OGH 3Ob168/20g

OGH3Ob168/20g4.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei G* k.d., *, vertreten durch Mag. Florian Mitterbacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die verpflichtete Partei M*, vertreten durch Mag. Felix Fuchs, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 60.088,11 EUR sA, über den Rekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 12. August 2020, GZ 2 R 55/20w‑21, womit aus Anlass des Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 23. Dezember 2019, GZ 3 E 2973/19a‑2, als nichtig aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130072

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss vom 23. Dezember 2019 bewilligte das Erstgericht der Betreibenden, einer slowenischen Kommanditgesellschaft, aufgrund eines Zahlungsbefehls des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. Juli 2015 zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 60.088,11 EUR sA antragsgemäß die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung ob mehreren näher bezeichneten Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteilen des Verpflichteten. Dieser Beschluss wurde an den Verpflichteten am 16. Jänner 2020 (Beginn der Abholfrist) an der im Exekutionsantrag angegebenen Anschrift durch Hinterlegung zugestellt und vom Verpflichteten (erst) am 3. Februar 2020 behoben.

[2] Aus Anlass des am 14. Februar 2020 eingebrachten Rekurses des Verpflichteten, mit dem dieser (nur) geltend machte, die Betreibende sei infolge Löschung aus dem slowenischen Gerichtsregister nicht mehr rechts- und parteifähig, hob das Rekursgericht – nach auftragsgemäßen Erhebungen des Erstgerichts zur Rechtzeitigkeit des Rekurses und zur Rechtsfähigkeit der Betreibenden – die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung als nichtig auf, erklärte das nachfolgende Verfahren für nichtig und wies den Exekutionsantrag zurück. Der Rekurs sei – zumindest im Zweifel – als rechtzeitig zu werten, weil der Verpflichtete unwiderlegbar angegeben habe, seinen Wohnsitz spätestens mit 10. Jänner 2020, also vor der Hinterlegung der Exekutionsbewilligung, von der im Antrag genannten Anschrift nach seiner nunmehrigen verlegt zu haben. Wie sich aus den Erhebungen des Erstgerichts und den vom Verpflichteten vorgelegten Unterlagen ergebe, sei die Betreibende mit Beschluss des Kreisgerichts in Kranj vom 5. Dezember 2017 aus dem slowenischen Gerichtsregister gelöscht worden, nachdem sie in zwei aufeinanderfolgenden Jahren keinen Jahresbericht zur Veröffentlichung bzw keine Angaben daraus eingereicht habe. Die Gesellschaft habe daher nach slowenischem Recht aufgehört, zu bestehen und könne folglich auch nicht Exekution führen. Nach österreichischem Recht beeinträchtige die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft und die Löschung ihrer Firma im Firmenbuch ihre Parteifähigkeit nicht, solange ihre Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten noch nicht abgewickelt seien, also nicht vor ihrer Vollbeendigung. Die Löschung wirke nur deklarativ, die Gesellschaft bestehe also solange fort, als noch Aktivvermögen vorhanden sei. Fehle es aber an Aktivvermögen, ende ihre Rechtspersönlichkeit mit der amtswegigen Löschung. Bis zum Beweis des Gegenteils sei davon auszugehen, dass die Gesellschaft nach der Löschung vermögenslos sei. Die hier an sich nach slowenischem Recht zu beurteilende Parteifähigkeit der Betreibenden sei auch unter Bedachtnahme auf die österreichische Rechtsprechung nicht gegeben: Die endgültige Löschung aus dem Gerichtsregister sei bereits am 5. Dezember 2017 erfolgt und der Titel stamme schon vom 1. Juli 2015, sei also bei Einbringung des Exekutionsantrags bereits über vier Jahre alt gewesen. Dieser vollstreckbaren Forderung stehe die vom Verpflichteten als Kläger in einem Verfahren des Landesgerichts Klagenfurt gegen die Betreibende als Beklagte erhobene Forderung von 63.144,62 EUR sA gegenüber, wobei dieses Verfahren mit Beschluss vom 14. Juni 2017 gemäß § 191 ZPO zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Geschäftsführer der Betreibenden unterbrochen und bisher nicht fortgesetzt worden sei. Im Zweifel sei daher auch nach österreichischem Recht davon auszugehen, dass die Betreibende mangels Aktivvermögens nicht (mehr) parteifähig sei. Da es sich beim verfahrenseinleitenden Schriftsatz um eine Grundbuchseingabe handle, scheide ein – ansonsten gebotener – Verbesserungsversuch aus.

[3] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Betreibenden, mit dem sie insbesondere rügt, das Rekursgericht habe das slowenische Recht unzureichend ermittelt.

[4] Der Verpflichtete beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Rekurs ist – als Vollrekurs – zulässig, weil die Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens und die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags durch das Rekursgericht wie ein gleichartiger berufungsgerichtlicher Beschluss (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) anfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0043774); er ist auch im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantragsberechtigt.

[6] 1. Dass das Rekursgericht den Rekurs des Verpflichteten als rechtzeitig wertete, ist nicht zu beanstanden:

[7] 1.1. Soweit die Betreibende auf dem Standpunkt steht, das Rekursgericht habe gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßen, indem es die Erhebungen zur Rechtzeitigkeit des Rekurses nicht selbst durchgeführt, sondern das Erstgericht damit beauftragt hat, genügt der Hinweis auf die die Vorgangsweise des Rekursgerichts deckende Bestimmung des § 526 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO. Das erforderliche rechtliche Gehör der Parteien (vgl RS0086612) wurde dadurch gewahrt, dass die Einvernahmen in einer vom Erstgericht mit den Parteienvertretern durchgeführten Tagsatzung erfolgten.

