreinkommens zu bemessen.

[39] Das Rekursgericht hat diese Berechnungsmethode bei der Ermittlung der Unterhaltspflicht der Antragsgegnerin zutreffend herangezogen und angewandt. Dass es die Berechnungsmethode grundsätzlich verkannt oder falsch angewandt hätte, macht auch der Revisionsrekurs nicht geltend.

[40] 5. Die Antragsgegnerin vermisst aber zusätzliche Abzüge von ihrem Einkommen; diese Einwände sind jedoch nicht berechtigt:

[41] 5.1. Der Revisionsrekurs wiederholt den erstinstanzlichen Standpunkt, es seien 5 % des Bruttoeinkommens für Altersvorsorge abzuziehen.

[42] Zwar ist einem Unterhaltspflichtigen bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt grundsätzlich zuzubilligen, etwa 5 % seines Bruttoeinkommens für eine – über die primäre Altersversicherung hinaus betriebene – zusätzliche Altersvorsorge einzusetzen (BGH XII ZR 149/01 = NJW-RR 2004, 793; XII ZR 140/07 = NJW 2010, 3161, Rn 25 mwN). Voraussetzung für eine Absetzbarkeit von Vorsorgeaufwendungen ist aber, dass derartige Aufwendungen tatsächlich geleistet werden; fiktive Abzüge kommen nicht in Betracht (BGH XII ZR 67/00 = DNotZ 2003, 549 [551]). Den Unterhaltspflichtigen trifft die Darlegungs- und Beweislast für eine in diesem Zusammenhang eingeschränkte Leistungsfähigkeit (vgl BGH XII ZB 236/14 Rn 38 mwN).

[43] Hier hat die Antragsgegnerin – wie schon das Rekursgericht aufzeigte – weder konkret vorgebracht, dass ihr Kosten für eine private Altersvorsorge tatsächlich entstanden sind, noch für welchen Zeitraum und in welcher Höhe.

[44] Die Nichtberücksichtigung dieses Abzugs durch das Rekursgericht entspricht daher dem deutschen Recht. Rechtliche Feststellungsmängel liegen nicht vor.

[45] 5.2. Der Revisionsrekurs wiederholt auch die Ansicht, das Rekursgericht hätte Fahrtkosten für Fahrten zur Mutter der Antragsgegnerin abziehen müssen.

[46] Kosten, die für die Besuche eines Unterhaltspflichtigen beim Elternunterhaltsberechtigten anfallen, können Aufwendungen sein, die die Leistungsfähigkeit iSd § 1603 Abs 1 BGB mindern (BGH XII ZR 17/11 Rn 29 ff).

[47] Die Antragsgegnerin hat hier aber lediglich vorgebracht, dass – von der Antragstellerin bestrittene – Fahrtkosten zur Mutter von monatlich 150 EUR abzuziehen seien. Auch hier ist die Antragsgegnerin schon ihrer Darlegungs- und Beweislast für konkrete Fahrten und eine deshalb eingeschränkte Leistungsfähigkeit (vgl BGH XII ZB 236/14; vgl oben Pkt 5.1.) nicht nachgekommen.

[48] Auch die Nichtberücksichtigung dieses Abzugs durch das Rekursgericht entspricht daher dem deutschen Recht. Rechtliche Feststellungsmängel liegen nicht vor.

[49] 5.3. Abzüge für berufsbedingte Aufwendungen von monatlich 220 EUR hat das Rekursgericht ohnehin – dem dies berücksichtigenden Vorbringen und der Berechnung der Antragstellerin folgend – vorgenommen, sodass die diesbezüglichen Ausführungen des Revisionsrekurses ins Leere gehen. Um welche andere oder zusätzliche Aufwendungen es sich handeln sollte, wurde in erster Instanz nicht vorgebracht und wird auch im Revisionsrekurs nicht dargelegt. Auch hier sind keine rechtlichen Feststellungsmängel ersichtlich.

[50] 6. Die im Revisionsrekurs – wie schon in den Vorinstanzen – geltend gemachte Verwirkung nach deutschem Recht liegt nicht vor:

[51] 6.1. Der Schuldner ist nach § 242 BGB verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

[52] Eine Verwirkung kommt demnach in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Zwar kann unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes bei Unterhaltsrückständen das Verstreichenlassen einer Frist von mehr als einem Jahr ausreichen. Es müssen jedoch zum reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Dieser Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden; ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs kann für sich genommen kein berechtigtes Vertrauen des Schuldners auslösen. Dies gilt nicht nur für eine bloße Untätigkeit des Gläubigers, sondern grundsätzlich auch für die von diesem unterlassene Fortsetzung einer bereits begonnenen Geltendmachung. Auch wenn der Gläubiger davon absieht, sein Recht weiter zu verfolgen, kann dies für den Schuldner nur dann berechtigterweise Vertrauen auf eine Nichtgeltendmachung hervorrufen, wenn das Verhalten des Gläubigers Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde den Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe (BGH XII ZB 133/17 mwN).

