OGH 6Ob200/20k

OGH6Ob200/20k22.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Korneuburg zu FN ***** eingetragenen G***** Privatstiftung mit dem Sitz in B***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Mitstifters J*****, vertreten durch Dr. Kurt Berger und Dr. Mathias Ettel, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. August 2020, GZ 6 R 130/20m‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00200.20K.1022.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Bei zeitlicher Staffelung der Gestaltungsrechte für den aktuell allein änderungsberechtigten Stifter bestehen zwar gewisse Grenzen bei der Ausübung seines Änderungsrechts. Diese dürfen allerdings nicht allzu eng gezogen werden, haben doch die zeitlich nachgelagerten Mitstifter mit dem Umstand, dass sie die zeitliche Staffelung akzeptiert haben, eben auch akzeptiert, dass der zeitlich vorgelagerte Mitstifter zunächst allein Änderungen vornehmen kann; insoweit stellt eine solche Regelung den bewussten Ausdruck einer Willenseinigung und einer Hierarchie dar (vgl Rizzi, ecolex 2017/452 [Entscheidungsanmerkung]). Die Grenze ist dabei zwar dort zu ziehen, wo Rechtsmissbrauch in Gestalt eines krassen Missverhältnisses der Interessen vorliegt (dazu 6 Ob 122/16h GesRZ 2017, 181 [Kalss] = JEV 2017/7 [Hügel, 70] = ZfS 2017, 59 [Kepplinger] = ecolex 2017/452 [Rizzi] = wbl 2017/149 [Kraus, wbl 2018, 121]). Ob aber ein solcher Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage (RS0110900), deren Würdigung im Licht der Leitlinien der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO bzw § 62 Abs 1 AußStrG aufwirft, wenn der angefochtenen Entscheidung insofern eine zu korrigierende krasse Fehlbeurteilung anhaften sollte (RS0110900 [T2]).

Eine solche Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor: Der Vater des Revisionsrekurswerbers und vorgelagerte Mitstifter hat diesem das Änderungsrecht nicht entzogen, sondern lediglich an die Zustimmung des Beirats sowie – zu dessen Lebzeiten – auch des weiteren Sohnes und nachgelagerten Mitstifters gebunden. Durchaus vertretbar hat das Rekursgericht außerdem berücksichtigt, dass das Stiftungsvermögen hauptsächlich von der ersten Stiftergeneration (den Eltern des Revisionsrekurswerbers) und nur zu einem äußerst kleinen Teil von den nachgelagerten Stiftern stammte und dass der Vater sogar berechtigt gewesen wäre, die Stiftung vollständig zu widerrufen; in letzterem Fall wären dann dem Revisionsrekurswerber keinerlei Einflussrechte mehr verblieben.

Von einer – wie der außerordentliche Revisionsrekurs meint – „per se rechtsmissbräuchlichen, sittenwidrigen, unwirksamen und nichtigen vollständigen Entrechtung und Entmachtung“ des Revisionsrekurswerbers, der nach dem (natürlichen) Tod seiner Mutter und der Ermordung (unter anderem) seines Vaters und seines Bruders durch ihn selbst nunmehr einziger überlebender (Mit‑)Stifter ist, kann keine Rede sein, zumal ihm durchaus Rechte und vor allem auch die Begünstigtenstellung erhalten blieben, womit die im außerordentlichen Revisionsrekurs erwähnten Arbeitsleistungen zur Erhaltung des – das Stiftungsvermögen bildenden – Schlosses und sein Pflichtteilsverzicht nicht wertlos wurden. Darin liegt auch ein wesentlicher Unterschied zum Sachverhalt der Entscheidung 6 Ob 122/16h, bei der der vorgelagerte Stifter in Form einer „Bestrafung“ der Nebenstifterin und seinen Kindern die Begünstigtenrechte entzogen hatte, was mit dem von ihm beabsichtigten Zweck des Schutzes seines Unternehmens nichts zu tun gehabt hatte (ErwGr 2.4.4.).