[8] 1.2. Die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels ist zu vermuten, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit wirkt zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (RS0006965). Für die Wirksamkeit der Hinterlegung kommt es entgegen der Ansicht der Betreibenden nicht entscheidend darauf an, ob der Zusteller davon ausging, dass der Empfänger an der Zustelladresse eine Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG habe, sondern nur darauf, ob dies tatsächlich zutraf. Das Rekursgericht hat es– hinreichend deutlich – (unbekämpfbar) als bescheinigt angesehen, dass dies nach den Erhebungsergebnissen nicht der Fall war, weil der Verpflichtete von dieser Anschrift ab 10. Jänner 2020 – und damit auch am Tag der Hinterlegung – verzogen war und er erst am 3. Februar 2020 zurückkehrte. Sekundäre Festellungsmängel liegen daher nicht vor.

[9] 2. Zur Parteifähigkeit der Betreibenden:

[10] 2.1. Nach österreichischem Recht wäre die Parteifähigkeit der Betreibenden entgegen der Ansicht des Rekursgerichts zweifelsfrei zu bejahen: Die Löschung einer Personenhandelsgesellschaft wie insbesondere einer Kommanditgesellschaft, der die Rechtsform der Verpflichteten entspricht, im Firmenbuch wirkt nämlich nur deklarativ und beeinträchtigt ihre Partei‑ und Prozessfähigkeit solange nicht, als verwertbares Gesellschaftsvermögen noch unverteilt vorhanden ist (RS0035195). Macht eine solche Gesellschaft selbst einen Leistungsanspruch geltend, kann Vollbeendigung von vornherein nicht eintreten, umfasst doch dann das Gesellschaftsvermögen wenigstens noch den behaupteten Anspruch und ist somit noch nicht vollständig abgewickelt (RS0062191). Daran kann weder der Umstand etwas ändern, dass der exekutiv betriebene Titel bei Stellung des Exekutionsantrags schon mehr als vier Jahr alt war, noch dass der Verpflichtete eine die betriebene Forderung betragsmäßig übersteigende Gegenforderung gegen die Betreibende gerichtlich geltend gemacht hat.

[11] 2.2. Allerdings ist die Parteifähigkeit einer ausländischen Person, wie das Rekursgericht grundsätzlich zutreffend erkannt hat, gemäß § 12 IPRG nach deren Personalstatut zu beurteilen. Mit „Rechts‑ und Handlungsfähigkeit“ erfasst § 12 IPRG alle Aspekte der Entstehung, der Existenz und des Untergangs juristischer Personen und ähnlicher Verbindungen (7 Ob 9/17z mwN). Das Personalstatut einer juristischen Person oder einer sonstigen Personen‑ oder Vermögensverbindung, die Träger von Rechten und Pflichten sein kann, ist gemäß § 10 IPRG das Recht des Staats, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat. Maßgebend ist hier also nur das slowenische Recht.

[12] 2.3. Ist fremdes Recht maßgebend, so ist es gemäß § 3 IPRG von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Nach § 4 Abs 1 IPRG sind zulässige Hilfsmittel hiefür auch die Mitwirkung der Beteiligten, Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Sachverständigengutachten. Es kommt in erster Linie auf die Anwendungspraxis des ausländischen Rechts durch die herrschende (höchstgerichtliche) Rechtsprechung an. Nur wenn dieser Lösungsansatz keine eindeutige Antwort ergibt, ist der herrschenden fremden Lehre zu folgen (RS0080958 [T3]).

[13] 2.4. Ob die Betreibende trotz ihrer Löschung aus dem slowenischen Gerichtsregister nach wie vor parteifähig ist, kann noch nicht abschließend beurteilt werden:

[14] 2.4.1. Den vom Verpflichteten hiezu vorgelegten Beschlüssen des slowenischen Registergerichts (Beilagen ./5 und ./8 bis ./10), lässt sich insofern nur entnehmen, dass das Registergericht von Amts wegen ein Verfahren auf Löschung aus dem Gerichtsregister ohne Liquidation einzuleiten hat, wenn die Gesellschaft in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren keinen Jahresbericht oder Angaben daraus zur Veröffentlichung eingereicht hat (Beilage ./9), dass mangels Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Einleitungsbeschluss vom Vorliegen eines Löschungsgrundes auszugehen ist (Beilage ./10) und dass ein Gläubiger der Gesellschaft zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Beschluss, mit dem das Vorliegen eines Löschungsgrundes festgestellt wird, nur dann legitimiert ist, wenn er zuvor Beschwerde gegen den Einleitungsbeschluss erhoben hat (Beilage ./8).

[15] 2.4.2. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, ob die Löschung der Gesellschaft aus dem Gerichtsregister konstitutiv wirkt, ihre Rechts‑ und damit Parteifähigkeit dadurch also auch dann erlischt, wenn sie in Wahrheit – wie hier die Betreibende – nicht vermögenslos ist, oder ob diese Löschung, wie nach der österreichischen Rechtslage, bloß deklarative Wirkung hat.

[16] 2.4.3. Die vom Verpflichteten dazu vorgelegte und vom Rekursgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegte Bestätigung Beilage ./4 ist – ebenso wie die Urkunde Beilage ./7 – für sich allein nicht geeignet, die slowenische Rechtslage im Sinn des Standpunkts des Verpflichteten zu belegen, weil sie nicht von einer unparteiischen Stelle, sondern vielmehr vom slowenischen Rechtsanwalt des Verpflichteten ausgestellt wurde.

[17] 2.5. Das Rekursgericht wird daher vor seiner neuerlichen Entscheidung ergänzende Erhebungen zur slowenischen Rechtslage durchzuführen bzw zu veranlassen haben.

[18] 3. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO iVm § 78 EO.

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