[53] 6.2. Das Rekursgericht hat diese – vom Erstgericht auch mit den Parteien erörterte (ON 47) – Rechtslage zutreffend wiedergegeben und davon ausgehend darauf hingewiesen, dass über das Zeitmoment hinaus hier keine festgestellten Umstände erkennbar sind, aus denen aus dem Verhalten der Antragstellerin ein für die Antragstellerin geschaffener Vertrauenstatbestand dahin ableitbar sei, die Antragstellerin hätte ihre Ansprüche aufgegeben. Dem setzt die Antragsgegnerin nichts Stichhältiges entgegen. Auf ihren subjektiv-individuellen Eindruck kommt es nicht an.

[54] 7. Zum Einwand, dass Regressansprüche der Antragstellerin zufolge des deutschen Angehörigen-Entlastungsgesetzes seit 1. 1. 2020 ausschieden, ist das Folgende auszuführen:

[55] 7.1. Das Gesetz zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz), dBGBl I 2019/46, 2135, fügte mit seinem Art 1 Z 8 in den – den Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen regelnden – § 94 dSGB XII folgenden Abs 1a ein:

„(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungs-berechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100.000 EUR (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. ...“

 

[56] Diese Bestimmung trat zufolge Art 8 Abs 3 Angehörigen-Entlastungsgesetz am 1. 1. 2020 in Kraft; Übergangsbestimmungen finden sich nicht.

[57] 7.2. Das Angehörigen-Entlastungsgesetz entfaltet keine Rückwirkung: Fälle, die bisher noch nicht abgeschlossen waren, können vom Träger der Sozialhilfe noch für Unterhaltszeiträume bis zum 31.  12.  2019 nach altem Recht weiterverfolgt werden ( Pfuhlmann-Riggert in Scholz/ Kleffmann , Praxishandbuch Familienrecht Teil L.2 [September 2020] Rn 158 f; vgl Schramm , Elternunterhalt im Lichte des Angehörigen-Entlastungsgesetzes, NJW‑Spezial 2020, 452 [453]).

[58] 7.3. Die Rechtsansicht des Revisionsrekurses, das Angehörigen-Entlastungsgesetz sei auch auf die hier strittigen Ansprüche aus den Jahren 2012 bis 2015 anzuwenden, ist unzutreffend. Die Rekursentscheidung entspricht auch insofern dem deutschen Recht.

[59] 8. Im Recht ist der Revisionsrekurs allerdings mit seiner Auffassung, der Anspruch für Dezember 2012 sei verjährt:

[60] 8.1. Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährung drei Jahre. Gemäß § 199 Abs 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

[61] Unterhalt ist gemäß § 1612 Abs 1 und 3 BGB grundsätzlich als monatliche Geldrente im Voraus zu bezahlen. Dies bedeutet hinsichtlich der Fälligkeit, dass die Monatsrente zu Beginn des Kalendermonats zu entrichten ist ( Langeheine in MünchKommBGB 8 § 1612 [2020] Rn 88).

[62] 8.2. Daraus folgt, dass die dreijährige Verjährungsfrist für den für Dezember 2012 geschuldeten Unterhalt mit Abschluss des Jahres 2012 begann, sodass sie zum Zeitpunkt der Antragseinbringung am 24. 10. 2016 bereits abgelaufen war. Dies ist in erster Instanz – entgegen der Behauptung in der Revisionsrekursbeantwortung – auch konkret eingewandt (ON 32) und erörtert worden (ON 47), ohne dass die Antragstellerin dem in erster Instanz die Behauptung verjährungshemmender Umstände entgegensetzte.

[63] 8.3. Das Antragsbegehren von 383,94 EUR für Dezember 2012 ist damit wegen Verjährung nicht berechtigt.

[64] 9. Im Ergebnis im Recht ist die Antragsgegnerin schließlich auch, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Rekursgericht sie auf ein Mieteinkommen von durchgehend 270 EUR monatlich angespannt hat und diesbezüglich rechtliche Feststellungsmängel geltend macht:

[65] 9.1. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, die Antragsgegnerin habe es unterlassen, den Eingang der monatlichen Mietzahlungen zu betreiben. Einen nachvollziehbaren Grund dafür, dass sie die Einbringlichmachung der monatlichen Zahlung aus dem Mietkauf unterlassen habe, habe die Antragsgegnerin nicht vorgetragen, daher sei sie auf den monatlich durchgehend erzielbaren Betrag von 270 EUR anzuspannen.