2. Der Revisionsrekurswerber beanstandet außerdem den Umstand als unzulässig, dass sein Änderungsrecht an das „Einvernehmen mit dem Beirat“ gebunden wurde. Nach der Rechtsprechung des Fachsenats sind inhaltliche oder zeitliche Beschränkungen des Änderungsrechts allerdings grundsätzlich zulässig (vgl 6 Ob 210/14x). So wurde etwa in der Entscheidung 6 Ob 61/04w die Bestimmung, wonach Änderungen des Stifters der Zustimmung des Stiftungsvorstands bedürfen, nicht beanstandet, wenngleich die Zulässigkeit dieser Gestaltung nicht Entscheidungsgegenstand war. In der Entscheidung 6 Ob 49/07k wiederum führte der Fachsenat zur Bestimmung „Ist der Hauptstifter verstorben oder geschäftsunfähig, steht das Recht auf Änderung der Stiftungserklärung den Nebenstiftern zu und wird von diesen gemeinsam ausgeübt. Eine Ausübung des Änderungsrechtes durch die Nebenstifter bedarf der einstimmigen Zustimmung des Beirates, soweit ein solcher eingerichtet ist, sonst des Stiftungsvorstands.“ aus, er erachte die vorgesehene Zustimmung des Beirats für zulässig: Die Einräumung eines Zustimmungsrechts sei keine Einräumung des höchstpersönlichen Gestaltungsrechts; dadurch binde ein Stifter nur sein Änderungsrecht. Dies sei nicht bedenklich, könne doch ein Stifter das vorbehaltene Änderungsrecht inhaltlich beschränken und darauf überhaupt verzichten. Schließlich wiederholte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 177/10s die Aussage, es sei zulässig, dass der Stifter das sich vorbehaltene Recht zur Änderung der Stiftungserklärung beschränken, beispielsweise von der Zustimmung des Vorstands oder des Beirats abhängig machen kann (vgl auch RS0123559).

3. Das Privatstiftungsgesetz ermöglicht dem Stifter, seine Stiftungserklärung in zwei getrennten Urkunden zu errichten, nämlich der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde, wobei letztere gemäß § 10 Abs 2 PSG nur errichtet werden darf, wenn hierauf in der Stiftungsurkunde hingewiesen wird; eine Stiftungszusatzurkunde muss dabei keineswegs zeitgleich mit der Stiftungsurkunde, sondern kann auch erst nachträglich errichtet werden (RS0116352).

Nach N. Arnold (PSG³ § 9 Rz 22 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur) kann die Stiftungserklärung nur in eine Stiftungsurkunde und eine Stiftungszusatzurkunde getrennt werden; eine Mehrzahl an Stiftungszusatzurkunden sei daher unzulässig. N. Arnold verweist dabei auf den Gesetzeswortlaut, der in § 10 Abs 2 Satz 2, § 30 Abs 1 und § 33 Abs 3 PSG ausdrücklich von der Stiftungszusatzurkunde in der Einzahl (arg „[d]ie Stiftungszusatzurkunde“) spreche; auch die Materialien verwendeten den Begriff der Stiftungszusatzurkunde nur in der Einzahl. Der Ausschluss von mehreren Stiftungszusatzurkunden entspreche auch dem Regelungszweck des § 13 Abs 3 Z 3 PSG, der die Beweisbarkeit sicherstellen solle, welche Regelungen der Stiftungszusatzurkunde (die nicht zum Firmenbuch eingereicht wird) konkret zu gelten hätten. Diesen Überlegungen schließt sich auch der erkennende Senat an, ist doch auch in den Entscheidungen 7 Ob 53/02y, 6 Ob 95/15m und 6 Ob 228/17y immer nur von einer Stiftungszusatzurkunde die Rede.

Im Übrigen überzeugt auch die Überlegung des Rekursgerichts, der Revisionsrekurswerber solle nicht einfach die Einschränkungen des Änderungsrechts dadurch umgehen können, dass er, anstatt Änderungen der bestehenden Stiftungserklärung vorzunehmen, eine zusätzliche Stiftungszusatzurkunde errichtet.

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