[66] 9.2. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind als Vermögenserträgnisse nach Abzug der notwendigen Ausgaben in vollem Umfang anrechenbares Einkommen; Mieteinnahmen sind ein Ertrag des Vermögens. Vermögen ist grundsätzlich unterhaltsrechtlich in ertragbringender, zumutbarer Weise zu nutzen (BGH IVb ZR 43/82 = NJW 1984, 1237). Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind daher unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen Langeheine in MünchKommBGB 8 § 1603 [2020] Rn 44). Die Mieteinnahmen sind in tatsächlich angefallener Höhe zu berücksichtigen ( Maurer in MünchKommBGB 8 § 1578 [2019] Rn 634 f). Es ist regelmäßig ein Durchschnittsbetrag anhand der Werte eines Jahres zu errechnen; bei erheblichen Schwankungen ist ein Mehrjahresdurchschnitt zu bilden ( Langeheine in MünchKommBGB 8 [2020] § 1603 Rn 44; vgl BGH IVb ZR 52/84 = NJW-RR 1986, 66). Nicht erzielte Mieteinkünfte sind fiktiv zuzurechnen, wenn in deren Nichterzielung eine Obliegenheitsverletzung liegt ( Maurer in MünchKommBGB 8 § 1578 [2019] Rn 634 f). Es ist zu prüfen, ob eine Immobilie vermietet werden kann. Es ist für die Unterhaltsberechnung stets bedeutsam, ob und in welcher Höhe aus einem Immobilienbesitz ein Mieteinkommen erzielt werden kann (vgl BGH IVb ZR 43/82 = NJW 1984, 1237). Unterlässt ein Beteiligter eine ihm zumutbare Vermietung oder Teilvermietung, ist ihm ein fiktives Einkommen wegen unterlassener Vermietung zuzurechnen ( B. Heiß/H. Heiß in Heiß/Born , Unterhaltsrecht, 3. Kapitel [Juli 2020] Rn 362; vgl BGH IVb ZR 61/82 = FamRZ 1984, 559 [561]).

[67] Die Beweislast für den Umfang der Leistungsfähigkeit trägt der Unterhaltspflichtige, wenn er einwenden will, zu Unterhaltszahlungen nicht oder nicht in vollem Umfang in der Lage zu sein; er muss seine Einkommens- und Vermögenssituation konkret darlegen (vgl Reinken in BeckOK‑BGB § 1603 [November 2020] Rn 94 mwN; B. Heiß/H. Heiß in Heiß/Born , Unterhaltsrecht, 3. Kapitel [Juli 2020] Rn 96 ff mwN).

[68] 9.3. Von dieser Rechtslage ausgehend reicht die Tatsachengrundlage nicht aus, zusätzlich zu den festgestellten tatsächlich eingenommenen Mieten eine Anspannung der Antragsgegnerin dahin vorzunehmen, dass für jedes Monat Mieteinnahmen in der Höhe von 270 EUR der Bemessungsgrundlage zugeschlagen werden. Es wurden weder zu den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen noch dazu Feststellungen getroffen, warum Mieteinnahmen unterblieben und ob es der Antragsgegnerin als Obliegenheitsverletzung anzulasten wäre, ihr mögliche und zumutbare Schritte unterlassen zu haben, um durchgehende Mieteinnahmen zu erzielen.

[69] Die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen in Ansehung des sich aus den fiktiven Mieteinnahmen ergebenden restlichen Unterhaltsteils von 1.712,13 EUR war daher unvermeidlich.

[70] 9.4. Mit der Antragsgegnerin wird die dargelegte Rechtslage dahin zu erörtern sein, dass sie konkretes Tatsachenvorbringen und Beweisanbot zu erstatten haben wird, wie es zur Nichterzielung von Einkommen aus ihrem Vermögen in den relevanten Zeiträumen gekommen ist. Diesbezüglich werden konkrete Feststellungen nachzutragen sein, aufgrund welcher beurteilt werden kann, ob die Antragsgegnerin ihrer Obliegenheit zur Erzielung zumutbarer Einkünfte nachgekommen ist. Hinzuweisen ist allerdings auch darauf, dass die Antragstellerin zum Mietwert der Wohnung die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt hat (ON 40).

[71] 10. Zusammengefasst bedeutet dies:

[72] 10.1. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das zuletzt erhobene Gesamtbegehren von 16.475,54 EUR aus den behaupteten, sich mit insgesamt 12.252,20 EUR errechnenden monatlichen Unterhaltsansprüchen nicht ableitbar ist; im Umfang von 4.223,34 EUR bestand das Begehren daher von vornherein nicht zu Recht.

[73] In diesem Umfang sowie mit weiteren 350,46 EUR, insgesamt 4.573,80 EUR, wurde das Antragsbegehren vom Rekursgericht unangefochten abgewiesen.

[74] 10.2. Mit weiteren 383,94 EUR besteht das Begehren für Dezember 2012 wegen Verjährung nicht zu Recht (oben Pkt 8.3), sodass die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern war, dass das Begehren mit insgesamt 4.957,74 EUR abgewiesen wird.

[75] 10.3. Ohne Berücksichtigung von Mieteinnahmen, aber unter sonstiger Beibehaltung der vom Rekursgericht herangezogenen Zahlen und Berechnungsmethode ergibt sich für die Monate Jänner 2013 bis Juli 2015 ein Unterhaltsanspruch der Mutter von 9.805,67 EUR, welchen die Antragsgegnerin jedenfalls zu zahlen hat:

 

2013

2014

2015

Einkommen AG

1.614,00

1.614,00

1.614,00

Einkommen AG aus Miete

0,00

0,00

0,00

abzüglich Aufwand lt AS 267ff

-220,00

-220,00

-220,00

verbleibendes Einkommen AG

1.394,00

1.394,00

1.394,00

Einkommen Ehegatte

3.328,89

4.497,02

3.651,26

abzüglich Aufwand lt AS 267ff

-150,00

-150,00

-150,00

verbleibendes Eink. Ehegatte

3.178,89

4.347,02

3.501,26

Familieneinkommen

4.572,89

5.741,02

4.895,26

abzgl. Fam.Selbstbehalt

-2.880,00

-2.880,00

-3.240,00

verbleibend

1.692,89

2.861,02

1.655,26

abzgl. 10 % Haushaltsersparnis

-169,29

-286,10

-165,53

Zwischensumme

1.523,60

2.574,92

1.489,73

davon verbleibende Hälfte

761,80

0,00

744,87

zzgl. Fam.Selbstbehalt

2.880,00

2.880,00

3.240,00

indiv. Familienbedarf

3.641,80

4.167,46

3.984,87

    

 

[76] Der Beitrag der Antragsgegnerin zum Familienbedarf errechnet sich nach der Formel: individueller Familienbedarf / Gesamteinkommen x Einkommen der Antragsgegnerin (1.394 EUR).

2013: 3.641,80 / 4.572,89 x 1.394 = 1.110,17

2014: 4.167,46 / 5.741,02 x 1.394 = 1.011,92

2015: 3.984,87 / 4.895,26 x 1.394 = 1.134,75

 

[77] Das Einkommen der Antragsgegnerin vermindert um ihren Anteil an der Deckung des Familienbedarfs ergibt die für den Elternunterhalt monatlich einsetzbaren Beträge:

2013: 1.394 - 1.110,17 = 283,83

2014: 1.394 - 1.011,92 = 382,08

2015: 1.394 - 1.134,75 = 259,25

 

[78] Der Gesamtrückstand errechnet sich aus 12 x 283,83 EUR (= 3.405,96 EUR für 2013), 12 x 382,08 EUR (= 4.584,96 EUR für 2014) und 7 x 259,25 EUR (= 1.814,75 EUR für 1–7/2015) und beträgt daher insgesamt 9.805,67 EUR.

[79] Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren dementsprechend dahin abzuändern, dass der Antragstellerin mit Teilbeschluss (§ 36 Abs 2 AußStrG) dieser Betrag zugesprochen wird.

[80] 10.4. Mit einem zufolge der Nichtberücksichtigung aller Mieteinkünfte verbleibenden Restbetrag von 1.712,13 EUR waren die Entscheidungen der Vorinstanzen nach dem oben zu Pkt 9. Gesagten aufzuheben.

[81] Das Erstgericht wird die Frage der Anspannung der Antragsgegnerin zu erörtern und entsprechende Feststellungen nachzutragen haben, aus denen die dargelegten Voraussetzungen für eine Anspannung der Antragsgegnerin beurteilt werden können. Es wird sodann für die bislang von der Antragsgegnerin zugestandenen und festgestellten sowie weiters die allenfalls nach Anspannung anzunehmenden fiktiven Mieteinnahmen im Sinne der deutschen Rechtslage (oben Pkt 9.2.) monatliche Durchschnittswerte zu bilden, damit den Gesamtunterhaltsanspruch zu ermitteln und daraus folgend die Berechtigung dieses verbleibenden Begehrens von 1.712,13 EUR zu beurteilen haben.

[82] 11. Die Kostenentscheidung des Teilbeschlusses beruht auf § 52 Abs 4 ZPO, der Kostenvorbehalt im Aufhebungsbeschluss gründet sich auf § 50 Abs 1, § 52 Abs 1 ZPO, jeweils iVm § 78 AußStrG.

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